Google This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct to make the world's books discoverablc online. It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the publisher to a library and finally to you. Usage guidelines Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. 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Domaszewski, A., Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze (hierzu Taf. 3) 158 Lehn er, H., Felix Hettner (hierzu ein Portrait Hettners) .... 339 Popp, E., Das Segment Lrnsing— Weissenburg des Strassenzuges Vindo- nissa — Bojodurum 277 Quilling, F., Spätrömische Qermanengräber bei Frankfurt a. M. (hierzu Taf. 1) 1 Riese, A., Sigillatastempel aus Bom 235 Weich er t, A., Ejie legio XXII Primigenia 119 b) Mittelalter und Neuzeit. Forst, H., Nachtrag zu Wd. Zs. XK S. 251 ff. 384 Franck. J., Sente Lüthilt 284 Hansen, J., Felix Hettner f 337 Hintze, £., Eine Geschichte der Kölner Malerschule 362 Oppermann, 0., Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte (hierzu Taf. 1 und 2) 4 Pohl, J., Die Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi 316 c) Recensionen. Burgen und Befestigungen im Sachsenlande. Angezeigt von Dr. C. Rubel 226 Hilliger, B., Rheinische Urbare I Angezeigt von Dr. 0. Redlich . 221 Knipping, R., Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Angezeigt von Dr. F. Vigener 217 Lau, F., Codex diplomaticus Moenofrancfurtensis. Angezeigt von Dr. H. V. Nathusius-Neinstedt 211 Abteilung III. Museographie über das Jahr 1901 : 1. Lehner, H., Westdeutschland (hierzu Taf. 4—15) .... 386 2. Bayrische Sammlungen 453 Tafeln. Taf. 1 zu Quilling, Germanengräber. Taf. 1 und 2 (sie!) zu Oppermann, Kritische Stadien. Taf. 3 zu Domaszewski, Beneficiarierposten. Taf. 4 zur Museographie von Darmstadt Taf. 5 zar Museographie von Homburg. Taf. 6 — 15 zur Museographie von Mainz. ClioMs. S. 236, 239, 241, 242. 246, 249, 252 zu Riese, Sigillatenstempel. S. 408 zur Museographie von Homburg. I -M. «^ Inhalt des Korrespondenzblattes und Limesblattes. (Die Citate gehen auf die Nummern des Eorrespondenzblattes, die mit * versehenen bezeichnen das Limesblatt.) Wlsseoachaftllohe Misoellaiiet« T. Domaszewski, A., Der Ezplo- ratorstein aus Heidelberg 3. — Die Principia et armamentaria des Lagers yon Lambaesis 8. — Weihung yon Waffen 61. ▼. Orienberger, Zur rheinhessischen Steininschrift 86. Heidenheimer, Elin Italiener des 16. Jhds. über Rheinländisches und WestfUisches 59. K e u 8 s e n , Die Bibliothek der Kölner Artistenfakultät 47. K ö hl , Zu den neolithischen Spondylus- schalen 3d. ▼. Loesch, H., Zur Datierung der Verordnung für die in England ver- kehrenden Kölner Kaufleute 83. Miebach, A., Zur mittelalterlichen Chronologie. Die Indictio secun- dum stilum Coloniensem 18. Riese, A., Einige römische und früh- mittelalterliche Ortsnamen im Mo- selgebiet 16. — Milit&rstempel 72. Ritterling, £., Zur Geschichte der römischen Legionslager am Nieder- rhein 62. — Der Ehrenbeiname nDomitiana*^ 71. Siebourg, M., Sammlung G. M. Kam in N^megen 16. Thomas, Chr. L., Ringwall- und an- dere urzeitliche Wohnst&tten 14. Waltzing, J. P., Inschrift aus Tongern 17. Praehistorisohe AHertiimer. Frühbronzezeitlicher Fund aus Tras- sem 64. Hallstattwohngrube bei Coblenz 76. Handmühlstein aus Oberleuken 65. La Tönegr&ber bei Coblenz 76. Keolithische ^ondylusschalen 35. Ringwftlle im Taunus und Spessart 14. Steinzeitliche Grabfelder bei Alzey 63, bei Mölsheim 86. Wohnst&tten im Taunus u. Spessart 14. RSnIache Altertfiner. Bauten, Brunnen bei Pfünz 206*. Capitol von Trier 41. Cisternen bei Pfünz 205'". Eisenschmelze bei Pfunz 205*. Entwässerungsgraben bei Hal- tern 87. Gebäude im Birkenfeldischen 27, bei Pfunz 205*, in Trier 41, in Wies- baden 26. Heidenmauer in Wiesbaden 26. Holzbauten in Haltern 87. Kasematten in Haltern 87. Kastelle: Capersburg 204'", Feld- berg 204*. Keller bei Heddernheim 86, bei Pfünz 205*.' Lager, grosses bei Haltern 87. Limesübergang bei Adolfseck 204* Mithrasheiligtum in Wiesbaden 26 Mosaiken mit Bacchus in Trier 41 mit Gladiatoren Trier 41, mit Or namenten in Münster bei Binger brück 74. Praetorium der Capersburg und des Feldbergkastells 204*. Strassennetz von Trier 41. Tempel in Trier 41. Thore der Kastelle auf der Capers- burg 204*, mit Holzbau bei Haltern 87. Töpferöfen bei Pfünz 205*. Türme bei Haltern 87. Uferkastell bei Haltern 87. Wall mit Holzbauten bei Haltern 87. Zwischenkastell aa der Aar 204*. Skulptur' und Ärchitdcturstüdce. Reliefs: Ära in Trier 41, Capito- linische Trias in Trier 41, Grab- reliefs aus Heidelberg 2, in Trier 41, Viergötterstein mit Fortuna, Mercur, Vulcan und Apollo in Mannheim 62, Sockelstein in Trier 41. Statuen: Fortunastatuette, Marmor- köpfchen (weiblich), Oberkörper ei- nes nackten Knäbchens, Portrait- kopf (männlich), Priap, sitzende Göttin, weibliche Togastatue, sämt- lich in Trier 41. Inschriflen. A u f s c h r i f t e n : Amphorengraffiti Hal- tern 87, Heddernheim 86, Mainz 12. Bleigewicht Heddernheim 86. Do- lianwtempel Mainz 12. Graffiti mu | Holland 16, ans Yienx Tnrahout 57. ■ Stempel auf Hobeleisen Feldberg, 204*, aof Kasserolengriffen Mainx 12, • Mosaikinscbrift Bniges 56. Sigil- ! latastempel aoa Adolfseck 204*, Ca- ; persbarg 204*, Feldberg 204*, ans j Holland 16. Terracottenstempel in Mainz 12, auf Thonkegel Mainz 12, auf Trinkbecher Tongres 58. Ziegelstempel: der leg. XIY in Maioz 12, der leg. XXII Mainz 12, der cob. IV Vind. Mainz 12, ans Holland 72, des 4. Jahrb. aus Wies- baden 26. Bau- und Ehreninschrift unter Macrinns aus Remagen 77. Meilenstein unter Decius, Heren- nius Etruscus und Hostilian Fried- berg 4. Grabinschriften: von Civilpersonen Heidelberg 2, christlich Maestricht 54; von Soldaten: explorator in Heidelberg 2, 3. Soldat der legin XXn Mainz 12 Votivinschriften: an Bellona Trier 41, Epona Gapersburg 204*, Jnp- piter Wiesbaden 26, Mithras Wies- baden 26, Volkanus Tongern 17, 53, unbestimmt Mainz 39. Unbestimmte Inschriftreste: In- schriftrest von Severus Alexander Capersburg 204*, Sandsteinstäck mit Löchern für BroDzebuchstaben Feld- berg 204*. Notabilia varia: Berus, Beruus Mattius, Ungario, Pacu, Masuetinca Heidelberg 2, 3; cives Bomani cen- turia Yalentini Gesatorum Tongres 17, 53 ; cohors I Flavia Remagen 77 ; horolegium ab horis intermissum Re- magen 77 ; miles pius Wiesbaden 26; P. Val(erius) Fau8(tus) Scor(obre8) Mainz 12; vinco bibentes titiAMEQbtBE Tongres 58. Münjsen. Antoniuus Pius im Zwischeukastell Adolfseck 204*; Garacalla, Elagabal, Julia Domna und Julia Aquilia Se- vera in einem Keller bei Pfüuz 205* ; Claudius bis Gallienus Capersburg 204*; Galerius, Diocletian, Valens in Wiesbaden 26; Septimius Severus, Julia Mamaea in Heddernheim 86; Traianus bis Philippus Arabs Feld- berg 204*. Gräber. Brandgrabcr beim Feldbergkastell 204*. Holzkiatengrab mit Hadriansmünze beim FeldbergkasteU 204*. Kiemaltertümer. Blei: Gewicht ans Heddernheim 86. Bronze: Büste eines Kn&cbens in Trier 41. Fibel Heddernheim 86. Kasserolen Mainz 12. Rhyton Trier 41. Eisen: Handwerkszeug Feldberg- kasteU 204*. Schmelze Pfunz 205*. Elfenbein: Buchschen in Form eines egyptischen Kopfes Trier 41. Glas: Becherfragment mit Gladiato- ren Trier 41. Gold: Ring mit Onyx FeldbergkasteU 204*. Kettchen mit grünen Glas- perlen Capersburg 204*. T h o n : Amphoren und Amphorendeckel Heddernheim 86. Sigillatatasse aus der Eisen schmelze bei Pfünz 205*. Töpfe aus Töpferofen bei Pfunz 205*. Urnen mit Bügelhenkel und doppel- ten Röhren in Holland 16. Vfilkerwanderungazeit. Christliche Plattengräber Heidelberg 2. Merovingisches Grabfeld bei Gross- Moyeuvre 1. Mittelalter. Althochdeutsche Steininschrift Mainz 36. Bronze- und Silberringe mit In- schriften Mainz 12. Frühmittelalterliche Grabinschrif- ten in Glons 55. Frühmittelalterliche Kirchenweih- inschrift in Glons 55. Hebräische Grabsteinejn Mainz 12. Münzfund 15/16 Jhdts. aus Fürsten- hausen 40. Fundorte. Adolfseck 204* Birkenfeld 27, Bruges 56, Capersburg 204*, Coblenz 75, 76, Feldberg 204*, Friedberg 4, Fürstenbausen 40, Glons 55, Gross- Moyeuvre 1, Haltern 87, Heddern- heim 86, Heidelberg 2, 3, Maestricht 54, Mainz 12, 39, Mannheim 62, Mölsheim 85, Münster bei Binf^er- brück 74, Oberleuken 65, Pfünz 205*, Remagen 77, Tongres 17, 53, 58, Trassem 64, Trier 42, Vieux-Turn- hout 57, Wiesbaden 26, Worms 63. Litteratur. Beyer, 0., Scholdenwesen der Stadt Breslka im 14. und 15. Jhdt. 49. Binz, C, Nicolaas von Gusa 45. Block, Urzeit s. Lavisse 88. Boos, H., Geschichte der rheinischen Stadtekoltur IV. 68. Croon, G.„ Zar Entstehung des Zunft- wesens 34. Dahm, Die Feldzüge des Germaaicus in Deutschland 66. Geissner, Die im Mainzer Museum befindlichen feineren . Gefösse der augusteischen Zeit und ihre Stem- pel 42. Gloel, H., Die Familiennamen We- sels 30. G&nther, 0., Ghristophorus Heyl 44. y. Gulik, W., Der Scholaster Johan- nes Gropper und seine Thätigkeit im Kurfürstentum Köln bis zum Jahre 1540. 69. Hasel off s. Sauerland. Haupt, H., Renatus Karl Freiherr von Senckenberg 28. H 8 1 m o It , H. F., Weltgeschichte 13, 82. Hess, J., Die Urkunden des Pfarr- archiTS Ton St. Severin in Köln 9. Kentenich, G., Die Handschriften der Imitatio Christi und die Autor- schaft des Thomas 48. K rafft, A., Les serments Carolingiens de 842 29. Erndewig, J., Der lange Landtag zu Düsseldorf 1591 81. Lavisse, E., Histoire de France (Bloch, Vorzeit) 88. Pauls en, F., Die deutschen Uniyersi- t&ten und das UnlTersitätsstudium 50. Fhilippi, F., Die Entwicklung des westfiüischen Wappens 7. Pirennes, H., Geschichte Belgiens 89. Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe 33. Rubel, K., Reichshöfe im Lippe-Buhr- und Diemelgebiete und am Hell- wege 32. Sauerland n. Haseloff, Der Psalter Ersbischof Egberts von Trier 6. Schmitz, J., Die Gogerichte im ehe- maligen Herzogtum Westfalen 31. Schneider, F., Schatzverzeichnisse der 3 Mainzer Klöster etc. 79. Schönbach, A., Gaesarius von Heister- bach 46. Stieve, F., Abhandlungen, Vorträge und Reden 70. Strack, A., Hessische Blätter für Volkskunde 43. Stückelberg, A., Geschichte der Re- liquien in der Schweiz 80. Tritz, M., Geschichte der Abtei Wad- gassen 78. Vogt, E., Die Reichspolitik des Erz- bischofs Balduin von Trier in den Jahren 1328-1334. 6. Winkelsesser, De rebus divi Au- gust! auspiciis in Germania gestis qnaestiones selectae 67. Gelehrte Gesellschaften, Museen, Vereine u. s. w. Badische Historische Kommission 38. Bayrische Akademie der Wissen- schaften, histor. Kommission 84. Gesellschaft für Rheinische Ge- schichtskunde 37. Hessen und Waldeck, historische Kommission 73. Historische Kommission zur Heraus- gabe lothringischer Geschichts- quellen 60. Monumenta Germaniae historica 61. Sächsische Kommission fär Ge- schichte 19. Berichterstatter und Mitarbeiter. a. 29. Baldes 27. Baumannn, K., 62. Bruchmüller, W., 13, 82. v. Domas- zewski, A., 3, 8, 51. v. Grienberger 36. Günther, A., 75, 76. Heiden- heimer, H , 59. Helmke 4. Hettner, F., 41, 64. Jacobi, L , 204*. Kdg. 79, 80. Keune 1. Keussen 47. 70. Koehl 35, 63, 85. Körber 12, 39, 42. Kohl, 0., 74. Ks. 44, 46. Leh- ner 77. Loewe, H., 81. v. Loesch 34, 83. Miebach, A., 18. Opper- mann, 0., 7, 31, 32, 33, 68, 89. Pfaff, K , 2. PhiHppi 87. Pohl, J., 48. QuilUng 86. Riese, A., 15, 72. Ritterling, E., 26, 52, 67, 71. Rup- persberg, A., 40. Seh., H,, 9. Seh., L., 78. Schuermans, H., 53, 54, 55, 56, 57, 58. Schneider 65. Sd. 5. S. L., 28, 43. Siebourg, M., 16. Thomas, Chr., L., 14. Waltzing, J. P., 17. Wiepen 30. Winkelmann, F., 205*. X. 6. Verelnsnachrlchten nnt«r Bedaktlon der YereiniTorttAnde. Fratürfwrt a. M, 10, 11, 20-25, 90. Dietz, A., Das Frankfurter Zinn- giessergewerbe 90. Heuer, 0., üeber das Willemers- bäuschen auf dem Mühlberg 21. Hülsen, lieber die jüngsten Ausgra- bungen in Milet 25. Jung, R., Ueber die Sacbsenhäuser Klubbisten zur Zeit der französischen Revolution 22. Kofier, Hügelgr&ber der Bronzezeit im Eranichsteiner Park 23. T. Nathusius-Neinstett, H., Das neue Frankfurter Urknndenbuch und seine Bedeutung für die städtische Geschichtsforschung 24. Padjera, Ueber die Rieder Höfe 10. Pelissier, üeber die Landwehr im Rieder Felde 11. Q u i 1 1 i n ff , Ueber den Hauptbegr^bnis- platz der römischen Stadt zwischen Heddemheim und Praunheim 20. Inhalt. Spätrömische Gennanengr&ber bei Frankfurt a. M. Von Dr. F. Quilling in Frankfurt a. M. (Hierzu Tafel 1). & 1. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. Von Dr. Otto Oppermann in Köln. (Hierzu Tafel 1 und 2.) 1. Kölner UrkundenÜUschung^n (St. C&cilien, St. Georg, St. Severin) und die Entstehung der Kölner Stadtverfassung. S. 4. 2. Siegburger Urkundenfälschungen und die Entstehung der Siegburger Territorialherrschaft. S. 59. Vom Korrespondenzblatt sind ausgegeben die Nrn. 1—4. Erschienen ist ErgäüZUngsheft X: über den ersten Yerbandstag der west- und süddeutschen Vereine für römisch - germanische Altertumsforschung zu Trier am II. und 12. April 1901. Preis 1 Mk. 60 Pfg. Für Abonnenten der Westd. Zeitschr. 1 Mk. 20 Pfg. ^1 11 Spätrömische Germanengräber bei Frankfurt a. M. Von Or. P. Qnllling in Frankfurt a. M. (Hisrzu Tafal I.) Zur Grappe der sp&trOmiBchen GermaneDgraber, die ReiDecke in der Mu-Nnmmer 1901 des anthropolog. Corr.-Bl. erstmals zusammeogesteUt hat, gehören zwei Grabfunde, die im März 1899 nächst Niedemrsel bei Frankfurt a. M. beim Lebmaushab znr Anli^e einer Ringofen-Ziegelei zn Tage kamen und dnrch gatige Vermittlang des Herrn Pfarrers Lommel in Niederursel dem Frankfurter Museum Qberwiesen wurden. Die Fundstelle liegt westlich der Landstrasse van Prannheim nach NiederuFsel; die genanen Masse sind aus folgender Sitnations • Skizze zn entnehmen: Grab II. C 67,85 Grab L B > S9,66 B D C a a I Praunheim nach Niederurscl. WmM. Zellacbr. [. Qeach. n. Knnst. XXI, l- 2 F. Quilling Beide Gräber weisen Bestattung auf und zwar lag im ersten der Sch&del nördlich ; bei dem zweiten, wo sich nur geringe Knochenreste vorfanden, war die Lage des Skelettes nicht mehr festzustellen. Eben- sowenig konnte Näheres über die Art der Anlage der Gräber ermittelt werden, da bis zu meinem Eintreffen der Befund schon zerstört war. Grab I ergab sich etwa 60 cm unter der Oberfläche des Ackers, ebenso Grab II, an dessen Stelle das Terrain ein GefiJle von etwa 1,50 m hat. Grab I enthielt als Beigaben die auf Taf. I unter Fig. 1 — 5 abgebildeten Gegenstände : Einen Beinkamm (zu Häupten des Skelettes), ein Eisenbeil, eine Bronzefibel und Nadeln von zwei Bronzefibeln. Ein mitgefundenes Thongefäss, welches Fig. 7 in der Form ähnlich ge- wesen .sein soll, wurde von den Arbeitern so gründlich zertrümmert und verschleudert, dass nur einige kleine Stückchen davon für das Museum gerettet werden konnten. In Grab II lagen die Beigaben, welche die Figuren 6 — 11 dar- stellen: Vier Thongefässe und zwischen ihnen ein Eisenbeil und ein Bronze-Löffelchen. Grab I. Der Beinkamm (Inventar-Nummer 19076; Fig, 1) hat eine Länge von 10 cm und eine Höhe von 7 Vi cm, wovon 2 auf die Zähne entfallen. Die Griffplatte ist mit Bronzenieten befestigt Das Kreis chen-Ornameot be- findet sich auf beiden Seiten. Das Eisenbeil (I.-Nr. 19075; Fig. 2) ist 17 cm hoch und am Kopfe 4 cm breit. Die Schneide hat eine Breite von 4 cm. Das Schaftloch zeigt nach innen kleine lappenförmige Verläni^erungen. Die Brouze-Charnierfibel (I.-Nr. 19077; Fig. 8) ist 5 cm lang. Am Anfang und Ende des breiten Bandbügels sind zwei Kreuzeheu eingraviert. Der Fuss verbreitert sich nach vorne, ist aber am Ende zu einer Spitze zugeschnitten, die Nadel fehlt. Grab II. Die vier Thongefässe sind ein rohgeformter Topf, ein elegant profilierter Napf, eine bauchkautige Schüssel und eine ebensolche Urne. Der Topf (I.-Nr. 19087; Fig. 6», 6b) besteht aus hellbraunem, im Brande teil- weise (namentlich innen) geschwärztem Thon und ist frei und dickwandig geformt, ohne jede Profilierung, am Rande leicht nach innen gebogen, mit einfacher, abgeplatteter Standfläche. Er ist aus Stücken zusammengesetzt, die Mündung z. T. ausgebrochen. Höhe: 12 cm, Mündungs - Durchmesser einschliesslich Rauddicke : IS^t cm, Durchmesser der Standfläche : 9^9'/» cm. Der Napf (I.-Nr. 19091; Fig. 7» und 7b) aus grauem Thon gefertigt, ist künstlich tiefschwarz gefärbt und zwar ist die schwarze Farbe nicht mit eingebrannt. Er ist elegant auf der Drehscheibe geformt, reich profiliert und mit besonderem Standring versehen. Höhe: 7 cm, Mündungs- Durch- messer einschliesslich Randdicke: 11cm. Aus zwei Teilen zusammengesetzt, Mündung z.T. ausgebrochen. Die bauchkantige Schüssel (I.-Nr. 19089; Fig. 8) besteht aus hellbraunem, dunkelbraun gebranntem Thone. Über der Bauchkante zwei umlaufende Rillen mit Zwischenwulst; stehender, etwa Sp&trömische Germaoengr&ber bei Frankfurt a. M. 3 2 cm hober Hals mit wulstigem Münduogsrand ; niedriger, docb sehr breiter, leicht eingebuchteter Fuss. Sehr scharf gebrannt, innen und aussen deutliche Rillen der Drehscheibe. Aus zahlreichen Stücken nur teilweise su- sammengesetzt. UrsprAnglicbe Höhe: ca. ll^t cm. Auch die hochgestreckte, kleine Urne (L-Nr. 19088; Fig. 9), deren Mündung leider fehlt, ist bauch- kantig. Auch hier ist die Bauchkante nochmals durch eine umlaufende Rille markiert. Die obere Hälfte des doppelkonischen Gef&sses zeigt ausser- dem noch mehrfache, nur weniger hervortretende Kantungen. Der hellbraune Tbon ist nach dem Brande aussen künstlich schwarz gefärbt; die schwarze Schicht ist in der oberen H&lfte teilweise abgeblättert, so dass der Thon- grund zum Vorschein kommt. Die Wandungen sind dick, der Fuss biegt etwas nach aussen aus. Höhe: lU/tcm, Durchmesser der Bauchkante: ca. lOVscm. Der Eisenkeil (I.-Nr 19090; Fig. 10), an dem oben ein Stück ausge- spriingen ist, besitzt eine Höhe von IS^.'t cm und eine Breite von 4Vt cm; seine stärkste Dicke beträgt 3 cm. Endlich das BronzelÖ ff eichen (I -Nr. 19092; Fig. 11), ähnlich dem von Lindenschmit, R.-O. Gentralmus. XXH, 18 abgebildeten besteht aus einer flachgehämmerten Schaufel an gewundenem Stiele, beide aus einem Stück geaibeitet. Es ist mit dem bekannten weiss- metallischen Überzug versehen, der seit dem .dritten Jahrhundert n. Chr. besonders beliebt ist. Die Gesamtlänge beträgt 16 cm, die der Schaufel 5 cm und deren Breite 8 cm. Wie bei den übrigen Funden dieser Art wirkt auch bei den vorliegenden die eigentümliche Mischung römischer und germanischer Ware und bei letzterer der unverkennbar starke römische Einfluss auf- fallend. Der Kamm, die Fibel, die Fibelnadeln und das Löffelchen sind römisch , Schussel und Urne sind germanisch , aber von dem fränkisch-alemannischen Typus verschieden. Ob der Napf spätrömisches oder germanisches Fabrikat mit allerdings sehr beträchtlichem römischem Einfluss ist, lasse ich dahingestellt. Charakteristisch für die Gräber dieser Kategorie scheinen von den keramischen Beigaben besonders die künstlich schwarz gefärbten Gefässe zu sein, was die Technik betrifft, und hinsichtlich der Profilierung die mehrfachen, mit Wulstleisten ab- wechselnden Rillen. In beiden Punkten gleicht der Napf einer Urne des Giessener Fundes, von dem er jedoch, was Schärfe der Formen betrifft, wiederum abweicht, so dass man den Niederurseier Fund später als den Giessener anzusetzen geneigt ist. Andrerseits scheint er älter zu sein als die Neuenheimer Grabbeigaben, die rund um 400 n. Chr. zu datieren sein dürften. Den einzigen positiven Anhalt für die Zeitstellung unseres Fundes bietet die Fibel. Sie zeigt den spät- römischen Typus, wie er in den jüngsten Limesschichten mehrfach (Osterburken und sonst) zu Tage gekommen ist. Nimmt also unser Fund eine Zwischenstellung zwischen den 4 0. Oppermann Giessener (um 200 n. Chr.) und den Neuenheimer (gegen 400 n. Chr.) Gräbern ein und weist die mitgefundene Fibel zeitlich auf die jQngsten Limesschichten hin, so dttrfen wir die beiden spätrömischen Germanen- gräber in Niedemrsel bei Frankfurt a. M. wohl rund um 300 n. Chr. datieren. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. Von Dr. Otto Oppermann in Köln. (Hierza Tafel 1 and 8.) III 1). 1. KSlner UrknndenftUchangen (St. Cftcilien, St. Georg, St. Severin) und die Entstehung der ESlner Stadtverfassnng. Die bisherigen Untersuchungen haben zu manchen unerwarteten Ergebnissen gefQhrt durch die Prüfung einer chronikalischen und ur- kundlichen Überlieferung, die bis in die letzte Zeit als einwandfreie Grundlage benutzt worden ist bei dem vielfachen Bemühen, die schwie- rigen Probleme der Kölner Verfassungsgeschichte aufzuhellen. Es liegt nahe, die Aufmerksamkeit auch weiterhin auf solche Urkunden zu richten, die im Streit um die Kölner Gau- und Stadtverfassung bereits zu einer gewissen Berühmtheit gelangt sind. Sollte dieser Streit sich nicht schlichten lassen, indem manches als spätere Fälschung aus den Quellen ausgeschieden werden muss, was bisher nur mit Mühe einem annehmbaren Bilde der Entwicklung eingegliedert werden konnte und deshalb immer wieder zu Widerspruch und neuen Aufstellungen heraus- forderte ? Eine der wichtigsten älteren Kölner Urkunden ist die, durch welche Erzbischof Bruno I. am 25. Dezember 962 dem St. Cäcilienstift zahlreiche Besitzungen im Gilgau schenkt. Sie ist nach einem Trans- sumt des 16. Jahrhunderts gedruckt bei Lacomblet, Urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins I Nr. 105^) und nach dem im Kölner >) Schluss dieser Studien, von denen Teil I im 19. Jahrgang (1900) S. 27 1^-344 der Westdeutschen Zeitschrift, Teil II ebenda 20. Jahrgang (1901), S. 120—164 erschienen ist. ') Ein für allemal wird bemerkt, dass für öfters citierte Werke folgende Abkürzungen verwendet sind. Lac. '^ Lacomblets urkundenbuch zur Geschichte des Niederrheins. Annalen = Annalen des historischen Vereins für den Niederrbein. Lac. Archiv -= Archiv für die Geschichte des Niederrheins, hg. von Lacomblet. Quellen = Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. von Kritische Stadien Eur älteren Kölner Geschichte. 5 Stadtarchiv beruhenden (angeblichen) Original von Cardauns, Annalen 26/27 S. 347. Auf dies Diplom hat sich Jahrzehnte lang die Ansicht von der Identität des Kölngaus und des Gilgaus gestflzt, bis neuerdings Heldmann ^ auf derselben Grundlage mit viel Scharfsinn zu erweisen gesucht hat, dass der Gau als Ganzes nie Kölngau, sondern Gilgau geheissen habe und der Kölngau, der Nievenheimer Gau und der Kutzgau nur seine Untergaue gewesen seien. Der Gilgau sei demnach neben Eifel-, Ahr-, Zülpich- und Jülichgau unter den fUnf ripuarischen Grafschaften zu verstehen, die 870 durch den Vertrag von Meerssen Ludwig dem Deutschen zufielen^). Heldmanns Beweisführung muss aber ins Wanken geraten, wenn sich das Diplom vom Jahre 962 als eine Fälschung erweist. Sehen wir zu. Es sind uns aus der älteren Zeit noch zwei erz- bischöfliche Urkunden fär St. Cäcilien in Köln erhalten. Die eine, im Kölner Stadtarchiv, ist ein Diplom Wichfrids vom 9. September 941, gedruckt Lac. I 93 und von zweifelloser Ächtheit ; sie ist als eine Probe dafür, wie man auch abseits von der königlichen Kanziei ausgefer- tigten Urkunden ein feierliches Aussehen gab, in die Kaiserurkunden in Abbildungen aufgenommen (Lieferung YII Tafel 29). Die andere, Lac. I 249, ist von Erzbischof Hermann IIL ausgestellt und undatiert; wir werden weiterhin genötigt sein, sie in unsere Untersuchung einzubeziehen. Zunächst lohnt es sich, eine Konfrontation von Lac. I 105 mit Lac. I 93 zu veranstalten. Bruno schenkt nach Lac. I 105: in B[a]che][mj forestesllmansumi et dimidium in villa vel marca Rensiae arpennas duo Wichfrid schenkt 941 (Lac. I 93): in eodem pago (Goloniensi) in loco qui dicitur Bachilomnnti ecclesiam unam cum terra arabili ad eam perti- nententi et duos speciales foras- tas cum mansis similibus duo- bos postremum vero in villa Reinsa de vineis particulas tres et sex carras de vino. Enn^ und Eckertz. Lau, KöLa » Fr. Lau, Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln bis zum Jahre 1396 (Bonn 1898.) Kn. = Regesten der Kölner Erzbischdfe, bearbeitet von R. Knipping, 2. Band (Bonn 1901). Wo nicht anders bemerkt, sind Urkunden und Regesten stets nach Nummern nicht, nach Seiten angefahrt. *) Der Kölngan und die civitas Köhi, Halle 1900. «) Ebenda S 5 f. 99 f. 103. Q 0. Oppermann Das Bachilomanti der Wichfridschen Urkande ist Bocklemand. In Lac. I 105 ist der Name zerstört, da das Pergament an der be- treffenden Stelle dnrchlöchert ist. Die Buchstaben B und el lassen sich aber noch ziemlich sicher feststellen; von dem vorhergehenden h ist die Oberlänge noch vorhanden; dass derselbe Ort wie Buchilomunti gemeint ist, erscheint nicht zweifelhaft. Nun stimmen zwar die Angaben beider Urkunden weder über den Besitz zu Bocklemünd noch über den zu Rense so völlig aberein, dass man sagen könnte: es handelt sich um dieselbe Schenkung, und wenn sie in einem zweifellos ächten Diplom von Wichfrid verbrieft wird, muss eine Urkunde, in der Bruno als Urheber (nicht etwa als Be- stätiger!) dieser Schenkung auftritt, falsch sein. Wenn sich aber aus äusseren Anzeichen ergiebt, dass in Lac. I 105 eine nach dem Muster einer ächten Urkunde Brunos angefertigte Fälschung vorliegt, als deren Zweck man mithin eine Interpolation vermuten muss, so wird sich der Verdacht, Bestandteil dieser Interpolation zu sein, gegen Angaben richten müssen, welche, wie es scheint, einen bereits von Wichfrid geschenkten Besitz in etwas erweiterter Form verbriefen. Schreiten wir also zur Untersuchung der diplomatischen Ausser- lichkeiten. Die Schrift von Lac. I 105 (vgl. die Schriftprobe**) Tafel I Nr. 8) gehört einer späteren Zeit an und ist in dem Bemtihen, die SchriftzQge des 10. Jahrhunderts nachzuahmen, verstellt. Die Buch- staben a, 0, p sind in der altertQmlichen Form konsequent durchgeführt ; aber ausgeschwungene Ober- und Unterlängen waren dem Fälscher ebensowenig geläufig wie kanzleimässige Buchstaben Verbindungen. Vgl. das erste Wort qu^dam, wo das sonst unnatürlich lang heruntergezogene q mit einem kurzen, dicken Schaft stehen geblieben und der Schaft des d durch einen nachträglichen Aufsatz verbessert ist. Ferner des et in predicta, das ss in dem einmal mit einer Majuskel beginnenden Wort abatissa, das u und das monströse r in illarnm, das et in electione. Das 11. Pontifikatsjahr Brunos läuft von August 964 bis dahin 965, passt also, wie schon Cardauns bemerkt hat, nicht zum sonstigen Datum. Rechts in der Ecke findet sich ein Recognitionszeichen, dem von Wichfrids Urkunde Ijac. I 93 genau nachgebildet. Der Schreiber Von Lac. I 105 hat aber die Bedeutung dieses Zeichens gar nicht ver- ^a) Sämtliche Schriftproben sind auf photographiscbem Wege hergestellt. Kritische Stadien zur ältoren Kölner Geschichte. 7 standen; denn da die Recognitionszeile mit dem Namen des Kanzlers, die in Wichfrids Urkunde vorauspreht, in Lac. I 106 fehlt, steht hier das ,et recognovit^ Yöllig in der Lnft. Über dem Recognitionszeichen ist Brunos Siegel anfgedrackt. Da wir im Verlaufe unserer Untersuchung noch öfter in die Lage kommen werden, erzbischöiliche Siegel auf ihre Ächtheit hin prüfen zu mOssen, ist es nötig, hier kurz aber die Merkmale zu orientieren, die uns für die ' Entscheidung derartiger Fragen zu Gebote stehen. Wie ich schon in Jahrgang XX (1900) dieser Zeitschrift S. I2l zu bemerken Gelegenheit hatte, hat mich Herr cand. phil. Ewald, der mit eingehen- den Studien über die mittelalterlichen Siegel in den Rheinlanden be- schäftigt ist, zu grossem Dank verpflichtet, indem er mir auf diesem Gebiete den richtigen Weg gezeigt hat. Als acht, oder doch nach einem ächten Muster so angefertigt, dass dieses sich durch die Fälschung hindurch noch erkennen lässt, kann mit Sicherheit nur eine verhältnismässig kleine Zahl von erz- bischöflichen Siegeln aus der älteren Zeit bezeichnet werden^). Stellen wir sie nach Grösse (lotrechtem Durchmesser) und Umschrift zusammen, so erhalten wir folgendes Bild: Heribert 1003 Febr. 16«) 51 mm. f lERIBRTVS SERVVS SCI PEUI (unten beginnend). [Hermann H. 1041 Juni 17^) 57 mm. f lERIMANNVS DI GRA(C ?) ARCHI6PS (oben beginnend wie alle folgenden).] *) Für Fälschungen vermutlich des 12. Jahrhunderts muss ich jetzt auch die Urkunden Heriberts für Deutz Lac. I 186 und 188 von 1003 April 1 (angebl. Originale in Düsseldorf) und Lac. I 146 von 1009 März 1 (angebl. Original im Kölner Stadtarchiv) erklären. Der für sie angefertigte falsche Siegelstempel ist auch im 12. Jahrhundert bei den Fälschungen für St. Martin, Quellen 1 19. 20. 21 benutzt worden. Ich habe dies Siegel Westd. Zeitschr. 20. Jahrgang (1901) S. 145 f. noch für acht gehalten. Ebenso ist die a. a. 0- S. 122 ff. von mir noch nicht angezweifelte Urkunde Annes für St. Kunibert Lac. I 218 mit dem in Lac. Archiv III Tafel Nr. 4 abgebildeten Siegel ge- fälscht. Im Rahmen dieses Aufsatzes kann ich nicht alle Urkunden als Fälschungen erweisen, die ich einstweilen als solche zu bezeichnen genötigt bin. Doch werde ich in allen diesen F&Uen später über mein Urteil Rechen- schaft abzulegen Gelegenheit haben, da ich von der Gesellschaft f&r rheinische Geschicbtskunde mit der Herausgabe der ältesten rheinischen Urkunden be- traut worden bin. *) Original in Düsseldorf. Gedruckt Lac. I 141. Das Siegel abge- bildet ebenda Tafel II No. 5. ^ Original von zweifelhafter Ächtheit in Düsseldorf. Gedruckt Lac. I 177. 8 0. OppermanD Anno II. 1063 April 27 und an zwei undatierten Urkunden^) 62 mm. f ANNO DI ") GRA C0L0NIEN8IS ARCHIEPS [Sigewin 1085*«) ca. 77 mm'*), f SIGEWINYS DI GRA C0LONIENSI8 ARCHIEPS] Hermann IH. 1096 Dez. 2»«) 76 mm. f HE(RmANNVS) ") DI GRA COLONIENSIS ARCHIEPS Friedrich I. 1110 Mai 15 »*) und 1127 >*) 86 mm. FRITFERICVS • DI • GRA • COLONIENSIS ARCHIEPC Dies Material ergiebt jedenfalls zweierlei. Einmal hat die Grösse des Siegelstempels stetig zugenommen. Und femer erscheint erst nach Heribert die Titulatur Dei gratia Coloniensis archiepiscopus, die dann buchstäblich beibehalten wird. Über das Siegelbild ist zu sagen, dass es seit Hermann IL gleichfalls völlig konstant bleibt : Brustbild des barhauptigen Erzbischofs mit dem Erummstab in der ausgestreckten Rechten und einem Buch in der Linken. Erst Friedrich I. erscheint sitzend in gänzer Figur. Es entspricht dieser Entwicklung, dass auf den Kölner Münzen erst seit Arnold IL (1150 — 56) der Erzbischof in ganzer Figur sitzend und erst seit Philipp von Heinsberg (1167 — 91) mit Mitra erscheint. Der Zeit des letzteren Erzbischofs gehören auch die sogenannten Hitarc-Denare an, die von Cappe, Beschreibung der cölnischen Münzen, Dresden 1853, unter Nr. 299 ff. verzeichnet und auf Tafel X Nr. HO. 13. 14. 15 abgebildet werden. Prüfen wir nun das angebliche Siegel Brunos an Lac. I 105, so finden wir einen Durchmesser von 52 mm und die Umschrift t BRVNO ARCHIEPISCOPVS. Das Siegelbild weicht von der Aus- führung der späteren Stempel völlig ab und ist, wie es scheint, nach ^) Originale der datierten und der ersten undatierten Urkunde im Kölner Stadtarchiv, der zweiten undatierten Urkunde in Dösseidorf. Alle drei Siegel sind eingeh&ngt. Gedruckt Lac. I 199. 225. 226. *) Abgekürzt für DEI, indem der Balken des D wagrecht durchstrichen ist. ^^) F&lschung, aber das Siegel nach achtem Master. Angebliches Original im Kirchenarchiv von St. Martin. Gedruckt Quellen I 84 S. 493. ^^) Eine genaue Messung ist unmöglich, weil das Siegel beschädigt ist. ^') Original in Düsseldorf. Gedruckt Lac. I 252. ^*) Auf der einen Seite ist die Umschrift durch Beschädigung zerstört. ^«) Original im Kölner Stadtarchiv. Gedruckt Quellen 1 115 S. 614. Kn. 69. ^^) Original im Kircheoarchiv von Gross St Martin in Köln. Gedruckt Quellen I 40 S. 502. Kn. 236. KritiBche Studien zur älteren Kölner Geschichte. 9 antikem Muster gearbeitet. In scharfem Gegensatz dazn steht aber die Umschrift, die in plumpen Buchstaben von sehr nnregelmässiger Grösse offenbar nachträglich hinzugefügt ist. Das Siegel von Lac. I 105 ist mithin sicherlich falsch. Den letzten Beweis dafbr liefert die angebliche Urkunde Hermanns III. Lac. I 249. Wir finden an ihr ein Siegel, das zwar in Bild und Umschrift den sonstigen Siegeln Hermanns III. durchaus entspricht, aber genau in der gleichen Weise und in dem gleichen bräunlich- weissen Wachs gearbeitet ist wie das angebliche Siegel Brunos. Die beiden Urkunden sind also gleichzeitig hergestellt worden. Beschäftigen wir uns zunächst mit Lac. I 249. Von Erzbischof Hermann III. sind uns in OrigiiialeD oder angeb- lichen Originalen ausser Lac. I 249 sechs Urkunden erhalten: swei für Brauweiler, Lac. I 244 und 256; eine für St. Andreas in Köln, Lac. I 245; eine für St. Pantaleon, Lac. I 248, und zwei für Kloster Siegburg, Lac. I 252 und 253, von denen sich die letztere unten als Fälschung erweisen wird. Die Urkunden Lac. I 244 und 256 (Brauweiler) scheinen gleich- händig, sind aber verdächtigt^). Ist eine acht, so hat die andere als Vorlage gedient. Unter sich gleichhändig sind auch Lac. I 245 (St. Andreas) und Lac. I 252 (Siegbnrg); Lac. I 248 ist von einer eng verwandten, in derselben Schule gebildeten Hand geschrieben. Eine Urkunde Hermanns III., deren Herstellung mit Sicherheit dem Em- pfänger zugewiesen werden könnte, besitzen wir also nicht; vielmehr sind die drei letztgenannten Diplome, wie man annehmen muss, aus der erzbischöflichen Kanzlei hervorgegangen. Ans der älteren Zeit be- sitzen wir an einwandfreien Originalen eine Urkunde von Heribert, drei von Anno II. und zwei von Sigewin. Die vier erstgenannten sind sämtlich für Kloster Deutz ausgestellt, könnten also für den Empfönger vindiciert werden, doch ist Herstellung in der erzbischöflichen Kanzlei wahrscheinlicher. Die Urkunden Sigewins, Lac. I 230 für St. Ursula (1080) und Lac. I 236 für Mariengraden (1085) sind von Schreibern gleicher Schule geschrieben, deren einer indirekt auch in einer verlorenen erzbischöf- liclien Urkunde für Siegburg nachweisbar ist. Die unten folgenden Unter- suchungen über Kloster Siegburg, aus denen wir dies vorwegnehmen, werden auch ergeben, dass man dort noch um 1105 der Diplomschrift unkundig war. ^*) Die Fälschungen für Brauweiler bedürfen einer nochmaligen Unter- suchung, zumal da, wie es scheint, die Neusser Fälschung, die bei Kremer, Akadem. Beiträge H 203 £f. abgedruckt ist, mit ihnen in Zusammenhang steht. 10 0. Oppermann Nach alledem wird man nicht erwarten, dass bereits zur Zeit Hermanns III. im Cäcilienkloster eine erzbischöfliche Urkunde vom Em- pfönger hergestellt wurde ^^). Die ausgebildete, von den übrigen Diplomen Hermanns durchaus verschiedene Diplonischrift, in der Lac. I 249 geschrieben ist, wird denn auch durch das durchweg interlineare, unten mehrfach deutlich nach rechts umgebogene r und den zuweilen gleich- falls nach rechts umgebogenen ersten Schaft des n ins zweite Viertel des 12. Jahrhunderts gerückt. (Vgl. die Schriftprobe Tafel I No. 9). Als sehr auffallend kommt das Fehlen der Intitulatio hinzu; das Datum fehlt zwar auch in ächten Urkunden Annos, aber in keinem der übrigen von Hermann III. ausgestellten Diplome. Die Pönformel ist hinter den Zeugen hinzugefügt ; merkwürdig, dass, wie wir sehen werden, auch der Schreiber von Lac. I 105 nachträglich das Bedürfnis hatte, einen solchen Zusatz zu machen! Überdies sind auch in der Titulatur der Zeugen von Lac. I 249 Anachronismen festzustellen. Adelbrecht comes de Safenberg ist mit diesem Titel in keiner einzigen Urkunde ausreichend bezeugt. Unter Sigewin (Lac. I 241. 42), unter Hermann 1090 (Lac. I 244) und noch unter Friedrich I. 1109 (Knipping 20) heisst er Adelbertus de Saffenberg. Kn. 13 (1101) wo Albertus comes de Saffenbergh steht, ist nicht beweiskräftig, weil nur in einer Kopie des 17. Jahrhunderts erhalten, die auch den Namen Adalbert ungenau überliefert hat. Nur 1116 (Kn. 126) ist im Text von der presentia Adelberti comitis de Sappehberch die Rede. Adelberts Sohn Adolf wird 1117 zuerst Graf genannt^®). Nach einer Nachricht der Annales Rodenses ^^) wurde ihm sogar erst 1122, als er des Erz- bischofs Nichte Margarete heimführte, die Grafschaft verliehen. Nicht besser steht es um Adelbreht comes de Norvenich. Er ist mit dem Grafentitel nicht vor 1110 bezw. 1117 bezeugt. Lac. I 253 gehört zu den Siegburger Fälschungen, von denen noch die Rede sein wird. Ohne die Bezeichnung comes erscheint Adalbert von Norve- nich Kn. 20 ^: Lac. I 260 als Zeuge einer unter Hermann III. ausge- ^^) Wie weit dies später der Fall war, läset sich nicht sagen; die älteste in achtem Original erhaltene Urkunde für St. Cäcilien nächst jenem Diplom Wichfrids ist von 1186. 1«) Kn. 132. 138. Die Erwähnung von 1112 Kn. 95 ist nicht beweis- kräftig ; denn einmal ist diese Zeugenreihe wie die von Kn. 93 und 94 über- haupt problematisch, weil der Ministerialenvogt Aimarus vor Adolf von S. steht ; ferner aber liegt in Kn. 95 offenbar eine spätere, interpolierte Fassung von Kn. 93 vor. ") Mon. Germ. SS. XVI 703. Kn. 205. \ I Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. XI stellten Urkunde, ferner Kn. 64 = Lac. I 272 (1109), Kn. 68 (1110 oder 1112). Erst Kn. 140 = Lac. I 284 nennt (1117) als Zeugen einer Urkunde von 1110 Albertus comes de Nörvenich. Ein jüngerer Adalbert von Nörvenich, 1136 — 69 nachweisbar (vgl. Kn. Raster) führt dann durchweg den Grafentitel. Gerhart comes de Guliche erscheint in Lac. I 249 zum ersten Mal als Territorialgraf; dann erst wieder Kn. 31 (1104) und Kn. 75 (1100 — 10). Überhaupt lässt sich, von unserer Urkunde abgesehen, im 11. Jahrhundert nur ein einziger rheinischer Territorialgraf nach- weisen: Heinrich comes de Lache 1075 (Beyer Mittelrhein. ÜB I 375) und 1085 (Lac. I 236). Letztere Urkunde Sigewins gehört wie be- merkt zu denen, gegen deren Ächtheit ich nichts einzuwenden finde. Immerhin dürfte das Vorstehende genügen, um nachzuweisen, dass Lac. I 249 in verunächteter Fassung vorliegt. Als interpolierten Passus haben wir wohl den anzusehen, der die Einkünfte des Pfarrgeistlichen festsetzt : Mioistranti autem illic et curam habenti ad victum et vestitum in Stombele decimas trium mansuum, XXX iurnales in dotem cum decimis et aream ibi sitam, et de curia dominicata decimas YIII iumalium. Einen mutmasslich ächten Bestandteil der im Zusammenhang mit Lac. I 249 verunächteten Urkunde Lac. I 105 bildet, dass Bruno dem Kloster schenkt in pago Gilegovi in comitatu Godeüridi comitis in rilla vel marca Stumbele curtem dominicatam cum XLVI mansis, aecclesiam cum omni adde- « cimata sibi utllitate, mancipiis, silvis, pascuis et omnibus appendiciis. Sollte es ein Zufall sein, dass Lac. I 249 zu gunsten des Pfarr- geistlichen verunächtet ist, der, wie wir annehmen müssen, auch die Kanzleigeschäfte im Nonnenkloster St. Cäcilien besorgte? Kehren wir zu Lac. I 105 zurück. Hier ist der letzte Passus Ego Bruno Dei gratia archiepiscopus hanc cartam a Meginhero can- cellario scriptam manu propria sigillo impresso confirmavi. Si quis pretitu- latam traditionem infringere vel minuere conatur, iram Dei omoipotentis odiumque omnium sanctorum et perpetuum anathema incidat tarnen rege celorum prohibente sancteque Dei ecclesie rectoribus, cunctis etiam recte credentibus maxime quidem meis successoribus perficere ullo modo nequeat mit blasserer Tinte, aber von gleicher Hand hinzugefügt und von ,prohibente^ ab sogar den rechten Yertikalrand des Pergaments ent- lang geschrieben. Dieser nachträgliche Zusatz, der auf das gefälschte Siegel Bezug nimmt, hat allem Anscheine nach in der Vorlage nicht gestanden. 12 0. OppermaDD Dass Dämlich eine ächte Urkande Brunos für St. Cäcilien die Grundlage für die Fälschung bildet, wird meines Erachtens durch die Intitulatio Bruno secclesiarum Christi famulus erwiesen. Sie findet sich auch in dem zwar gleichfalls gefälschten, aber ohne Zweifel einen ächten Kern enthaltenden Privileg Brunos für das St. Pantaleonskloster Lac. I 106 und war somit eine Eigentümlichkeit des Brunoschen Urkunden- stils, auf die ein Fälscher von sich aus nicht verfallen konnte. Wenn wir nun aus dem Text Lac. I lOö die unächten Bestand- teile anszusch^den versuchen, so giebt uns die eben diesen Bestand- teilen, wie eben bemerkt, zuzurechnende Pönformel einen Fingerzeig dadurch, dass sie die Urkunde pretitulatam traditionem nennt. Auf die Bestimmungen über die freie Wahl der Äbtissin legte der Fälscher mithin keinen Wert ; er hatte sie aus seiner Vorlage Qbemommen, und wir dürfen sie deshalb als authentisch ansehen. Was die Schenkungen selbst anlangt, so ist oben schon die Schenkung zu Stommeln als wahrscheinlich authentisch bezeichnet wor- den ; die genaue geographische Bezeichnung in pago Gilegovi in comitatu Godefridi comitis, über die ein späterer • Fälscher nicht mehr orientiert sein konnte, spricht für die Ächtheit dieser Stelle. Das Gleiche gilt von den Besitzungen, die als im Engersgau liegend bezeichnet werden. Man beachte, dass die Wendung ,cum sibi attitulata decimatione^ die bei der villa Gegina (Geyen) gebraucht wird, bei der villa Hedenesthorp (Heddesdorf im Engersgau) wiederkehrt., und ähnlich heisst es schon bei Stommeln ,cum omni addecimata sibi utilitate^ Bei der villa Bruoche ist ,et secclesiam^ überschrieben, also dringend verdächtig, Zuthat des Fälschers zu sein ; der mansus in Bruoche — wahrscheinlich Greven- broich — hat somit, noch ohne Kirche, zu den von Bruno geschenkten Gütern jedenfalls gehört. Damit sind die Maschen des ächten Textes immer enger um die Stelle zusammengezogen, die den Besitz des Stifts in Berge, Ulvesheim, Gunteresthorp, Sintere, Buchilmunt, Langel, iuxta muros civitatis Co- loniae, Rumenthorp und Palmeresthorp aufzählt. Bocklemünd ist ja oben bereits in den Verdacht der Interpolation geraten. Das gleiche muss bei Berge und Ulvesheim der Fall sein, wenn man diesen Namen die nächstliegende Deutung giebt, ohne Rücksicht darauf, ob die Ortschaften im Gilgau bezw. Kölngau liegen oder nicht: Berkum im Kreis Bonn, wo im Besitz des Stifts später ein Lehnhof mit Hofgericht nachweisbar ist, und Ollesheim zwischen Düren und Lechenich oder Ollheim im Kreise Rheinbach. Kritische Studien zar älteren Kölner Geschichte. 13 Als Ortschaften des Gilgaas ergeben sich aas dem ächten Text von Lac. I 105 mithin nnr Stommeln, Geyen und Grevenbroich. Der Ansicht, dass der Gilgan bis an die Mauern von Köln herangereicht, dass er den ganzen Eölngan mit nmfasst habe, ist damit die einzige Statze entzogen'^). Unbefangener Erwägung wird es ja auch be- fremdlich erscheinen müssen, dass der unbedeutende Gilbach einem so ausgedehnten Gebiet, wie es von Heldmann umschrieben worden ist, den Namen gegeben haben soll. Indem wir mithin genötigt sind, an die Fragen der Gaugeographie Ripuariens von neuem heranzutreten, ist zunächst zu betonen, dass pagus und comitatus nicht als Ausdrücke für den gleichen Begriff angesehen werden dürfen. Der pagus, der Gau, bezeichnet ein Landgebiet, das wahrscheinlich aus der Niederlassung einer Tausendschaft entstand ^^). Indem durch den Ackerbau die Beziehungen des Volkes zum Boden inniger wurden, wurde das besiedelte Land nach allen Seiten räumlich abgeschlossen; der Boden, bisher der zufällige und oft gewechselte Aufenthaltsort für die Tausendschaft, wurde die Grundlage für die ka- rolingische Gerichtsverfassung. Die Einheitlichkeit dieser Verfassung wurde nun mit der Zeit durchbrochen durch die Errichtung von Im- munitäten für Königs- und Kirchengut. Diese Immunitäten stellten, wie bekannt, zunächst blosse Friedensbezirke dar, die nur den ausführen- den Organen, nicht der richterlichen Gewalt des Grafen, Eintrag zu thun geeignet waren. Allein sie wurden bald, wenn auch zunächst nicht rechtlich, so doch thatsächlich zu Gerichtssprengeln, die den Gauen ebenbürtig zur Seite traten und deren Gontinuität völlig zerstören mussten. Indem man, was von diesen übrig geblieben war, zu neuen Rechtsver- waltungsdistrikten zusammenlegte, entstanden die Grafschaften, comitatus, bei deren mehr oder weniger willkürlicher Abgrenzung man sicherlich auch auf den Grundbesitz der adligen Familien Rücksicht nahm, deren Mitglieder für die Besetzung des Grafenamtes in Betracht kamen. Die Bezeichnung Gau lebte nur als geographischer Begriff fort; wie weit *^) Zu Gonteresthorp ist zu bemerken, dass dieser Ort mit dem in der Urkunde Zwentebolds von 898 Jani 4 (Lac. I 81) genannten Guntherisdorp jedenfalls identisch, nämlich Junkersdorf westlich von Köln ist. Letzteres erklärt Heldmann a. a. 0. S. 90 als Juntersdorf bei Zülpich, doch heisst dieser Ort noch 1124 (Lac. I 299 = Kn. 214) Cuntersdorp. Fällt die Inter- pretation Heldmanns, so wird durch die Urkunde von 898 bezeugt, dass die Golonia civitas im Kölngau lag. *^) VgL Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, 114 ff. and zum Folgen- den Gengier, Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns I (1889) 145 f. 14 ^- Oppermann man davon entfernt war, pagus und comitatns als gleichbedeatend anzu- sehen, beweist der Brauch der Urkunden, Gau und Grafschaft, den Gau als Territorium, die Grafschaft nach dem Namen des Grafen, zur Bezeichnung einer Ortschaft anzufahren. Schon im Jahre 870 fohrt nun der Teilungsvertrag von Meerssen als Anteil Ludwigs des Deutschen auf: Coloniam, Treviris, Uttrecht, Strastburg, Basulam ; eine ganze Reihe von Klösten^ darunter St. Ma- ximin (Trier), St. Stephan (Strassburg), abbatiam de Aquis, dann u. a. das districtnm Aquense, das districtum Trectis, in Ripuaria comitatus quinque. Dieser Wortlaut, insbesondere die Aufzählung eines Trierer, Strassburger und Aachener Klosters neben Colonia, Treviris und dem districtum Aquense beweist, dass zwar nicht, wie Heldmann angenommen hat, die Bischofsstädte, wohl aber der immune Grundbesitz der fünf IMschofskirchen, zahlreicher Abteien und der des Königs zu Aachen und Maastricht als selbständige Verwaltungsbezirke neben den Grafschaften ange.sehen wurden. Es ist mithin unzulässig, die fünf ripuarischen Graf- schaften mit fünf Gauen zu identificieren. Vielleicht fielen vier dieser Grafschaften mit dem Eifelgau, Ahrgan, Zalpichgau und Jfllichgau zu- sammen ; die fünfte würde dann aus vier pagi, Kutzgau, Gilgau, Nieven- heimer Gau und Kölngau bestanden und schon damals einen Umfang besessen haben, der geeignet war, die Grundlage für das spätere Her- zogtum Ripuarien zu bilden. Im 10. Jahrhundert hatten sich diese Verhältnisse bereits weiter entwickelt. Nach Lac. I 105 war zur Zeit des Erzbischofs Bruno ein Graf Gottfried im Gilgau beamtet ; nach der Urkunde für das St ürsula- stift in Köln von 945 Lac. IV 604 liegt Jülich in pago Juliacense in comitatu Godefridi coraitis, der als Bruder des Erzbischofs Wichfrid unmittelbar hinter diesem und vor den übrigen Geistlichen auch unter den Zeugen erscheint. Und an derselben bevorzugten Stelle, als erster hinter dem, Erzbischof und vor den presbiteri und prepositi, steht Gode- fridus comes in der Urkunde Wichfrids für das St. Severinsstift von 948 Lac. I 102. Freilich sind beide Diplome in der vorliegenden Form Fälschungen, Lac. IV 604, weil von dem sacer locus XI milium virginum die Rede ist, was eine Ausgestaltung der Ursulalegende vor- aussetzt, die sich erst im 11. Jahrhundert vollzogen hat; Lac. I 102 aus Gründen, die weiterhin noch zu erörtern sein werden. Aber die Angaben über den Grafen Gottfried müssen beiderseits dem ächten Bestandteil der Fälschung angehören ; eine ist unabhängig von der andern entstanden und somit jede für die andere in diesem Punkte beweiskräftig. Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 15 Sind diese drei Erwähnungen eines Grafen Gottfried auf dieselbe Person zu beziehen? Jedenfalls wird man den 948 in Lac. I 102 genannten comes Godefridus der bevoi-zugten Stellung wegen, die er unter den Zeugen einnimmt^ als den Bruder des Erzbischofs Wichfrid ansehen und ihn mit dem Grafen im Jfilichgau, der 945 bezeugt ist, identiücieren müssen. Dass er auch Graf im Kölngau war, wird durch folgende Erwägung nalie gelegt. Zu der Urkunde Lac. I 102, deren ächte Vorlage, wie sich ergeben wird, die Schenkung des Waldes Hus- holz südwestlich von Köln und der Kirche zu Immendorf, also von Besitzungen im Kölngau, zum Gegenstande bat, sind neben vier Pres- bytern, zwei Pröpsten und zwanzig nicht näher bezeichneten Leuten an erster Stelle der Graf Gottfried und der Vogt Adelgerus zugezogen**). Das erklärt sich am einfachsten, wenn sie die Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit im Gau waren, der Graf für die dem offen tlichten Ge- richt noch unterstehenden Reste des alten pagus, der Vogt für den immunen Grundbesitz der Kölner Kirche. Dass es derselbe Graf Gott- fried war, der unter Erzbischof Bruno den Gilgau verwaltete, ist des- halb wenigstens wahrscheinlich, weil die Grafen von Jülich später als Rechtsnachfolger der Gaugrafen im Gilgau erscheinen*^). Der Zusammen- hang, den Müller, Annalen 24, S. 197 ff. zwischen Gottfried und den späteren Grafen von Jülich herzustellen versucht hat, bleibt freilich gleichwohl höchst problematisch, da die Namen Gottfrid und Wichfrid im Jülicher Grafenhause später nie mehr vorkommen. Und doch ist im Mittelalter die Regel, dass zwei Vornamen in einem Geschlecht typisch wiederkehren; die Jülicher Grafen heissen denn auch später abwechselnd Gerhard oder Wilhelm. Ein Kölner Gaugraf, der in der civitas Coloniensis seinen Sitz hatte, ist ja durch die Annales Golonienses schon zum Jahre 849 be- zeugt **) ; sein Amtsnachfolger war, so scheint es, unter den Erzbischöfen Wichfrid und Bruno I. ein Mitglied einer der mächtigsten Fami- lien des Landes, Wichfrids Bruder, dessen Grafschaft sich auch über Gilgau und Jülichgau erstreckte. Sollte da nicht die Verleihung der '*) Die Reihenfolge, ia der Lacomblet und Cardauns, Annalen 26 '27, S. 846 die Zeugen abgedruckt haben, ist irreführend. Sie stehen im Original in 14 Columnen, die je zwei zusammengehörige Namen enthalten : erst Graf and Vogt, dann zwei Paare presbyteri, ein Paar prepositi und zehn Paare andere Zeugen. »») Heldmann a. a. 0. S. 108. ^*) Mon. Germ. S. S. I 97: Werinharius comes Coloniae. 1 18 0. Oppermann herzoglichen -Gewalt an Brano plötzlich verst&ndlich werden als ein klager Akt ottoniscber Politik, der es ermöglichte, den mächtigen Gan- grafen ohne Gewaltmassregel in diejenige abhängige Stellang herabzu- drOcken, in welcher er — als Burggraf — später dem Erzbischof gegenOber erscheint? Die Annahme, der Kölner Barggraf sei ein alter Gangraf, liegt ja nahe, wenn man bedenkt, dass dieser Beamte nicht wie die Barg- grafen in zahlreichen andern Städten, z. B. in Strassbarg, aus der Ministerialität des Stadtherrn hervorgegangen, also einfach von diesem eingesetzt ist; der Kölner Burggraf war vielmehr edelfreien Standes and hatte neben dem Erzbischof den Bann vom Reiche'^). Eine Analogie zu dem aus dem Kölner Gaugrafen hervorgegangenen Barggrafen warde die Burggrafscbaft Regensbarg bieten: sie war „ein das Weichbild der Stadt mitbegreifender Unter-Comitat des Donaugaas^ (genau wie der pagus Goloniensis als Unter-Comitat zum comitatns Godefridi gehörte!). „Seit Kaiser Otto I. nahm das Amt des urbanus comes de Ratipona .... den Charakter der Reichslebenbarkeit mit Unterordnung anter die Hoheit der Bayernherzoge an" *^). Der entscheidende Beweis wird durch zweierlei zu erbringen sein. Einmal durch die Feststellung, dass bis tief ins 12. Jahrhundert hinein der "Gerichtsbezirk des Kölner Burggrafen nach allen Seiten hin weit in den Gau hinausgreift und erst nach der Rechtsanschauung späterer Zeit diese Gerichtsbarkeit in der Stadtmauer ihre Grenze findet. Femer durch den Nachweis, dass ausserhalb der Stadt Köln eine Dingstatt, die einer alten Hundertschaft mit einiger Wahrscheinlichkeit zugesprochen werden könnte, im ganzen Kölngau nicht nachweisbar ist. Alle Ge- richte in diesem Bezirk sind vielmehr aus den Meiergerichten von Hof- genossen oder als kommunale Neubildungen erst vergleichsweise spät zur Kompetenz von Schultheissengerichten herangewachsen. Hat also der Kölngau, nachdem er mit andern, gleichfalls durch die Errichtung von Immunitäten zerstückelten Gauen zu einer Grafschaft vereinigt war, überhaupt noch mehrere Dingstätten besessen, so sind dieselben schon frühzeitig in der Stadt Köln zusammengelegt worden. Eine ganz ahn- '') Lau, Köln S. 8. 11. Nach Lau S. 9 kann man den Burggrafen „als direkten Nachfolger der Gaugrafen nicht wohl betrachten **. Lau hat aber selbst früher diese Ansicht gehabt, die auch Hegel (Städtechroniken XII S. XXni) vertritt. '*) Gengier, Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns I (1889) S. 148. Kritische Stadien zar älteren Kölner Geschichte. 17 liehe Goncentratiop der Gerichtsstätten werden wir bei der Ausbildung des Siegbnrger Bannbezirks sich vollziehen sehen (unten S* 89). Was nun zunächst die räumliche Ausdehnung der Zuständigkeit des Kölner Stadtgerichts im 12. Jahrhundert anlangt, so wird die fol* ^ende Zusammenstellung, denke ich, den angekündigten Beweis erbringen. Im Jahre 1159 wird ein AUod in yilla Morsdorp (heute der Morsdorfer Hof bei Mflngersdorf), que sita est infra bannum urbis Ck)lonie, tradiert secundum ius Ck)loniensis urbis per ipsos iudices Colonienses sub presentia senatorum et civium. Als Zeugen erscheinen Burggraf und Vogt, Untergraf und Untervogt, zwei Zöllner, 12 senatores, et omnes tarn senatorum fratres et Coloniensis urbis potiores cives^'^). Das Mauritiuskloster war dicht vor der römischen Stadtmauer auf dem Grunde der Abtei St. Pantaleon um 1140 erbaut worden*^). 1157 wird es als ecclesia b. Mauritii que in suburbio Coloniensis civi- tatis constructa est, 1166 als ecclesia b. Mauritii in Colonia urkundlich erwähnt'^). In der letzteren Urkunde ist von zwei mansiones in pago iuxta claustrum s. Mauritii die Rede. 1158 bedient sich Gertrud, magistra in ecclesia s. Mauritii Colonie, der Kölner Schöffen als Treu- händer; sie tradiert assensa toI antäte mihi sobiectarum Dei famolaram atlodium seu mansum 'quem io villa Canaphia sita in episcopatu Leodyensi nostra tenuit ecclesia . . . b. Marie in Trigecto . . . qaodque per fideles manus Coloniensis scilicet scabinos quorum hec sunt nomina (7 Namen) in presentia comitis Alberonis et ^dvocati Herimanai multorumque aliorum proborum vironim testimonio compleviitius et exfestucamas puplice secundum morem Coloniensium. Ne igitur hoc pactum . . . aliqua obscuret antiquitas . . . placnit facta pre- «enti roborare scripto et sigillo b. Mauricii . . . innodare. . . . Acta sunt hec .... in cnriam(!) ante ecclesiam b. Petri. Verum quia testes videlicet iudices et scabinos supra notavimus, hinc loco iuserere supervacuum induxi- muB. Sigillum etiam sancte Coloniensis urbis huic cartule innectere civibus placuit'*). Vor den Schöffen von Köln wird unter Erzbischof Philipp von Heinsberg (1167 — 91) die Freilassung des Töpfers Arnold von dem «rzbischöflichen Hofe Pingsdorf (Landkreis Köln) durch den Vogt unter Zustimmung der erzbischöflichen Ministerialien vollzogen ^^). Kurze >') Quellen I 74 S. 351 f. *«) Lac. I 352 = Knipping 418. «•) Lac. I 892 = Kn. 643. Lac. I 418 = Kn. 847. **) Franquinet Oorkonden en bescheiden van het kapittel van 0. L. Yrouwerk te Maastricht L Maastricht 1870 S. 13 Nr. 5. '1) Höniger, Schreinsurkunden II, 1. Scab. 1, III 1. Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, I- 2 18 0. Oppennaon Zeit nachher hat sich Arnoldas Cragere in der Parochie St. Brigiden angekauft **). Gleichfalls unter Erzbischof Philipp wird coram indicibus et sca- binis ein Gut bei Widdersdorf (Landkreis Köln), Wald, Felder und Hof- stätten, verkauft ^^). In der villa Höningen, die im Stiftsbezirk von St. Severin lag^*), in Merheim, Longerich und Freimersdorf, also im ganzen Umkreis des Kölngaus, ist durch die Eintragungen des Schöffen- Schreins aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit der Kölner Hochgerichtsschöffen über Liegenschaften bezeugt'*). Das Augustiner-Kloster ad Martyres (Mechtem) errichtete Erz- bischof Philipp im Jahre 1180 auf dem Grund und Boden des St. Ge- reonsstiftes'^) an der Stelle des heutigen Ehrenfeld; 1181 erscheint es urkundlich als ecclesia iuxta Coloniam sita, 1185 als ecclesia ad Martyres que est in pago Coloniensi ''). Der pagus Coloniensis, das ergiebt sich aus alledem mit Sicher- heit, ist mit dem bannus urbis Colonie identisch ; der alte Landgerichts- bezirk, der Kölngau, fällt zusammen mit dem Gerichtsbezirk des Kölner Burggrafen. Dieser Gerichtsbezirk, das war weiter zu beweisen, ist durch ver- fassnngsgeschichtliche Neubildungen allmählich durchlöchert und eingeengt worden, so dass sich schliesslich die Rechtsanschauung bilden konnte, er habe in der Stadtmauer seine gegebene Grenze. Wir müssen da natürlich zunächst die älteste und wichtigste Neu- bildung ins Auge fassen, die auf Kosten des pagus Coloniensis entstanden ist, die Immunität der Kölner Bischofskirche. Freilich hat gerade ihre Entwicklung, wie sich ergeben wird, zu einer dauernden Schmälemng des Grafen gericlits nicht beigetragen, weil das Immunitätsgericht des Vogtes mit dem Grafengericht frühzeitig verschmolzen ist. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Erzbischöfe für ihre Im- munität bereits im 10. Jahrhundert die hohe Gerichtsbarkeit besassen »*) Höoiger a. a. 0. I. Brig. 2 HI 18. >*) Ebenda I(. 1. Scab. 1 III 5. ^*) Lac. I 102: usque ad villam que nominatur HoiDcbe et quicquid pertinet ad illam. Die Stelle gehört zum inhaltlich einwandfreien Bestand- teil der Urkande, wie unten zu erweisen sein wird. ") Vgl. Höniger a. a. 0. II, 2 Register S. 298. "*) Quellen I 93 S. 581 : quia locus idem ad ecclesiam b. Gereonis prius pertinebat. Kn. 1152. ") Lac. I 480 = Kn. 1163. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln III S. 10 Nr. 33. Kn. 1243. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 19 und das im Kölngau gelegene Gnt der Kölner Kirche somit eine grund- herrliche Grafschaft bildete*^. Ein Kölner Vogt edelfreien Standes ist im 10. and 11. Jahrhundert in der That nachweisbar; in jener Urkunde Wichfrids von 948, deren ZeuRenreihe wir oben als acht anerkannt haben, wird der Vogt Adelgerus unmittelbar hinter dem Bruder Wich- frids, dem Grafen Gottfried, vor allen andern geistlichen and weltlichen Zeugen genannt, und in Erzbischof Annos Urkunde von 1061 Lac. I 196 erscheint unter den ritterlichen Freien, den milites, neben dem Barggrafen Franco : Rftker advocatns noster. Was ist aus diesem Kölner Edelvogt geworden? Ein Beamter, den wir als Amtsnachfolger des Rftker advocatns von 1061 anzusehen berechtigt wären, ist Jahrzehnte hindurch nicht nachweisbar. Erst 1147 erscheint Graf Adolf von Saffen- berg, der seit 1122 mit einer Nichte des Erzbischofs Friedrich I, vermählt war, zum ersten Mal als advocatns ecclesie maioris. Die Würde vererbt sich dann auf Hennann von Saffenberg, Grafen von Müllenark (bis 1172 nachweisbar). In Ausübung seiner Amtspflichten lernen wir ihn durch eine Eintragung des Schöffenschreins kennen ^^). Ein Mann namens Giselbert war von Theoderich, dem Sohn des Franco von Xanten, als Zinsmann seines Hofes Munemunte reklamiert worden. Doch wird die Reklamation hinfällig, indem Hermann von Saffenberg, b. Petri liber advocatns, eidlich erklärt, Giselbert sei cerocensuarius des Domstifts. Später erscheint Heinrich von Sayn als Graf von Saffenberg und Vogt des Domstifts; wahrscheinlich war er Schwiegersohn Adolfs I. und be- erbte seine Schwäger Hermann und Adolf II.*®). Dieser Domvogt ist aber längst nicht mehr das, was unter Wich- frid der Vogt Adelgeras offenbar noch war : Graf des Hochgerichts, das aus der erzbischöflichen Immunität erwachsen war. Er ist zum Ver- treter der erzstiftischen Nobilität geworden und aus der Kölner Gerichts- verfassung völlig herausgetreten. Dagegen ist der Schultheiss des Immunitätsgrafengerichts, der Ministerialenvogt, dem Burggrafen unterstellt worden ; er ist also in den **) Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte' 391 f. ••) Höniger, Schreinsurkunden II, 1. 1 Scab. IV 3. ^^) Die in Hopfs Genealogischem Atlas S. 306 als mutmassliche Nach- kommen Heinrichs (der aber gar kein Saffenberger war) aufgeführten Grafen von Saffenberg mögen einem unter dem alten Grafen emporgekommenen Ministerialengeschlechte entstammen; ein Sigfridus de Saffenberg erscheint schon 1176 unter den ministeriales comitis (de Saffenberg?) in einer Ur- kunde von allerdings zweifelhafter Ächtheit: Kd. 1051. 2* 20 0. Oppermann Verband des Landgerichts — denn das ist ja ursprünglich das Barg- grafengericbt — gewissermassen zurückgekehrt. Schon in der Urkunde yon 1061 erscheint neben dem früheren Gau-, jetzigen Stadtgrafen und dem Yogteigrafen, dem Stiftsvogt, nur ein Inhaber des Schultheissenamts, und er wird als Stadtvogt, als advocatus urbis, bezeichnet. Schon da- mals war also eine Verschmelzung des Grafengerichts mit dem Vogtei- gericht in der Weise erfolgt, dass der bisherige Schultheiss des Immu- nitätsgrafengerichts, der unfreie Vogt (1061 Heimo), als Schultheiss ins Stadtgrafengericht übernommen wurde. Der scultetus des ehemaligen Kölner Gaugrafengerichts ist auf diese Weise so früh verschwunden, dass er urkundlich nicht mehr nachweisbar ist. Das Kölner Immunitäts- gericht ist also mit dem öffentlichen Gericht verschmolzen. So erklärt es sich, dass ein von den Hintersassen des Domstifts bewohnter immuner Stadtteil in Köln nicht mehr erkennbar ist, wenn sich auch die Ver- mutung kaum von der Hand weisen lässt, dass die Grenzen der inner- st&dtischen Parochialeinteilung irgendwie mit den früheren Grenzen zwischen freier Altgemeinde und erzbischöflicher familia zusammenfallen. Das Hachtgericht des Erbvogtes auf dem Domhofe^^) kann als ein Über- bleibsel des ältesten innerstädtischen Immunitätsgerichts nicht angesehen werden; es ist eine spätere genossenschaftliche Bildung und nur für Klagen um Grundbesitz und bekanntes Geld zuständig, durchaus wesens- gleich dem Gericht der Hausgenossen von Mariengraden auf den Dielen und dem Gericht der Hausgenossen Unterlan auf dem Alten Markt, das aus einer erst von Erzbischof Anno verliehenen Immunität er- wachsen ist**). Das Schöffenkolleg des Kölner Vogtsgerichts muss sich vielmehr mit dem des Grafengerichts vereinigt haben, ebenso wie der Vogt diesem eingegliedert wurde. Wird doch jene Reklamation des erzstiftiscfaen cerocensuarius Giselbert, bei der Hermann von Saffenberg die Rechte des Domstifts wahrnimmt, vor den Kölner Schöffen verhandelt. Und als Arnold, Töpfer auf dem erzbischöflichen Hofe zu Pingsdorf, vor dem Schöffengericht freigelassen wird, wird er vom Stadtvogt, der sonst als Schultheiss im Kölner Gericht fungiert, für frei erklärt: domnus Ge- rardus maior advocatus eum solutum iudicavit. Die Kölner Schöffen bildeten also zugleich das für nichtritterliche Stiftshintersassen zuständige Immunitätsgericht. Die Annahme einer Verschmelzung zweier Schöffen- «0 Lau, Köhi S. 47 f. «>) Ebenda S. 86 f. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 21 koUegien beruht freilich nur auf dem Rackschloss aas einer Entwicklung, die sich im Laufe der späteren Jahrhunderte immer häufiger vor unsem Augen Yollzieht. In diese Entwicklung gilt es deshalb jetzt zunächst einen Einblick zu gewinnen. Wir gehen da am besten von einer Untersuchung der Immunitäts- gerichte von St. Severin und St. Gereon aus. Auch sie müssen ja, indem sie das Gebiet des pagus Coloniensis durchlöcherten, von Einfluss auf die Gestaltung des Kölner Burggrafen-Gerichtsbezirks gewesen sein. Über die Beschaffenheit dieser Gerichte haben bisher, wiederum nicht ohne die Schuld falscher Urkunden, vielfach imge Anschauungen ge- herrscht. Zunächst hat man angenommen, jener grosse vorstädtische Landkomplex, der in Wichfrids Urkunde von 948 Lac. I 102 um- schrieben wird, sei mindestens schon im 10. Jahrhundert geschlossener Bezirk des Immunitätsgerichts von St. Severin gewesen. Es wird sich aber nachher ergeben, dass Wichfrids Urkunde erst im 11. Jahrhundert hergestellt worden ist und die (als solche zutreffenden) Grenzen des Landdekanates von St. Severin benutzt sind, um auf dies Gebiet auch die grundherrliche Gerichtsbarkeit auszudehnen. Eine Urkunde, welche eiqen Vogt von St. Severin schon fQr das Jahr 1043 (bezw. 1046) bezeugt, Lac. I 179, ist eine Fälschung aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, wie unten noch zu erweisen sein wird. Authentischen und sehr lehrreichen Aufschluss Ober die Vogteiverhältnisse von St. Severin in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts giebt die Urkunde von 1109, Lac. I 272 (Kn. 64). Durch sie schenkt Erz- bischof Friedrich I. dem Stift advocatiam que mei iuris erat über zwei Höfe, Schwadorf und Rondorf, ausserdem über sechs Hufen in Rheidt und zwei in Winkelheim pertinentes omnes ad curtim iuxta ecclesiam b. Severini sitam, que preter episcopum et prepositum defen- sorem alium nunquam habuit. Ton einem Hof in Buche, den das Stift ausserdem erhält, soll der Propst de advocatia supradicta dem Konvent jährlich 5 sol. zahlen. Si quis autem servus aut Über aliqaid de hiis que ad easdem curtes pertinent violenter auferre et preposito incommodare vel familiam quovis iiA>do disturbare voluerit, ad episcopum vel cni ipse mandaverit pre- eipue ad advocatum altaris b. Severini respiciat propagnare, eccle- siam defendere et ius legale pretendere. Die Erinnerung daran, dass die Severinskirche ursprünglich eine Pfarrkirche war, lebt in diesen rechtlichen Verhältnissen fort. Es giebt keinen besonderen Yogt von St. Severin, sondern mit Wahm^mung 22 0. Oppermann der Yogtei ist für die Fälle, in denen die Schutzgewalt von Propst and und Erzbischof eines weltlichen Armes bedarf, ein Beamter des Erz- bischofs betraut. Dieser advocatus altaris s. Severini ist der Burggraf, wie aus dem weiteren Inhalt der Urkunde hervorgeht. A Francone urbis nostre prefecto^^) erhält nämlich der Erzbischof eine ancilla Mazecha, die er mit ihrer Nachkommenschaft per manum ipsius Fran- conis dem St. Severinsstift überweist. Der Burggraf fungiert also als Vogt von St. Severin. Eine weitere Urkunde, Quellen I 43 S. 504 = En. 263, die zwischen 1116 und 1131 anzusetzen ist (vgl. En. a. a. 0.) bezeugt auch den Fall, dass ein anderer Beamter des Erz- bischofs (vel cui ipse mandaverit) als Vogt von St. Severin bestellt ]ist. Ein Ehepaar hat dem Stift domum quandam XII sol. persolventem in suburbio Golouie sitam, que nostri iuris erat, per manum advocati Rudolfi übergeben. Als Zeugen werden ausser Elerikern und Ministe* rialen zwölf Zeugen de civitate aufgeführt, an ihrer Spitze der Vogt Rudolf. Es ist also der Eölner Untervogt, der auch Lac. I 269 be- zeugt ist; er fungiert in Vertretung des Erzbischofs als Vogt von St. Severin. Eine Urkunde des Erzbischofs Sigewin für St. Gereon vom 22. März 1080, Lac. IV 606, in der unter den Zeugen ein Gerhardus comes advocatus scilicet eiusdem ecclesie erscheint, ist nach dem Muster von Lac. IV 607 gefälscht. Wenn man sich gegenwärtig hält, dass die grossen ausserstädtischeo Eirchen wie St. Severin, St. Gereon, St. Ursula und St. Eunibert noch zu Anfang des 12. Jahrhunderts ihren Besitz nicht zu einer Grundherr- schaft ausgebildet hatten, so erscheint ganz natürlich, dass es auch zur Ausbildung geschlossener Immunitätsbezirke mit besonderen Stifts- vögten in den vorstädtischen Gebieten nicht gekommen ist. An der Stelle, wo wir die Patrimonialgerichte von St. Ursula und St. Eunibert zu finden erwarten, ist das Gebiet des Gerichts, das der erzbischöfiiche Vogt auf dem Büchel-Eigelstein abhält. Auch diese Stiftskirchen müssen mit ihrem Grundbesitz in früherer Zeit, wahrscheinlich gleichfalls noch bis ins 12. Jahrhundert hinein, einfach dem Schutze der erzbischöflichen Beamten unterstanden haben; auch St. Ursula und St. Eunibert hatten zunächst keinen eigenen Stiftsvogt. ^ Allmählich und in verhältnismässig sehr später Zeit erst ist der villicus des stiftischen Frohnhofes zur Stellung eines Ministerialenvogtes mit den Befugnissen eines Schultheissen emporgestiegen. Es ist die ^) Vgl. Lau, Die erzbischöflichoa Beamten S. 62. Kritische Studien zur ftlteren Kölner Geschichte. 23 gleiche Entwicklung, die wir anch auf den erzbischöflichen Meierhöfen sich vollziehen sehen. Das Gericht des Vogtes auf dem Eigelstein, das früher bei Longerich abgehalten wurde, war ursprünglich sicherlich ein solches Meiergericht. Longerich gehörte zu den zwölf erzbischöflichen Höfen, auf denen der Vogt nach dem Kölner Dienstrecht den villicus einzusetzen hat^^) — und später führt ein vom Vogt eingesetzter Scholtheiss auf dem Eigelstein den Vorsitz! Im südlichen Kölngan ist die erzbischöfliche curtis Brühl wahr- scheinlich erst um 1200 entstanden. Das Kölner Dieustrecht erwähnt ihrer nicht ^^); aber in einem um 1225 aufgezeichneten Urbar von St. Pantaleon ist gelegentlieh von dem villicus episcopi de Brule die Rede^*). Aus einer Urkunde des Erzbischoft Konrad von 1249*') er- fahren wir, dass die Schöffen der curtis Brühl von dem Frohnhof des Klosters St. Pantaleon in Badorf (südwestlich von Brühl) eine jährliche Abgabe (exactio) beanspruchen. Das Brühler Schöffengericht, das eine solche Forderung erhob, war sicher kein Meiergericht der Brühler Hofgenossen. Es ist offenbar ein neu geschaffenes Schultheissengericht fftr einen Hochgerichtsbezirk, der uns in dem Brühler Stadtrecht von 1285*^ als terminus qui bivanc dicitur der Stadt Brühl entgegentritt; Badorf wird unter den zu ihm gehörenden Ortschaften genannt. Durch das Stadtrecht werden die oppidani von Brühl, die Bewohner des neben der curia angelegten oppidum, ermächtigt, septem scabinos infra oppi- dum Brule commorantes zu wählen. Dies bedeutet nicht die Begrün- dung einer neuen Schöffenbank, sondern die Vermehrung der bereits bestehenden um sieben Sitze. Unter den Altschöffen werden wir uns die Inhaber der Bagatellgerichtsbarkeit aus den Bifangsdörfem vor- stellen müssen. Schultheiss des Brühler Hochgerichsts ist der erz- bischöfliche villicus. Dass das Gericht von St. Severin aus dem Frohnhofsgericht des stiftischen villicus entstanden ist, lassen die von Lau (Köln S. 38) ^) Mitteilungen aus dem Stadtarchiv in Köln Heft II S. 6 § VI: ut ▼illieos in eis ponat et deponat, prout domino suo expedire viderit. **) Die dort genannte curtis Merreche ist das heutige Kierberg west- lich von Brühl. Vgl. Rosellen, Geschichte der Pfarreien des Dekanats Brühl (Köhi 1887) S. 130. 594. ^*) Hilliger, Die Urbare von St. Pantaleon in Köhi (Rheinische Urbare I, Bona 1902) S. 122. ! «*) Ebenda S. 158. *^ Lac. II 802. Vgl Heldmann a. a. 0. S. 91 ff. 24 ^- Oppermann zusammengestellten Nachrichten mit aller wünschenswerten Deutlichkeit erkennen. Der Frohnhof von St. Severin war der Sitz des GerichtSy nach einem Vertrage von 1233 steht dem Propst yillicatio et in- dicium secalare cnrtis s. Severini zu. Die Anzahl der Schöffen be» tr> noch 1328 nur sieben; die spätere Zahl 21 ist ohne Zweifel das Ergebnis einer Vereinigung mit den Schöffen zweier andern Hofge- meinden *^). In einem Kölner Schöffen- Weistum Yom 12. Juli 1375 erscheinen die Gerichte von St. Severin, St. Pantaleon, St. Gereon und das des erzbischöflichen Vogtes auf dem Eigelstein als Scbultheissengerichte, ohne Kompetenz fQr Kriminalfölle. Nur der Vogt (der frühere villicus) von St. Severin hat das besondere Vorrecht, auf seinem Frohnhofe einen Stock zu haben darin man nyet dan misdedige luyde zu gesinnen des klegers, of die mit der vrisscher dait begriffen werdent, setzen mach. Die drei übrigen Gerichtsberren dürfen keinen Stock haben; doch dürfen sie landschädlicbe (misdedige) Leute auch auf handhafter That ergreifen lassen, also dat man die gevangenen in desen vurscreven vier gerichten zer stunt leveren sal dem hoengerichte. Für nichts weiter (nyet vurder) als oever schoult inde erve binnen denselven gerichten gelegen sind die vier Gerichte zust&ndig. Die Deutung, die Heldmann a. a. 0. S. 108 diesem Weistum gegeben hat, ist irrig. Allerdings könnte man geneigt sein, die Zuständigkeit für Liegen- schaftsprozesse als sicheres Kennzeichen der hohen Gerichtsbarkeit an- zusehen. Noch im 9. Jahrhundert war ja diese Kompetenz nebst der für Freiheitsprozesse ganz allgemein dem Grafengericht vorbehalten^). Das Capitulare de iusticiis faciendis (zwischen 811 und 813) bestimmt: Ut DuUus homo iu placito centenarii neque ad mortem nequeadliber- tatem suam amittendam aut ad res reddendas vel mancipia iudi- cetur, sed isla aut in presentia comitis vel missorum nostrorum iudicentur *'). Dass diese Auffassung im 12. Jahrhundert noch fortlebte, be- weisen die Würzburger Streitigkeiten, von denen eine Urkunde Kaiser Friedrichs L aus dem Jahre 1160 berichtet^*). Rapoto de Abenberc, ^*) Die Zwölfzahl kann als gebräuchlich bei Schöffenbäoken hofrecht- lichen Ursprungs nicht bezeichnet werden; sie ist es aber bei den Schöffen- kollegien der durch Grunderleihe entstandenen Genossenschafugemeinden, von denen noch die Rede sein wird. *^) Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II 178 f. *^) Capitnlaria regum Francoram ed. Boretius I S. 176. **) MonnmenUBoica29*, 351. Vgl. v. Zallinger, Miiteilungen des In- stituts für österreichische Geschichtsforschung XI (1890) S. 580. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 25 adTOcatns bnrgi BabeDberc idemque Babeobergensis tecclesiie benefieio comes in Rangowe, beklagte sich, dass sein Herr, der Bischof von Wfinbnrg, in praefato comitatn occasione dacatos sni plorima tibi ex ind^to iura T^dicaretY ntpote allodioram placita, centariooes ponere, de pace fracta iudicare, nnd es wird darauf dem Bischof von Bamberg und dem Grafen Bapoto et eis, qni enndem comitatum ab episcopis Babenbergensis secclesisB pro tempore forent habituri, zugesprochen tam ea quae in questione fuerant quam alia plenarie comi- tatas jara in praedicto comitatu. Im Jahre 1168 verleiht dann Friedrich I. dem Bischof Herold den dncatus Wircebnrgensis in Gestalt der Gerichtsbarkeit de rapinis et de incendiis, de allodiis et beneficiis, de hominibns et de vin- dieta sanguinis^). Neben einer Gerichtsbarkeit Aber Ranb, Brand- stiftnng nnd Friedensbrach, sowie in Lehnssachen (beneficia und homines), abo das Gericht über Eigen (allodia). Dies ist dieselbe Kompetenz, die das oben angeführte Kapitular den Grafen und KöDigsboten vorbehält. Der gleiche Rechtszustand ist im sächsischen Rechtsgebiet noch im 13. Jahrhundert der herrschende. Im Sachsenspiegel heisst es Bach I Art. 52 § 1: Ane erben gelob und ane echte ding en müz nieman sin eigen noch sine Inte geben. Wenn also im 14. Jahrhundert den vier Kölner Yogtsgerichten, die f&r Blntsgerichtssachen nicht zuständig sind, das Gericht nm Erbe zusteht, so mnss sich eine Kompetenz-Erweiterung der niederen Gerichts* barkeit nach dieser Seite hin vollzogen haben. £s geschah durch Angleichung der Patrimonialgerichte an ver- fissongsgeschichtlichen Neubildungen, welche dem Aufkommen der städt- tischen Wirtschaftsweise ihre Entstehung verdanken. Die allmähliche Verdrängung und Durchsetzung der alten Land- gerichtsorganisation durch neue, auf communaler Grundlage erwachsene Gerichte ist das wesentlichste Moment in der Geschichte der rheinischen Gerichtsverfassung während des Mittelalters. Ich hoffe im Zusammen- hang einer grösseren Arbeit den Verlauf dieser Wandlung schildern zu kennen. Zum Verständnis des Folgenden ist es unerläs$lich, sie wenigstens in knappem Umriss zu zeichnen. **) ▼. Zallinger a. a. 0. S. 631. 26 0- Oppermann Bekanntlich hat Rietschel far das rechtsrheinische Deatschland, Des Marez fflr Nordfrankreich and die Niederlande als normalen Verlauf der Entstehung einer mittelalterlichen Stadt nachgewiesen, dass neben einer Banerngemeinde eine Marktgemeinde begründet worden ist and beide sich früher oder später vereinigt haben. Das Problem der deutschen Stadtverfassang spitzt sich, bei diesem Punkte angelangt, in der Frage zu : Wie hat diese Vereinigung sich vollzogen ? Es ist klar, dass für die Beantwortung derselben die Rheinlande ein besonders ge- eignetes Studiengebiet sind, weil hier Überlieferungen der römischen Kultur nachgewirkt haben und die Besiedelung schon vor dem Einsetzen des wirtschaftlichen Umschwungs, der die zahlreichen Marktgründungen zur Folge hatte, eine vergleichsweise so dichte war, dass eine Markt- gemeinde in den allermeisten Fällen in die Lage kommen musste, sich mit ihrer Nachbarschaft rechtlich auseinanderzusetzen. Dringenden An- lass, diesen Verhältnissen im Rahmen unserer Untersuchung nachzugehen, haben wir, seitdem kaum noch ein Zweifel darüber bestehen kann, dass der Hofzins in der Kölner Martinsvorstadt ein Gründerzins und diese eine Marktgründung ist. Die herrschende Terminologie, die auf dem Gegensatz zwischen Land- oder Bauerngemeinde und Marktgemeinde beruht, erweist sich jedoch als unzureichend für die Klarstellung von Verhältnissen, wie sie in Köln vorliegen. Jener Gegensatz scheint ja wohl auf den ersten Blick klar genag. Die vollberechtigte Zugehörigkeit zur Landgemeinde ist bedingt durch den Besitz einer Hufe oder — in späterer Zeit — doch des Bruchteils einer Hufe, d. h. nicht nur eines bestimmten Masses von Ackerboden, sondern auch eines Anteils an der gemeinen Mark. Die Zugehörigkeit zur Markt« gemeinde ist gleichfalls von Grundbesitz abhängig, doch nach dem be- scheideneren Ausmass, wie es der städtischen Wirtschaftsweise mit ihren engeren Raumverhältnissen und veränderten Bedürfnissen entsprach, genügt dazu der Besitz einer area. Allein auf die Gemeinden, im Innern der von den Römern verlassenen Befestigungsringe ist der obige Begriff der Landgemeinde nicht ohne Weiteres anwendbar. Wenn wir die ältesten Traditionen des Codex diplomaticus Fuldensis (hg. von Dronke, Kassel 1850) durchsehen, so finden wir, dass die intus murum Mogontie civitatis publice gelegenen Grundstücke, die dem Kloster seit der Mitte des 8. Jahrhunderts geschenkt werden, aree oder vinee sind**) ^) Codex Diplomaticus Fuldensis Nr. 1. 5. 18 (aream anam cum casa) 19. 20. 23. 26. (aream unam cum casa) 27. (areas duas et vioeam unam) und öfter. Kritische Studien zar älteren Kölner Geschichte. 27 ohne zagehörige Hafen. Dass anter der ersteren Bezeichnang in der That Wohnplatze za verstehen sind, beweist gleich die erste Tradition; Adalberctas schenkt arealem I ad commanendo intra maram civitatis Mogontiae. Wenn es aach keinem Zweifel unterliegen kann, dass zur Earolingerzeit die Zustände in den alten Römerstädten natural- wirtschaftliche waren und z. B. die Bewohner von Köln und Trier zur Viehtrift dienendes Land, das zum Teil innerhalb der Mauern lag, in gemeinsamer Nutzung hatten, so war doch im 10. Jahrhundert, zu der Zeit also, wo mutmasslich Marktgemeinden in der Nachbarschaft der alten Römerstädte entstanden, auch im Innern derselben häufig das Ausmass des dem Einzelnen«* zustehenden Grundbesitzes eine curtis, eine area, wenn auch wohl von grösserem Umfang als in der Markt- gemeinde. Viele Inhaber solcher aree mögen vor den Mauern oder wo innerhalb derselben sich Raum bot, Ackerland oder Weingärten be-^ wirtschaftet haben. Aber so wenig wie die Gründerleihe**), durch welche ein ganzer Landkomplex in aree aufgeteilt und unter gleich- massig bestimmten öffentlichrechtlichen Normen ausgethan wird, mit einem Schlage in die Welt gesetzt worden ist, so wenig kann die area als Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Gemeinde erst in der Markt- gemeinde angesehen worden sein. Überdies hat es ja in den alten Römerstädten schon lange vor dem wirtschaftlichen Aufschwung der Ottonenzeit Märkte gegeben. Deshalb empfiehlt es sich dringend, für die Ansiedelungen, welche beim Einsetzen der städtischen Kultur bereits bestanden, den Ausdruck Altgemeinde zu wählen. Wenn Uhlirz schon 1894 betont hat, dass „das Wort Landgemeinde an sich einen Gegensatz zur Stadtgemeinde bezeichnet, dass man also von Landgemeinden erst nach der Aus- bildung der Stadtgemeinde sprechen sollte'^ ^^), so ist daran jedenfalls richtig, dass man die Gemeinde einer alten Römerstadt des frühen Mittelalters nicht als Landgemeinde bezeichnen kann, obwohl die frän- kische Gerichtsverfassung einen rechtlichen Unterschied zwischen Stadt und Land nicht kennt. ^) Vgl. über diesen Begriff die vortreffliche Untersachang Rietscheit: Die Entstehung der freien Erbleihe, Zeitschrift für Rechtsgeschichte G. A. XXU, 18a ff. Bezüglich der Ausfilhrungen über Köln S. 194 f. hat Rietschel mir brieflich mitzuteilen die Güte gehabt, er sei durch Keussens Unter- suchungen (Westd. Zeitschrift XX. Jahrg. 1901, S. ff.) nachträglich überzeugt worden, dass die Kölner Martins^orstadt eine Marktansiedlnng ist. '**) Mitteilungen des Instituts für österrisichische Qeschichtsfofschung XV (1894) 493. 28 0. Oppermann Der entscheidende Unterschied zwischen Altgemeinde und Markt- gemeinde ist nach dem Obigen nicht im Aasmass des Einzelgrundstacks zu suchen. Vielmehr beruht er darauf, dass die Mitglieder der Alt- gemeinde als Gerichtsgenossen der bestehenden Gerichtsverfassung voll- berechtigt eingegliedert sind, ihr Zeugnis als Beweismittel zugelassen wird. Von der Marktgemeinde dagegen muss eine Teilnahme an der in Übung befindlichen Rechtspflege erst errungen oder eine neue Ge- richtsorganisation geschaffen werden. Der Ausdruck Marktgemeinde ist also zur Bezeichnung eines Gegensatzes zur Altgemeinde nicht nur deshalb unzureichend, weil es auch hier schon einen Markt gab. Es ist klar, dass jede neue Ansiedlung, mochte sie nun aus einem Komplex von Hufen oder von aree bestehen, sich in der Lage der Marktgemeinde gegenüber der Altgemeinde befand; es war im Gegen- satz zu dieser eine Fremdgemeinde. Nun haben sich bekanntlich an der Gründung von Fremd- gemeinden allenthalben Unfreie in grosser Zahl beteiligt. Sie befanden sich im Besitz derselben Rechte wie ihre vollfreien Gemeindegenossen, konnten aber innerhalb einer bestimmten Frist von ihrem Grundherrn noch reklamiert werden. Ob es thatsächlich vorgekommen ist, dass aus einer neuen, nach Eolonistenrecht begründeten Ansiedlung ein Mann weggeholt, wieder an die verlassene Scholle gefesselt und zu Frohnden für den herrschaftlichen Gutsbetrieb gezwungen wurde, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnte vielen Mitgliedern der neuen Gemeinde gegenüber der Nachweis ihrer unfreien Herkunft anfangs noch jeder Zeit geführt werden. Das Gericht, in dessen Bezirk die Ansiedlung erwachsen war, musste also schwere Bedenken tragen, zu Gerichtszeugnis und Eideshilfe jedes beliebige Mitglied einer Fremdgemeinde zuzu- lassen; zur Ausübung des Schöffenamtes war ein solches vollends unfähig**'). Daraus ergiebt sich, dass die Fremdgemeinde ihr Streben nach Gleichberechtigung mit den Alteingesessenen in erster Linie auf diesen Punkt richten musste. Schon zur Karolingerzeit übte die königliche Gewalt den Brauch, besonders angesehene Männer als sogenannte Rüge- geschworene eidlich zu verpflichten. Da sie für den ganzen Gerichtssprengel ohne Rücksicht auf den Gemeindeverband ernannt wurden und das Verfahren beim Volke sehr unbeliebt -war^^), so konnte sich auf dieser Grundlage **) Vgl. Hmuler, Institutionen des deutachen Privatrechts I 157. ^*) Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II 490 ff. KritJgche Studien zor älteren Kölner Geschichte. 29 eine ständige Vertretung der Altgemeinde nicht aasbilden. Eine Wand* long bereitete sich aber seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts dadurch vor, dass das bischöfliche Sendgericht die Institution der Rügegeschwo- renen übernahm und eine bestimmte Anzahl iuratores synodi für jedes Kirchspiel vereidigt wurden ^^). Die Bedürfhisse der im Gebiete eines bestehenden Gerichtsverbandes sich ansiedelnden Fremdgemeinde zeitigten dann die entscheidende Neuerung, dass ständige Zeugen zur öffentlichrechtlichen Vertretung eines bestimmten Gemeindeverbandes anerkannt wurden. Die Keime für eine solche Vertretung mussten ja schon deshalb überall vorhanden sein, weil, wie man weiss, die Be- dingungen der Gründerleihe niemals von einzelnen Ansiedlem, sondern stets von führenden Mitgliedern der Kolonistengemeinde, den Locatores, vereinbart wurden. Man kann also sagen: durch die Notwendigkeit, die ebenbürtige Gerichtsgenossenschaft zu erringen, kommt es in der Fremdgemeinde zur Einsetzung ständiger, mit ihrer Vertretung zu- nächst vor dem zuständigen Gericht beauftragter Mandatare, wird die Fremdgemeinde Genossenschaftsgemeinde. Unter der Be- zeichnung iuratores, die sonst für die Rügegeschworenen üblich ist, er- scheinen sieben Vertreter der Kaufleute von Huy und Lüttich in einer Urkunde des Kölner Erzbischofs Friedrich I. vom 4. Dezember 1103*^>. Für den Verlauf der angedeuteten Entwicklung bieten die Ver- hältnisse in Neuss und Aachen Beispiele, die sich durch Rückschlüsse für die Erkenntnis der entscheidenden Anfänge, wie sie in Köln zu suchen sind, verwerten lassen. Sibert von Dülken und seine Gattin Gisela schenken im Jahre 1242 ihr Haus in Neuss zur Stiftung eines Armenhospitals ^^). Acta sunt hec coram scultheto Lupperto et scabinis .... (6 Namen), et confirmata coram aliis scabinis .... Confirmatio etiam facta super hiis a prefato scultheto per bannum auctoritate archiepiscopi CJoloniensis Cunradi secundum consuetudinem iudicii Nusiensis factum. Ein Schöffenkolleg unter dem Vorsitz des Schultheissen ist also mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit über Liegenschaften betraut, die jedoch der Bestätigung durch das Gericht des Erzbischofs bedarf; in demselben hat der Schultheiss gleichfalls den Vorsitz. Dass wir hier einerseits die Vertreter einer Fremdgemeinde, andrerseits das aus dem Neusser Meiergericht erwachsene Schultheissen- **) Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte' 577. ^ Hohlbaum, Hansisches ÜB. HI 601 = Kn. 28. ") Lac. II 273. 30 ^* Oppermann gericht vor ans haben, dessen Schöffenbank mit Angehörigen der niederen Stiftsministerialit&t besetzt ist, dafür lässt sich aus einer bisher wenig beachteten Quelle der Beweis schöpfen. In Eremers Akademischen Beiträgen zur Galch- und Bergischen Geschichte (Mannheim 1776) II 403 ff. ist nämlich eine auf Erzbischof Annos Namen gefälschte Urkunde abgedruckt, die lange nach 1242 entstanden sein muss, da sie die inzwischen erfolgte Vereinigung der beiden Schöffenbänke als eine von Anno herrührende Einrichtung hinstellt. Es heisst dort: Cum vero burgeDses oppidi NusaieDsis de instituendis scabiniB opus babuerit (!), dos de minlBterialibas nostris, qui in eodem oppido Nussiensi erunt manentefl, ipsis sex scabinos de iure nostro instituemas, alios autem sex scabinos dicti burgenses eligent pro sua voluntate. Indem durch diese Verschmelzung die Fremdgemeinde Anteil an der Besetzung des alten Schultheissengenchts erlangte, wurden ihre Schöffen dem speziellen Geschäftskreis der freiwilligen Gerichtsbarkeit entzogen. Es wurde für diese deshalb eine neue Behörde geschaffen; eine Urkunde des Erzbischofs Eonrad vom 23. Mai 1259®^) giebt uns darüber Auskunft. Sie bewilligt den Neussern ut V08 scabini scabinos possitis eligere, quotiescunque vacare contigerit officia scabinatus ac libera super hoc electione gaudere, et quod exnunc in- a ntea duodecim officiatos vel quatuordecim qui amptman vulgariter appellan- tur, iuxta certum numerum scabinorum habeatis perpetuo, quorum duomm testimonio quemadmodum duorum scabinorum stetur in venditionibus, emptioni- bus seu actionibus debitorum et in his qae pignori obligant. Die verfassungsgeschichtlichen Verhältnisse Aachens, die neuer- dings eine zusammenhängende Darstellung erfahren haben ^^), bieten uns gleichfalls manchen Aufschluss. Die Aachener Obervogtei, 1272 zuerst erwähnt, als seit unvor- denklicher Zeit dem Herzog von Brabant zustehend, kommt verfassungs- geschichtlich nicht weiter in Betracht. Es war eine herzogliche Gewalt, der vergleichbar, welche im Erzstift Eöln Erzbischof Bruno besessen hat. Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit war im Gebiete des Aachener Eönigsgutes der Vogt; natürlich wird die Vogtei vom Eönig verliehen. Aus den Hintersassen der Aachener Vogtei erhebt sich als bevorrech- teter Stand die Minist erialität; unter dem Vorsitz des scultetus bildet sich ein mit Ministerialen besetztes Schöffengericht. Die nichtritterlichen ") Lac. II 470. ") H. Höffier, Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwal- tung der Stadt Aachen, Marburger Dissertation 1901. Auch in der Zeit- Schrift des Aachener Geschichts Vereins Bd. XXIII. Kritische Stadien ssur älteren Kölner Geschichte. 31 Eingesessenen des Aachener Königshofes unterstehen dagegen dem Gericht des villicns (zuerst 1142 nachweisbar). Der scultetns sitzt aber auch dem Gericht der Kolonistengemeinde, der burgenses, vor. Seine Frohn- boten sind für das Ministerialengericht der villicus, für das Gericht der bnrgenses der viceadvocatns. Im Jahre 1268 heisst es am Schluss einer Urkunde ^) : Acta sunt hec in presentia domini Willelmi advocati, Amoldi scalteti, Ricolphi villici, Gerardi subadvocati, iudicum Aquensium, sab testimonio (7 Namen) militanr et scabinorum, (7 Namen) Aquensium scabinorum. Damals war also die Vereinigung der Ministerialenschöffen mit denen der bnrgenses bereits erfolgt; wahrscheinlich hatte sie sich aber 1192 noch nicht vollzogen. In diesem Jahre richtet n&mlich König Heinrich VI. einen Befehl, den Leuten des St. Adalbertstifts eqnalem communionem in silvis, pascuis, pratis, aquis et universis aliis commo- ditatibns zu gew&hren, an scultetns, (vice)advocatus, scabini et universi homines Aquenses. Da der villicus nicht genannt wird, muss man schliessen, dass die scabini nur die Vertreter der bnrgenses sind. Die analoge Entwicklung wie in Neuss hat sich nun auch in Aachen vollzogen. Neben dem vereinigten Schöffenkolleg erscheinen bei Terfügungen über Liegenschaften Dingmannen; in einer Urkunde von 1262*^), durch welche Heinricus miles de Foresto seine Besitzung bei Berge mit der Mühle zu Zerchül und eine Mark Rente in der Stadt Aachen dem Cistercienserkloster Burtscheid verkauft, heisst es am Schluss: Acta sunt hec . . . sab testimonio iudicum Gerardi de Lomirs sculteti, Wilhelmi advocati, Gerhard! de Lukene subadvocati et scabini, Tirici capellani villici et sab testimonio scabinorum (10 Namen), et ad maiorem certitudinem adhibiti sunt denghmanni utriusque rogati (23 Namen, die ersten 5 von Ein- wohnern von Bartscheid) et alii qaamplures cives Aquenses. Die Analogie mit dem Kölner Schreinswesen liegt auf der Hand ; indem an der Spitze der Aachener Diugmannen zum ersten Mal die beiden magistri civium urkundlich erwähnt werden, fallt auch ein be- deutsames Licht auf die Entstehung des Rates. Es ist hier nicht der Ort, darauf näher einzugehen; unsere Aufgabe kann einstweilen nur sein, das Bisherige in vorsichtigem Rückschluss zur Aufhellung der Kölner Stadtverfassung anzuwenden. Das Streben der Fremdgemeinde, ihren Mitgliedern die Zu- lassung als Beweismittel vor dem ordentlichen Gericht zu erringen, ^) Zeitschrift des Aachener Geschieh ts Vereins I (1879) 141. '^) Quix, Geschichte der ehemaligen Eeichsabtei Burtscheid (Aachen 1834) S. 244. 32 0. Oppermann mosste in erster Linie durch wirtschaftliche BedQrfhisse geweckt werden. Bei der rapiden Mobilisierung des Grundbesitzes, wie sie durch die städtische Wirtschaftsweise hervorgerufen wurde, musste sich die Be- schränkung der Zuständigkeit von Liegenschaftssachen auf ein Gericht, das ausschliesslich mit Mitgliedern der Altgemeinde besetzt war, rasch als unhaltbar erweisen. Indem die aus diesen wirtschaftlichen Motiven erwachsene Vertretung der Fremdgemeinde auch politischen Einfluss anstrebte, begehrte sie massgebenden* Anteil an der Schöffenbank des alten Gerichts, die das geeignetste, weil von den hen'schenden Gewalten anerkannte Substrat zur Weiterbildung der kommunalen Selbstverwaltung darbieten musste. Durch den Eintritt von Mitgliedern der Fremd- gemeinde in das Altschöffenkolleg wird Raum für abermalige Neubil- dungen; wiederum sind sie bestimmt, den Anforderungen zu genügen, welche die sich mehrenden Rechtsgeschäfte Ober Liegenschaften an den Geschäftsgang der zuständigen Organe stellten. In Köln ist in der Handelsvorstadt vor der östlichen Römermauer, in der Parochie St. Martin, eine durch Gründerleihe erwachsene Eolonistengemeinde bereits für das 10. Jahrhundert bezeugt, und eine bereits im 12. Jahrhundert sehr weit vorgeschrittene Beweg- lichkeit des Grundbesitzes lässt sich aus den Schreinskarten konstatieren. Wenn irgendwo, so muss hier das Bestreben vorhanden gewesen sein, einen Eommunalausschuss zur Vertretung der neuen Gemeinde vor dem in der Altstadt ansässigen Hochgericht zu bilden und womöglich zu einer für Handänderungen von Liegenschaften selbständig kompetenten Schöffenbank auszugestalten. Diese Bestrebungen blieben wie es scheint Jahrzehnte lang ergebnislos, weil die Kölner Erzbischöfe seit dem Kölner Aufstand des Jahres 1074 guten Grund haben mochten, allen Selb- ständigkeitsgelüsten der kaufmännischen Bevölkerung die Anerkennung zu verweigern. Klar zu tage liegt aber die Genesis einer verfassungs- geschichtlichen Neubildung, die in den Augen der herrschenden Ge- walten harmloser erscheinen musste, im Kölner Vorort Niederich. Ein im 12. Jahrhundert aufgezeichnetes Weistum^^) führt den Ur- sprung des Ortsrechtes auf einen comes Arnoldus zurück; est ist, wie man mit Recht schon längst angenommen hat, der Kölner Burggraf Arnold, der 1072 — 1090 nachweisbar ist*'). Zu dieser ^) Höniger, Schreinsurkunden II, 1 S. 51 f. *^) Höniger a. a. 0. Lau, Köln S. 31 Anm. 3. Heldmann a. a. 0. S. 118 Anm. 4. Kritische Studien zar älteren Kölner Geschichte. 33 Zeit also erfolgte die Einsetzung der 12 senatores des Niederich, mit denen der Graf jährlich drei placita legalia abhält. Gleichwohl wird eine Blatgerichtsbarkeit in diesen nicht aasgeObt ; sie bleibt wie bisher dem SchOffenkoUeg des Kölner Hochgerichts vorbehalten. Die Zustän- digkeit der senatores von Niederich erstreckt sich nnr anf Liegenschafts- sachen : in bis placitis qnilibet civinm Dostromm qaicqaid de hereditate tractare habent . . . determinabunt apnd nos, non alibi, et hoc iure nostro. Lassen wir uns durch diese Analogie, die doch sicherlich ilir Vorbild in Bestrebungen, der Kölner Martinsparochie hat, wiederum belehren, so kommen w)r zu der Annahme, dass sich die hohe Mit- gliederzahl, die das Kölner Schöffenkolleg im 12. Jahrhundert aufweist — als Zeugen des Vergleichs mit Erzbischof Philipp vom 27. Juli 1180^^) erscheinen 28 scabini civitates — , seine früh bezeugte genossenschaftliche Organisation und seine wechselnde Bezeichnung als scabini und senatores ans einer Verschmelzung der Altstadtschöffen, der scabini, mit 12 sena- tores der Rheinvorstadt erklärt. Die Zahl der ersteren betrug vor der Vereinigung wohl 14, also das Doppelte einer normalen Schöffenbank der alten Grerichtsorganisation. Darf man sich hier einmal auf die Beweiskraft von Zahlen stfltzen, so ist dies Kolleg von 14 Urteilem schon geraume Zeit früher aus jener Vereinigung des Grafen- und des Vogtsgerichtes entstanden, von der oben die Rede war. Auch jene zweite und folgenreichere Verschmelzung, durch welche die aufstrebende Bürgerschaft der Kölner Rheinvorstadt Anteil an der Hocbgerichtsschöffenbank erlangte, hat in den Quellen keine Spur hinterlassen — es müsste denn sein, dass die oft interpretierte Nachricht des Mönchs von St. Pantaleon zum Jahre 1112: con- inratio Colonie facta est pro libertate®^) auf diesen Vorgang sich be- zieht. Jedenfalls verdient hervorgehoben zu werden, dass in dem ein- zigen Falle, in dem vor 1112 die Kölner Schöffen urkundlich auf- treten^^), deren nur 12 erscheinen; es kann das Zufall sein, denn auch in einer Urkunde von 1159 (Quellen I 74) werden namentlich nur 12 senatores genannt; freilich wird hier hinzugefügt: et omnes tam «) Lac. I 474 = Quellen. **) GhreBka regia hg. von Waitz II, 62. Vgl. Kn. 96. '^) Höhlbanm, Hansisches Urkundenbuch III 601 = Kn. 28 : Hoc testi- moninm .... astipulatum iudicio scabinorum, sacramento negotiatorum, presentia virorum illnstrium, qui subscripti sunt. Es folgen 12 Namen (die scabini), dann 7 inratores (die negotiatores von Lattich und Hny), dann 19 testes, erzbischofliche Ministerialen (die viri illustres). Westd. Zeltschr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, I. 3 34 0. Oppermann senätores quam senatoram fratres. Noch beachtenswerter ist, dass im Becbt der Stadt Freibnrg i. B. (nm 1120), das sich auf das consue- tudinarium et legitimum ins omniam mercatoram, precipue antem Colo- niensiam, ausdrücklich bezieht, von mercatoribns personatis circumqaaqne convocatis quadam coniaratione und von ^4 coniurati als Organ der neuen Gemeinde die Rede ist^*). Das specifisch genossenschaftliche Element, das hier zu tage tritt, ist ja durch die Gottesfriedensbewegung fQr die Ausbildung von Ge- meindeorganen schon seit dem 11. Jahrhundert zu grosser Bedeutung gelangt. Der Kölner Gottesfrieden von 1083, abgesehen von dem Latticher der erste, der im deutschen Beiche verkündigt wurde, bestimmte: Non magis in comitum vel tribunorum vel potentum quam in totins com- muniter populi potestate et arbitrio constabit, ut vindictas superius dictatas violatoribus sanct« pacis inferant '^). Die entscheidenden Ein- flüsse weisen hier nach Westen ; es kann das alles in diesem Zusammen- hang nur angedeutet werden. Eine weitere Erleichterung der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde in Köln, nachdem die Vereinigung der Altstadtschöffen mit den senätores der Rheinvorstadt erfolgt war, durch die Errichtung der Schreinsämter angebahnt, die in Anlehnung an die Parochieen erfolgte. Die Schreins- behörden der Altstadt und Rheinvorstadt blieben aber immer nur Be- weismittel für das Schöffengericht, entwickelten sich nicht zu einer selbständig urteilfindenden Körperschaft. Deshalb heisst es z. B. in einer Eintragung des Martinsschreins (Höniger, Schreinsurkunden Mart. 1 V 1): Ad coDfirmaodum superscriptam testimonium dedit ipse amam vini civibus, et etiam iudicibus dedit testimonium, ut sint sibi testes, si opus fuerit. Si aliquis huie testimonio credere non vult, veniat ad titulum iudicum (vor den Schöffenschrein) et videat, qualiter ibi inveniatnr veritas confirmata. Wenn im Jahre 1334 bemerkt wird, der Schöffenschrein der Alt- stadt sei nur zuständig für liegendes Gut infra antiqunm mumm et extra non, quod domini scabini nulli optinent hereditatem extra anti- quum murum'^), so muss dies so verstanden werden, dass das Gebiet der Rheinvorstadt vor der östlichen Römermauer dem von der alten '^) Altmann-Bernheim , Ausgewählte Urkunden S. 210 f. = Keatgen^ Urkunden zur städtischen Yerfassungsgeschichte S. 117. 7>) Schröder, Rechtsgeschichte * 550. '>) Heldmann a. a. 0. S. 109 Anm. 4. Kritische Studien zur älteren Kölner Qescbichte. 35 Mauer umschlossenen Bezirk zugerechnet werden muss. Mit andern Worten: man leitete im 14. Jahrhundert die Zuständigkeit fOr Liegen- schaftssachen nicht mehr aus der ursprQnglichen Quelle, dem Hoch- gericht des Grafen, sondern aus der Genossenschaftsgemeinde her. Eine Anschauung, die schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts durchgedrungen war; schon damals hatte sich, was die Gerichtsbar- keit Ober Grundbesitz anlangt, eine Emancipation von dem Kölner Hochgericht in der Umgebung der Stadt vollzogen. Ein RQckschlass auf den ursprünglichen Umfang des Kölner Stadtgerichtsbezirks, wie ihn Heldmann gewagt hat, ist natürlich unzulässig. Fassen wir zusammen. Heldmann hat (a. a. 0. S. 115) voll- liommen recht, wenn er als Eigentümlichkeit der Kölner Gerichtsver- fassung bezeichnet, dass sie nicht nur Grafschaft, sondern auch Hundert- schaft ist, dass bei ihr Grafscbaftsbezirk und Hundertschaftsbezirk sich decken. Nur darf dieser nicht als der von den Mauern begrenzte Bezirk der civitas Coloniensis angesehen werden, der von der Römerzeit her vom platten Lande rechtlich isoliert war; es war der Kölngau, dessen gerichtliches Leben sich früh in der Stadt Köln concentrierte, dessen Graf seiner selbständigen Stellung durch die wachsende politische Macht der Erzbischöfe beraubt und ihnen untergeordnet wurde. Noch unter Wichfrid erscheint er als gleichberechtigt neben dem Kirchen- fürsten, unabhängig schon vermöge der zwei bis drei Gaue, die er neben dem Kölngau in seiner Grafschaft vereinigte. Unter Bruno muss der Kölngau aus dieser Verbindung gelöst und als Burggrafschaft Köln dem Erzbischof unterstellt worden sein. Dies ist die verfassungsge- schichtliche Bedeutung des verlorenen ottonischen Privilegs für Köln, von dem eine unbestimmte Tradition in späterer Zeit noch fortlebte'*)« Die Theorie der Exemption aus der Landgerichtsverfassung ist von der bisherigen Forschung allgemein acceptiert worden, um die Entstehung der Stadtgerichtsbezirke zu erklären. Heldmann hat sie als onhistorisch verworfen, aber unhistorisch ist sie nur dann, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, dass die ersten Stadtgerichte gewisser- massen aus wilder Wurzel begründet, mit einem willkürlich abgegrenzten Bezirk in den Gau hineingesetzt worden seien. In Wirklichkeit können sie nur in Anlehnung an eine bereits bestehende Schöffenbank entstan- den sein. War diese Schöffenbank die des Landgerichts, so war T4) Vgl. meine Ausföbrungen in der Westdeutschen Zeitschrift 20. Jahr- gang (1900) S. 203. 3* 36 0. Oppermann der Umfang des Gerichtsbezirks darch den Gau und der Gerichtsbeamte in dem bisherigen Grafen gegeben, neben dem der bischöfliche Vogt als Schultheiss beibehalten wurde. So war es in Köln. Lehnte sich das Stadtgericht an ein Immunitätsgericht an, so blieb daneben das Gangrafengericht bestehen, and für das Stadtgericht bildete die Immu- nität auch die räumliche Grundlage. Inhaber des Hochgerichts, Burg- graf, wurde hier der bisherige Vogt, d. h. ein Ministeriale. Dies wird der Verlauf der Entwicklung in den Bischofsstädten gewesen sein, die nicht Hauptorte von Gauen waren. Dass die ottonischen Privilegien fär die Bildung dieser Hochgerichtsbezirke von ausschlaggebender Be- deutung gewesen sein müssen, habe ich bereits in meiner ausführlichen Anzeige von Heldmanns Bucb^'^) hervorgehoben, die im übrigen auch ihrerseits durch das Vorstehende manche Berichtigung erleidet. Die Untersuchung der Urkunden für St. Cäcilien hat einige Auf- klärung über die Entstehung der Kölner Stadtgerichtsverfassung gebracht; nicht weniger lehrreich ist die Prüfung einiger Urkunden für das St. Georgs- und St. Severinsstift für die Kenntnis der Umstände, unter denen sich die Ausdehnung des Stadtbezirks vollzogen hat. In den ersten Jahren seiner Regierung gründete Erzbischof Anno II. südlich vor den Mauern der Stadt Köln, ante portam que appellatur alta, die Stiftskirche zum hl. Georg. Wir sind davon unterrichtet durch eine Bulle Papst Nikolaus II. vom 1. Mai 1059, welche die neue Kirche und die ihr Dienenden in den päpstlichen Schutz nimmt und iinter Androhung des Anathems und göttlichen Strafgerichts vorschreibt ut tua (Annonis) et hec nostra eadem ad augmentum prefat^ eeclesi^ perpetualiter confirmandf statuta inviolata permaneant. Die Urkunde Annos, auf die hier verwiesen wird, ist uns gleich- falls überliefert, freilich in einer Form, die erst von den Zuthaten eines späteren Fälschers gereinigt werden muss. Dieses verfälschte Diplom liegt vor in der Urkunde Annos von 1067, die bei Lacomblet ÜB. I Nr. 209 gedruckt ist. Das angebliche Original befand sich noch 1860 im Pfarrarchiv von St. Georg, ist aber, wie mir auf meine Er- kundigung dort mitgeteilt wurde, seitdem abhanden gekommen. Glück- licherweise ist unsere Untersuchung gleichwohl nicht ausschliesslich auf den gedruckten Text angewiesen. Auch das Siegel ist uns erhalten, einmal in einer Abbildung, die Lacomblet 1860 dem 3. Bande seines Archivs für die Geschichte des Niederrheins beigefügt hat, sodann aber, ") Westdeutsche Zeitschrift 19. Jahrgang (1900) S. 196—208. Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 37 was wertvoller ist, in einem Gipsabgoss, der sich im historischen Mu- seum der Stadt Köln befindet. PrQfen wir das Siegel von Lac. I 209, so finden wir einen Durchmesser von 86 mm und die Umschrift f ANNO • DEI * GRA • COLONIENSIS • ARCH . . . (die letzten Buchstaben sind unleserlich). Femer ein Siegelbild, das von dem normalen völlig abweicht: der Erzbischof hält den Krummstab in der angezogenen Linken, so dass derselbe über seine linke Schulter emporragt. Es ist ein ganz ähnliches Bild, wie es auf gefälschten Heribert-Siegeln an Urkunden für Deutz und St. Martin erscheint. Zu diesem ersten äusserlichen Grund gegen die Äcbtheit von Lac. I 209 tritt ein zweiter in der nach päpstlichem Muster geformten Salutatio: omnibus in Christo fidelibus salutem. In seiner Untersuchung der ältesten Urkunden fflr St. Stephan in Strassbnrg hat bereits Wiegand ^*) festgestellt, dass diese Salutatio in rheinischen Bischofsurkunden erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts erscheint: In Trier seit 1138, io Worms seit 1137, in Speier zuerst unter Bischof Günther von Henneberg (1146 — 61). In Basel verwendet man seit 1136 zunächst nur die Formel in Perpetuum, in Strassburg 1109 ganz vereinzelt die Formel benedic- tionem et vitam, gewohnheitsmässig die Grussformel erst unter Burchard I. (1141 — 62). Als Ausnahmefälle registriert Wiegand zwei Kölner Ur- kunden, die hier zur Untersuchung stehende Lac. I 209 und Erz- biscbof Friedrichs ^I. Stiftungsurkunde für die Siegburger Propstei Fürstenberg von angeblich 1119, Lac. ÜB. I 209. Die letztere ist von Knipping als eine Fälschung erwiesen, die mit Benutzung eines Diploms von 1144 angefertigt ist. Man wird somit, denke ich, die Salutatio in Lac. I 209 als gewichtigen Grund gegen die Ächtheit anführen dürfen; erst nachdem die Kirche im Investiturstreit obgesiegt hatte, sind die Formen der päpstlichen Kanzlei in die deutsche Königs- und Bischofsurkunde eingedrungen ^^. In der verkürzten Form (Omnibus Christi fidelibus tam futnris quam presentibus) findet sich die Grussformel in der Urkunde Annos für St. Kunibert vom 3. Oktober 1074, Lac. I 218; auch diese ist dne Fälschung. Es ist nicht schwer zu erraten, woher die Salutatio in die Urkunde Lac. I 209 gekommen ist. Am Schluss heisst es: '*) Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins IX, 389 ff. '^ Vgl. Mühlbacher, Mitteilungen des Instituts fQr österreichische Getchichtsforschnng, IV. Ergänzungsband (1893) S. 509 f. 38 0. Oppermann Hec igitur omnia et quecunqae iaste acqairi et addi possaat, primo sab tutelam 8. Romano ecclesi^ per manam veoerabilis pape Nicolai, cuias etiam scripta ad corroborationem eiusdem rei contioentur apud nos, diligenter commisimas ac deinde non solum Golooiensis ecclesi^, vemm etiam comprovincialiam ecclesiarum coosenso et adstipulatione et banni auc- toritate corroborari decrevimus. Die Balle von 1059 mit der Salatatio Annoni archiepiscopo Coloniensi perpetaam in Domino salutem hat dem Fälscher vorgelegen. Was den Inhalt anlangt, so ist zanäebst festzustellen, dass nach Lac. I 209 das Stift u. a. Polheim cum omnibus reditibas absque decima erhält, während doch erst Erzbischof Sigewin, Annos Nachfolger ihm Pol- heim duos mansos solventes libram unam geschenkt hat^®). Und der Zehnt zu Polhelm würde von Lac. I 209 wohl kaum ausgenommen sein, wenn er zar Zeit der Schenkung noch verfügbar gewesen wäre. Damit erhalten wir die Zeit Hermanns IIL als terminus a quo für ihre Ent- stehung ; dieser Erzbischof hat den Pulheimer Zehnten dem St. Cäcilien- Stift geschenkt'®). Wichtiger als die Feststellung dieser Interpolation ist für unsere weitere Untersuchung, dass der Text von Lac. I 209 im Übrigen authentisch ist. Dieser Nachweis lässt sich im Wesentlichen erbringen. Was zunächst die gegen den Schluss der Urkunde aufgeführten Besitzungen und Einkünfte des Stifts anlangt, so nennt Anno als solche u. a. : Iq WeBtfalia X libras de decimatiooe vestitui fratrum destinatas qu^ etiam in beneiicio Palatini comitis fueraat. In Hurnesvelt ad da is libras Circa Menethene docimas solventes II libras ex^'.eptis XXX denariis. Diese Einkünfte müssen bereits im II. Jahrhundert fixiert wor- den sein; denn schon im Anfang des 12. Jahrhunderts hat die neue Rechnangsmünze, die kölnische Mark (zu 12 Schillingen) das alte, ka; rolingische Pfund (zu 20 Schillingen) so vollkommen verdrängt, dass seitdem nur noch eben solche Leistungen, die längst festgelegt waren, als Geldbeträge in Pfund erscheinen. Die Gründung des Mariengradenstifts ist von Papst Nikolaus I. an gleichem Tage durch eine gleichlautende Bulle wie das St. Georg- stift bestätigt worden. In der Form, wie sie bei Lac. I 195 gedruckt ist, ist sie freilich durch eine Interpolation des 12. Jahrhunderts ent- stellt, und gerade zu dieser Interpolation gehören die Worte decimationem in Saxonia que feodum Henrici fuit. In einer Urkunde Annos für das Mariengradenstift von angeblich 1075 Juli 29, die in der überlieferten Form (Lac. I 220) eine Fälschung »•) Lacomblet ÜB. I 241. Undatiert. "**) Unverdächtiger Teil der oben behandelten Urkunde Lac. I 249. Kritische Studien zw älteren Kölner Geschichte. 39 des 13. Jahrhunderts ist^^), ist nan aber umgekehrt gerade die Stelle decimationem in Saxonia quam ad vestitum fratram destinaviraas Bestandteil des ächten Textes. Es ist also kaum zu bezweifeln, dass der Zehnt in Westfalen zum andern Teile in der That durch Afino an das St. Georgstift gekommen ist. Eine planmässige Gleichartigkeit in der Ausstattung der beiden Stiftskirchen zeigt sich auch darin, dass nach Lac. I 209 dem St. Georgstift das Dekanat im Bonn- und Ahrgau verliehen wird eodem prorsus modo quo alias jn^Guelpekowe ecclesi^ 8. Marif in g^adibus benigne concessimus. Die Verleihung des Dekanats im Zalpichgau an das Mariengraden- stift ist durch Lac. I 220 überliefert: Preter hec eiusdein ecclesi^ preposito cum banno dedimus decaniam in pago Zulpiaco. Auch dies muss authentisch sein, denn Sigewin schenkt 1085^^) dem Stift in decania Znipikowe nniversam decimationem indeterminatam ex no7a1ibu8 provenientum nostris temporihus erutis sive eruendis. Das Stift war also damals schon im Besitz des Dekanats, denn die Überlassung der Neubrnchszehnten erfolgte im 11. Jahrhundert nur immer für die Regierungszeit des betr. Erzbischofs, und der Übertragung des Dekanats im Bonn- und Ahrgau an das St. Georgstift fügt Anno in Lac. I 209 ausdrücklich hinzu omnem quoque decimam de sylvis rubis erutis et eruendis per totam eandem decaniam. Ebenso wohlbegründet wie die Bezugnahme auf das Mariengraden- . Stift ist es, dass Anno die Kirche s. Marie in Noithusen (Lyskirchen) in suburbio civitatis Coloni; iuxta ripam Reni sitam, die bereits durch die erste Stadterweiterung von 1106 in den Mauerring einbezogen wurde, dem St. Georgsstift zu demselben Rechte unterstellt, wie die Kirche St. Johann Baptist dem St. Severinsstift untergeben ist. Der Erzbischof war genötigt, sich mit dem Nachbarstift auseinanderzusetzen, zu dessen Bezirk bisher das Gebiet des neuen Georgstifts gehört hatte. Als Produkt eines Fälschers ganz unmöglich wegen der Benutzung fremder Diplome, als Bestandteil einer ächten Urkunde Annos dagegen nach jeder Richtung hin einwandfrei ist die interessanteste Stelle von Lac. 1 209 : ^) Ich muss dpn näheren Nachweis der Fälschungen fär St. Marien- graden einer späteren Untersuchung vorbehalten. *<) Lac. I 236. Unverdächtiges Original, im Kölner Stadtarchiv, be- siegelt gewesen. 40 ^' Oppermaon Continebant siqiiidem privilegia ecclesi^ s. Sevehiii coDfessoris soi iuriB esse bannam osqoe ad portam que appellatur alta, quem quidem a canoni- eis et preposito eiosdem monasterii per concambium accepimus, et daodecim areas, infra ambitum exterioris claastri 111, novem extra, solventes singalis annis Y sol. et VI den., donantes e» pro banno et areis Y libras singnlis annis de dedmatione qof est Meginhardeshagen et Laidolessceith atque Bolonchon, quam quidem tenoit Palatinus comes in beneficinm . . « Hone itaque bannum com suo determinatione usqae ad portam supradietam et ex altera parte tisqae ad ripam Reni a termino areamm, qa^ ex meridiana parte monasterii sit^ sunt extra claustrum exterius, eidem donamasiecclesif s. Georgii martyris et ibidem Deo famulantibus. Wir besitzen eine Urkande des St. Severinsstifts, die ihrem In- halte nach sehr wohl eins der Privilegien sein könnte^ durch die Anno bei der Grflndang des Georgsstifts zu einer Abfindang genötigt wurde. Es ist das schon vielfach kommentierte Diplom des Erzbischofs Wich- frid von 948, Lac. I 102, dessen angebliches Original sich im Kölner Stadtarchiv befindet. Einen erheblich besseren Abdruck des Textes hat Cardauns in den Annalen des historischen Yereins fQr den Niederrhein Heft 26/27 S. 344 ff. gegeben. In dieser Urkunde heisst es, die fratercnli des monasterium ss. martyrum Gomelii et Cypriani (des späteren Severinsstifts) hätten sich beklagt ut terminus, quem beatissimus Severinus ut antiqnitus dictum esset cum suo banno ad prefatnm monasterium . . . terminasset ac quem mens prede- cessor Hermannus (I. 890 — 926) postea iterum probabilium hominum testi- monio atque suo banno finnasset, undiqne a circummanentibus popularetur et illorum vires non sufficere, illum a lupis rapacibus defendere. Wichfrid lässt darauf in der Synode, die er am Grandonnerstag gerade versammelt hat, durch sieben Kleriker und sieben in der Nach- barschaft (des Stifts) wohnende Laien eine eidliche Feststellung des Stiftsbezirks vornehmen. Dieselben bezeichnen ein genau umschriebenes Gebiet. Seine Grenze läuft von der Hohenpforte südlich zur Johannes- kirche, doch so, dass sie östlich von der Fortsetzung der Hochstrasse 17 Joch Land noch einbezieht; von der Johanneskirche südwestlich durch die heutige Ulrichsgasse zum jetzt verschwundenen Dorf Thieden» hoven, von da nach Höningen, an den Wäldern Dierlo und Junginvorst vorbei per viam^que dicitur vorstwegh zum Bhein und nach Norden umbiegend das Rheinufer hinab zur fossa civitatis, die in der Linie des heutigen Filzengraben die südöstliche Ecke der Römerstadt mit dem Rhein verband, endlich diesen Graben und die südliche Römermaner entlang zur Hohen Pforte zurück. Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 41 Der Erzbiscbof bekr&ftigt im Sendgericht mit seioem Bann and dem aUer anwesenden presbiteri, dass in diesem Gebiet nemo qaid iuris vel potestatis ant termini ac saltim senatus interhabeat nee aliqnis decanus ant advocatas ... nisi prasfati monasterii prepositns exceptis XX domibns qne pertinent ad ecclesiolam secus Renum snb bonore sancte Dei genitricis fhndatam. (St. Maria in Lyskirchen.) Dass wir hier den Inhalt der Privilegien vor ans haben, darch die Anno bei GrQndang des Georgsstifts za einer Abfindung an das Severinsstift veranlasst wurde, kann nach den Angaben von Lac. I 209 keinem Zweifel unterliegen. Nun ist aber Lac. I 102 eine Fälschung, wie man längst allgemein ^^ erkannt hat, ohne freilich den Thatbestand weiter nachzuprüfen. Ist sie angefertigt worden, um einer Schmälerung des Stiftsbezirks durch Anno zu begegnen? Wenn man sich erinnert, wie oft dieser Erzbischof bei der Verfolgung seiner Pläne fremdes Kirchengut angetastet hat, scheint diese Annahme sehr nahe zu liegen. Die nähere Untersuchung von Lac. I 102 sind wir genötigt mit der einer andern Urkunde für das Severinsstift zu verbinden, gegen die man bisher noch keine Bedenken erhoben hat. Es ist ein angeblich am 8. Dezember 1046 ausgestelltes Diplom des Erzbischofs Hermann IL, angebliches Original, besiegelt, im Kölner Stadtarchiv, gedruckt nach einem Kartular Lac. I 179, und danach Quellen I 23 S. 478, nach den angeblichen Original Annalen a. a. 0. S. 350 ff. Wir schreiten zunächst zum Schrift- und Siegelbefund. Auf Tafel I geben wir folgende Schriftproben, Unter Nr. 1 den Kopf von «inem unzweifelhaft ächten, 941 von Erzbischof Wichfrid für das Kölner Cäcilienstift ausgestellten Original, unter Nr. 2 einen Ausschnitt aus einer anbesiegelten Ausfertigung von Lac. I 102 (im Kirchenarchiv von St. Severin), unter Nr. 3 einen Ausschnitt aus Lac. I 102, unter Nr. 4 und 5 Ausschnitte aus Lac. I 179. Da sind nun zunächst bei dem angeblichen Original von Lac. I 102 (Schriftprobe Nr. 3) unverkennbare Anzeichen dafüi vorhanden, dass hier eine ältere Schrift von späterer Hand nachgeahmt worden ist. Die Oberlängen sind bald nach rechts abgestrichen (was für das 10. Jahrhundert zeitgemäss wäre) wie das 1 in .astipulatione^ bald lotrecht und oben verdickt, wie das k in karta, das h in hanc, das 1 in ,dia- bolus^ Überhaupt treten die einzelnen Buchstaben in sehr wechselnden. **) Friedrich, Kirchengeschichte Deutschlands II, 316. Cardauns, Annalen a. a. O. Bresslau, Handbuch der Urkundenlehre I, 624. Lau, Kdln S. 38. Heldmann, Der Kölngau und die civitas Köln S. 38. 42 0. Oppermann dem Schreiber offenbar nicht sonderlich geläufigen Formen anf. Vgl. das d in ,traditionem^, ,indicatar^ und ,diabolas^ mit dem in ,condemp- natus', das h in ,hanc^ (zweimal) mit dem in ,adhereat^, das s in ,nisi^ und ,inssi^ mit dem in ,obposita^, das st in ,astantium^ und ,monaste* rium^ mit dem in ^Stipulationen Bezeichnend fUr den Schreiber von Lac. I 102 ist aber besonders zweierlei: die Verzierung des t mit einem Oberlängen-Aufsatz, der in zeitgemässer Schrift nie vorkommt, offenbar weil t nicht als Interlinearbuchstabe galt, und die gewohnheitsmässige Verwendung des geschwänzten m und n, einer Buchstabenform, die man in Urkunden des 10. Jahrhunderts am Wortende oder vor einem aus- gefallenen Lautzeichen findet (z. B. com(i)tatu Eaiserurkunden in Ab- bildungen Lieferung III Tafel 1 2 Zeile 3 am Ende ; liberrim(a)m ebenda Tafel 14 Z. 7.). Dieselben charakteristischen Kennzeichen finden sich auch in der Schrift von Lac. I 179. Auch hier der gleiche Buchstabe in wech- selnden Formen (vgl. das d und p auf Probe Nr. 4 mit den ent- sprechenden Buchstaben auf Probe Nr. 5), der Aufsatz auf dem t und das geschwänzte m und n (in ,sanctae', ,Severini' und ,oratorium' Probe Nr. 4). Auch die Formen der Majuskeln S, H und A (,Henfridi' und ,Arnoldi' Probe Nr. 5) und der ziemlich misslungene Versuch, m der oblongierten Zeile stilisierte Buchstaben fQr D, £ und B zu verwenden, verraten diese Schrift als verstellt. Auch bei Lac. I 102 ist die letzte, das Datum enthaltende Zeile in verlängerter Schrift geschrieben, und Buchstaben wie D und R zeigen mit denen in der entsprechenden Zeile von Lac. I 179 starke Familienähnlichkeit. Es ist ferner zu constatieren, dass diese oblongierten Zeilen fast mit den gleichen Worten (Lac. I. 102 Actum est pupplice; Lac. I 179 Acta sunt hec publice) beginnen und mit der gleichen Formel (feliciter Amen) schliessen. Bei Lac. I 102 folgt am Ende dieser Zeile das Recognitionszeichen des Kanzlers Heribert, sehr geschickt nachgezeichnet, wie der Vergleich mit der ächten Wichfridschen Urkunde für St. Cä- cilien erkennen lässt, aber in seiner Bedeutung von dem Fälscher offenbar nicht erkannt. Denn die Zeile, die es voraussetzt: Heribertus cancellarius scripsit fehlt ja, so dass das ,et recognovit' ganz in der Luft steht. Bei Lac. I 149 schliesst die oblongierte Zeile mit einem Monogramm, das wahrscheinlich gleichfalls von einer ächten Urkunde Hermanns II. abgezeichnet ist. Findet sich doch auf der undatierten Urkunde Annos Lacomblet ÜB I Nr. 225, deren Original im Keiner Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 43 Stadtarchiv aufbewahrt wird, ein ganz ähnliches Zeichen. Nur lässt der Vergleich mit diesem freilich erkennen, dass das Monogramm von Lac. I 179 auf Ächtbeit keinen Anspruch machen kann, wie man es ja am Schlass der gänzlich misslungenen oblongierten Zeile nicht anders erwarten kann. Das Siegel von Lac. I 179 könnte acht sein, wenn seine Kontaren nicht sehr verschwommen wären. Bild und Umschrift f lERIMANNVS DI GRA ARCHI€{^S passen durchaos in den Rahmen der oben ge- gebenen Zusammenstellung ächter Siegel. Insbesondere findet sich die Umschrift mit der Ligatur FE und der runden Form das E am Schluss auch auf dem Siegel Hermanns II. an der Deutzer Urkunde von 1041. Freilich ist auch dieses, das in Ermanglung eines besseren Exemplars oben unter die ächten Siegel eingereiht worden ist, in Bild und Schrift so undeutlich, dass die Ächtbeit nicht ausser Frage steht. Jedenfalls aber lässt sich der Typus des ächten Siegelstempels Hermanns IL aus diesem Material mit Sicherheit feststellen. Bemerkenswert ist, dass sowohl an dem Siegel von Lac. I 179 wie an dem der Deutzer Urkunde der Henkelabdruck fehlt. Es erklärt sich das freilich wohl am ein- fachsten durch die Annahme, dass beide Siegel gegossen sind. Noch bedenklicher steht es um die Ächtbeit des Siegels von Lac. I 102, das schon seiner plumpen und unregelmässigen Buchstaben wegen unmöglich von einem ächten Stempel herrühren kann. Es hat eine Grösse von 62 mm, die Umschrift WICffFRIDVS DEI GRA ARCHIEPS und das gleiche Bild wie das Siegel von Lac. I 179. Wäre es acht, so mOsste schon im 10. Jahrhundert das erzbischöfliche Siegel dem Typus der Mitte des 11. Jahrhunderts völlig gleich gewesen sein, während das Siegel Heriberts (999 — 1021) doch in jeder Be- ziehung abweicht. Einen Henkelabdruck hat das angebliche Wich- fridsche Siegel gleichfalls nicht aufzuweisen. Gleichwohl muss dem Fälscher nicht nur von Hermann IL, son- dern auch von Wichfrid eine Urkunde im Original vorgelegen, haben. Der Vergleich mit den beiden uns erhaltenen, in feierlichen kanzlei- mässigen Formen ausgefertigten Originalen Wichfrids®^) (vgl. die Schrift- probe Tafel I Nr. 1 mit der Probe Nr. 4) ergiebt, dass die Initialen am Kopf von Lac. I 102 und 179 einem aus Wichfrids Kanzlei her- vorgegangenen Diplom nachgezeichnet sind. Dass dieses nicht wohl ein ") Die oben erwähnte Urkunde für St. Cäcilien Lac. I 93 und die für St. Ursula von 950 Quellen I 11 S. 464. Beide im Kölner Stadtarchiv ' 44 0. Oppermaon anderes als eine UrkuDde fflr das Severinsstift selbst gewesen sein kann, wird man ohne Weiteres annehmen dOrfen. Da fOr die Siegelfälschnng von Lac. I 102 offenbar das Siegel Hermanns zum Vorbild gedient bat, muss man schliessen, dass das Original Wicbfrids unbesiegelt war. Von den genannten ächten Diplomen dieses Erzbischofs entspricht das anbesiegelte Lac. I 93 (941) dieser Annahme; Quellen I 11 (950) war besiegelt. Was die Herstellungszeit der Fälschungen Lac. I 102 und 179 anlangt, so lässt sich auf Grund der verstellten Schrift ein sicheres Urteil natflrlicb nicht fällen. Jedenfalls passt aber der Schriftcbarakter der unbesiegelten Ausfertigung von Lac. I 102 (Probe Nr. 2) völlig zum Jahre 1067, in welchem nach Lac. I 209 die Urkunde dem Erz- bischof Anno vorgelegt wurde. Im 11. Jahrhundert war man, wie sich bei den Siegburger Urkunden ergeben wird, ausserhalb der erzbischöf- lichen Kanzlei in der Diplomschrift noch völlig ungeübt; so erklärt sich die wenig kanzleimässige Form dieser älteren Ausfertigung von Lac. I 102. Indirekt ergiebt sich aber daraus auch, dass das besiegelte Spurium Lac. I 102 sowie Lac. I 179 beträchtlich später angefertigt worden sein müssen. Die weitere Untersuchung wird das bestätigen. Zu Zweifeln an der inhaltlichen Ächtheit von Lac. I 102 hat bisher im Wesentlichen dreierlei Anlass gegeben. Einmal in der Datie- rung das Pontifikatsjalir Wicbfrids, das richtig XXIV lauten müsste, im angeblichen Original zwar nicht mehr leserlich ist, aber sicherlich falsch war, da in dem' Kartular, dem Lacomblets Druck entnommen ist, an der betreffenden Stelle ,duodecimo^ steht. Zweitens die angebliche Anwesenheit eines Bischofs Johann von Cambrai bei der Weihe der von Wichfrid errichteten Kapelle. Bischof von Cambrai war 933 — 56 Fulbert; Johann I. von Cambrai hat 866 — 79, Johann II. erst 1192 — 97 regiert. Endlich die Stelle der narratio: qnia nulla pars ipsius templi dedicata erat sibi (s. Severino). Sie bedeutet, wie man meint, einen Widerspruch gegen das bereits im 9. Jahrhundert bezeugte Vor- bandensein des monasterium s. Severini. Das falsche Pontificatsjahr scheidet als Indicinm gegen die älteste, dem 11. Jahrhundert entstammende Fassung von Lac. I 102 aus, weil in ihr die beiden letzten Zeugen und die Datumszeile noch fehlen. Auch der dritte Grund fällt nicht ins Gewicht. Aller- dings sind die Zeugnisse für eine Verehrung des hl. Severin in Köln schon vor der Zeit Erzbischof Wicbfrids nicht alle beweiskräftig. Die Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 45 Entstehuog der nach Potthast ^^) der späten Karolingerzeit entstammende translatio s. Severini wird von Kessel in Wetzer und Weites Kirchenlexikon (Bd. XI* S. 217 ff.) mit grösserem Recht ins 10. oder 11. Jahr- hundert verlegt; die in ihr enthaltene Erzählung von dem Besuch, den Papst Leo III. 799 der Severinskirche abgestattet habe, gehört zu den zahlreichen Fabeln, mit denen dieses Papstes Besuch bei Karl dem Grossen ausgeschmflckt wurden ^^); sie sind im 11. Jahrhundert, teil- weise auch beträchtlich später aufgekommen. Nicht besser steht es um die Beweiskraft des Wandalbert von PrOm, der nach Kessel in seinem Martyrologinm den hl. Severin im Glänze zehnfacher Heiligkeit auf seine Kölner herabsehen lässt. Die Stelle lautet ^^): Severine, tuos decimo, sacer, inde colonos Inspectas primi radians de culmine templi. Es ist also nicht von Kölnern, sondern von Bauern die Rede, die zu dem regenbringenden Heiligen besondere Beziehung haben. Femer existiert eine Urkunde, durch welche eine freie matrona Rikyldis sich und ihre Nachkommenschaft in die Cerocensualität ad altare beati Severini extra muros civitatis Colonie giebt ^^). Am Schluss heisst es, der Gonvent von St. Severin habe die Urkunde schreiben und mit seinem Siegel versehen lassen. Acta sunt hec regnante Romanorum nobili rege Karolo snb Hyldebaldo venerabili Goloniensium archiepiscopo. Ein angeblich zur Zeit Karl des Grossen und des Bischofs Hildebold (785 — 819) mit einem Stiftssiegel versehenes Diplom braucht als plumpe Fäbchung wohl nicht erst umständlich erwiesen zu werden. Das an- gebliche Original, im Kirchenarchiv von St. Severin aufbewahrt, zeigt denn auch Schriftzüge des 13. Jahrhunderts und trägt rotseidene Schnüre als Siegelspur! Die Urkunde von angeblich 958 Lac. I 104, durch welche zwei Brüder ein Allod in Humverstule, scilicet ecclesiam que est in Kalden- kapellen, sowie zum Unterhalt der Kirche de aliis rebus 30 sol., in Yilegen unum solidnm, in Frilenchusen unam domnm que persolvit XYI den. et duas domos que persolvunt XYI den. in Branbechen IV **) Bibliotheca historica medü sevi S. 1574. ^) Vgl. Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands II, 443 und meine Ansföhrungen Westd. Zeitschr. XIX. Jahrg. (1900) S. 295. ••) Mon. Germ. Poete latine II 697, 23. •*) Lac. I 15. Jetzt auch bei Hess, Die ürkmiden des Pfarrarchivs TOD St. Severin in Köln S. 1, wo (Anmerkung a) die Urkunde bereits als Erzeugnis des beginnenden 13. Jahrhunderts bezeichnet ist. 46 ^' Oppermann sol. et VI den., in Zossena XVI den. s. Severino et fratribus illic famulantibus schenken, könnte als Beweis, dass die Stiftskirebe damak schon nach diesem Heiligen benannt war, nicht angeführt werden. Denn das angebliche Original, im Pfarrarchiv von St. Severin aufbewahrt, trägt die SchriftzQge des 13. Jahrhunderts und ein von der Rückseite ein- gehängtes Siegel von spitzovaler Form, das eine sitzende Bischofsfigar in ganzer Figor mit Mitra zeigt. Überdies setzt der Inhalt der Urkunde eine Entwicklung geldwirtschaftlicher Zustände voraus, wie sie im 10. Jahrhundert noch nicht erreicht war. Will man als ernsthafteres Zeugnis fOr den Gebrauch der Bezeichnung ittonastorium s. Severini schon im 9. Jahrhundert die Urkunde von 866, durch welche Lothar II. die von Erzbischof GQnther vorgenommene Ver- teilung des Vermögens der Kölner Bischofskirche bestätigt ^^), nicht gelten lassen, weil auch sie neuerdings verdächtig geworden ist, so existiert doch eine von Perlbach im Neuen Archiv XIII, 158 mitgeteilte Traditionsurkunde des Bonner Gassiusstifts vom 17. März 804, durch welche ein Mansus, qui . . . ab altero latere pertinet ad s. Severinum, verschenkt wird. Gleichwohl hat Lac. I 102 sicherlich recht mit der Behauptung, dass erst Wichfrid dem hl. Severin in der St. Cornelius- und Ciprianus- kirche einen Altar geweiht habe. Ein Fall, dass die Beziehungen eines Heiligen zu seiner Kirche durch ein Spurium jünger gemacht wurden, als sie thatsächlich sind, würde unter den zahllosen mittelalterlichen Fälschungen wohl einzig dastehen. Der Widerspruch löst sich wohl, wenn man annimmt, dass die die Cornelius- und Cyprianuskirche, wo der Bischof Severin von Köhi (um 400 bezeugt) begraben lag, schon nach diesem Heiligen benannt wurde, bevor er offiziell ein Heiligtum daselbst besass ®*). Die weitere Untersuchung erfordert eine Gegenüberstellung der Texte von Lac. I 102 und I 179. Lac. I 102. Notum Sit Omnibus fidelibus tam pre- sentibis quam futuris sancte dei ecclesie filiis, quomodo egoWicfridus sanctae Coloniensis ecclesiae licet indignus archiepiscopus pastorali cura impulsus ac divinitus in visionibus persepe Lac. I 179. Notum Sit Omnibus fidelibus tam pre- sentibus quam futuris sanctae dei ecclesiae filiis, quomodo ego Heri- mannus . . . licet indignus sanctae Coloniensis ecclesiae dei gracia archie- piscopus pastorali cura ammonitus ••) Joerres, ürkundenbuch von St Gereon, Nr. L *') Ich verweise für diese Auffassung auf eine demnächst erscheinende Arbeit von H. Schäfer, die zur Kölner Kirchengeschichte manches Neue bei- bringen wird. Kritische Studien zar älteren Kölner Geschichte. 47 premonitas in monasterio, qaod . . . sanctus Christi confessor Severinusipse a fandamentis erexit et in honore sanctornm martirum Gornelii et Gy- priani dedicavit, Oratorium conetruxi et in qoantam potoi in ipsius honorem spedaliter peromavi In cuins monasterii dedicatione .... quasdam res mee proprieta- tis pago in ipso sitas, scilicet in ▼illa Everiche dicta, id est fiscalia mansa II com vinea, que emi erga militem menm Salachonem XXYI lib- ris argenti, et iteram in villa que dicitur Beina II servilia mansa ac in TiUa Thedenhoven nominata I, que III erga militem Othelliardum precario acquisivi, s. Severino ac fratribus sibi tam incessanter famu- lantibus contradidi. Insuper cum communi consensu tam clericorum quam laicorum donavi de ecclesie rebus ad sustentandam inopiam illorum ecclesiam sub ipsius sa&ctis- simi confessoris honore fundatam Imi- nethorp dictam, quo melius profidant in oracionibus perpetualiter possiden- dam cum omni termino ibi ad nostrum opus habito. Haec dum agerentur etc. monasterium sanctissimi confessoris Christi Severini a preposito Sigeboldo cum auxilio antecessoris mei videli- cet domini Piligrimi . . . renovari incoeptum perfecta id est Oratorium cum kripta prout potui peromavi. In cuius monasterii dedicatione .... donavi s. Severino quasdam res proprietatis mee, hoc est IIII mansa in villa Ohtenethinc dicta ia- centia libram unam persolventia at- que in Saxonia in rilla Berenberg dicta VI mansa, que emi erga mili- tem Frethericum Cobbonis filium nona- ginta libris, iterum libram I per- solventia. Insuper cum communi consilio tam laicorum quam clericorum de ecclesiae rebus mansum I. addere curavi in villa Kessenig dicta iacens libram dimidiam aut vini carradam persol- vens atque de thelonio civitatis Veronae libram I et de Zulpigo iterum de thelonio libram I et ecclesiam I Bar- denbahc dictam non censualem libram dimidiam ad sustentandam frat- rum inopiam. Hec cum ita ordi- rer etc. Si quis vero . . prepositorum aut aliqua obposita persona contra hanc cartam venire temptaverit aut quolibet modo infringere eam voluerit . . . . a limi- nibus sanctse dei ecclesiae efficiatur ex- tranens, in die extremi exanunis fiat deputatus etemis supplitiis .... oculi eins non videant lumen in secula se- culorum amen. Quo autem hec carta firmier sit, nobis testes asscribere placuit. Da zur Zeit Wichfrids wie auch noch unter Hermann II. die erzbischöfiichen Urkunden ans der erzbischöflichen Kanzlei hervorgingen und man im Severinsstift am die Mitte des 11. Jahrhunderts sich noch nicht auf Diplomschrift verstand, so beweist dieser Vergleich, dass einer . . . si quis meorum successorum aut quelibet opposita persona contra hanc traditionem venire temptaverit vel terminum quolibet modo infringere .... voluerit a liminibus sancte dei ecclesiae efficiatur extraneus, in die examinis fiat deputatus etemis subplicüs, oculi eius non videant lu- men in secula seculorum amen. Quo autem firmior sit hec carta, placuit testium astantium assignari nomina. 48 0* Oppermann der beiden Texte nnächt und von dem andern oder vielmehr von dessen Vorlage einfach abgeschrieben ist. Nun hat unsere diplomatische Unter- suchung ergeben, dass ein achtes Diplom von beiden Erzbischöfen im Severinsstift vorhanden gewesen sein muss; an sich kann also sowohl Lac. 1 102 ans der ächten Vorlage von Lac. I 179 als umgekehrt diese F&lschung aus einem ächten Wichfridschen Diplom, das auch zur Herstellung von Lac. I 102 benutzt wurde, geschöpft haben. Der erstere Fall ist für den grössten Teil der Urkunde der wahr- scheinlichere. Die Nachricht von Lac. I 179, Hermann II. habe ein unter seinem Vorgänger Pilgrim begonnenes Oratorium in der Severins- kirche vollendet, ist freilich möglicherweise nur eine Wiederholung des von "VV^ichfrid berichteten Oratoriumbaues. Zu bemerken ist auch, dass Hermann IL trotz der Schenkungen, die Lac. I 179 ihm zuschreibt, in dem gleich zu erwähnenden Memorienbuch des Stifts nicht vorkommt. Andrerseits ist es aber um den übrigen Inhalt von Lac. I 102 nicht zum Besten bestellt. Ein im IB. Jahrhundert angelegtes Memorienbuch des Severins- stifts, in Düsseldorf aufbewahrt und Lac. Archiv III, 144 ff. mit Erläa- terungen gedruckt, enthält zum 9. Juli die Eintragung: 0. WichfriduB episcopus. el(emo8ina) eius silva Husholz et eccleria in Ingedorp. Diese Eintragung muss natürlich in ältere Zeit zurückgehen als Lac. I 102 ; denn hier sind, von der Immendorfer Kirche abgesehen, ganz andere Zuwendungen Wichfrids genannt, die das Memorienbuch doch sonst auch aufzählen müsste, und der Wald Husholz ist nicht erwähnt. Die Schenkungen zu Immendorf und Husholz bildeten höchst wahrscheinlich den Inhalt des ächten Wichfridschen Diploms, das, wie wir voraussetzen, im Severinsstift vorhanden war. Nun ist der Passus von Lac. I 179, der Zuwendungen Hermanns II. zu Ohtenethinc, Beren- berg, Kessenich, Bonn, Zülpich und Bardenbach aufzählt, sicherlich authentisch. Denn wäre er erst zur Zeit der Herstellung von Lac. I 179, zu Ende des 12. Jahrhunderts also, entstanden, so würde sich in ihm das schon seit dem Anfang dieses Jahrhunderts vor der kölnischen Mark im Verschwinden begriffene karolingische Pfund (libra) nicht mehr finden. Überdies ist eine Voranstellung der Laien vor den Klerikern, wie sie in der Wendung cum communi consilio meorum fidelium tam laicorum quam clericorum erscheint, im 12. Jahrhundert nicht mehr möglich, während noch unter den Zeugen der ächten Urkunde Annos Lac. I 225 der Propst Luzo erst an vierter Stelle hinter drei vor- Kritische Stadien zar älteren Kölner Geschichte. 49 nehmen Laien steht. Die Schenkungen Wichfrids sind also nnächt und nach dem Muster von Lac. I 179 formuliert; insbesondere ist Vor- sicht geboten gegenüber der Behauptung, Wichfrid habe von einem Vasallen, dem miles Salacho — der Name ist der Zeugenreihe ent- nommen — für 26 Pfiind Silber zwei Hufen und einen Weinberg 2urQckgekauft. Nur die Schenkung der Immendorfer Kirche ist nach Ausweis des Memorientochs thatsächlich durch Wichfrid erfolgt. Doch ist auch hier der Wortlaut nicht authentisch, sondern aus Lac. I 179 geschöpft, wobei in der Wendung cum communi consensu tam clericorum <)uam laicorum bezeichnenderweise durch Voranstellung der Geistlichen «ine Korrektur vorgenommen ist. Was die Pönformel anlangt, so wird man sie, wenn man 2wischen dem 10. und 11. Jahrhundert die Wahl hat, ohne Zweifel <>*) Günther, Codex diplomaticus I 196 = Knipping 1038 (1175): ad- vocatia, quam comes de Kazenellenbogene beneficii titulo a nobis habuit. Lac. I 461 = Knipping 1050 (1176) : Ein Kölner Bürger ist vom Ursulastift beneficiatuB bonis feodalibus et bonis censualibus, que vulgo lengbt et lasgüt dicuntur. Ernst, Bistoire du Limbourg VI 66 S. Iö4 =s Knipping 1051 (1176, Irresheim im Kreis Euskirchen): feodum ministerialis Gerlaci de Boden- heim. Westfälisches ÜB. Additamenta Nr. 60 =» Knipping 1053 (1176) Heinrich von Herdecke empfängt durch precaria remuneratoria ein Gut in feodum et beneficium zurück. An der Remunerationsleistung hat er und seine Gattin nur den Ususfrukt, feodum vero Heinrico uxoreque suo decedente ad proximorum heredum potestatem redigatur. Seibertz, Westfälisches ÜB. I 69 = Knipping 1057 (1176): Sigenand de Batthusen schenkt dem Kloster ölinghausen einen mansus, den er vom Erzbischof io beneficio habuit, et in- super 20 den. ecclesie persolvendos. Uli qui eandem decimam ab eo (Sige- nando) in feodo habent etc. Lac. I 454 = Knipping 1059 (1176): beneficium Heinrici de Turren, beneficium Wilhemi de Galecheim, beneficium GerUvi de Elvreke, beneficium quod Ilyas ministerialis quondam possidebat. Seibertx, Westfäl. ÜB. III 1069 = Knipping 1097 (1176, Westfalen) laicus Rutgerus, qui omnem decimam in Stocheim feodali iure tenuit. "*) Philippi, Osnabrücker ÜB. I 373 = Knipping 1229 (1184, Kloster Ölinghausen): Ministerialen, qui . . . super his bonis inbeneficiati erant Lac. I 501 =» Kn. 1237 (1185) advocatia curtis nostre in Leebenich, quam Herimannus de Hengehach a nobis in feodo tenebat. Hecker, Zeitschrift des bergiscben Geschichts Vereins XXII S. 249 = Knipping 1252 (1185): Äbtissin von St. Cäcilien verleiht Land zu Bocklemünd einem Kölner Bürger hereditario iure in beneficium. Hecker ebenda S. 248 (1186, Rum- beck in Westfalen): dominus Cftnradus de Rudenberg hat einen Zehnten in feodo. '0*) Annalen 65 S. 225 = Kn. 1535: Gerardus Sohn des Kölner Unter- vogts Theodericus hat 90 iornales ab ecclesia ss. Virginum et a manu abba- Kritische Studien zur älteren Eulner Geschiebte. 59 Nachdem die Yogtei zum Mannlehn geworden ist, erfolgt im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts der Übertritt ihres Inhabers aus der Ministerialität in die Nobilit&t. Unter den ministeriales b. Petri, die den nobiles gegenüber gestellt sind, wird der Vogt Hermann von Eppen- dorf noch 1197 und 1203 in Zeugenreihen urkundlich genannt ^^^), aber schon 1193 heisst er nobilis advocatus de Colonia. 1195 steht er mit diesem Titel unmittelbar hinter vier Grafen; in einer Urkunde des Jahres 1200 folgen hinter seinem Namen: Theodericus advocatus secundns in Ravensbergh, Giselbertns, Nicolaus, Johannes Rufus milites einsdem urbis et nobiles viri ^^^). Die Umbildung des Ministerialen zum freien Ritter hat sich um 1200 vollzogen ^^'). 2. Siegbnrger ürknndenf&lschangeD und die Entstehung der Siegbnrger Territorialherrschaft. Von Köln und dem Kölngau wenden wir uns nach dem jensei- tigen Ufer des Rheins, nach der von Erzbischof Anno II. gegrtlndeten Benediktinerabtei Siegburg. Die Stiftsherren, die in den ersten Jahren das Kloster bewohnt hatten, schickte Anno 1070 nach Köln zurück, um sie durch Mönche aus Fructuaria bei Turin zu. ersetzen. Von Siegburg wurden diese Mönche der neuen, strengen Richtung 1071 auch nach dem gleichfalls von Anno gestifteten thüringischen Kloster Saal- feld verpflanzt. So ist Lambert von Hersfeld veranlasst worden, beide Klöster zu besuchen. In sein Urteil mischt sich der Unmut über die Zurücksetzung, die die Anhänger der alten Regel erfahren hatten. Weil das Volk, immer nach Neuem begierig, Unbekanntes anzustaunen pflege, würden jene Mönche nicht für Menschen, sondern für Engel, nicht tisae iure pheodali. De asseoäu abbatisse . . et coosilio beDeficiatorum abbatisse, qui fidelitatem hominii abbatisse fecerant, hat Görards Gattin Rigmadis die 90 iornales, quos Gerardus vir eius iure hominii a manu abbatisse tenuit, von der Äbtissin empfangen gegen eine Zahlung von jährlich 5 sei. ad redi- mendum servitium, qiiod vulgo appellatur hergvede, et omnia onera, que ratione hominii deberi vel exigi possent. Unter den Zeugen : lotererant etiam bene* flciati a domina abbatissa Ludolfus de Ossindorp, Godefridus de Lunrecke, VogelOi Bemerus, Reterus, Vogelo et omnes, qui hominium ei fecerant, tota- que familia curtis in Ossindorp. "») Kn. 1514. 1522. 1628. »•«) Kn. 1464. 1490. 1587. ^^') Das Sehulzenamt der friesischen Gerichtsverfassung, das dem Schultheissenamt der fränkischen entsprach, wird noch 1204 im Gegensatz za d«n feoda der inbeneficiati zu den offlcia gerechnet. Vgl. Schröder, Rechts- geschichte' 556 Anm. 103. 60 0- Oppermann als fleischliche, sondern als geistige Wesen angesehen ^®*). Aber dem war doch so, und Anno selbst verkehrte in Siegbarg, wie Lambert mit unverhohlener Bewunderung berichtet, in Ehrfurcht und Demut mit den Mönchen, beflissen, ihnen wie ein Knecht zu dienen. Auch von Erzbischof Friedrich I. besitzen wir manches Zeugnis ergebener Gesinnung gegen das Kloster Siegburg; in der Urkunde, durch welche er im Jahre 1124 die Propstei Zülpich einrichtete, spendet er ihm wärmstes Lob ^^) : ceteris non solum mei episcopatus, verum etiam ctinctis fere totins Germanie monasteriis religione et roonastici ordinis districta observatione preminebat. Die Wirklichkeit ist andere Wege gegangen als man nach so erbaulichen Betrachtungen vermuten könnte. Der weltlichen Interessen, die eine klösterliche Grundherrschaft wahrzunehmen hatte, waren zu viele; sie zogen Abt und Konvent immer von neuem in ihre Kreise. Das Kloster lag an beherrschender Stelle an der schon im 11. Jahr- hundert aus dem oberen Siegthal nach Bonn führenden Strasse ^^% wie geschaffen, für die kräftige Entfaltung einer wohl arrondierten Grund- herrschaft ein Mittelpunkt zu werden. Dass die Mönche das vollste Terständnis für diese Aufgabe besassen und nicht verlegen waren um Mittel,'^ sie durchzuführen, werden die folgenden Untersuchungen uns zeigen. Im Zusammenhang ist zunächst eine Gruppe von sieben Sieg- burger Urkunden zu untersuchen. Nr. 1 bis 4. Vier angebliche Stiftungsurkunden des Erzbischofs Anno IL, und zwar Nr. 1. Angebliches Original, besiegelt, im Kgl. Staatsarchiv zu Düsseldorf. Undatiert. Von einer Hand des 15. Jahrhunderts mit dem Dorsualvermerk A« und von Lacomblet (Urkundenbuch I Seite 129, Anm.) demgemäss als sog. zweite Stiftungsurkunde bezeichnet. Wir nennen sie im Folgenden A, da sie sich als die vergleichsweise ursprünglichste Fassung erweisen wird. Nr. 2. Angebliches Original, besiegelt gewesen, in Düsseldorf. »0") Laroberti Annales, Mon. Germ. S.S. V 187 ff. 238. "•) Lac. I 299 = Kn. 214. ^^^) Lac. I 214 (1071): per plateam que Bunnam ducit usque Bozenlohe. Siegen an der oberen Sieg wird zuerst um 1085 (Lac. I 243), 1224 als oppidum de novo constructum erwähnt. (Lac. II 120.) 1258 beschwert sich die Stadt Köln über den Schaden, der ihnen durch die erzbiscböfliche Münz- glätte zu Siegen zugefügt wird (Lac. II 452 S. 248). Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 61 Undatiert. Nach dem Dorsualvermerk Ai von Lacomblet a. a. 0. als sog. erste Stlftangsurkunde bezeichnet. (Ai). Nr. 3. Angebliches Original, besiegelt, in Düsseldorf. Unda- tiert. Mit dem Dorsualvermerk A3. Gedruckt mit der Jahreszahl 1064 Lac. I 203. Nr. 4. Angebliches Original, besiegelt, in Dflsseidorf. Unda- tiert. Mit dem Dorsualvermerk A«. Gedruckt mit der Jahreszahl 1064 Lac. I 202. Nr. 5. Urkunde des Erzbischofs Anno II. Aber die Verleihung des Siegbnrger Gutes Sfllz an den nobilis vir Dioderich. Undatiert. Angebliches Original, besiegelt, in Dflsseidorf. Gedruckt und zwischen 1066 und 1075 angesetzt Lac. I 221. Nr. 6. Urkunde des Erzbischofs Hildolf. Undatiert. Angeb- liches Original, besiegelt, in Düsseldorf. Gedruckt mit der Jahreszahl 1076, die von später Hand auf der Rückseite steht, Lac. I 228. Nr. 7. Urkunde des Erzbischofs Friedrich I. Undatiert. An- gebliches Original, besiegelt, in Düsseldorf. Gedruckt mit der Jahres- zahl 1116 („nach einer Nachricht im abteilichen Archiv*^), Lac. I 278. — Kn. 125. Wenn wir ohne Rücksicht auf die prätendierte Zeit diese Ur- kunden zur Schriftvergleichung neben einander legen, so ergiebt eine sorgfältige Prüfung, dass die Reihenfolge Lac. I 221, Lac. I 228, A und Ai, Lac. I 203 das Bild einer fortschreitenden Entwicklung von Buchschrift zur Diplomschrift darbietet, während Lac I 202 und Lac. I 278 ab wesentlich später zunächst für die Betrachtung ausscheiden. Man vergleiche die Schriftproben auf Tafel ü. Die von A entnommene Probe (Nr. 6) ist geeignet, auch Ai zu vertreten; beide Diplome sind flo vollkommen gleichhändig, dass man den Eindruck erhält, als seien sie unmittelbar hintereinander mit gleicher Feder und Tinte geschrieben. Die Schrift von Lac. I 221 (Probe Nr. 4), ohne oblongierte Buchstaben in der ersten Zeile, unterscheidet sich nur durch ihre ver- hältnismässige Grösse von einer regelrechten Buchschrift. Jeder Schwung fehlt ; die Schäfte sind kurz und gedrungen, namentlich das s mit dem nach rechts abwärts angesetzten Haken ist charakteristisch. Die Hand von Lac. I 228 (Probe Nr. 5) ist der vorigen nahe verwandt, wie namentlich das esse mit übergesetztem ss erkennen lässt. Indessen zeigt diese Schrift gegen Lac. I 221 schon viel mehr Diplom- charakter. Invocatio und Intitulatio sind oblongiert, die interlinearen Buchstaben sind kleiner geworden, so dass die Oberlängen länger und 62 0. OppermaDfi die Zeilen weiter auseinandergerückt erscheinen, Das et in ,electione, weist gegen das in ,fructuano' von Lac. I 221 einen Fortschritt za kanzleimässiger Buchstahenverbindnng auf. Der Abkürzungsstrich, in Lac. I 221 noch ganz schlicht, zeigt in Lac. I 228 bereits einen gewissen Schwung. Dagegen sind auch hier die keulenförmig verdickten Oberlängen, das mit einem Haken nach rechts umgebogene lange s und die interlineare Form dieses Buchstabens (in ,quis') noch buchschrift- mässig. * Der Schreiber von A und Ai (Probe Nr. 6) — die völlig übereinstimmenden oblongierten Buchstaben der ersten Zeile lassen ver- muten, dass es derselbe ist wie vorher — hat die Diplomschrift bereits ziemlich gelernt. Er hat durchgehends die offene Form des a, des et (in jActum') in völlig kanzleimässiger Verbindung, die Oberlängen von b, d und 1 sind schlank von rechts ausgeholt, die Unterlängen von p, q, r, s ebenso nach links abgestrichen. Das lange s erscheint mit einem Fahnenornament^ das jedoch dem Schreiber entschieden unge- wohnt ist. Geläufig ist ihm ein s mit ganz schlicht von links ausge- hoher Schlinge, das in dieser Form vereinzelt stehen geblieben ist; in ,bunnensibus^ und ,sumpsimus^ ist es offensichtlich nachträglich mit einer Querfahne versehen. Das diese Fahne etwas ziemlich Gekünsteltes ist, beweist ihre Ausgestaltung in ,legatosS ,advocatos' und ,ipsos'; im ersten Falle hat der Schreiber zweimal angesetzt, um sie zustande zu bringen. In Lac. I 203 endlich (Probe Nr. 7) erscheint eine in der Diplomschrift geübte und sichere Hand. Das offene a ist wieder ver- schwunden, die Oberlängen von b, d und 1 sind fest und lotrecht an- gesetzt, das lange s wird gewohnheitsmässig mit einer, zwei oder drei Schlingen von links ausgeholt, erscheint aber manchmal noch mit dem nach rechts heruntergezogenen Haken. Auch die interlineare s-Form (in ,defensores' am Schluss) die sich in allen späteren Siegburger Ur- kunden neben der langen findet, wird man als eine Reminiscenz aus der Buchschrift bezeichnen dürfen. Aus inhaltlichen Gründen wird sich nachher, wie hier vorweg- genommen werden mag, als terminus a quo für Lac. I 228, A, Ai und Lac. I 203 der 24. November 1105, als terminus ad quem durch päpstliche Bestätigungen für die drei erstgenannten Urkunden der 8. Januar 1108, für Lac. I 203 der 28. November 1109 ergeben. Erst in diesen Jahren hat man sich also im Kloster Siegburg die Kunst der Diplomschrift allmählich angeeignet; im zweiten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts setzt dann eine Reihe von erzbischöflichen Urkunden für -' 4 Kritische Stadien zar älteren Kölner Geschichte. Q$ Siegburg ein, deren Gleichartigkeit in Schrift, Stil und Formelban den sicheren Schluss auf die Th&tigkeit einer wohl organisierten Kloster- kanzlei zulässt. Zu diesem Ergebnis ist bereits 1889 Knipping^") darch sorg- iUtige Untersuchung der hier in Betracht kommenden Siegburger Ur- kunden Lac. I. 280 (1116), Lac. I 282 (1117 März 29), Lac I 283 (1117 März 29), Lac. I 284, Lac. I 287 (1118 April 5), Lac. I 291 (1120) und Lac. I 300 (1125) geführt worden. Das Bestehen der nach unserer Annahme erst nach 1115 ausgebildeten Kanzlei wird fflr 1102 durch Lac. I 260 nicht bezeugt. Durch diese Urkunde yerbrieft Erzbischof Friedrich I. zunächst die Erwerbung eines Allods und der Kirche in Honnef: Hec traditio in nostra presentia Bunne facta .... Itidem reno^ata est nostro iussu . . . . a. dominice ine. MCI pontificat. nostri a. IL Zweitens verbrieft der Erzbischof die Schenkungen der Lutgart von Katzenellenbogen und des Gerhard von Bleisa: Actum et confirmatum a nobis a. dom. ine. MCU pontificat. nostri a. IQ. Das zweite Datum bezieht sich so wenig wie das erste auf die Ausfertigung der uns vorliegenden Urkunde. Dieselbe ist viel- mehr frühestens 1118 ausgefertigt. Denn bei allen alteren Siegburger Urkunden Friedrichs L: Lac. I 280 (1116), Lac. I 282 und 283 (1117) und noch bei Lac. I 287 (1118 April 5) ist das Siegel durch zwei gekreuzte Pergamentstreifen eingehängt, bei Lac. I 260, Lac. I 291 (1120) und Lac. I 300 (1125j aber aufgedrückt. Zu dieser jüngeren Gruppe gehört auch Lac. I 284, worin zwei Handlungen aus den Jahren 1110 und 1117 nachträglich beurkundet werden; hier ist das Siegel gleichfalls aufgedrückt. Die Schriftproben von Lac. I 287 (1118) und Lac. I 260 auf Tafel H Nr. 8 und 9 mögen zeigen, dass beide Hände zu nahe verwandt sind, um 16 Jahre auseinander liegen zu können, dass die Schrift beider mit ihren interlinearen r und den teilweise ganz schlicht von rechts ausgeholten Oberlängen ^^^) entschieden jtlnger ist, als Lac. I 203 (1108 oder 1109 geschrieben), aber ihre Verwandtschaft mit der klösterlichen Buchschrift gleichfalls nicht verleugnet. Für letzteres ist die Verbindung oder vielmehr fehlende Verbindung von et (in ,exactionis' Probe Nr. 8, in ,dicta' Probe Nr. 9) das lange s mit Haken in ,satisfaciat^ Probe Nr. 8 und ^*^) Beiträge Eur Diplomatik der Kölner Erzbischöfe S. 8 ff. *'*) Bei beiden Urkunden nur gegen Ende des Textes, deshalb aus den Schriftproben nicht ersichtlich. 64 0- Oppermann das Obergesetzte Schlnss-s in ,annos^ Probe Nr. 9 bezeichnend. Lac. I 260 auch der Schrift nach später als Lac. I 287 anzusetzen, wird man wegen der dort schon weiter ausgebildeten kursiven Fahnenoma- mente und des stellenweise deutlich nach rechts umgebogenen r (in ,liber^ Probe Nr. 9) geneigt sein. Besonders evident ist übrigens die völlige Gleichhändigkeit von Lac. I 260 mit der Urkunde von 1120 Lac. I 291, die sich gleichfalls mit der Kirche zu Honnef beschäftigt; damals ist wohl auch Lac. I 260 geschrieben worden. Die älteste in achtem Original erhaltene Siegburger Urkunde ist die Hermanns lU. vom 13. Dezember 1096 Lac. I 252. Sie zeigt (vgl. die Schriftprobe Tafel II Nr. 1) keinen siegburger Schriftcha- rakter, sondern muss als ein Erzeugnis der erzbischöflichen Kanzlei angesehen werden. Aus dieser Kanzlei sind die von Anno und Hildolf ausgestellten ächten Siegburger Urkunden — dass solche vorhanden waren, wird sich weiterhin mit Sicherheit ergeben — jedenfalls her- vorgegangen. Denn zieht man die Schrift der Urkunde Sigewins für das Mariengradenstift von 1085 Lac. I 236 (Original mit starker Siegelspur im Kölner Stadtarchiv) zur Yergleichung mit A und Ai heran (Tafel TL Schriftprobe Nr. 3), so ergiebt sich aus der Überein- stimmung des charakteristischen, q-ähnlichen Abkttrzungsstriches, dass die Vorlage dieser Fälschungen der gleichen Kanzlei wie Lac. I 236 entstammte. Oben sind wir bereits zu dem Ergebnis gelangt, dass sich eine Herstellung durch den Empftnger bei Urkunden der Erzbischöfe Anno IL, Sigewin und Hermann III., von zwei zweifelhaften Brauweiler Diplomen des letzteren abgesehen, nicht nachweisen lässt. Die gleichhändigen Urkunden Annos und Sigewins für St. Kunibert Lac. I 218 und 229 sind jetzt als Fälschungen aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erkannt. Es verlohnt sich, bevor wir einen allgemeinen Schluss wagen, auf die Anfänge der Kanzlei im Kunibertstift kurz einzugehen. Die Urkunde des Erzbischofs Friedrich I. vom 15. Februar 1106 (das Datum wird ausdrücklich als das der Handlung bezeichnet) Lac. I 268 = Kn. 40 ist von der gleichen Hand geschrieben, wie die auf Friedrichs Namen gefälschte, also schwerlich vor dem Tode dieses Erzbischofs (25. Oktober 1121) angefertigte Urkunde Lac. I 277 = Kn. 143 von angeblich 1116^^®). Wahrscheinlich stammt von der- "') Kn. a. a. 0. und Beiträge zur Diplomatik S. 18 f., auch für das Folgende. Kritische Stadien sor älteren Kölner Geschichte. 65 selben Hand auch die Falschnng Lac. I 314 = Kn. 314, von angeblich 1132, die wegen des Zeugen Welterus decanus s. Petri erst nach der Erhebung Hugos zum Erzbischof (29. Mai/6. Juni 1137) entstanden «ein kann. Da die Urkunde far St. Kunibert Lac. I 298 = Kn. 213 (1124) mit den bisher genannten graphisch und formell nur verwandt ist, dürfte somit Lac. I 26d erst in den letzten Jahren Friedrichs 1. geschrieben sein. Damit ist der Beginn einer Kanzleithätigkeit im Kunibertstift in diese Zelt gerfickt; und wie in Siegburg begegnet auch hier neben den ersten vom Empfönger hergestellten ächten Urkunden Lac. I 298 =. Kn. 213 (1124) und Lac. I 322 = Kn. 313 (1135) eine ganze Heihe von Fälschungen; ausser den genannten Kn. 204 (angeblich 1122) xind Kn. 296 (angeblich 1133), beide von gleicher Hand und zeitge- mässer Schrift. Auch die falschen Diplome Annos und Sigewins Lac. 1 218 und 229 gehören hierher; auch in ihnen finden sich die wort- reichen Verfluchungen, die an Lac. I 268, 277 und 322 schon Knip« ping aufgefallen sind. Es scheint nach alledem, dass die Erzbischöfe von Köln noch tia in die ersten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts die Ausfei-tigung ihrer Urkunden nahezu ausschliesslich durch ihre eigene Kanzlei haben vollziehen lassen. In den Stiftern und Klöstern war man bis dahin der Diplomschrift so unkundig, dass im Severinsstift eine auf Wichfrids l^amen gefälschte Urkunde im Jahre 1067 einfach in Buchschrift ge- schrieben wurde und im ersten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts die Entwicklung der Siegburger Diplomschrift aus ungeschickten An- fängen sich deutlich verfolgen lässt. Ungemein interessant ist der enge Zusammenhang zwischen der Anfertigung von Fälschungen und dem Streben nach Ausbildung eines geschulten Kanzleipersonals, der im Kloster Siegburg und im Kunibertstift zu tage tritt. Wie nattlr- lich ist es, dass die Hochflut der klösterlichen Urkundenfälschungen im 12. Jahrhundert einsetzt, wenn gerade damals die Privatkanzleien der Empfänger die Erbschaft der erzbischöflichen Kanzlei in der Her- stellung der Urkunden antraten! Und sollte nicht das Aufkommen des Kölner Schreinswesens, das die urkundliche Festlegung der städt- ischen Grundbesitzverhältnisse so sehr erleichterte, in Wechselwirkung mit diesen Bestrebungen der geistlichen Grundherrschaften gestanden haben? In Lac. I 221 liegt wohl ein der Sache nach einwandfreier Akt vor, den man nachträglich unbefugter Weise in Form einer Annoschen Urkunde zu. beglaubigen unternommen hat. Das Siegel, links aufge- Westd. Zclt8chr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, I- n gg 0. Oppermaon drückt, in yerschwommenen Konturen, mit gebuckelter Stempelfläche und kaum leserlichen Buchstaben, ist einem ächten nur sehr unvoll- kommen nachgebildet. Dass ein solches vorlag, beweist das Bild, die richtige Umschrift und die zeitgemässe Grösse (64 mm). Am Rande rechts befindet sich eine auch in der Corroboratio erwähnte CMro- graphierung in Gestalt eines Doppelringsegmentes mit breitem horizon- talem Querbalken im inneren Zirkel. Die Sehne des Ganzen misst 112 mm. Mit der Wendung Huius rei veritatis testes isti sunt werden 49 Zeugen eingeführt, unter denen von den geistlichen nnd weltlichen Würdenträgem und Grossen des Erzstifts keiner genannt wird. E» wird hier das Gerichtszeugnis der Nachbarn schriftlich fixiert, während in den ächten Diplomen Annos die Beurkundung durch Personen aus der Umgebung des Erzbischofs bezeugt wird, die wohl schon ein ge- wisses Consensrecht hatte***). Das Siegel Hildolfs an der Urkunde Lac. I 228, unten in der Mitte aufgedrückt, ist leider so beschädigt, dass eine genaue Messung unmöglich ist; der Halbmesser beträgt ungefähr 67 mm. Das würde der zunehmenden Grösse des Siegelstempels entsprechen. Bild und Schrift sind klar und plastisch, der Stempel ist von gleicher Arbeit wie der ächte Siegelstempel Annos. Zu bemerken ist aber, dass die Umschrift lautet HILDOLFVS GRA DI COLONIENSIS ARCHIEPS, während alle andern ächten Siegel der Kölner Erzbischöfe seit Anno hinter dem Namen die Legende: DI GRA COLONIENSIS ARCHIEPS aufweisen. Während von Ai das rechts unten befestigt gewesene Siegel durch einen viereckigen Einschnitt in das Pergament entfernt ist, hat A ein unten in der Mitte aufgedrücktes Siegel, das zwar Schrift und Bild in tadelloser Plastik zeigt, mit 76 mm aber für ein Siegel Annos viel zu gross ist. Wahrscheinlich ist nach dem Siegel Hermanns HI., das sich an der mehrfach erwähnten Urkunde von 1096 findet, ein Stem- pel zur Herstellung dieses angeblich Annoschen Siegels angefertigt worden. Schon dass Hermanns Stempel gleichfalls 76 mm Durchmesser hat, spricht für diese Annahme. Ferner aber laufen auf Hermanns Siegel wie auf dem von A die beiden Schulterstreifen des Palliums fast horizontal auf der Brust zusammen, während sie auf dem ächten ^*^) Vgl. die Zeugenreihen in den einwandfreien Urkunden Lac. 1 196, 199, 225 und bei Lindn^, Anno der Heilige, Beilage XI S. 108. Kritische Stadien zur Alteren Kölner Geschichte. 67 Siegel Annos und auf dem Hildolfs an Lac. I 228 schräg nach unten fallend einen spitzen Winkel bilden, so dass also das Pallium dort mehr die Form eines T, hier die eines Y hat. Dass das Siegel von Lac. I 203 getischt ist, unterliegt keinem Zweifel. Es ist, wenn man das Pergament in vier Längsspalten ge- teilt denkt, unten in der zweiten Spalte aufgedrückt, hat einen Durch- messer von nur 60 mm, ganz verschwommene Konturen und ganz Hache, nur zum kleinen Teil leserliche Buchstaben, überdies den Heu- kelabruck zu Füssen statt zu Raupten des Bildes. Dieses ist nicht Brustbild, sondern reicht bis über die Hüften hinab. Als Vorlage hat also ein Stempel gedient, auf dem der Erzbischof in ganzer Figur ab- gebildet war. Eines solchen Siegels bedient sich zuerst Friedrich L (1100 — 1131), wodurch wir wenigstens für dieses Spurium bereits einen terminus a quo erhalten. Dass in den sämtlichen vier Urkunden Lac. I 228, A, Ai und Lac. I 203 die Zeugen fehlen, aber auch keine Besiegelung angektln- digt wird, muss gleichfalls als Verdachtsmoment erscheinen. Wenn, wie Ficker"*) ausgeführt hat, in Deutschland seit der Karolingerzeit in der W^ertschätzung der Urkunde allmählich ein Rückschritt erfolgte und die Privaturkunde, ungeeignet zu selbständiger Beweisführung, schliesslich als wirksam nur noch durch die Zeugen aufgefasst wurde, deren Namen sie enthielt, so erwartet man zunächst als obligatorischen Bestandteil einer ächten erzbischöflichen Urkunde eine Zeugenreihe zu finden. Das Material, das uns die Kölner Kanzlei des llr. Jahrhun- derts an die Hand giebt, zeigt indessen aufs deutlichste, wie zwei auch von Ficker (a. a. 0. S. 91 f. 94 f.) hervorgehobene Momente: das Aufkommen der Beglaubigung durch Siegelung und daneben auch der Wert der Urkunde als eines die Zeugen überdauernden Beweismittels, ihr damals bereits wieder grösseres Gewicht verschafft hatten. Die Besiegelung ist in Köln wahrscheinlich erst unter Heribert wieder aufgekommen. In der einzigen Urkunde, die wir von ihm in achtem Original besitzen, Lac. I 141 (1003 Febr. 16.) heisst es: Et Qt hec in aevum rata et inconvulsa manerent, hanc cartam conscribi precepi et insuper proprio consignari Bigillo. Nach Aufzählung der Zeugen schliesst die Urkunde Piligrims Lac. I 167 (1032 August 6): Et ut hec nostra traditio illibata et inconvulsa permaneat, sigilli nostri impressione firmare curavimns. "•) Beiträge zur ürkundenlehre I 82 ff. 5* 68 0' OppermaoD Am Schlags folgt dann eine Zengenreihe. Und ebenso Hermanns II. im Original vorhandene (wenngleich nicht unverdächtige) Urkunde Lac. I 177 (1041 Juni 17): Et nt hec nostra traditio stabilis et inconvolsa maneat, sigilii nostri impressione firmare curavinius. Auch von Anno besitzen wir nur sehr wenige Diplome, die sich als diplomatisches Yergleichsmaterial verwerten lassen. Lac. I 196 (1061) heisst es nach Aufzählung der Zeugen, die huic oppignorationi Tntererant: üt autem totius contradictionis et ambiguitatis plena stipalatione ex- tirparemus offeDdiculam, banc cbartami iode conscriptam at infra videtar corroborantes sigilii nostri impressione iussimus inaigoiri. Bei Lac. I 199 (1063 April 27) gehören die angefahrten Zeugen wie es scheint, zur Beurkundung, nicht zur Handlung; die Urkunde schliesst wie folgt: Hoc facto abbas cum Borchardo et uxore eius Mathilde in nostram yenere presentiam notum nobis facieotes, qualiter de precaria lila cooTenenint rogantes quoque ut ea scriptis ut fieri solet confirmaremus. Quibus ut dignum erat annuentes cartam hanc facte precarie scribi atque in perpetuum testimonium nostro sigillo iussimus signari. Dann folgt die Aufzählung der Zeugen, eingeleitet durch die Worte: Datum per manus Everhardi scolastici Y Kai. Mail. Testium astipulatione subscriptorum. In der Urkunde Lac. I 209, (1067) die oben als interpoliert, aber sonst einwandfrei nachgewiesen wurde, fehlen die Zeugen; die Cprroboratio lautet: Hec igitur omnia .... non solum Colonlensis ecclesie, verum etiam comprovincialium ecclesiarum consensu et adstipulatione, sigilii nostri im- pressione et banni auctoritate corroborari decrevimus, ut nemo tarn firme contradicionis riolator esse presumat, nisi qui anathematis sententiam et etemum Gehenne incendium nuUatenus pertimescat. Die Zeugen fehlen auch in der undatierten Urkunde Annos Lac. I 226, deren zweifellos achtes Original in Düsseldorf aufbewahrt wird. Am Schluss heisst es: Ut ergo traditio hec rata et inconvulsa permaneat, hanc cartam manu propria pretitulavimus et sigillum nostrum pro confirmatione impressimns. Si quis tarnen contradicere ei post obitum meum voluerit aut infringere conatus fuerit, maledictioni perpetue subiaceat et iram dei et sanctorum incurrat. Hinter der Zeugenreihe schliesst das bei Lindner, Anno der Heilige, Beilage XI S. 108 f. abgedruckte (undatierte) Diplom mit den Worten: Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. gg Hoc inconvulsum permaneat et nt verius credatur, sigilli nostri im* pressione signari iussimns. Die SchenknDg der Gertrudis an das Kloster Deutz Lac. I 225 ¥drd Yon Anno folgendermassen verbrieft: Facta sunt hec sub astipnlatione Annonis Coloniensis gloriosi arcbie- piscopi, qui ut nullus audeat hanc traditionem infringere, sigillum suum manu proprio huic cart^ impressit. Si quis autem testamento hoc contempto huic in faturo contradizirit traditioni, Christi perfossus anathemate et virginis matris eiu8 odio eteme subiaceat perpetim miJedictioni. (Folgen die Zeugen.) Auf die BesiegeluDg wird also überall grosses Gewicht gelegt; dem gegenüber findet sich nur ein Fall, in dem die selbständige Be- weiskraft der Zeugen hervortritt. Überdies kann die betreffende Urkunde — Lac. I 218 — hier nur mit Vorbehalt verwertet werden; denn sie ist verunächtet, wenn auch jedenfalls mit Benutzung einer ächten Vorlage. Das Datum (1074 Oktober 3) ist wahrscheinlich Zusatz des Fälschers; das ächte Diplom, das vorhanden war und vermutlich die Zeugenreihe und Corroboratio enthielt, ist vor 1068 anzusetzen, wenn anders Lac. I 211, in der vorliegenden Form gleichfalls eine Fäl- schung, in dem Domprobst Berenger und dem Domdechanten Luzo authentische Zeugen bietet. Denn der Domprobst Azelin, den Lac. I 218 nennt, ist schon 1041 und 1061 durch (Lac. I 177 und 196) bezeugt; durch letztere Urkunde auch der Domdechant Berenger. In Lac. I 218 also heisst es nach Aufzählung der Zeugen: Et ut verius credatnr firmiusque in posterum teneatur, hanc cartam in testimonium conscribi feci et in eodem monasterio in memoriale futurum repoaui. Sonst wird, wie wie wir sahen, allenthalben, jedenfalls wenn die Zeugen fehlen, die Besiegelung als entscheidend für die Beweiskraft angekündigt; in unsern vier Urkunden findet sich trotz der fehlenden Zeugen nichts dergleichen. Den Text von A und Ai hat Lacomblet nur anmerkungsweise als Abweichungen von Lac. I 203 und durchaus ungenügend mitgeteilt. Wir geben deshalb in der Beilage einen neuen Abdruck nach den angeblichen Originalen. In demselben sind die Zusätze von Ai, die sich nicht in A finden, in runde Klammem geschlossen, die Auslas- sungen von Ai, die A allein hat, durch Kursivdruck hervorgehoben. Eine gegen A mehrfach abweichende Wortstellung von Ai ist durch Ziffern angedeutet. An einer Stelle erwies sich die Nebeneinander- Stellung der Texte als zweckmässiger wie die Angabe von Varianten. Da wir eine sehr eingehende Zergliederung des Textes von A und 70 0. Oppermaun Ai werden vornehmen müssen, ist derselbe in kleine Abschnitte zer- legt worden, die am Rande durch die Buchstaben 6 bis U bezeichnet sind. Nach diesen citieren wir im Folgenden einzelne Stellen. Eine ächte Urkunde Annos fttr Siegburg, deren Inhalt sich mit dem der oben unter Nr. 1 bis 4 angeführten Ausfertigungen teilweise deckte, ist ohne Zweifel vorhanden gewesen, aber verloren gegangen; wir be- zeichnen sie im Folgenden mit Y. Suchen wir zunächst über das Verhältnis zwischen A und A i ins Klare zu kommen, so ist vor allem festzustellen, dass Ai in N über die Gerichtsbarkeit des Vogtes und die ihm zustehenden Abgaben ausführliche Bestimmungen enthält, die in A fehlen. Die genaue Auf« Zählung des servitium, das der Abt an jedem Gerichtstage schuldet^ bezweckt offenbar, weiter gehenden Ansprüchen einen Riegel vorzu* schieben. Da wird man sich erinnern dürfen, dass gerade die Übw- griffe der Vögte im 12. Jahrhundert allenthalben der Anlass zur Her- stellung falscher Urkunden wurden. Ein Passus, der den Bedürfnissen der klösterlichen Defensivpolitik jener Zeit so vollkommen entspricht wie N wäre also in A schwerlich weggelassen worden, wenn er bereits in Ai gestanden hätte. Schon hieraus wird man den Schluss zu ziehen geneigt sein, dass A einen (vergleichsweise) ursprünglichen, Ai einm interpolierten Text darstellt, Ai also jünger ist als A. Das wird bei näherem Zusehen zur Gewissheit. In A schliesst sich (in K) die Schenkung von Güls, Bendorf, Muffendorf, dem Zehnten zu Zülpich und dem dritten Teil des Hochkirchener Gotteshauses an die Aufzäh- lung der übrigen Besitzungen an. Erst dann folgen (in L) Bestim- mungen über die Rechte und Pflichten der Vögte. In Ai ist diese natürliche Reihenfolge gestört. Güls, Bendorf und Muffendorf werden mit andern verlehnten Gütern zwar an der entsprechendan Stelle ge- nannt (in J), die Schenkung zu Zülpich und Hochkirchen folgt da- gegen erst hinter den Festsetzungen für die Vögte als erster Satz eines langen Passus MN, der im Übrigen jene oben schon als Einschiebung gekennzeichneten Ausführungen über das Vogtsgericht enthält, also wieder von den Vögten handelt. Auch stilistisch lässt sich die Interpolation erkennen. In A nimmt der mit ,presumpserit contraire^. am Ende von L schliessende Satz in 0 seinen Fortgang mit: nullumque preter hoc m singulare placitum in anno teneant. In Ai ist dieser Zusammenhang zerrissen und nach dem Vogts weistum N der Faden wieder aufgenommen mit der Wendung Denunciamus itaque, die in einem der letzten Sätze der Urkunde am Anfang von S wieder vorkommt, also offenbar dort- Kritische Studien war Alteren Kölner Geschichte. 71 lier entlehnt ist. Gleichwohl verrät sich noch, dass die so eingeleitete Bestimmang ursprünglich sich an L, die A und Ai gemeinsamen Fest- setzungen Ober das einmal im Jahre zu haltende placitum der Vögte iUischloss, die in Ai durch MN von 0 getrennt sind: auf die Worte von L : ,ut semel in anno ad loca sibi prescripta conveniant . . / bezieht sich auch Ai in OP mit den Worten: ,ne preter hoc pla- citum singulare .... ullum in anno placitum teneant^ Wir haben in A eine geordnete Disposition : erst Aufz&hlung der Besitzungen, dann ein Yogtsweistum. In Ai dagegen: Schenkungen, Yogtsweistum, wieder Schenkungen und ein neues Yogtsweistum. Kein Zweifel: A ist die frühere, Ai die spätere Ausfertigung. Lac. I 203 enthält das Yogtsweistum N von Ai, das in A fehlt, gleichfalls, und zwar in erweiterter Form, indem hier der Aufzählung der Yogtsab- gaben noch hinzugefügt ist: In Strala modius tritici, porcus Valens flolidum, porcellus denariorum YI, anser I, pulli II, ova X, situla vini, ama cerevisi^ dimidia, aven^ modii IIII^'. In Ulma tantundem. Auch der mit ,Denunciamus itaque eisdem advocatis' einge- leitete Passus 0 kehrt in Lac. I 203 wieder, nicht die entsprechenden Sätze von A. An fünf Stellen steht eine stilistische Übereinstimmung zwischen Ai und Lac. I 203 einer abweichenden Fassung in A gegen- über: A, D : et hoc bone conversationis sacce- dentibus sibi reliquerint ezemplam. ecclesiam in Hanafo cum decimis et dotali manso. £: per manus advocatorum. Q: instituti sunt fratres. DOS per bannum apostoMd corrobo- ravirnos. S: Jesu Christi et s. Marise perpetue virginis genitrids eins. Ai und Lac. I 203. et hoc exemplum bon^ conversationis succedentibus sibi reliquerint. ecclesiam in Hanafo cum decimis et manso dotali. per advocatorum manus. instituti sunt fratres ibidem deo mi- litantes. nostra episcopalis censura per bannum apostolici corroboravit. Jesu Christi et s. Marise matris eins. Dem gegenüber kann nicht ins Gewicht fallen, dass andrerseits an nur einer Stelle Lac. I 203 die gleiche Wortstellung hat wie A, während Ai abweicht: A und Lac. I 203. D: preter unam que Moffendorf dicitur vfllam. Ai preter unam villam que MofTendorf dicitur. Yielmehr ergiebt das Yorhergehende mit Sicherheit, dass für Lac. I 203 Ai als Yorlage gedient hat. Die durch die Schriftver- 72 0. Oppermmn / gleichung gefandene Reihenfolge A, Ai, Lac. I 203 stellt sich mithin als richtig heraas. Aber auch unsere weitere Yermatnng, dass Lac. I 228, die an* geblich von Hildolf ausgestellte Urkunde, älter ist als dia drei ge- nannten Diplome, finden dnrch inhaltliche Kriterien ihre Best&tigang. Der Passus H in A und Ai stellt sich nämlich als stark interpoliert heraus, wenn wir zum Vergleiche die entsprechende Stelle von Lac. I 228 heranziehen, wo sich die ursprünglichere Fassung erhalten hat. Man vergleiche Lac. I 228. Aecclesia in Berecheim cum decima et dotali manso. Omnes autem aeccle- sias ad idem cenobium pertioentes hac donavit Hbertate, ut quod ex quarta parte decim^ fnictus et utilltatis epis- copos dinoscitur habuisse, ex hoc in luminaribus eius cui traditf sunt im- pendatur secclesi». A und Ai. Aecclesia in Berrecheim cum decima et dotali manso. AecclesiainBleisa cum decima et dotali manso. Aecclesia in Hanafo cum dote et decimatione. Aecclesia in Truh- tesdorf cum dote et decimatione. Has autem secclesias et omnes ad idem coenobium pertinentes etc. (wie Lac. I 228). Und ferner: Dem Passus L von A und Ai, der sich gegen Übergriffe der Vögte wendet, entspricht in Lac. I 228 von der ab- weichenden Einleitung (De advocatis vero monasterii sicut constitutum invenimus nos quoque constituimus etc.) abgesehen, genau eine Stelle, an die sich bei den Worten ,presumpserit contraire* unmittelbar die P entsprechende Stelle anschliesst. In Ai sind L und P durch MNO, in A wenigstens durch 0 getrennt. Durch die Einschiebung 0, die in Lac. I 228 noch fehlt, kennzeichnet sich mithin der letztere als der ursprünglichere Text, A als interpoliert. Könnte also nicht wenigstens in Lac. I 228 ein achtes Diplom Hildolfs vorliegen, das man dann bei der Herstellung der Fälschungen A, Ai und Lac. I 203 benutzte? Die Schriftvergleichung schien freilich auch für jene Urkunde in den Anfang des 12. Jahrhunderts zu führen. Sehen wir zu, ob sich dafür auch inhaltliche Gründe bei- bringen lassen. Die von einem Siegburger Mönch verfasste vita Annonis, die in den letzten Monaten des Jahres 1105 beendet wurde ^**), berichtet, Anno habe eine Stiftungsurkunde für das von ihm gegründete Kloster ausgestellt und zur Bekräftigung derselben von Papst Alexander II. ein Privileg erbeten. Dieses letztere, am 15. Mai 1066 ausgestellt. "•) Mon. Germ. SS. XI 463. Kritische Stadien zur Uteren Kölner Geschichte. 73 wird in der vita in etwas verkflrztem Wortlaut .mitgeteilt "^). Von Annos Urkunde Y — sie war damals noch nicht veninächtet, und wir identifideren sie deshalb mit dem verlorenen Original — giebt der Biograph nnr den Inhalt an; es ist recht nützlich, diese Inhaltsangabe mit dem entsprechenden Passus von Lac. I 228 zu vergleichen: Vita Annonis Mon. Genn. SS. XI 477. Anctoritatis snse rigillo roboratam paginam fecit, in qua sab eadem con- testatione decrevit, ne quis primam monachorum illorum consaetudinem immutare prsesumat, ne quis abba- tem ad aliquod curiale servi- tium aut non reguläre officium constringat, ne quis episcopus vel suorum quisqaam eo loco stand! potestatem habeatsine licentia abbatis, ne quis advo- catus aut subdefensor, nisi quem voluerit abbas, eidem monas- terio vel bonis eins constituatur. Uc. I 228. Denunciamus itaque et nos ne quis abbatem loci illius ser- vitium aliquid curiale facere compellat vel ad aliquod non reguläre officium constringat. De advocatis vero monasterii sicut constitutum invenimus nos quoque constituimus, ut in placitis tenendis et iusticiis faciendis effusionem san- guinis, furta, violatam pacem, here- ditatis contentionem iudicantes ex cottsilio abbatis quelibet cetera omnia abbatis arbitrio disponenda relinquant, ita ut in abbatis sit potestate, a persona famili^ qualibet pro libito supplicium sumere, si in aliquo iustis eins im« periis presumpserit contraire, neque subdefensorem quemquam nisi abbatis electione et famili^ collaudatione con- stituant Sed nee advocatns ali- quis nisi quem voluerit abbas eidem monasterio, cum necesse est) constituatur, nee episcopus quis vel suorum quisquam ibi standi potestatem habeat nisi cum licentia abbatis. Wie leicht zu erkennen ist, bilden die Bestimmungen über die richterliche Kompetenz der Yögte in Lac. I 228 eine Einschiebung, die zwar, wie ausdrücklich behauptet wird, aus der zur Bestätigung vorgelegten Annoschen Urkunde übernommen sein soll (sicut constitum invenimus, nos quoque constituimus), aber gleichwohl noch im Jahre 1105, als Annos Biograph sie benutzte, in dieser Urkunde nicht vor- handen war. Noch eine andere Stelle kann erst frühestens ganz zu Ende des Jahres 1105 dem Text von Lac. I 228 einverleibt worden sein. Es ist der Satz: »") Ebenda S. 477. Vollständiger Text Lac. I 296. 74 0. Oppermaon Tradidit etiam eidem monasterio Ghilesa, Beddendorf et decimationeai in Zalpiaco, qn^ erat Siggonis comitis, ac tertiam partem »ccleaüe in Hohei^- chirechon. Schon dadurch, dass er eine Güteraufzählnng, die bereits mit einer Bestimmung Aber den kirchlichen Zehnten abgeschlossen ist, gan^ unmotiviert wieder aufnimmt, erweckt er den Verdacht, interpoliert zu sein. Das predium quod habuimus in villa que dicitur Bettindorp hat König Heinrich IV. erst am 24. November 1105 dem Kloster geschenkt ^^®). Nun befand sich freilich das Drittel des Hochkirchener Zehnten, das in dem angefahrten Satze gleichfalls für Siegburg in Anspruch genommen wird, unter Erzbischof Reinald von Dassel als erzbischöf- liches Lehn in Besitz des vir ingenuus Reginardus de Kente, von dem es Abt Nikolaus von Siegburg für 104 Mark Silber erwarb. Der Besitzwechsel vollzog sich am 15. August 1166 in der für solche Falle üblichen Form. Da dem Reginardus über sein beneficium keine freie Verfügung zustand, Hess er es dem Erzbischof auf, der es donatione solempni dem Kloster überwies***-^). Ein weiteres Drittel des Hochkirchener Zehnten kann die Abtei Siegburg nicht besessen haben. Denn die Hälfte dieses Zehnten ver- schenkte erst 1194 Graf Dietrich von Hochstaden an die Abtei Stein- feld ^*®). Der dem Kloster Siegburg zustehende Anteil bestand in zwei Dritteln der anderen Hälfte; in Hoinkirchen medietatis partes duas heisst es in Lac. I 202, einer wie wir nachweisen werden um 1180, also nach jener Erwerbung des Jahres 1166, angefertigten Fälschung. Nach den bisherigen Ergebnissen ist aber natürlich ausgeschlossen, dass der 15. August 1166 den terminus a quo für die Entstehung aller Urkunden bildet, in denen der Hochkirchener Zehnten im Besitz des Klosters Siegburg erscheint. Da sich dieser nun zwar in Lac. I 228, A und Ai, aber nicht mehr in Lac. I 203 und in der Bestä- tigungsbulle von 1109 findet, welch' letztere, wie sich zeigen wird, mit Hilfe von Lac. I 203 erlangt ist, — so wird man anzunehmen haben, dass die Mönche den Zehnten verlehnt hatten und ihr Ober- eigentum wie allenthalben so auch hier in Gefahr war, in Vergessenheit zu geraten. Sie mögen anfangs bestrebt gewesen sein, sich - durch falsche Urkunden zu schützen und erst, als sie auf diesem Wege nicht "•) Lac. I 264. ">) Ebenda 1 415. KO) Ebenda I 544. Kritische Stadien rar älteren Kölner Qeschichte. 75 som Ziele gelangt waren, sich entschlossen haben, dnrch einen regel- rechten Kauf ihre Rechte zorackzaerwerben. Bei dem Zülpicher Zehnten lässt sich ein ganz ähnlicher Verlauf der Dinge deutlicher erkennen. In Lac. I 228 heisst es: decimationem in Zulpiaco que erat Siggoois comitls; in A: decimationem in Zulpiaco que erat Sicconis comitis pro X llbris; In Ai und Lac. I 203: decimationem in Zulpiaco quse in beneficio fuerat Sicconis comitis pro X libris. Der Zehnt ist also seiner Zeit für 10 Pfund dem Grafen Sicco verpfändet worden. Um ihn wiederzuerlangen, interpolierte man ihn in die gerade in Arbeit befindlichen Fälschungen — ob mit mehr Erfolg als den Hochkirchener Anspruch, bleibt zweifelhaft. Allerdings stiftete Erzbischof Friedrich I. im Jahre 1124 eine Propstei der Abtei Siegburg zu Zülpich und überwies ihr die Zülpicher Pfarrkirche quia ipsa prememorata ecclesia ad Sigebergense cenobinm cum terris suis et decimis omni possessionis iure pertinebat ^*^), aber ob die Abtei damals thatsächlich wieder im Besitz des Zülpicher Zehnten war, lässt sich daraas nicht entnehmen. Zu bemerken ist, dass dieser sich in der Bestätigung von 1109 nicht findet. Was den Besitz zu Güls anlangt, so steht jedenfalls fest, dass die Urkunde, dnrch welche er von Anno dem Kloster überwiesen wurde, in A oder Ai nicht vorliegen kann. Im Jahre 1139 bestätigt ihm nämlich Erzbischof Adalbero von Trier ^^^ curtem dominicalem in Gulsa scilicet XXVII mansos, de quibus hominet de suo iure ad curiam dominicalem serviebant et censum debitum persolvebant et dedmam ad parrochiam reddebant. Salicam autem terram ad proprio« usus pertinentem, rineas cum tota decima sua et terram arabilem cum omni decima sua pi^ memoria Anno secundus Golonien^sis archiepis- copos 8. lüchaelo s. que Mauricio in Sigeberg pro remedio anim^ suf libere optulit. Von diesen Einzelheiten findet sich in A und Ai kein Wort. Durch das Vorhergehende ist, denke ich, der ziemlich sichere Nachweis erbracht, dass die vier Diplome Lac. 1 228, A, Ai und Lac. I 203 in dieser Reihenfolge nicht vor 1105 entstanden siud. Sehen wir von den drei jüngeren zunächst ab, so lässt sich jedenfalls der Text einer ohne Zweifel vorhanden gewesenen ächten Urkunde des »*) Lacomblet ÜB. I 299. ^**) Görz, Mittelrheinische Regesten I, 1952. Die folgende Textstelle nach dem in Düsseldorf befindlichen Original. 76 0* Oppermann Erzbischofs Hildolf wieder herstellen, wenn wir aus Lac. I 228 den Satz, der die Schenkung von Güls, Bendorf, dem Zalpicher und Hoch- kirchener Zehnten enthält, ausscheiden und fttr den Schluss den Text von V, wie ihn die vita Annonis überliefert, zu Grunde legen. Nur beweist, was übrig bleibt, leider, dass bereits unter Hildolf (1076 bis 79), im Kloster mit Fälschungen operiert wurde. Lac. I 228 enthält folgenden Passus: Nos quoque . . . tradidimus eidem cenobio de bonis domin^ Ermen- drude quantum habuit in Flattena cum vineis in Winitr^, quod et idem antecessor noster decreto prinlegii sai et sigilli testimoDio inibi destinavit. Verum cum urguente hora vocationis su^ ut ad hoc manum mitteret, non Buperrixerit, nos hoc devote ezplevimus pro nostra anima et domini mei quarti Heinrici regia, omnium quoque antecessorum et sucessorum nostrorum. Eine Schenkung, über die das Kloster eine besiegelte Urkunde Annos vorlegen konnte, wurde also von Hildolf bestätigt, weil Anno durch den Tod daran verhindert worden sei, die beabsichtigte Schen- kung auszuführen. Dieser Widersinn lässt sich nur durch dis Annahme erklären, dass die Annosche Urkunde interpoliert war und eben deshalb, um die Fälschung zu sanktionieren, von Hildolf eine Bestätigung erbeten wurde. Die unserer Meinung nach schon damals interpolierte Urkunde Annos, die Hildolf vorlag, ist freilich nicht mehr vorhanden. Denn A, Ai, Lac. I 203 und 202 sind ja sämtlich später entstanden als Lac. I 228, eine nachträglich wieder ihrerseits erweiterte Fassung des Hildolfschen Diplomes. Aber man wird voraussetzen dürfen, dass sich in A, von späteren Zusätzen abgesehen, der Text jener für Hildolf interpolierten Urkunde Annos erhalten hat. Sehen wir uns A darauf- hin etwas näher an. In Abschnitt D erklärt da Anno, er habe, um den Mönchen Konflikte mit seinen Nachfolgern zu ersparen, aus dem erzbischöflichen Tafelgut (,ex rebus dominicatis' ist ohne Zweifel gleichbedeutend mit ,de mensa pontificis') nur den einen Ort Muffendorf dem Kloster über- wiesen. Ferner die Kirchen zu Niederpleis ^''^j und Hennef, die er vom Bonner Cassiusstift, und Menden, das er vom Domstift eingetauscht habe. Dann folgt (in EFG)ein langes Güterverzeichnis, eingeleitet mit den Worten: "') Dass unter Bleisa Niederpleis^ nicht Oberpleis zu yerstehen ist, ergiebt sich ans der Bestätigungsbulle Lac. I 271. Das Regest von Lac. I 314 bedarf also der Berichtigung. Kritische Stadien zar älteren K6loer Geschichte. 77 Snnt autem haec loca, que per manns advocatonim eidem coenobio et ministris Christi ibidem degentibus in victam ▼estitamqae contnlimus. Die letastere Wendung steht bereits im Anfang von D. Und nach dieser Einleitung zählt Anno jetzt plötzlich noch eine ganze Reihe von Besitzungen ganz kurz auf, während das Vorhergehende den Anschein erweckte, als solle far den vergleichsweise geringen Bestand des Kloster- gutes eine umständliche Erklärung und fUr jeden einzelnen Besitz mög- lichst sichere Bürgschaft gegeben werden. Am Schlüsse dieses Güter- verzeichnisses wird noch eine Kirche, die von Bergheim, genannt, und dann in H (wenn wir hier die ursprüngliche, in Lac. I 228 erhaltene Fassung zu Grunde legen) für alle dem Kloster zustehenden Kirchen sein Anteil am Zehnten bestimmt. Scheiden wir EFG als Interpolation aus, so enthält diese gleich zu Anfang den Besitz, den Hildolf nochmals dem Kloster überweist, obwohl ihre Schenkung angeblich schon von Anno verbrieft worden ist : Strala ex tote .... sed et alia ubi ipsa (Irmendrudis) hereditariam partem cum BrunoDe habuerat, id est Flattena, Pirna et vine^ in Winitre. Auch aus noch andern Gründen ist G als Bestandteil einer ächten Urkunde Annos unmöglich. Einmal wird unter den Besitzungen, die der Erzbischof dem Kloster geschenkt zu haben behauptet, auch Ascmere, Eschmar, genannt. Dies Gut hatte aber nicht Anno, sondern König Heinrich IV. dem Kloster überwiesen^"). Und ferner ist die Stelle: Venheim et omnis proprietas Adalberti cuiusdam ingenui, militis nostri, et nzoris eins Gertrudis. Sed et beneficium, qnod pro eadem proprietate precario iure a nobis accepit in loco qui dicitur Creschich verräterisch. Es hat nämlich eine andere, nur abschriftlich überlieferte, aber durchaus einwandfreie Urkunde Annos existiert, die von Lindner, Anno der Heilige, in Beilage XI S. 108 mitgeteilt wird. Nach ihr übergiebt Adalbert mit seiner Gattin Gertrud Petro apostolo Colonie et s. Michahelis in Monte precaria nobiscum (dem Erzbischof) faciens die curtis dominicalis Uenheim und erhält dafür die curtis Creschich und zwei Mausen in Paderna cum universis utilitatibus ad curtem illam pertinentibus usque in finem vite amborum excepto loco qui appellatnr Buovenvorst. Also wiederum eine precaria remuneratoria. Der Inhalt dieser Urkunde ist offenbar in der Fälschung verarbeitet wor- den, nachdem die beiden Ehegatten gestorben waren. Die von Lindner versuchte Datierung auf 1074/75 wird freilich hinfällig, da Lac. I 218 nicht acht ist. "*) Lacomblet ÜB. I 210 (1068 Mai 29). 78 0. Oppermann Dass die Interpolation EFG nicht erst bei Gelegenheit der nach 1105 angefertigten Fälschungen erfolgte, ergiebt sich ans der bereits erwähnten Urkunde Hermanns DI. von 1096 ***). Durch diese verbrieft der Erzbischof dem Kloster Strale quod erat predium Irmindmdis comitisse integrem et absolutam donationem. Da nach £ Straelen nur zur Hälfte dem Kloster gehört, die andere H&lfte ihm erst nach dem Tode der Ermendnidis zufallen soll, so muss dieser Passus vor 1096 dem Text V einverleibt worden sein. Was als solcher übrig bleibt, ist widerspruchslos, stilistisch ein- wandfrei und wohlgeordnet : Anno schenkt dem neugegrtlndeten Kloster von der mensa pontificis nur Muffendorf, ferner die Kirchen zu Nieder- pleis und Hennef, sowie Menden. Auch von dem weiteren Inhalt von A wird man als Bestandteil des ursprünglichen, ächten Diploms V nur sehr wenig in Anspruch nehmen können. K ist Zusatz von Lac. I 228, wie oben dargethan wurde, ebenso L. Noch jünger ist 0, eine Einschiebung von A in den Text von Lac. I 228. Der erste Satz von P: neque subdefensorem quenquam nisi abbatis electione et famili^ coll&a- datioDB coDStituant ist wiederum Zusatz von Lac. I 228, inhaltlich nicht belanglos, denn nach den Angaben der vita Annonis über den Inhalt von Y wird nur die Zustimmung zur Einsetzung von Untervögten dem Abt vorbe- halten : ne quis advocatus aut subdefensor, nisi quem voluerit abbas, eidem monasterio . . . coDstitiiatur. Die Worte ,aut subdefensor' fehlen in Lac. I 228 und sind hier in der angeführten Weise ersetzt. Nach der neuen Fassung steht dem Abt selbst die Auswahl der Untervögt^ zu, und der familia ein Beispruchsrecht, von dem V nach der vita Annonis nichts weiss. Die Tendenz der Fälschung gegen die Untervögte ist also keine defensive, sondern eine aggressive. Man wird sich durch dieses Ergebnis von neuem zur Vorsicht mahnen lassen dürfen gegen die heftigen Anklagen, welche die ausschliesslich kirchliche Überlieferung jener Zeit gegen die unrechtmässigen Übergriffe der Laien allenthalben erhebt**®). Dagegen ist der Rest von P, sowie S und T dem Original V mit grosser Wahrscheinlichkeit zuzuweisen: den Inhalt dieser Stellen giebt bereits die vita Annonis an. "«) Lacomblet ÜB. I 252. "•) Vgl. Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte VII, 320 ft. Flach, Les originofi de Pancienne France I, 189. Kritiacbe Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 79 Q kann in der nnverderbten Grflndangsarkande noch nicht ge- standen haben, denn diese wurde ja erst am 15. Mai 1066 vom Papste bestätigt; Q aber spricht bereits von der vollzogenen Bestätigung: in omnibuB ratam sit, qaod apostolid auctoritas Scripte eis confirmavit. Der Text der Hildolfschen Bestätigung, wie er in Lac. I 228 vorliegt, macht es indessen wahrscheinlich, dass Q der ersten, zur Zeit Hildolfs vorgenommenen Erweiterung von Y zuzuzählen ist. Die Bulle Alexanders U. von 1066 enthält den Passus: illud qnoque auctoritate statuimus apostolica, qaatenus prima ista qae modo instituitor apud monachos ipsius loci permaneat consuetudo. Er hat fQr Q offenbar als Vorlage gedient. Während Q wahrscheinlich schon Hildolf mit vorgelegen hat, ist von R in dessen Diplom noch nicht die Rede; R muss mithin als erst nach 1105 eingeschobener Zusatz von A angesehen werden. Nachdem durch die bisherigen, einigermassen verwickelten Unter- suchungen der Text V im Wesentlichen hergestellt worden ist, wird es verhältnismässig leicht sein, die verschiedenen Machenschaften zu ver- folgen, die den wahren Thatbestand in unerhörter Weise verwirrt und verdunkelt haben. Die erste Fälschung ist bereits völlig ans Licht getreten. Als Erzbischof Anno gestorben war, interpolierten die Mönche die von ihm ihnen ausgestellte Stiftungsurkunde durch ein Verzeichnis des gesamten Elosterbesitzes und einiger Güter — Flatten, Pirna, die Weinberge in Eönigswinter — auf die ihnen ein Recht zweifellos noch nicht zustand, fflgten aus der Bulle von 1066 die Bestimmung de observanda consuetudine hinzu und erbaten und erhielten für das Ganze die Be- stätigung des Erzbischofs Hildolf (1076—79). Nach 1105 entstand nun zunächst Lac. I 228. Der ächte, wenngleich erschlichene Text der Hildolfschen Urkunde, wurde erheblich erweitert, zunächst durch den Passus Aecclesia in Berecheim cum decima et dotali mani^o. Omnes autem ftcclesias ad idem cenobium pertinentes hac donavit libertate, ut qaod ex quarta parte dedm^ fruetus et utilitatis episcopus dinoscitur habuisse, ex hoc in luminaribus eius cui tradit^ sunt impendatur aecclesi^ und durch die Schenkung von Güls und Bendorf und der Zehnten zu Zülpich und Hochkirchen. Ferner wurden die Festsetzungen über Hofdienst und ausserordentliche Dienstleistungen des Abtes, über Ein- lager des Erzbischofs und seiner Leute im Kloster (ne quis episcopus vel suorum quisquam eo loco standi potestatem habeat sine licentia abbatis) und über die Ernennung der Vögte und Untervögte ein Passus 80 0. Oppermann eingefügt, der die richterliche Kompetenz der Vögte genau festlegt und ausdracklich die Gerichtsbarkeit des Abtes wahrt. Die soeben wörtlich mitgeteilte Stelle kann in Y aus folgenden (rrttnden nicht gestanden haben. Das Güterverzeichnis, durch 6sm Y zum ersten Mal (zur Bestätigung durch Hildolf) verunächt«t wurde, würde sicherlich nicht vor, sondein hinter der Bergheimer Kirche ein- geschoben worden sein, wenn diese der Fälscher schon in seiner Vorlage vorgefunden hätte. Hat mithin Anno durch V nur die Schenkung von zwei Kirchen, zu Niederpleis und Hennef, verbrieft, so kann er im Anschluss daran nicht wohl von allen Kirchen, die er dem Kloster überwiesen, gesprochen haben. Dagegen hatte es seinen guten Grund, wenn die Stelle erst nach 1105 der Urkunde Hildolfs eingefügt wurde. Im Jahre 1132 schlichtet Erzbischof Bruno II. einen langjährigen Streit zwischen dem Bonner Cassiusstift und der Abtei Siegburg. Die Urkunden der letzteren besagten mit unwiderleglichen Worten (veraciter et manifeste continebant), Anno habe die Kirchen zu Niederpleis und Hennef durch Tausch vom Bonner Cassiusstifte erworben und dem von ihm gegründeten Kloster Siegburg überwiesen. Die Bonner Stiftsherren erklären dem gegenüber auf das Entschiedenste, von einem solchen Tausch sei ihnen nicht das Geringste bekannt (commutationem se nee audisse nee concambium nosse firmiter asserentes) und führen entrüstete Beschwerde über die widerrechtliche Vergewaltigung ihrer Kirche. Die Gegenpartei muss sich schliesslich dazu verstehen, 60 Mark Silber und eine Hufe in Rommersdorf dem Stift als Entschädigung zuzu- billigen, die Hufe deshalb, damit ein dauerndes Zeichen des vollzogenen Tausches stets vorhanden und damit für künftig jedem Zwist vorge- beugt sei^"). Da der Streit um die beiden Kirchen im Jahre 1132 schon geraume Zeit sich hingezogen hatte, so werden wir ihn für die Auf- hellung des Thatbestandes schon hier verwerten dürfen. Wenn die Bonner Stiftsherren das Tauschgeschäft, das nach unsem bisherigen Ergebnissen thatsächlich erfolgt und verbrieft worden sein muss, so entschieden in Abrede stellten, so erklärt sich dies wohl folgender- massen. Dem Bonner Cassiusstift stand das Archidiakonat zu, das die vier Dekanate Zülpichgau, Ahrgau, Bonngau und Avelgau umfasste**®). "0 Lacomblet ÜB. I Nr. 314 = Kn. 292. »") Kn. 311. Papst Innocenz II. an Eb. Bruno II. 1135 Mai 21: er solle den Dekanien Zulpeco und Areco gebieten, dem Propst Gerhard von Kritische Studieu zur älteren Kölner Geschichte. 81 Letzteres, in dem die beiden streitigen Kirchen lagen, hatte Erzbischof Hermann HI. der Abtei Siegburg verliehen. Nun erhalten wir aus zwei andern Urkunden einigen Aufschluss darüber, wie die Archidiakonatseinkünfe in der Kölner Kirche geregelt waren. Als Erzbischof Arnold I. 1139 dem St. Severinsstifte die Dekanie im Mühlgau verlieh, bestimmte er ^^^) : Manifeste tarnen secundam antiquam ecclesi^ nostr^ consuetudinem hoc determinamus, ut archidyacono (in diesem Falle dem Dompropst) altarium dona et sapreina reserventur iudicia, ipse tarnen ad tractandas synodales <;ausas nisi vocatus non iotroeat, sed quarto anno redditus suos, sicut ecclesif nostr^ hactenas habuit coasuetado, per manum decaai suscipiat Noch deutlicher bestimmt Annos oben besprochene Urkunde Lac. I, 209, das St. Georgsstift solle im Bonn- und Ahrgau, also im Archi- diakonat des Cassiusstifte^, die Dekanie haben preter altarium dona, suprema iudicia et pro redimendis servitiis cen- siim IUI. anno, qai ad archidiaconatus officium spectant. Der Widerspruch der Bonner Stiftsherren richtete sich also wohl dagegen, dass bei jenem mit Anno abgeschlossenen Tausch auch ein Ver- zicht auf jenes Viertel der Einkünfte ausgesprochen worden sei, das dem Stift als dem Inhaber des Archidiakonats zustand. Es war die quarta pars decim§ fructus et utilitatis, die mit vollem Rechte dem Kloster Siegburg streitig gemacht wurde, wenn der Satz, durch den Anno ihm diesen Anteil an den Einkünften überliess, Zuthat eines Falschers war. Die hohe Abfindungssumme zu zahlen, hätten sich die Siegburger Mönche im Jahre 1132 schwerlich bereit finden lassen, wenn ihr Recht völlig unantastbar gewesen wäre. Als Grundlage für ihre Intei"polationen hatten die Mönche zunächst nur die Urkunde Hildolfs benutzt, die ja manches in einwandfreier Form verbriefte, was in der Hildolf vorgelegten Urkunde Annos nur vermöge jener ersten Fälschung vorhanden war. Indem sich aber nun inuner neue Wünsche und Bedürfnisse aufdrängten, zu deren Begründung es wünschenswert erschien, ein besiegeltes Pergament aufweisen zu können, griff man auch auf den schon unter Hildolf einmal verfälschten Text der Annoschen Urkunde V zurück. So entstand A. Bonn Gehorsam zu leisten, da dessen Archidiakonat vier Dekanien umfasse. Vgl. Günther, Codex diplomaticus I 156. Avelgau zum Archidiakonat Bonn: Kn. 416 (1143). Über das Dekanat und Archidiakonat im Zülpichgau vgl. auch schon die weiter unten besprochene Urkunde Lac. I 299 = Kn. 214 (1124). »«•) Lac. I 335 = Kn. 372. We«td. Zeltschr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, I.' fi 82 0. Oppermann Hier ist die Freiheit der Kirchen zu Niederpleis und Hennef tod den Archidiakonatsahgaben (man beachte den Ausdruck: hac donamus libertate !) dadurch noch energischer betont, dass die beiden Streitobjekte, obwohl bereits in D ausführlich von ihnen die Rede war, in H, un- mittelbar vor der entscheidenden Bestimmung, nochmals genannt werden. Zu ihnen und der in Lac. I 228 eingeschobenen Bergheimer Kirche ist nun auch die in Troisdorf hinzugekommen. Der Ort stand d^n Kloster bereits von früher her zu, wenigstens wird er in G, dem zu Hildolfs Zeit eingeschobenen Güterverzeichnis, aufgeführt; wahrscheinlich war also die Kirche unterdessen gebaut worden und wurde nun schleu- nigst gegen Ansprüche des Archidiakonats gesichert. Der Passus L, der in Lac. I 228 (,De advocatis vero . . . .^) am Schluss steht, schliesst sich in A unmittelbar hinter K an. Dann erst folgen die Stellen Q (De observanda vero consuetudine) und S (Denunciamus itaque), die in Lac. I 228 voranstehen. Ich schliesse daraus : Der Fälscher, der A anfertigte, befand sich nicht darüber im Unklaren, dass mit ,De advocatis vero^ in Lac. I 228 ein Zusatz zu dem ächten Text des Hildolfschen Diplomes beginnt. Oben ist ja sogar die Vermutung ausgesprochen worden, dass Lac. I 228 und A von demselben Schreiber stammen. Jedenfalls wurden in A jene in Lac. I 228 interpolierten Festsetzungen über die richterlichen Befugnisse der Vögte dem Text endgiltig einverleibt (Passus L) und erfuhren eine noch schärfere Umgrenzung durch den Zusatz 0: nulhimque preter hoc singulare placittim in anno teneant nisi ab abbate vocentur. Ferner ei*scheint neu der Passus R, der dem Abt untersagt, umfangreichere Lehen an andere als Mitglieder der kirchlichen familia auszuthun. Er soll sich vielmehr begnügen, mit deren Hilfe innere wie äussere Angelegenheiten zu erledigen. Durch diese Bestimmung wird die freie Verfügung des Abtes über das Klostergut zugunsten der klösterlichen familia beschränkt, dieser ein gewisser Einfiuss auf die Klosterverwaltung gesichert. Be- strebungen treten hier zutage, die wir oben schon in Gestalt des Beispruchsrechts der familia bei der Einsetzung der Untervögte auftauchen sahen, Bestrebungen, denen man als Motiv von Urkunden- fälschungen in deren klassischer Epoche ausserordentlich häufig be- gegnet. Der Abt sucht das Klostergut seinen temtorialen Zwecken durch Verlelinung nutzbar zu machen, er strebt eine landesherrliche Gewalt an, umgiebt sich mit Vasallen, deren Einfiuss jeden andern Kritische Studien sur Alteren Kölner Geschichte. 83 beiseite zu drängen droht. Dem gegenüber ist der Konvent der Mönche darauf bedacht, die klösterliche Organisation zu stärken und aufrecht zu erhalten, die Besitzungen des Klosters möglichst vor Verschleuderung und Reduktion zu bewahren; er steht zu den kostspieligen politischen Neigungen des Abtes aus wirtschaftlichen Gründen in einem gewissen Gegensatz. Auf den Streit um die Kirchen zu Hennef und Niederpleis wer- den weiterhin noch andere Machenschaften zurückzuführen sein; einst- weilen müssen wir uns mit derjenigen Urkunde näher beschäftigen, die, wie die frühere Untersuchung ergeben hat, unmittelbar nach A ent- standen sein muss: Ai. Die Tendenz dieser neuen Fälschung richtet sich zunächst gegen die Entfremdung verlehnter Güter. Das Normale war ja im 12. Jahr- hundert, dass das Obereigentum an verlehntem oder in Erbleihe aus- gethanem Grundbesitz rasch einer starken Abschwächung anheimfiel oder wohl auch völlig in Vergessenheit geriet. Der zahlreiche und kräftig aufstrebende Laienstand, dem die Vorteile dieser Entwicklung zufielen, that natürlich das Seine, um sie zu begünstigen. Klöster und Stiftskirchen wehrten sich mit den Waffen, die ihnen ^er Alleinbesitz der Schreibkunst und litterarischen Bildung gegen die brutale Naivität der Laien an die Hand gab: sie suchten durch ge^schte Urkunden ihren bedrohten Besitztum zu verteidigen. Aus einer ganzen Reihe von Änderungen, die in Ai mit dem Text von A vorgenommen sind, tritt ein solches Bestreben zutage. F und K sind in Ai weggelassen. Der Zehnt zu Zülpich und Hochkirchen ist zwar in M wieder eingefügt, der übrige Inhalt von K aber mit dem von F zu dem Passus J verarbeitet: Haec dicta locorum DomiDa sunt in manu Gerlahi eiusdem monasterü advocati. Gulesa et Bettendorf commendata sunt in manum Herimanni comitis de Glizberc"®). Flattena cum appendieiis eins commendavimus in manum Lintherii. Moffendorf commendatum est Theoderico. Diese Stelle ist von allem andern abgesehen in einer ächten Ur- kunde Annos völlig unmöglich. Denn nach ihr müsste der Erzbischof dem Kloster Besitzungen überwiesen haben, die er selbst vorher ver- *•**) Dieser Graf Hermann von Gleiberg, der also nicht, wie noch Wyss im Hessischen Urkundenbuch III 455 annehmen musste, für das Jahr 1066, sondern erst um 1100 bezeugt ist, ist offenbar identisch mit dem Herimannus Herimanni comitis filius, der in einer Urkunde von 1095 (Beyer, Mittelrhein. ÜB. II 23) als Zeuge erscheint. Die von Wyss a. a. 0. behandelte Genealogie der Grafen von Gleiberg wird dadurch ergänzt. 6* g4 0. Oppermann lehnt hatte,« dem Kloster zur Verfügung zu stellen also gar nicht in der Lage war. Natürlich hatte das Kloster selbst die aufgezählten Besitzungen, die es von Erzbischof Anno und anderen — Bendorf von Heinrich IV. erst 1105 — erhalten hatte, zu Lehen ausgethan, und am die lehns- herrlichen Rechte auch später noch nachdrücklich zur Geltung bringen zu können, wurde J in das neue Spurium Ai aufgenommen, K dafür teilweise unterdrückt, ebenso F, weil ja auch Flattena cum appenditiis zu den inzwischen verlehnten Gütern gehörte. Aus diesem Gesichtspunkte wird auch der Zweck anderer Ver- änderungen klar, die Ai mit dem Text von A vorgenommen hat. Hier werden (in G) fünf Hufen und ein Äckerchen in Geislar als Besitz des Klosters genannt; in Ai lautet die entsprechende Stelle: In Geislare de beneficio Gononis V raansi et insuper quidam agelli. Die Grundstücke war^n also unterdessen an einen gewissen Cuno verlehnt worden, dem man zutrauen mochte, dass er bei Gelegenheit den Rechten des Klosters die Anerkennung verweigern würde. Zu den neun Hufen in Geisbach wird in A i der Zusatz gemacht : de predio Richwini. Auch Richwinus ist ein erst nach dem Erwerb von Geisbach vom Kloster belehnter Vasall, nicht etwa der ursprüngliche Eigentümer, der vor Annos Schenkung die neun Hufen besessen hat. Wenn aus dem Passus: Venheim et omnis proprietas Adelberti cuiusdam ingenui militis nostri et uxoris eius Gerdrudis cum beneficio militari von Ai die drei letzten Worte fortgelassen werden, so wird auch hier Adelbertus als Vasall des Klosters, nicht des Erzbischofs aufzufassen sein. Sein liChn mochte heimgefallen sein und nun wieder mit dem übrigen Auenheimer Besitz zusammen bewirtschaftet w^erden. Wird doch an einer andern Stelle von A und Ai Achera genannt, quod Conradus comes beneficio iure tenuerat, donec sponte reddidit. Und wir konnten ja oben schon feststellen, dass es nicht Anno, sondern der aus der Rolle fallende Siegburger Interpolator ist, der in G in der ersten Person spricht. So ist kaum zu bezweifeln, dass Achera schon vor der Verlehnung im Besitz des Klosters und von ihm an Konrad ver- lehnt worden war. Wohlbekannt in ihren Motiven ist uns eine weitere kleine Ein- schiebung, die sich Ai erlaubt. In h schreibt A vor, dass die Vögte ein placitum im Jahre abhalten und über Blutvergiessen, Diebstahl und Friedensbruch richten sollen: cetera omnia abbatis arbitrio disponenda relinquant. In Ai lautet die Stelle: cetera omnia abbatis arbitrio cnm snis disponenda relinquant. Kritiscbe Stadien zar älteren Kölner Geschichte. 85 Das alleinige Verfügungsreebt des Abtes wird also hier be- schränkt, dem Konvent der Mönche ein Einfluss auf seine Entscblies- sungen gesichert. Das Wesentlichste an der neuen Fälschung Ai ist nun aber, dass sie den Text A um den Passus N erweitert. Um diesen richtig analysieren zu können, müssen wir die Sieg- burger Gerichtsverhältnisse näher ins Auge fassen. Durch eine Urkunde vom 8. Oktober 1069 ^^^) nimmt König Hein- rich IV. das Kloster Siegburg in seinen Schutz ; Anno, heisst es darin, monasterium, quod ipse in monte Sigeberge dicto . . . construxit et dicavit, nostrse tuteise et defensioni subdidit et mercatum, theloneum, monetam atque predia cum omnigenis ad hoc quaesitis et datis sive querendis et dandis utilitatibus nostra regali auctoritate firmari et corroborari postulavit. Anno hatte also mit königlicher Genehmigung am Fusse des Klosterberges einen Markt gegrtlndet. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Marktansiedlung die Villa A«i2:e^a war, die an den Fuss des Berges übertragen wurde, wie Lac. I 228, A und Ai übereinstimmend berichten (Antreffa qu§ villa ad radicem montis est translata). Später wird Antreffa nicht mehr genannt ; 1125 **^) ist zum ersten Mal von einer villa Sigebergensis die Rede. Die Marktgründung würde dann in Siegburg unter ähnlichen Umständen wie in Naumburg erfolgt sein, wohin Bischof Cadalus im Jahre 1033 die Kaufieute von Grossjena überzusiedeln bewog *'^). Wie gestalteten sich die Gerichtsverhältnisse in der neuen An- siedlung ? Der Grund und Boden, auf dem die Abtei stand, war von Pfalzgraf Heinrich dem Erzbischof geschenkt worden; aus den Mitteln der Kölner Kirche hatte dieser sie ausgestattet. Da im 11. Jahrhundert die Reichskirchen für ihre Besitzungen längst die hohe Gerichtsbarkeit besassen, konnte natürlich auch das Gut des neuen Klosters sofort mit einer Immunität bewidmet werden, in welcher die hohe Gerichtsbarkeit inbegriffen war. Wenn nun den Siegburger Klostervögten in Lac. I 228, A und Ai, d. h. in Fälschungen aus dem ersten Jahrzehnt des 12. Jahr- hunderts, die die Kompetenz der Vögte sicherlich nicht in ungerecht- fertigter Weise ausdehnen, geboten wird, ">) Lacomblet ÜB. I 213. »") Lacomblet ÜB. I 300 = Kn. 219. "•) Rietschel, Markt und Stadt S. 63 f. 86 0. Oppermann ut . . . . effosionem sanguinis, furta, violatam pacem, hereditatis con- tentionem iudicantes ex consilio abbatis quelibet agent so kann es nicht zweifelhaft sein, dass sie von Anfang an das Grafengericht besassen. Denn die niedern Gerichte dehnen ihre Zu- ständigkeit anf Friedensbrüche und Liegenschaftsprozesse erst unter dem Einfluss der stadtwirtschaftlichen Entwickelung allmählich aus, von dem in diesem Falle zunächst noch keine Rede sein kann. Es war, wie sich nachher zeigen wird, je ein Vogt für die in der Umgebung von Siegburg gelegenen Besitzungen, für den Besitz an der unteren Mosel und am Mittelrhein (Güls, Bendorf) und für den Besitz im Geldernschen (Straelen) bestellt. Die erstgenannte Vogtei besassen die Grafen von Berg; Graf Adolf III., der Stifter der Abtei Altenberg, erscheint als Adolfus Sigebergensis advocatus an der Spitze der Edelherren in einer Siegburger Urkunde von 1125^'*). Die drei Gerichtsstätten, an denen dieser Siegburger Vogt in der älteren Zeit das Hochgericht hielt, erfahren wir beiläufig aus einer Urkunde König Heinrich IV. für Siegburg vom 4. Oktober 1071 *^*), die für die Erkenntnis der dortigen Grerichtsver- hältnisse von grosser Wichtigkeit ist. Der König erklärt: Erpo abbas in coenobio s. Michahelis . . . cum sibi subiectis monachis noB adiit deprecans, ut ei bannum circa montem eundem in villis abbati^ et 8. Petri daremus, ita tarnen, ut in nulle minueretnr iustitia comitis aut potestas. Guius petitioni . . . prebentes assensum donamus bannum, quem postulavit, tradimus, confirmamus et corroboramus, ita ut tres curtes ad montem per- tinentes, Lara, Geistingen, Bleisa, cum suis bannis quos ante habebant stabiles et inconvuls^ permaneant, in ceteris ?ero locis circa montem sitis . . . nullus homo quenquam capere depredari ledere vel in aliquo molestare presumat Die Angaben über den Umfang des Bannbezirks, die beigefügt sind, finden sich noch etwas eingehender in einer Bestätigung Kaiser Friedrichs I. vom 9. Mai. 1174^'*^). Wir sind daher in der Lage, die Örtlichkeit genau festlegen zu können. Von der Mündung der Agger in die Sieg lief die Grenze der abteilichen Banngewalt den ersteren Fluss aufwärts bis zur Einmündung des Rotenbaches, folgte diesem aufwärts, wandte sich südlich nach Caldauen, dann südwestlich über die Sieg nach Buisdorf, folgte von da an der über Niederpleis führenden Bonner Strasse, lief in nordöstlicher Richtung auf die Sieg zu, die damals noch in ihrem alten Bette an Sieglar, Eschmar, Müllekoven, »") Lac. I 300 = Kn. 219. "») Lac. I 214. "•) Lac. I 450. Kritische Studien zur älteren Edlner Geschichte. g7 Bergheim and Mondorf vorbei in den Rhein floss ^*'), und kehrte, von Sieglar ab dem Fluss aufwärts folgend, zum Ausgangspunkt, der Agger- mündung, zurück. Über die rechtliche Bedeutung der Verleihung haben wir zunächst nötig, ins Klare zu kommen. Der umschriebene Bezirk bildet den späteren Burgbann von Siegburg, und Waitz^^^) hat die Urkunde als Beispiel dafOr angefahrt, dass mit dem Burgbann nicht notwendig Oerichtsbarkeit verbunden ist.' Es kann sich nun allerdings um die Blutgerichtsbarkeit hier nicht handeln, denn die Übertragung der Bann- gewalt erfolgt ita tarnen, ut in nuUo minueretur iustitia comitis aut ]>otestas. Wenn aber dann weiterhin bei einer Busse von 60 sol. geboten wird, dass innerhalb des Bannbezirks nuUus homo quemquam capere, depredari. ledere vel in aliquo molestare presumat, so ist damit in klaren Worten gesagt, dass dem Abt eine Friedensgerichtsbarkeit übertragen wird; der gräflichen Kompetenz Eintrag zu thun, war eine solche deshalb nicht geeignet, weil die hier angedeuteten Verbrechen, Baub, Brandstiftung und dergleichen, im Mittelalter nicht zu den cau- sa maiores gerechnet wurden. In seiner schon mehrfach erwähnten ausgezeichneten Untersuchung über das Würzburger Herzogtum hat v. Zallinger ^^®) darauf hingewiesen, wie gerade von jenen Kreisen, die sich den ordentlichen Gerichten zu entziehen wussten, den Rittern, die Priedensverletzungen ausgingen, wie man dadurch genötigt wurde, eine neue Organisation der Strafrechtspflege mit auserordentlichen Mitteln anzustreben. Eben diese Verhältnisse schildert unsere Urkunde, indem sie die Mönche ihre Bitte um die Bannverleihung damit begründen lässt, quod temerarii homines multas circa eundem montem mercatum peten- tibos contumelias irrogarent, de quibus accusati neque comiti neque domino oppressorum compositionem facti solverent. Die Marktansiedlung selbst hatte natürlich von Anfang an unter dem Schutze des Königsfriedens gestanden; der Marktrichter dingte eo ipso unter Königsbann. Durch König Heinrichs Verleihung tritt nun die Friedensgerichtsbarkeit in einem geschlossenen Bezirk rings um ^'^ Delvos, Geschichte der Pfarreien des Dekanats Siegburg, Köln 1896, S. 864 Anm. 2. IM) Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. VIII S. 8 Anm. 2. Vgl. Meyer von KnonaUy Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Hein- rich V., Bd. II S. 86 f. "*) Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung XI (1890) 551 ff. 88 0. Oppermaon Siegbarg hinzu; aber die Neuerung besteht nicht darin, dass die sachliche Kompetenz erweitert wird — denn für das Gebiet der Marktansiedlung Siegburg war ja das Grericht des Vogtes bereits ein Friedensgericht vermöge des Marktrechts — sondern die örtliche Zu- ständigkeit des Marktgerichts wird auf die ganze Umgebung des Marktes bis zu einer bestimmten Grenze ausgedehnt und so ein territorialer Marktgerichtsbezirk geschaffen; zugunsten dieses territorialen Princips wird der persönliche Gerichtsstand beseitigt, der es Angehörigen gewisser Standeskreise ermöglichte, sich der Wirksamkeit der ordentlichen Gerichte zu entziehen. So verstanden ist unsere Stelle verfassungsgeschichtlich von einiger Wichtigkeit. Hält man sich gegenwärtig, dass der Friedensbezirk dem Umfang des späteren Burgbannes entspricht, so ergeben sich für die Entstehung der Stadtgerichtsverfassung in einem Falle, wo die Markt- gründung anscheinend aus wilder Wurzel, ohne Anlehnung an eine bereits vorhandene Altgemeinde, erfolgt war, die bedeutsamsten Aufschlüsse. Für unsere Untersuchung ist hier nur festzustellen, wie wir uns die Siegburger Gerichts Verhältnisse nach der Verleihung von 1071 vor- zustellen haben. Für den in weitem Umkreise um Siegburg verstreuten Besitz der Abtei waren drei Dingstätten in Sieglar, Geistingen und Oberpleis vorhanden, wo der Vogt das Hochgericht hielt. Die am Fusse des Klosterberges neu erwachsene Ansiedlung bildete mit einer genau umgrenzten Umgebung seit 1071 einen Bannbezirk, der für Friedensstörungen den Eingriff der öffentlichen Gewalt ausschloss, ohne dem Grafengericht in Hochgerichtssachen entzogen zu sein. Eine Hoch- gerichtsstätte des abteilichen Gerichts war in Siegburg selbst im Jahre 1071 weder vorhanden noch wurde eine solche durch König Heinrichs Privileg geschaffen. Dies geschieht erst in A i durch den Passus N. Der familia des Klosters, so weit sie auf vier bis fünf Meilen im Umkreis ansässig ist, wird geboten, am Fusse des Klosterberges, also offenbar in der neuen Marktansiedlung Siegburg, zu dem Gericht des Siegburger* Vogtes zu erscheinen, das daselbst an drei Tagen gehalten wird, am ersten Tage für die Leute von der unteren Sieg, von Sieglar, Eschmar, Suis, Menden, Troisdorf, Meindorf; am zweiten Tag für die südlich von Siegburg im Oberland des Siebengebirges, in Oberpleis, Donndorf, Geistingen, Niester, Müllendorf, Berghausen, Irmenderoth, Courscheid und Inger Ansässigen, am dritten Tag für die Anwohner der oberen und unteren Agger nörd- lich vom Kloster. Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. 89 Dass in dieser Aufz&hlung die Gerichtseingesessenen inbegriffen sind, von denen nach der Urkunde von 1071 in Sieglar, Oberpleis nnd Geistingen Recht genommen wurde, kann nicht zweifelhaft sein. Durch die Interpolation N wird also das bisher an jenen drei Dingstätten tagende Hochgericht in Siegburg selbst lokalisiert. Wir erhalten in einem konkreten Einzelfall klaren Einblick in eine verfassungsgeschicht- liche Entwicklung, die uns meist nur durch Rückschlüsse allgemeiner Art erkennbar ist. Natürlich bedeutete diese Entwicklung eine Ver- drängung des Hochgerichtsvogtes von allen Gerichtsstätten der Abtei mit Ausnahme von Siegburg selbst, wo seine Thätigkeit sich unter den Augen der Mönche vollzog. Diese hatten deshalb gute Gründe zu ihrer Fälschung; aber gleichwohl wird man voraussetzen müssen, dass sie mit ihr nur einen Rechtszustand sanktionieiten, der den thatsächlichen Terhaltnissen im Wesentlichen bereits entsprach. Mit einem Schlage durch ein Pergament alle Hochgerichtsstätten mattzusetzen, lag schwer- lich in ihrer Macht. Das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung dürfte es gewesen sein, dass die Leute aus der Umgegend, wenn sie an Markttagen nach Siegburg kamen, sich hier Recht holten und sich damit einen Weg nach Sieglar, Geistingen oder Oberpleis sparten. War doch das Siegburger Gericht mit seiner Zuständigkeit für alle Friedensbrüche einer Ausbildung zum Hochgericht auf dem Wege der gewohnheitsmässigen Übung sehr wohl fähig. Wir sehen, wie eine ganz ähnliche Entwicklung in Oberpleis ein halbes Jahrhundert später urkundlich festgelegt wird. In Oberpleis bestand eine Kirche, deren Sprengel und Zehntbe- zirk uns aus einer Urkunde des Erzbischofs Wichfrid vom Jahre 948 bekannt sind ^*^). Schwaben in seiner Geschichte der Stadt, Festung und Abtei Siegburg (Köln 1826, S. 131 f.) und nach ihm Ägidius Müller in seinem Buche „Siegbürg und der Siegkreis" (Siegburg 1860, Bd. I S. 36 f.) sprechen von zwei weiteren, im Archiv der Abtei vorhanden gewesenen Diplomen Wichfrids. Nach dem einen, am 3. Juni 944 unter Papst Martin (gemeint ist Marinus II. 942 — 46) und Kaiser (!) Otto I. ausgestellt, hat Wichfrids Oheim Eberhard de Pleisa (!) zur Errichtung eines Benediktinerinstituts in Oberpleis sein Vermögen be- stimmt; der Erzbischof thut sein eigenes hinzu und besetzt das Kloster mit einigen Mönchen von Corvey unter ihrem Abt Volkmar (f bereits 2. Oktober 942), nachdem er das Testament in Gegenwart des Dom- kapitels geöffnet und dessen Zustimmung zu seinem Plane erhalten hat. "•) Lacomblet ÜB. I Nr. 103. 90 0. Oppermann Bezüglich des letzten Passus ist den bereits angedeuteten Be- denken gegen die Ächtheit dieser Urkunde hinzuzufügen, dass ein be- stimmter, zur Zustimmung berechtigter Kreis in den Urkunden der Erzbischöfe von Köln erst seit dem 11. Jahrhundert in (xestalt der priores ecclesiae ei-scheint^**). Die zweite Urkunde Wichfrids soll im Jahre 948 unter Papst Agapit IL (946 — 55) ausgestellt sein und die Besitzungen des von einem Propst (!) regierten Klosters genau aufzählen. Beiden Urkunden ist natürlich kein Glauben zuzumessen. Die Kirche zu Oberpleis, in Bleisa superiore, wird bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts nur in der angeblichen Urkunde Annos Lac. I 202 ge- nannt, die, wie sich nachher zeigen wird, erst um 1180 angefertigt wurde* In der Bulle Lucius III. vom 18. November 1181^*^) durch die jene Fälschung bestätigt wird, erscheint dann die cella in Pleysa. Es ist eine Propstei, die von Siegburg aus vornehmlich zu Verwaltungs- zwecken begründet worden sein mag. Zur Bewirtschaftung des ausge- dehnten Klosterbesitzes in und um Oberpleis mochte die Kraft eines einzelnen Klosterbruders nicht mehr ausreichen. Und sofort wusste nun die neue klösterliche Abzweigung der Siegburger Klostergemeinschaft ihre Macht in bedeutsamer Weise aus- zudehnen. Im Jahre 1182 erlangt die Abtei gelegentlich eines Streitöi mit den Grafen von Sayn, die sich auf Schloss Blankenberg an der Sieg festgesetzt hatten, von Erzbischof Philipp eine Urkunde**^), in der auch das Verhältnis des Klosters zum Klostervogt Grafen Engelbert von Berg nach mancher Richtung hin geregelt und u. a. bestimmt wird: Item infra bannum et infra ambitum predii de Pleisa nuUum comitiale iu8 vel comiiialis potestas iatrare debet, sed de violata pace« de apertis vul- neribus, de duellis, de furibus suspendendis vel in cyppum ponendis et de ceteris similibub ad abbatem et prepositum ab eo constitutum respicit, niti forte si abbas indiget auxilio advocati ecciesie, ille vocandus est. Der bisherige Rechtszustand war nach allem, was wir im Vor- hergehenden erfahren haben, der, dass in Oberpleis ein Untervogt, der nur unter voller Zustimmung des Abts und der familia bestellt werden durfte, die niedere Gerichtsbarkeit ausübte, während das Hochgericht '^') von Below, Die Entstehung des ausschliesslichen Wahlrechts dar Domkapitel S. 24 f. "•) Lacomblet ÜB. I Nr. 478. "«) Ebenda I Nr. 483 = Kn. 1195. Kritiscbe Studien zur älteren Kölner Geschichte. 91 seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts endgiltig nach Siegbarg verlegt war. Nun wiederholt sich in Oberpleis der gleiche Vorgang, der sich dort vollzogen hatte: in einem bestimmten Umkreis wird die Einwir- kung der gräflichen Gewalt — es kann sich, wie aus den weiteren Bestimmungen erhellt, nur um die des Klostervogtes Grafen Engelbert handeln — ausgeschlossen und der Abt beziehungsweise der Propst mit einer Gerichtsbarkeit über Friedensbruch, offene Wunden, Zweikampf, Diebstahl und Ähnliches bewidmet. Auch hier geht die Kompetenz- erweiterung eines ursprünglich nur niederen Gerichts von dem Bedürfnis des Friedensschutzes aus. Indem sie sich auch auf die Strafvollstreckung an handhaften Dieben erstreckt, greift sie bereits in das Gebiet des Blutbanns hinüber ^**), wenn auch eine volle Übertragung desselben nicht stattfindet, da die Hilfe seines Inhabers, des Klostervogtes, im Bedarfs- falle angerufen werden kann. Es ist klar, dass auch die Ausgestaltung des Gerichts zu Ober- pleis einen bedeutenden Zuwachs des Klosters an Macht und Einfiuss bedeutete, indem sehr wesentliche richterliche Befugnisse dem Grafen- Yogt entzogen und einem vom Abt und Propste abhängigen Mann, dem Untervogt zu Oberpleis, übertragen wurden. Ob die beiden erwähnten, auf Wichfrids Namen gefälschten Diplome dazu beigetragen haben, diesen Erfolg zu en-ingen, lässt sich natürlich nicht sagen; es würde aber den Gepflogenheiten, die im Kloster Siegburg herrschten, durchaus entsprechen. Die betrügerischen Machenschaften der Siegburger Mönche sind ja mit den besprochenen Spurien noch durchaus nicht erschöpft. Durch die bisherigen Untersuchungen sind von den noch vorhandenen falschen Urkunden nur erst Lac. I 228, A und Ai erledigt. Sie sind wahr- scheinlich zum Zwecke der Bestätigung durch Paschalis II. angefertigt worden, die am 7. Januar 1108'*°) erfolgte. Denn für die Fälschung, mit der wir uns nun zunächst zu beschäftigen haben, Lac. I 203, er- giebt sich als terminus ad quem desselben Papstes Bulle vom 28. No- vember 1109 Lac. I 271'*«). ^^) Nach ripuarischem Recht verfiel der handhafte Dieb dem Gaigen- tode, der nicht handhafte wurde mit Busse gesühnt. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II, 642. ^*) Jaff^ Regesta pontificum * 6188 (^ 4596). Pflngk-Harttung, Acta pontificum I 97. "•) Jaff^ • 6246 (1 4632). 92 0. Oppermann Wie die unten folgende Gegenüberstellung der Texte zeigt, ist Lac. I 203, nicht A oder Ai, zur Erlangung dieser Bestätigung vor- gelegt worden. Lac. I 203. . . . Legavimus ecclesiaiD in Bleisa ... et ecclesiam in Hanafo . . . Äliad quoque concambium fecimus com preposito de domo s. Petri et cano- nicis eiusdem domus^a quibusMenedon accepimus . . . Sunt autem hec loca, que per advocatorum manus eidem coenobio legavimus et ministris Christi ibidem degentibus in victum vesti- tumque contulimus. Achera . . . item Achera . . . Strala, Nistera, Berengerishuson, Geistingin, Bleisa superior, Lara, Menedon, Asc- mere, Antreflfa . . . Gulesa, vine^ in Winthere, Bettendorf, Ulma, Mof- fendorf, in Reigemagon qu^dam rnra cum vineis, ^cclesia in Berecheim cum decimis, ^cclesia in Bleisa cum manso dotali et decima, ecclesia in Hanafo cum dote et decimatione . . . Tradi- mus autem eidem ecclesi^ . . . Flat- tena cum omnibus suis appendiciis et utilitatibuSy quod a Mathilda Brunonis quondam coniuge accepimus, decima- tionem quoque in Zulpiaco, que in beneficio fuerat Sicconis comitis. Designamus autem familiae . . . ut ad placitumadvocati .. .conveniant. Prima die a Lara, Ascmere, Sulsa, Mene- don, Truhtestorf, Meimendorf . . . Secunda die de Bleisa superiori, Torndorf, Geistingen, Nistera, Mu- lendorf, Berengereshuson, Irm en- derot, Chorinseeid, Inere . . . Die Bestätigung enthält mehr als die Vorurkunde. Zunächst Lay an der Mosel (Legia). Von diesem Besitz handelt eine Siegburger Urkunde des Erzbischofs Hermann in. (Lad 253) die sich weiter unten als um 1140 entstandene Fälschung erweisen wird, aber jedenfalls so weit acht ist, dass sie schon vor 1109 Siegburger Klostergut in Lay bezeugt. Ferner nennt die Bulle Perne, Grecenich, Hofstede, Laus- berg (Kreis Altena), Flammersfeld (Kreis Altenkirchen), Quintinachen Lac. I 271. . . . ecclesiam in Bleisa . . . eccle- siam in Hanafo . . . villam etiam que dicitur Mendenen, quam a preposito vel canonicis maioris ecclesiae per concambium . . . suscepit . . . Cetera etiam loca que per manus advocatomm eidem coenobio et servis Christi ibidem degentibus in victum vestitumque con- cessit. Acchera, item Acchera, Strala, Nistera, Beringerishusun, Geistingen, Bleisa superior, Lara, Menedon, Ascmere, Antrefe, Gulusa, Legia, vine^ in Win- tere, Betthendorf, Ulmo, Moflfendorf, in Rigemagon quedam rura cum vineis, ecclesiam in Bercbeim cum decima- tione, ecclesiam in Bleisa inferior! cum dotali manso, ecclesiam in Hanafo cum decimis. Sulse. Trutthesdorf. Memindorf. Torendorf. Mulen- dorf. Irminderoth. Chorin- cheid. Inere. Uneheim. Flatenen Perne. Grecenich. Hofstedenen. Lu- vesberch. Flamersfelt. Quintinachen. Preterea villam Hircennowen, quam Heinricus IUI. rex eidem cenobia tradidit. Kritische Stadien zur Alteren Kölner Geschichte. 93 (nach Lac. I S. 250 Anm. 1 jetzt Carbach), und die villa Hirzenach. Lansberg, Flammersfeld und Hofstede hatte Erzbischof Hermann III. am 13. Dezember 1096 der Abtei überwiesen (Lac. I 252). Was Hirzenach und Quintinachen anlangt, so wird eine weiterhin anzastellende, ziemlich verwickelte Untersuchung den Nachweis führen, dass auch diese Güter zur Zeit der Ausfertigung der Bulle Lac. I 271 (28. November 1109) sich bereits im Besitz der Abtei befanden und höchst wahrscheinlich ächte diesbezügliche Schenkungsurkunden vorhanden waren. In dieser Hinsicht wurden also von Paschalis U. nur thatsächlich bestehende Verhaltnisse sanktioniert, und auf den ersten Blick scheint es, als ob auch Lac. I 203 über den durch A und Ai vertretenen Status quo hinauszugehen nicht beabsichtige. E i n offensichtlicher Zusatz wird allerdings gemacht: Die Festsetzungen von Ai über die Vogtsab- gaben werden in Lac. I 203 folgendermassen ergänzt: In Strala modius triticl, porcns valens solidum, porcellus denariorum VI, anser I, pulli II, ova X, situla vini, ama cerevisisB dimidia, avensB modii IIIIoi'. In Ulma tantundem. Der Zweck dieser Interpolation wie überhaupt der Aufnahme der Vogtsabgaben in die neue Fälschung erhellt ohne weiteres aus den Worten der päpstlichen Bestätigung: Sane advocatis . . . interdicimus, ne . . . de rebus ad stipendiis con- ferendis neque de his, qu^ pro iustitiis persolvuntur, amplius exigant quam supradicti Annonis archiepiscopi deliberatione provisum est. Beachten wir, dass hier Bestrebungen zutage treten, die schon als Hauptmotiv für die Herstellung von Ai erkannt worden sind: Die Macht der Vögte soll iin Interesse einer kräftigen Territorialherrschaft des Abtes niedergehalten werden. Von hier aus wird das Weitere verständlich. Es muss auffallen, dass Lac. I 203 eine vollständige und genaue Aufzählung des klösterlichen Güterbesitzes keineswegs anstrebt. Die Liegenschaften und Einkünfte in Katzbach (quaedam vinee de beneficio Kegimari) Geislar (de beneficio Cunonis V mansi et insuper quidam agelli) Antinich (dimidia libra) und Geisbach (VIII mansi de predio Richwini) werden nicht erwähnt. Man könnte vermuten, das Kloster habe diesen Besitz, zum überwiegenden Teile verlehnt wie er war, bereits verloren gegeben. Aber gerade wenn er in Gefahr war, ent- fremdet zu werden, müssten wir nach allem Bisherigen erwarten, dass die bedrohten Rechte durch falsche Urkunden betont werden. In der That erscheinen alle die genannten Besitzungen wieder in der Urkunde 94 0. Oppermann des Erzbischofs Friedrich I. von angeblich 1116, Lac. 1 278, einer wie sich zeigen wird um 1132 angefertigtan Fälschung. Auch hat das Kloster später das Lehn zu Geislar zurückgekauft ^^^), sich seines An- spruchs darauf also auch vorher schwerlich begeben. Die Gründe für die Vernachlässigung der vier Ortschaften durch Lac. I 203 sind vielmehr darin zu suchen, dass sie nicht zu dem Siegburger Gerichtssprengel gehörten, wie er genau nach dem Wortlaut von Ai auch in Lac. I 203 festgesetzt wird. Auf landesherrliche Rechte, nicht auf Einkünfte hat es diese Fälschung abgesehen. Darum ersetzt sie auch die Angaben von A i : Quieqoid Bertholfus in Geistingon habuit In Berengereshuson ad X sol. In Nistera ad VIII sol. einfach durch Aufzählung der betreffenden Ortschaften. Dass man in Rom auf diese Absichten einging, beweist die Bestä- tigung; sie nennt unter den possessiones et predia seu cetera bona universa, qu^ ab Annone archiepiscopo concessa sunt, bezw. den loca, que servis Christi in victum vestitumque concessit, auch Suis, Troisdorf, Meindorf, Dondorf, Müllendorf, Courscheid und Inere, obwohl von diesen Ortschaften in Lac. I 203 nur gesagt ist, dass dort Mitglieder der nach Siegburg dingpfiichtigen familia wohnen. Nach Ai besass die Abtei in Suis ,quicquid ad palatinum comitem pertinuit*, in Troisdorf, Müllendorf und Inere neun Hufen, in Meindorf zwei Hufen, in Cour- scheid das predium Sicconis, aber von alledem ist in Lac. I 203 nicht die Rede. Wir begreifen jetzt auch, warum in das Güterverzeichnis, wie es in Lac. I 203 vorliegt, von der Bestätigung hinter Güls Lay einge- schoben wird: der Ort gehörte offenbar zum Gericht des Vogtes in Güls. Und von den zahlreichen Besitzungen, die von Hermann HI. am 13. Dezember 1096 überwiesen **^) und alle nachher in der Fälschung Lac. I 278 wieder genannt werden, bestätigt der Papst nur Pirna, Grecenich, Hofstede, Lausberg und Flammersfeld. Sie gehörten zum Gericht des Vogtes in Olma, den Fälschung und Bestätigung ja auch bezüglich seiner Gefälle in seinen Schranken zurückzuhalten bestrebt sind. Bezeichnend für die kühle politische Berechnung, mit der die Siegburger Mönche ihren Zwecken nachgingen, ist die Art und Weise, ^^^ Lac. I 421. (1166): (Nicolaus abbas) a Becelino beneficium redemit in Geislare. *^') Ausser den oben genannten Wurmelinga, Closcinge, Edelenkirecha, Mambrocb, Stokheim, Argeste, Liure, Haiinge, Milinchusen, Rode. Lac. 1 252. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 95 wie in Lac. I 203 dem Andenken des Pfalzgrafen Heinrich mitge- spielt wird. Pfalzgraf Heinrich war ans anbekannten Gründen**®) mit Anno in Fehde geraten, hatte aber unter dem Druck des gegen ihn geschleu- derten Kirchenbannes seinen Frieden mit dem Erzbischof gemacht, ibm zur Sühne den mons Sigebergensis ausgeliefert und in Gorze die Mönchs- kutte genommen (1057)****). Die Liebe zu seiner Gattin trieb ihp aber wieder zurück, und er zog von neuem gegen den Erzbischof Anno ins Feld. Die Ursachen dieser Zerwürfnisse bleiben dunkel und werden dadurch natürlich nicht erklärt, dass Annos Biograph alle Handlungen des abtrünnigen Mönches als vom Teufel eingegeben darstellt. Nahe genug mnsste eine solche Motivierung freilich liegen, da der Pfalzgraf bald ein klägliches Ende fand. Während er auf seiner Burg Kocbem von Annos Leuten belagert wurde, erschlug er in einem Anfall von Tobsucht seine Gattin mit einer Streitaxt und musste gefesselt nach dem Kloster Echternach gebracht werden, wo er bald darauf starb. Dass zur Zeit der Abfassung von Lac. I 203 der Pfalzgraf als der Inbegriff wilder Bosheit in der Klostertradition lebte, wissen wir aus der vita Annonis, dem Werke einen Siegburger Mönchs, das im Jahre 1105 vollendet wurde. Der Pfalzgraf, wird dort erzählt***), ein Mann von weltlicher Macht und weltlichem Ruhme, habe Feind- schaft geübt gegen die Unschuld des gottgeliebten Erzbischofs und im Yertrauen auf den Schutz seiner Burg auf dem mons Sigebergensis (praesidio fretus in predicti montis vertice) das I^and verwüstet. Man mochte nun, als man im Kloster einmal darangegangen war, den Ur- kunden Gewalt anzuthun, als einen Makel empfinden, dass der Grund und Boden von Siegburg einem Manne gehört hatte, der in bitterer Feindschaft gegen Anno gelebt hatte und mit dem Fluch des Gatten- mords und der Besessenheit belastet gestorben war. Dazu kam, dass des Pfalzgrafen Geschlecht immer treu zum kaiserlichen Hause gehalten hatte ***) ; sein Oheim Pfalzgraf Hermann von Gleiberg war um das Jahr "•) Vgl. Lindner, Anno der Heilige S. 104 Beilage VH. Die Nachricht, dass die von der pfalzgräflichen Barg Siegburg aus verübten Räubereien den Anlass zum Kampfe boten, geht, wie sich nun ergiebt, nicht auf eine Urkunde Annos, sondern auf die höchst parteiische vita Annonis zurück. •*•) Vita Annonis Mon. Germ. SS. XI 475. 479. Vgl. Giesebrecht Geschichte der deutschen Kaiserzeit III, 58 f. Lindner a. a. 0. »") Mon. Germ. SS. XI. 475. »*•) Giesebrecht a. a. 0. S. 627. 9g 0. Oppermann 1086 im Kirchenbann gestorben **^). Wollte man also mit Lac. I 203 eine papstliche Bestätigung erlangen, so schien es zweckmässig, aus dem Text den anrüchigen pfalzgraflichen Namen zu entfernen. So kam, von der vita Annonis wohl nicht unbeeinflusst, anstelle der achten Expositio die Stilblüte zustande: Propter munitionem loci naturalem audaces et temerarii homines, qoi- bns malivolentia lex et latrocioandi libido iusticia videbatur, se qaandoque illuc reeipiebant et non solum in boois ecclesi^ nostr^, sed etiam in circumia- centibus predas crudeliter agebant, qaod non solum ab iacolis recognovirnus, sed nostris diebus in desolationem et iniuriam ^cclesi^ nostr^ vidimus. Sed Dens omoipotens, qui in se sperantes nunqaam deserit, ipsos ^cclesi^ pre- dones sua virtute compescuit, ut non solum ab incepto desistereot, sed etiam ipsum montem cum omni edificatione in potestatem s. Petri apostolorum principis transfunderent. Und natürlich wurde auch an der Stelle In Lara et in Sulsa quicquid ad palatinum coraitem pertinnit in Lac I 203 die Einschränkung unterdrückt, die den Namen des Pfalzgrafen enthielt, überdies auch für das, was sich als Tendenz der Fälschung erwiesen hat: Befestigung der klösterlichen Territorialherr- schaft, mindestens irrelevant war. Lacomblet, der A und A i für spätere Ausfertigungen der Originale Lac. I 202 und 203 hielt, hat, arglos genug, angenommen, aus zarter Rücksicht auf das Andenken des unglücklichen Pfalzgrafen sei dort später ein Wortlaut geändert worden, der ihn einen nichtswürdigen Kirchenräuber schalt. Das Gegenteil erweist sich als richtig. — Nicht die Gerichtsherrlichkeit allein, auch das Bezehntungsrecht im Dekanatsbezirk des Avelgaues gehörte zu den Dingen, die dem Kloster für die Erhaltung und Befestigung seines Besitzstandes von grossem Werte ^ein und deshalb gegen fremde Ansprüche auf jede Weise ge- schützt werden mussten. Nach ihrer Datierung sowohl wie nach der Zeit ihrer Entstehung ist hier eine Fälschung einzureihen, die uns zu dem oben schon behandelten Streit mit dem Bonner Cassiusstift um die Kirchen zu Niederpleis und Hennef nochmals zurückführt. Die Ur- iw) Bernold berichtet: (Mon, Germ. SS. V 444:) Palatinus comes Heremannus et Otto Constantiensis exepiscopus ex parte Heinrid absque ecclesiastica communione miserabiliter periere. Auch Heinrich von Laach, Heinrichs des Rasenden Nachfolger in der Pfalzgrafenwürde, der 1095 ge- storben war, stand als Anhänger des Königs beim heiligen Stuhl in schlech- tem Andenken. Bernold nennt ihn (ebenda S. 463, 42) apostolic» sedi non adeo obediens. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 97 » ^unde des Erzbischofs Friedrich L Lac. 1278 ***), ohne Datam und ohne Zengen, von Lacomblet „nach einer Nachricht im abteilichen Archiv" ins Jahr 1116 gesetzt, ist bereits von Knipping^*^) als in Schrift und Fonnelbau von den übrigen Siegburger Urkunden gänzlich verschieden «rkannt worden. Das Siegel, nur in beschädigtem Zustande erhalten, 2eigt viel weniger scharfe Konturen wie die ächten Siegel Friedrichs I., es ist wahrscheinlich von einem solchen abgegossen. Die Schrift hat wie es scheint ihren abweichenden Charakter dadurch erhalten, dass dem Schreiber die Urkunde Hermanns EL von 1096 Lac. I 252, die in Lac. I 278 ja genannt und bestätigt wird, als Vorlage gedient hat. Die gegabelten Oberlängen und die von oben nach unten statt wie in den späteren Urkunden von unten nach oben gezogenen Fahnenorna- mente sind für den Schreiber von Lac. I 252 charakteristisch, I^ac. I 278 ahmt das nach, hat auch einen ganz ähnlichen Abkürzungsstrich. Vgl. die Schriftproben Tafel II Nr. 1 und 2. Die Urkunde bestätigt zunächst die von Erzbischof Anno, dem ') An diesem Tage stirbt der in der Urkunde handelnd auftretende Landgraf Ludwig von Thüringen. Vgl. Kn. 382. Kritische Studien zur Uteren Kölner Geschichte. 101 Das Siegel ist gefälscht. Es zeigt den Erzbischof sitzend in ganzer Figur, während Hermann III. noch am 13. Dezember 1096 mit einem Stempel gesiegelt hat, der nur das Brustbild, also den älteren Typus zeigt. Erst mit Friedrich I., von dem man ja im Kloster mehr als ein besiegeltes Original besass, erscheint das Siegelbild des sitzenden Erzbischofs, das dem Fälscher von Lac. I 253 zum Muster dienen konnte. Die vielfach unebene Stempelfläche und die in Einzelheiten merkwürdig unklaren Konturen lassen unschwer die Nachbildung erkennen. Sie ist zudem auf der Rückseite mit einem Wachs befestigt, das viel dunkler ist als das des vorderen Teiles; das Siegel ist also nicht auf- gedrückt, sondern aus zwei Stücken zusammengeklebt worden. Die Annahme, es könne sich vielleicht nur um die wortgetreue l^enausfertigung eines ächten Diploms handeln, wird hinfällig, wenn wir zu einer Prüfung der Zeugen schreiten. Sie führt gleichzeitig zu dem bemerkenswerten Ergebnis, dass die Grafenkrone derer von Isenburg rund hundert Jahre jünger ist als man bisher angenommen hat. Das im Niederlahngau ansässige Geschlecht, das im 11. Jahr- hundert mit dem typischen Namen Reginboldus und Gerlacus erscheint, führJL die Bezeichnung de Isenburg, zunächst noch ohne den Grafentitel, erst seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts^®^). Als nobiles de Isen- burg sind Glieder der Familie seit 1162 urkundlich nachweisbar^*^); 1189 erscheint dominus Bruno de Isenburg, Gatte einer Gräfin und Miterbin von Wied'®*). Als Graf von Isenburg wird ein Mitglied des Geschlechts noch während des ganzen 12. Jahrhunderts in keiner ächten Urkunde bezeichnet; ein Gerlach comes de Isinburg ist 1095/96 also urkundlich unmöglich. Wenn der Fälscher von Lac. I 253 auf diesen Titel verfiel, so erklärt sich das vielleicht daraus, dass die Brüder Reimbold und Gerlach von Isenburg damals schon die Grafschaft im "•) Günther Codex diplomaticus I 76 S. 163 = Beyer, Mittelrhein. ÜB. I 408 S. 467 (1103). Lac. 1 272 (1109) 275 (1112) 2?6 (1117). Beyer I 437 S. 499 (1119), Günther I 93 S. 192 = Beyer I 446 S. 506 (1121), Beyer I 489 S. 545 (1136); I 495 S. 551 (1137); I 502 S. 557 (ll38j; Günther I 121 S. 248 = Beyer I 504 S. 559 (1138), Wyss, Hessisches Urkundenbuch III 1330 (1139): Reimboldns de Is. unter den liberi. Ebenda 1831 (1141) liberi Gerlacus etRengenbaldus dels. — Bemboldus de Isenburch tritt zwar schon 1( 93 auf, Günther I 72 S. 159 = Beyer I 388 S. 446 ; Doch ist diese Urkunde gefälscht. »") Beyer I 631 S. 691 und öfter. >•«) Ebenda I 98 S. 135, I 107 S. 149. 102 0. Oppermann Einrichgau verwalteten, die ihnen ihr Vetter Graf Ludwig IQ. von Arnstein noch bei Lebzeiten überliess ***). Die Grafen von Hochstaden erscheinen als einfaches Adelsgeschlecht Lac. I 229 (1080) 244 (1090) 249 (1094) 252 (1104) IV 613 (1105) I 272 (1109) 298 (1124). Erst Lac. I 301 (1126) begegnet zum ersten Mal G^rardus comes de Hostade. Damit gewinnt es eine gewisse Bedeutung, dass die ersten vier Zeugen von Lac. I 253 und weiterhin noch zwei: Gerardus de Hostaden und Hermanus advocatus auch in der (unverdächtigen) Siegburger Ur- kunde Hermanns HL von 1096 Dez. 13 Lac. I 252 sich finden*^). Dieses Diplom hat ja, wie oben festgestellt wurde, auch fttr Lac. I 278 zum Muster gedient, und eben dieses Spurium wurde mit vorge- legt, um von Bruno II. die Urkunde Lac. I 314 zu erlangen, deren Schreiber als Fälscher von Lac. I 252 entlarvt ist. Dass auch hierfflr Lac. I 253 als Vorlage benutzt wurde, liegt somit ziemlich klar zu Tage. Anders als viele andere Spuria ist Lac. I 253 nicht durch Ein- schiebung unächter Bestandteile in den Rahmen einer ächten Urkunde entstanden, sondern umgekehrt dadurch, dass man einen sachlich ächten Kern mit dem Mantel einer gefälschten Beurkundung durch den Erz- bischof umkleidete. Die Arenga, die sich sonst in einer frommen Betrachtung ergeht, wendet sich hier mit leidenschaftlichen Ausföllen sofort an die Leute, denen man mit der Fälschung entgegenzutreten hatte : Propter amari cordis et avar^ mentis homines, qai cum pleramque bonis abaodaot proprüs, rebus semper iahiant alienis, ea sibi quasi heredi- taria vendicare nitentes, qae peoitas obtiaere nee divino iure prevalent nee bumano, propter hos inquam simpliciter Deo militantes pro viribus et pro tempore suffragante iusticia defendere rebusque eorum prospicere volumus in longiaquum, ne quando pravis homiaibus boaos inquietantibus iustici^ domi* netur iniquitas, immo vero in omni negotio frustrata divinitas cedat falsitas Verität! . Nun hatte die Abtei Siegburg den Frohnhof Lay sicherlich bereits unter Hermann III. thatsächlich auf die in liac. I 253 angeführte Weise nach und nach erworben. Wird doch dieser Besitz schon 1109 1*') Nach Reck, Geschichte der gräflichen und fürstlichen Häuser Isenburg. Runkel, Wied (Weimar 1825) S. 36 und Hopf, Qenealogischer Atlas I, S. 126 geschah es 1139. 1*^) Lacomblet druckt S. 16i Z. 4 falschlich Hezo statt: Qezo eins- dem domus decanus, wie im Original steht. Kritische Stadien zar älteren Kölner Geschichte. 103 von Paschalis 11. mit bestätigt, beiläufig in der älteren Namensform Xiegia, während Lac. I 253, rund 25 Jahre später abgefasst, durchweg die jüngere Bildung Leie aufweist. Traditionsurkunden über Lay müssen vorhanden gewesen sein, das ergiebt der Inhalt von Lac. I 253 mit ziemlicher Sicherheit. Auf die rechtlichen Formen, unter denen die Veräusserung sich vollzieht, kann, so beachtenswert sie sind, hier nicht näher eingegangen werden. Es genüge festzustellen, dass die Rechtsgeschäfte, zu denen Pfalzgraf Heinrich (II.) seine Ministerialen entsendet, in der That zur Zeit Erzbischof Hermanns IH. stattgefunden haben müssen; denn bereits am 12. April 1095 ist der Pfalzgraf gestorben; sein Nachfolger war Siegfried. Und der Klostervogt, der den von Heinricus und Tiedero für 100 Mark verkauften Teil von Lay in Empfang nimmt, Adalbert von Nörvenich, ist 1094 — 1100 urkundlich nachweisbar; den Grrafen- titel führt er freilich nur hier. Damit ist nun freilich noch nicht erwiesen, dass auch die weis- tumartigen Ausführungen, die in die Traditionsurkunden eingeflochten sind, dem Ende des 11. Jahrhunderts zugewiesen werden müssen. Vielmehr erwecken gerade sie den Verdacht, dass um ihretwillen die Fälschung angefertigt worden ist. Die servientes der Abtei sollen den gleichen Anteil an der Allmende (in communi termino) — sie erstreckte sich über das Gebiet des heutigen Koblenzer Stadtwaldes bis nach Laubach am Rhein hin — haben, wie die übrigen conterminales, dem Abt aber soll in der gemeinen Mark ein Wald zu alleinigem Eigentum gehören, ita ut preter ipsum nulli prorsus hominum in eo liceat ezercere quip- piam potestatis. Schon diese Bestimmungen sind für eine Traditionsurkunde merk- würdig spezielP**). Und direkt beweisen lässt sich, dass die genaue ^*') Man vergleiche den Passus, durch den die Siegburger Urkunde über die Propstei Furstenberg von 1144 Kn. 419 zu dem Spurium von angeblich 1119 Lac. I 290 = Kn. 163 vernnächtet wurde: Est autem ius curtis illiu9, ut in omni siWa qu^ ad curtim comitis pertinet in eadem villa, dum post pastionem glandium porci tazantur, officialis fratrum decimationem omnium por- corum quicunque taxandi sunt ibidem, vel decimum denarium accipiat et in ditione utriusqne curtis, si quod piaculum vindicandum fuerit, ut sunt furta, sanguinis effnsio et bis similia, ntrique officiales comitis et fratrum ^qualiter inter se divident et homines huius curtis ^quam portionem hominibus comi- tis in Silva qu^ dicitur Hese habebunt. Eadem curtis et homines mansionarii flliuf habebnnt onme ius in silvis, in campis, in aquis, in pratis cultis et in- caltis, qnf utriusque curtis potestati subiacent, comttis sive fratrum. lOi 0. Oppermann Fixierung der Frohnden and der Gegenleistung, die die familia bean* spruchen darf, interpoliert ist. Unvorsichtigerweise hat n&mlich der Fälscher der von ihm benutzten ächten Rechtsaufzeichnung auch die Bemerkung entnommen, dass Berlindis mit ihrem Anteil keine Hofleute flberwiesen habe, weil dies am Widerspruch des Rucelinus gescheitert sei : Berlindis tarnen nuUos homines dedit eo quod predictos Bttcelinos Bororem suam et filios eios, cum ad idem allodium pertinerent, [ad] Sigebarg donari vetaret. Vierzig Jahre nach dem Erwerb von Lay war aber natürlich auch dieser Teil des Gutes von Mansionilen bewirtschaftet; deshalb wurde der Fälschung Lac. I 253 die Bestimmung eingefügt: Mediante febraario dabuntur mansionilibas dao maldaria siliginis, dimi- dium maldarium bracii, qaartarias leguminam unos, tres quartarii vini. In aprilis medio quindecim denarii aut qaarta pars bachonis, casei Septem et dimidio«, et operabuntur aicut anteriores. Damit erweisen sich auch die hofrechtlichen Festsetzungen, die vorhergehen, als interpoliert. Der enge Zusammenhang, in dem die Aufzeichnung klösterlicher Hof- und Dienstrechte mit den Urkundenfälschungen des 12. Jahrhun- derts steht, soweit diese bezwecken, einen aufstrebenden Stand in der alten, für den grundherrschaftlichen Wirtschaftsbetrieb notwendigen Ab- hängigkeit niederzuhalten, ist ja schon mehrfach hervorgehoben wor- den ^^^). Auch aus unserer Fälschung lässt sich eine Art Hofrecht für Lay ausscheiden, das für das Ende des 11. Jahrhunderts abgelehnt werden muss, für die Mitte des 12. aber Geltung beanspruchen darf, wenn auch gerade durch die Anfertigung der Fälschung bewiesen wird, dass die thatsächlichen Verhältnisse mit der Aufzeichnung nicht mehr ganz im Einklang standen. Bei der Feststellung, dass die Isenburger erst seit Anfang de» 13. Jahrhunderts urkundlich den Grafentitel führen, haben wir eine Urkunde zunächst unberücksichtigt gelassen, in der bereits 1110 unter den Zeugen Gerlacus comes de Isenburg und Remboldus frater eins erscheinen. Sie ist nur abschriftlich in einem neueren Diplomatar der Propstei Hirzenach erhalten, gedruckt bei Beyer II 462 und Günther, Codex diplomaticus I 82, registriert Kn. 68. Wir eitleren sie im Folgenden unter letzterer Bezeichnung. Erzbischof Friedrich I. be- kundet in ihr unterm 4. Mai 1110, von Kaiser Heinrich IV. und 196^ Yg] Dopach, Mitteilungen des Instituts für österreichische Ge- scbichtsforscbang XIX (1898) 604 ff. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 105 Kaiser Heinrich V. — er wurde es erst am 15. April 1111 — den Ort Hirzenach erhalten und der Abtei Siegburg durch Errichtung eines Klosters übergeben zu haben. Dass Heinrich V. als Imperator bezeichnet wird, könnte man auf Kechnung des Abschreibers setzen. Da aber das Datum abgekürzt und modernisiert überliefert wird, so liegt es vielleicht näher, den Fehler hier zu suchen und die Urkunde ins Jahr 1112 zu setzen ^^^) (Mai 1111 war Erzbischof Friedrich in Italien). Grleichwohl erweist sich der Kopist auch noch in einem andern Punkte als unzuverlässig. Er fbhrt unter den Zeugen auch auf: Adolfas de Saffenberg, iilius eins Adolfus. Der letztere, später Graf und Vogt des Domstifts, ist 1110 bis 58 nachweisbar; sein Vater hiess aber Adalbert, nicht Adolf ^®®). Es ist deshalb wohl nicht zu gewagt, dem Kopisten auch die Urheber- schaft von Gerlachs von Isenburg Grafentitel zuzuschreiben. Auch Kn. 68 ist also für diesen nicht beweiskräftig. Wenn wir uns gleichwohl mit der Urkunde hier näher beschäf- tigen, so geschieht es um einer andern Beziehung willen. Hirzenach^®***) am linken Rheinufer oberhalb Boppard bestand später ans zwei getrennten Gemeinden, Ober- und Niederhirzenach. Der ursprüngliche Ort ist das spätere Oberhirzenach ; nördlich von ihm ist Niederhirzenach erst nach Errichtung der Siegburger Propstei durch Abt Kuno I. (1106 — 25) entstanden. Im 11. Jahrhundert war die curtis iuxta Rhenum Hirzinach nomine im Besitz der schwäbischen Grafen von Achalm und war durch des Grafen Rudolf Tochter Ma- thilde, Gattin des Grafen Kuno von Lechsgemünd, auf ihre Söhne Burk- hard, nachmals Bischof von Utrecht (f 1112) und Otto vererbt wor- den. Aus der zwischen 1135 und 1140 geschriebenen Zwifaltener Chronik, die dies berichtet (Mon. Germ. S. S. X 77) ergiebt sich auch, dass Hirzenach den Brüdern noch beim Tode ihres Oheims Kuno von Wülflingen, also im Jahre 1092 *'®) gehörte. Nun empfing Heinrich IV. bereits am 31. März 1084 die Kaiserkrone; wenn Hirzenach also durch ihn an Siegburg gekommen ist, so war er zur Zeit dieser Schenkung längst imperator. **^j Auf diese Vermutung hat Knipping selbst mich gebracht, dem ich auch an dieser Stelle für seine freundliche Hilfe herzlichst danke. >**) Kn. Register S. 391. Die hier unter Adalbert angeführten Stellen 1. 74. 93—95 nennen Adolf. "•) Vgl. zum Folgenden P. Wagner, Die Entwicklung der Vogteiver- haltttisse in der Siegburger Propstei Hirzenach, Annalen 62 (1896) S. 86 ff, ^^^) Hopf, Genealogischer Atlas I S. 64. jl06 0. Oppermann Und doch steht in der Bulle Paschalis II. von 1109 Lac. I 271, die oben schon besprochen wurde: Preterea villam Hircennowen quam Heinricus Till rex eidem cenobio tradidit. Die Bulle ist von zweifelloser Ächtheit ; bei näherer Untersuchung löst sich aber das Rätsel. Die Ziffer Uli steht auf Rasur, die Stelle ist also nachträglich corrigiert. Ihr ursprünglicher Wortlaut kann nur gewesen sein : ,Heinricus V. rex', denn das letztere Wort wie der Name sind von der Rasur nicht berührt. Es beweist dies zunächst, dass nur eine Urkunde Heinrichs Y. Aber die Schenkung Hirzenachs in der päpstlichen Kanzlei vorgelegt wurde. Wahrscheinlich hatte aber schon Heinrich IV. eine diesbezügliche mündliche Zusage gemacht; als der Erzbischof die Tradition nach- träglich durch Kn. 68 verbriefte, nannte er deshalb beide Herrscher als Geschenkgeber. Auf diese Urkunde ist es jedenfalls zurückzuführen, wenn es in dem von König Konrad IIL 1140 für Siegburg ausgestellten Diplom heisst : traditus est enim isdem locus (Hirzenach) ab avo nostro Heinrico quarto et a filio eius Heinrico qninto avunculo nostro. Das Original dieser Urkunde, besiegelt gewesen, befindet sich in Düsseldorf. Es ist von der Hand des Siegburger Schreibers C geschrieben, den wir oben bereits als Fälscher von Lac. I 253 kennen gelernt haben. Da er, seit spätestens 1132 in der Siegburger Kanzlei thätig, spätestens 1144 in der Person von D einen Nachfolger erhält, so ist die Schrift von Lac. I 340 für das Jahr 1140 völlig zeitgemäss. Mancherlei formelle Unregelmässigkeiten, wie die abgekürzte Signum- und Datumzeile, die Reihenfolge der Erzbischöfe unter den Zeugen, die Bezeichnung des Herzogs Adalbert als Markgraf, die Stellung der Zeugenreihe vor der Pöna und Corroboratio, hat Bernhardi (Jahrbücher des deutschen Reichs unter Conrad III. S. 148 Anm. 40) aus der Her- stellung ausserhalb der königlichen Kanzlei erklärt. Eine weitere Beseitigungsurkunde ist nun von König Konrad im Jahre 1149 durch ein auf den Namen König Heinrichs IV. gemischtes Diplom erlangt worden. Konrads Urkunde Lac. I 365 — das Original, besiegelt gewesen, befindet sich in Düsseldorf — ist von zweifelloser Ächtheit. Sie ist Kritische Studien zar ftlteren Kölner Geschichte. 107 ans der kaiserlichen Kanzlei hervorgegangen und von der gleichen Hand wie die von Stampf anter Nr. 3544, 3565 and 3566 registrierten Diplome. Stampf 3565 ist Kaiserarknnden in Abbildangen Lieferang X Nr. 6 reprodaciert ; im Textband sind S. 376 die Eigentümlich- keiten dieses Schreibers eingehend besprochen. In Lac. I 365 bekundet nun König * Konrad, sein Grossvater Heinricas Romanoram imperator aagastas hoias nominis quartas habe das Allod Hirzenach, das er von Erlolfus, einem seiner Ministerialen ^^^), empfangen, dem Kloster Siegbarg übergeben. Als Zeugen dieser Tra- dition werden u. a. genannt Bruno Trevirensis archiepiscopus, Hart- wicas Ratisponensis episcopus, Adalbero Metensis episcopus, Godefridus palatinus comes« Bruno von Trier hat 1102 — 24, Adalbero von Metz ca. 1090 bis 1117 regiert. Der zweite Vorg&nger Hartwigs von Regensbnrg, Gebhard, wurde am 14. Juli 1105 von einem Ministerialen erschlagen; zu seinem Nachfolger setzte Kaiser Heinrich IV. Udalrich ein. Allein dessen Episkopat fand ein rasches Ende; noch im Herbst 1105, als der Kaiser aus dem Lager bei Regensburg nach Böhmen hatte (lieben müssen, wurde an üdalrichs Stelle ein Anhänger Heinrichs V., Hart- wig, Bischof von Regensburg "^). Als entschiedener Parteiganger Hein- richs y. schon seit 1108 ist auch Gottfried von Calw bekannt, dem im Jahre 1113 die Pfalzgrafschaft Lothringen übertragen wurde'''®). König Konrad, dessen Mutter Agnes eine Tochter Kaiser Hein- richs IV. war, kann nun als seinen Grossvater ohne Zweifel nur diesen und nicht Heinrich V. bezeichnen. Ebenso zweifellos ist aber, dass die angeführten Zeugen in einer ächten Urkunde Heinrichs IV. nicht gestanden haben können. Es ergiebt sich durch Hartwig von Regens- bnrg der Herbst 1105 als terminus a quo. Allerdings ist ja Hein- rich IV. damals von Böhmen wieder an den Rhein gekommen und hat vor seiner am 22. Dezember 1105 erfolgten Gefangennahme noch einige Urkunden ausgestellt^^*). Als Zeugen und Intervenienten erscheinen in denselben neben dem Erzbischof Friedrich von Köln, der zwischen "1) Es ist wohl derselbe Herioldas, der 1114 (Lac. I 276) als Schenker der cartis Beie (Rheinbay) die mit Niederhirzenach markgenossenschaftlich verknüpft war, und der nicht mehr nachweisbaren curtis Beilingesheim ge- nannt wird Wagner a. a. 0. S. 87. "') Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit III' 737 ff. iY<) Ebenda S. 793. 848. »^*) Lac. I 264. 265. 108 0* Oppermann Vater und Sohn lavierte, die Bischöfe Burchard von Münster nnd Widelo von Minden sowie die Grafen von Altena und Berg. Es waren die wenigen Anhänger, die der Kaiser noch hatte; von den in Lac. I 365 genannten Männern ist keiner darunter. Diese Zeugenreihe muss einer Urkunde Heinrichs V. entstammen, offenbar der, die 1109 dem Papst zur Bestätigung vorgelegt wurde. Wenn dieselbe Zeugenreihe nun in der 1149 vorgelegten Urkunde zu einer Schenkung Heinrichs lY. angefahrt war, die nachweislich nicht verbrieft worden ist, so muss man schliessen, dass zum Zwecke der Bestätigung durch Konrad im Kloster ein Spurium fabriciert worden ist. In demselben mag die Ersetzung Heinrichs V. durch Heinrich IV. ohne besondere Absicht unter dem Einfluss der Urkunde Kn. 68 er- folgt sein. Worauf es dem Fälscher ankam, war offenbar die Fest- legung der ausführlichen Bestimmungen, die in gleicher Weise wie zahllose anderer Spurien der Zeit die Rechte und Pflichten des Vogtes genau umgrenzen. Ein Satz wie non gravabit ecclesiasticam familiam vel aliquem de familia commoni sive privata peticione nee stativam per noctem apud prepositum habebit sive apud aliqoem e familia, nisi forte prepositus pro aliqua insticia facienda accersiat eum, et tunc necessaria ministrabit ei, quod et quÜibet de familia faciet, 8i vocaverit eum trägt den Ursprung aus bereits gemachten schlechten Erfahrungen zu sehr an der Stirn, als dass man glauben könne, Abt Kuno I. (1105 bis 26) habe sofort, als er dem Erlolfus causa amicitie nomen advo- cati verlieh, uti non opus esset pro iudicandis causis curiam regis tociens et tociens appellare, diese Bestimmungen erlassen. Wenn es überdies schon ungefähr sechs Jahre nach der Gründung von Hirzenach, also um 1120 geschehen war, weshalb wurde König Konrad nicht schon 1140 ersucht, das Vogtsweistum zu bestätigen? Es muss doch wohl erst nachher entstanden und mit der Schenkungsurkunde Heinrichs V. zu einer Fälschung verarbeitet worden sein. Bei dieser Gelegenheit mag dann auch die Korrektur in der Bulle von 1109 vorgenommen worden sein ; ist doch auch in der Vorurkunde von Lac. I 365 nur die Ziffer hinter Heinrichs V. Namen in eine IUI. verwandelt, seine Titulatur Romanorum imperator augustus huius nominis quartus aber beibehalten worden. Wie die Mönche auch später noch bemüht waren, sich die durch ihre falschen Urkunden verlorenen Ansprüche immer von neuem zu sichern, zeigt das Diplom, das Kaiser Friedrich I. am 23. Mai 1174 dem Kloster ausstellte. (Lac. I 451 = Kn. 1003). Ausser den Kritische Studien zur älteren Kölner Greechichte. 109 Achten Urkunden Heinrichs IV. Lac. I 213 und 214 wird hier auch der Inhalt des Spuriums A von ,Statuimus vero^ ab, also Passus L, OP, T (M steht in Ai und fehlt in Lac. I 451) und der von Lac. I 203, soweit er die Gerichtsbarkeit im Umkreis von vier bis fünf Meilen und die Einkünfte der Vögte betrifft, bestätigt. Für den letzteren Passus (in Lac. I 451 von ,designamus insuper' bis ,in Olma tantundem') ist Lac. I 203 und nicht Ai, wo ja das Gerichtsweistum bereits in X steht, vorgelegt worden, denn nur jene Urkunde enthält auch die Vogtseinkünfte zu Straelen und Olma. Die Siegburger Ter- ritorialherrschaft, deren Kräftigung Fälschungen wie A und Lac. I 203 hatten dienen müssen, wurde auch durch eine neue Vergünsti- gung, die der Kaiser seiner Bestätigung hinzufügte, wesentlich gefördert : Ad ea que premissa sunt statimas ut per omnem circuitum montis in nulle loco intra duo miliaria liceat a quoquam foram 8i?e mercatum publicum de novo constitui. Noch ist die Urkunde Annos zu besprechen, die Lacomblet für das älteste Siegburger Diplom dieses Erzbischofs ausgegeben hat, Lac. I 202. Sie erweist sich als die späteste der zahlreichen Siegburger Ur- kundenf^chungen des 12. Jahrhunderts. Die Schrift (vgl. Tafel I Nr. 7) zeigt viel Verwandtschaft mit der einer von Abt Gerhard von Siegburg im Jahre 1183 ausgestellten Urkunde, Lac. I 487 (Tafel I No. 6). Hier wie dort kurz nach links umgebogene Unterlängen der Buchstaben p, q, r, s, ein fast hori- zontal zurückgeschwungenes g, eine steil in die Höhe gezogene Abkürzung für die Endung -us. Auch die gelbbraune Tinte ist bei beiden Urkunden die nämliche. Das Siegel ist bei Lac. I 202 links unten aufgedrückt; dass es gefischt ist, ist nicht zu bezweifeln. Das Bild zeigt zwar den ächten Typus, aber die verschwommenen Konturen und die unebene Stempelfläche verraten den Guss, und der Schriftrand fällt nach aussen ab und zeigt kaum lesbare, wie es scheint nachträglich eingeritzte Buchstaben. Der Text von Lac. I 202 enthält dieselbe von dem Namen des Pfalzgrafen Heinrich gereinigte Narratio wie Lac. I 203. Im Übrigen fasst er sich ziemlich kurz, schiebt aber einen neuen Passus über die Rechte des Klosters an zahlreichen Pfarrkirchen ein, die den bisher behandelten Annoschen Urkunden (A, Ai, Lac. I 203) ausser denen zu Hennef, Niederpleis, Bergheim und Hochkirchen noch unbekannt sind. Alle diese Kirchen schenkt der Erzbischof omnem census redibitionem et exactionem indulgentes in perpetuum videlicet ut quicquid ex 110 0. Oppennano eis secundum morem vel nobis vel corepiscopis vel decanis statatis temporibns debebatar, hoc in usum monachorum transferatur. Die Freiheit von den A^-chidiakonatsabgaben, die, wie wir wissen, schon wiederholt durch falsche Urkunden angestrebt wurde, wird also jetzt mit ausdrflcklichen Worten nicht nur für die vielumsthttenen Kirchen zu Hennef und Niederpleis, sondern für eine ganze Reihe von Gotteshäusern auf Anno zurückgeführt. Im Avelgau, in dem Geistingen, Oberpleis, Menden, Sieglar und Bergheim liegen, besass das Kloster durch die Schenkung des Erzbischofs Hermann HI. von 1095 das Dekanat, dessen Sendgerichte noch zu Annos Zeit in Geistingen abgehalten"*) und erst sp&ter, schwerlich vor dem Übergang des Dekanats an den Siegburger Abt, in die Ser- vatiuskirche zu Siegburg *^^) verlegt wurde. Auch die Organisation des Sendgerichts ist in die Koncentrationsbestrebungen der sich entwickelnden Siegburger Territorialmacht hineingezogen worden, und dass man später fort und fort darauf bedacht war, auch durch die geistliche Gerichts- barkeit diese Macht zu befestigen, beweist die neue Fälschung. Für ihre Entstehung erhalten wir einen terminus ad quem, der mit den Ergebnissen unserer Schriftvergleichung vollkommen überein- stimmt, indem sich aus einer Gegenüberstellung der Texte ergiebt, dass Lac. I 202 dem Papst Lucius UI. am 18. November 1181 zur Bestätigung ''') vorgelegt worden ist: Lac. I 202. Inter alias etiam bona iustis nostris laboribuB acquisita quasdam ecclesias eidem monasterio contulimus atque tradidimus. Ecclesiam qu^ est in Hanapho totam, eius ^cclesie qu^ est ia^\ Geistingin medietatem et in Pleysa inferiore et superiore ex tote, in Men- dene partem terciam, in Lara medie- tatem, in Bercheim ex tote, in Olma medietatem, in Hoinkirchin medietatis partes duas, in Strala medietatem. Lac. 1 478. . . . Ecclesiam in Achera et eam que est in Hanafo totam. Item quod babetis in ecclesia de Geistingen, in ecclesia de Mendene, in ecclesia de Strala . . . Supradictas vero ecclesias ab omni censu et exactione cum de- cimis iiberas vobis auctoritate aposto- lica confirmamus, quemadmodum ab Annone hone memorie Golo- niensi archiepiscopo etsuccesso- ribus eins monasterio vestro ca- nonice concesse et eorum scrip- tis confirmate noscuntur. Im Übrigen bestätigt die päpstliche Bulle eine lange Reihe von Besitzungen, die in Vorurkunden zum grössten Teil nachweisbar sind. "») Lac. I 307 = Knipping 246. "•) Binterim und Mooren, Erzdiöcese Köln I 423. »") Lac. I 478 = Jaff^ Regesta pontificum II* 14519. Kritische Stadien zur älteren Kölner Geschichte. Hl Für die Zeile 11 — 15 von Lacomblets Druck (S. 338) genannten Ortschaften (ausser Anrufte, Edelenkirchen, Hunefe) hat Lac. I 271 als Vorlage gedient, für den Passus: Gulsa cum decimis terre salice sive labore vestro sive per colonos vestros elaborata fuerit auch des Trierer Erzbischofs Adalbero Urkunde von 1139 *'®), die Zehnten von Hirzenach haben Heinrich Y. 1114 und Konrad III. 1140 bereits bestätigt, das Folgende (Zeile 16 — 23, von ,item predia in Hanepha' bis ,et uxor eins Uoda nobis contulerunt^) steht in der Urkunde Erzbischof Reinaids vom 15. August 1166 Lac. I 421; der hier genannte Walterus de Nftgelant ist mit dem Walterus de Roulant von Lac. 1 478 identisch. Der Besitz zn Edelenkirchen ist durch Lac. I 252 schon 1096, der zu Honnef (Hunefe) durch Lac. 1 260 und 291 schon 1102 bezeugt. Das predium zu Gimnich mit Yogtei und Zehnten hatte die Abtei 1139 erworben''^). Nur die an erster Stelle genannte Kirche zu Wizen- kirchen, ferner Anrufte, das beneficium des Herradus in Platten, Dud- lingin und die Zehnten zu Geseke lassen sich in Siegburger Besitz vor 1181 nicht anderweitig nachweisen. Fassen wir das Ergebnis unserer Siegburger Untersuchung zu- sammen. Der heftige Interessenkampf, der das 12. Jahrhundert erfüllt, hat auch im Kloster Siegburg starke Spuren in Gestalt von zahlreichen falschen Urkunden hinterlassen. Wenn man künftig Reichenau, Fulda und Ebersheim, St. Maximin, Brauweiler und Abdinghof als klassische Stätten klösterlicher Urkundenfälschungen nennt, wird man auch Sieg- burg nicht unerwähnt lassen dürfen. Denn in besonders bemerkenswerter Weise haben hier die Machenschaften tischender Mönche, die sonst fast nur auf Erhaltung des Bestehenden ihr Augenmerk richten, mit dem Fortschreiten der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten gewusst. Fort und fort wird die Ausgestaltung einer in ihrer Unab- hängigkeit mannigfach bedrohten Grundherrschaft zu einer geschlossenen Territorialmacht durch falsche Urkunden gestützt und gefördert. Zu einem erheblichen Teile ist der Staat des Siegburger Abtes auf der Grundlage wohlberechnetfer Fälschungen erwachsen. Zum Schluss noch zweierlei: einige Berichtigungen und Ergän- zungen zu dem im 20. Jahrgang (1901) dieser Zeitschrift S. 120 ff. erschienenen zweiten Teile meiner Kritischen Studien und ein Überblick "») Görz, Mittelrhein. Regesten I, 1952. Vgl. oben S. 75. "•) Lac. I 334 = Kd. 376. 112 0. Oppermann über die als gef&lscht bezw. verun&chtet erwiesenen oder noch za erweisenden rheinischen Bischofsurkunden. Wie Knipping die Güte hat mir nachzuweisen, hat Erzbischof Arnold II. als Dompropst an dem Ereuzzug von 1149 teilgenommen. Das hauptsächlichste der a. a. 0. S. 158 f. von mir gegen die Ächtheit der Urkunde Quellen I 70 vorgebrachten Bedenken kommt damit in Wegfall, und Knippings Annahme (Kn. 607) dass die Urkunde ohne betrügerische Absicht geschrieben, aber dem Ende 1155 aus Italien zurückgekehrten Erzbischof nicht zur Vollziehung vorgelegt wurde, dürfte die meiste Wahrscheinlichkeit für sich haben. Sicherlich eine Fälschung ist dagegen die als verdächtig schon Kn. 261 bezeichnete Urkunde Quellen I 42. Das abgefallene Siegel hat Herr cand. Ewald im Archiv von St. Martin in mehrere Stücke zerbrochen aufgefunden und als gefälscht erkannt. Die Schrift ist von gleicher Hand wie die a. a. 0. S. 162 von mir besprochene Fälschung Q I 21 und gehört der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an. Was die Parochieen St. Martin und St. Brigiden anlangt, (vgl. Westdeutsche Zeitschrift 1901 S. 167 f.), so kann jetzt nicht mehr als ausgemacht gelten, dass Gross St. Martin von Bruno nicht als Kloster, sondern als Kollegiatkirche gegründet worden ist und ihr die Seelsorge in der Martinsvorstadt übertragen war, bis Everger das Schottenkloster Gross St. Martin errichtete. Die uns erhaltene Abtreihe reicht allerdings nur bis zum Anfang der Schottenzeit zurück, aber der Schottenmönch Marianus, dem wir diese Überlieferung verdanken, hatte naturgemäss kein Interesse an der Vorgeschichte. Und die Gladbacher Chronik, welche berichtet, Everger habe das Kloster gegründet pro- fessis vel expulsis paucis quos invenerat canonicis^®*^), ist neuerdings in den dringenden Verdacht geraten, eine späte Fälschung zu sein. Die Rheinvorstadt ist zunächst — im 10. Jahrhundert — nur im Umfang der Parochie Klein St. Martin durch Gründerleihe besiedelt worden; darüber lässt das, was von den falschen Urkunden Evergers als ächter Kern übrig bleibt, wohl kaum einen Zweifel. Die Lage von Gross St. Martin abseits von diesem Marktgebiet wäre deshalb sehr auffallend, wenn diese Kirche als Marktkirche gegründet worden wäre. Marktkirche war wohl von Anfang an vielmehr Klein St. Martin. Ziemlich gleicligiltig ist, ob diese Kirche in die fränkische Zeit zurück- reicht, wie man anzunehmen geneigt sein wird, weil St. Martin ein »0) Mon. Germ. S. S. IV. 77. Kritische Studien zur älteren Kölner Geschichte. 113 specifisch fränkischer Heiliger war. Denn da unmittelbar westlich von der Rheinvorstadt, ursprQnglich durch die Römermauer von ihr getrennt, das Gebiet der Altstadtpfarre St. Alban beginnt, das mit einigen Häusern sogar über die Römermauer hinüberreicht *®^), so konnte eine Pfarr- kirche Klein St. Martin nicht vor der Besiedelung der Rheinvorstadt entstehen. Die Gemeinde von St. Brigiden bildeten ursprünglich die den Klaostralbezirk von Gross St. Martin bewohnenden Handwerker und Krämer; nach dem Muster der Parochie Klein St. Martin haben sie sich verhältnismässig spät genossenschaftlich organisiert. Wie sich die Gemeinde durch Aufnahme neuer Mitglieder erwei- terte, lassen in sehr lehrreicher Weise die Aufzeichnungen in der ältesten Schreinskarte von St. Brigiden erkennen. Auf der Strasse, die auf der Südseite des Bezirks Unterlan entlang führte, hatten — vermutlich als Zinsmänner des Erzbischofs, da der Grund und Boden locus publicuB war — die Schuster ihre Yerkaufsstände errichtet. Um diesem ihrem Grundbesitz die wünschenswerte Sicherheit und Anerkennung zu ver- schaffen, verpflichteten sich nun die Inhaber, jede Handänderung und Verpfändung unter dem Zeugnis der magistri civium von St. Brigiden vornehmen zu lassen und die übliche ama vini zu entrichten*®^). In ähnlicher Weise mögen auch die Besitzer der Grundstücke, welche [in der Brigidenparochie längs der Römermauer und im nörd- lichsten Teile längs der Neugasse lagen, später in den Gemeindeverband aufgenommen worden sein. Denn die alte Stadtmauer war ursprünglich locus publicus, und im andern Falle beweist der Name der Neugasse, dass hier nachträglich eine Strasse angelegt worden ist. Die in der Westd. Zeitschrift 1901, S. 122 ff. von mir verwor- fenen Urkunden für St. Kunibert Lac. I 66 und 67 werden von neuem geprüft werden müssen, nachdem ihre mutmassliche Vorlage, die Kon- zilsurkunde Williberts von 873, sowie auch Annos Urkunde Lac. I 218 sehr verdächtig geworden sind. Als erwiesenermassen falsch oder verunächtet müssen nach den vorstehenden Untersuchungen bezeichnet werden Die Urkunden für St. Martin in Köln Quellen I 1 (S. 447) I 12 (S. 465) I 17. 18. (= Lac. I 123) 19. 20. 21. (S. 471 ff.) I 25. 29. 34. (S. 482. 86. 93). I 42 (S. 503) = Kn. 261. >**) Vgl. Kenssen, Westdeutsche Zeitschrift 20. Jahrgang (1901) S. 76. ^•^ Vgl. Kenssen a. a. 0. S. 68. Westd. Zeltschr. f. Geacb. n. Kunst. XXI, I^* g 114 0. Oppermann Die Urkunden für St. Cäcilien in Köln Lac. I 105. 249. Die Urkunde für St. Georg in Köln Lac. I 209. Die Urkunden für St. Severin in Köln Lac. I 15. 102. 104. 179 (= Quellen I 23 S. 478). Die Urkunden für Kloster Siegburg Lac. 1 202. 203 (nebst den beiden weiteren, von Lacomblet in den Anmerkungen behandelten Aus- fertigungen A und Ai); Lac. I 221. 228. 253. 278 (Kw. = 125). Abgesehen von den bereits von Papst *^') behandelten Spurten fflr Brauweiler sind ferner gefälscht oder verun&chtet, wie durch eine sp&* tere Untersuchung noch zu erweisen sein wird: Die Konzilsurkunde Erzbischof Williberts Hartzhelm Concilia Germanisß n 356 f. Die BuDe Leos IX. Lac. I 187. Die Urkunden für St. Ursula in Köln Quellen I = Annalen 26/27 S. 334 (922); Lac. I 87. 88. (Wichfrid 927); Lac. IV 604. Quellen I 16 (S. 470). Die Urkunden für St. Gereon in Köln Lac. I 169 = Joeates, ÜB. von St. Gereon Nr. 4*«*); Lac. IV 606. Die Urkunden für St. Kunibert in Köln Lac. I 218 (Anno 1074) und 229 (Anno 1080). Die Urkunde für St. Pantaleon in Köln Lac. I 106 (Bruno 964) "*). Die Urkunden für St. Mariengraden in Köln Lac. I 195 (Papst Nikolaus IL 1059) und 220. (Anno 1075). Die Urkunden für Kloster Deutz Lac. I 136 (Heribert 1003). 138 (desgl.) 146 (Heribert 1009) 148 (Heribert 1015) 153 (Heribert 1019) 250 (Hermann EI. 1084!) Die Urkunden für Stift Rees Lac. I 222 (Anno) und 242 (Sigewin). Die Urkunden für Stift Essen Lac. I 162 (Pilgrim 1027) und 217 (Anno 1073). Die Urkunde für Kloster Werden Lac. I 211. (Anno, in zwei Ausfertigungen.) Ein Ergebnis, das eine kritische Ausgabe der älteren rheinischen '^) Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde XU S. 80-200. ^^*) Hier bereits als Fälschung bezeichnet >"*) Als Fälschung schon erkannt von Dümmler, Jahrbücher des deutschen Reichs unter Otto dem Grossen S. 373 Anm. 2 und Hegel, Städtechroniken XIV S. CCLVI. Eritiiche Studien znr älteren Kölner Geschichte. 115 XJrkundeD, wie sie von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde seit Jahren geplant and augenblicklich wieder nachdrücklich in die Hand genommen worden ist, als unabweisbares Bedürfnis der Forschung erscheinen lässt. Beilage« Text der angeblichen Stiftungsurkunden Erzbischof Annes für Siegburg A und Ai.»«) B (B.) In nomine sancte et individnse trinitatis. Anno secundos dirina dispensante dementia Coloniensis archiepiscopus. "') Noverit omnium Christi fidelinm tarn futarornm quam presentium pietas, qualiter instituimus in monte sedificare coenobinm, cui tunc mons s. Michahelis nomen est inditum, qaando p io ipsius archangeli honore consecratum est monasterium. (G.) Eundem autem montem et pedi montis adherentia palatinus comes Heinricus s. Petro aposto- lomm principi et nobis sine contradictione in proprietatem tradidit Haec itaque nostrse'^) institutionis causa in monte s. Michahelis fuerat, ut residentes ibidem yiri spirituaies fideli conversatione pro se vigilent, pro nostra salute et beat^ meirorise'^^ domini mei Heinrici imperatoris secondi, antecessorum quoque successorumque nostrorum ac totius acclesise (!) aures divinse ^^) pie- tatis implorent. Speramus autem et in misericordia divina confidimus, ut in horom militum munitione fideliter ac tute muniamur, per quos Dei filius sed et sanctissima eius genitrix semper virgo Maria cum archangelo Michahele 2) sanctoque 1) martyre Mauricio ac sociis eius omnibusque sancti» assidue glo- ^ rificatur. (D.) Fundato igitur pro nostra possibilitate monasterio monachos, de quorum vita religiosa prsesumpsimus, congregantes de nostris laboribus victum eis vestitumque contulimus nihil de mensa pontificis dementes preter unam 2) qu^ ^*') 8) Moffendorff4) didtur 1) villam. Hac de causa res dominicatas eidem ^desisß ^*') non contulimus, ne a successoribus nostris contra Dei servos interpel- latio fiat aliqua vel pravorum quorumlibet suscitetur invidia, quamvis precessores nostri ex rebus dominicatis satis amplas secclesias fundaverint et hoc 2) bonf ^*') 3) conversatioois 4) succedentibns 5) sibi 6) reliquerint 1) exemplum. Notificamus etiam nostris cunctisque fidelibus, quod eidem monasterio legavimus seccle- siam in Bleisa cum dotali manso et decima et secclesiam in Hanafo cum decimis et 2) dotali 1) manso, quas a canonids Bunnensibus per concambium sumpsimus, legantes eis custodiam in Bunna hoc iure, ut prsepositus, qui ^^) Für e mit untergesetztem offenen a ist in Ermanglung einer ent- sprechenden Type ^ gesetzt, so weit dies nichi ausdrücklich als geschwänztes e bezeichnet wird. Es I&sst sich deutlich yerfolgen, wie letzteres aus der ersteren Buchstabenverbindung allm&blich hervorgeht. ^'^^ Bis hierhin oblongierte Schrift. *") Ai : nostr^ **•) Ai : memoria ***) Ai : divin^ *•*) Ai : quse *•*) Ai : sec- desise ^^) Ai mit geschwänztem e. 116 0. Oppermaan usque ad nostrum tempus alienas fait ab ea^ qaoniam ad maaas episcopi pertinoit, ex hoc et in posterum custos sit et prepositus, itaqae fraternis et »cclesise consnlat utilitatibus. Actum est hoc concambium per advocatos comitem Cdnradum^*^) Ladewicum atque Gerlahum fideliamqae nostrorom cooailio ctinsensn et coUaudatione canoniconim, cam quibas haec est facta commutatio. Aliud quoque fecimus coocambium cum preposito de domo s. Petri et cano- oicis eiusdem domus, a quibus Menedou quantum ad ipsos pertiauit accepimus donantes eis partem tantuodem valentem de decimatioue ia Badelecca, quam a fidelibus nostris sei licet Herimanno et Arnolde per concambium recepimns E et eidem monasterio contulimus. (E.) Sunt autem haec loca, qa^ ^*'; per 2) manus 1) advocatorum eidem coenobio legavimus et ministris Christi ibidem degen- tibus in victum vestitumque contulimus. Strala ex toto, videlicet dimidium ad presens, quod ad manus habuimus de bonis Brunonis, reliquum vero post discessum domin^ ^^) IrmendrudsB, quod ab illa precarise et pecuni^ ^*') mercede F nobis collatum est. (F.) Sed et alia, ubi ipsa hereditariam partem cum Brunane G fhobueratf id est Flattena, Pirna et vinee in Winitre, (Q.) Venheim et omnis proprietas Adelberti cuiusdam ingenui militis nostri et uxoris eins Gerdrudis cum benefido militari. Sed et beneficium quod pro eadem proprietate precario iure 6) a nobis 7) accepit 1) in 2) loco 3) qui 4) dicitur 5) Greschich. Achera quo- que, quod ab episcopo Traiectensi per concambium sumpsimus. Item Achera, quod Cönradus comes beneficii iure tenuerat, donec sponte reddidit. Quicquid Bertholfus in Geistiud^on habuit. In Berengereshuson ad X solides. In Nistera ad VIII sol. Bleisa superior. In Lara et in Sulsa quicquid ad palatinum comitem pertinuit. Menedon. Ascmere. Antreffa, qu^^'^) rilla ad radicem montis est translata. Vlma. De beneficio Regimari in Mulindorf, Truhtesdorf et in Inere Villi mansi et in Kazbach qu^dam***) vine^'^) de eodem beneficio. In Geislare (de beneficio Cöaonis) V mansi et insuper quidam agelli. In Antinich ad dimidiam libram. In Meimendof (!) '^^) II mansi. Pre- dium Sicconis in Cornsceith. In Geisbach Villi mansi (de predio Richwini) Item II mansi, quos miles noster Godescalcus nobis donavit. Aecclesia(m) in H Berecheim cum decima*^') et dotali manso. (H.) Aecclesia in Bleisa cum decima et dotali manso. Aecclesia in Hanafo cum dote et decima(tione). Aecclesia in Truhtesdorf cum dote et decima(tioue). Has autem ^cclesias^') et omnes ad idem coenobium pertinentes hac donamus übertäte, ut quod ex quarta parte decim^ *^) fructus et utilitatis episcopus dinoscitur habuisse, ex hoc in lumiaaribus eiui J c«i tradit^ ^*) sunt impendatur ^cclesi^ *®*). (J.) (Haec dicta locorum nomina sunt in manu Gerlahi eiusdem monasterii advocati. Gulesa et Bettendorf commendata sunt in manum Herimanni comitis de Glizberc. Flattena cum appenditiis eius commendavimus in manum Liutherii. Moffendorf commendatum est Theoderico). K (K.) Tradidimus etiam eidem monasterio Gulesa, Bettendorf ^ Moffendorf et decimatümem in Zulpiaco, qu§ erat Sicconis comitis pro X libris, ac terciam L paiiem ^lesi§ in Hohenkirechon. . (L.) Statuimus vero advocatis, quos eiusdem 194> *) 0 mit übergesetztem v, Ai: Cuonradum "'^) Ai ; qu» *®*)JAi mit geschwänztem e "^) Ai : pecunise "*) Ai : quae *••) Ai : quse lam *^) Ai mit geschwänztem e *°*) Ai : Meimindorf ^°*) Ai : decimis *^'j Ai : ascclesias ^^*) Ai mit geschwänztem e '°*) Ai eecclesise. Kritische Stadien rar ftlteren Edlner Geschichte. 117 ^cderi^^ defensores esse prsevidimus, at eemel in anno ad loca sibi pre- scripta conyeniant et pro iusticiis faciendis pladta teneant, sie tarnen, at ipsi com abbatis condlio effusionem sangoinis, furta, violatam pacem, hereditatis oontentionem indicantes saa tercia contenti sint neqne ipsam terciam nisi de bis rebnSy qü^^'') in placitis advocati ventilentar vel de placitis inducientor» reqnirant, cetera omnia abbatis arbitrio (cam suis) disponenda relinqoant, ita nt in abbatis potestate sit, a persona famili^ *^) qnalibet pro libito sapplidam snmere, si in aliqno instis eins imperiis prssBompserit contraire. (M.) (Tra-M dimns etiam eidem monasterio dedmationem in Zaipiaco, qnse in beneficio fherat Sicconis comitis, pro X libris, et terciam partem ^cclesiaa '^) in Hohen- kirichon. (N.) Designamns aatem ipsi familiaa, qose in circaita montis habitat, N in Omnibus locis infra IUI vel V miliaria adlacentibus» ut ad placitum ad- Tocati indictum tribus diebus habendum in ipsa montis radice conveniant, prima die a Lara, Ascmere, Sulsa, Menedon, Truhtesdorf, Meimeadorf et ceteris ad h»c loca servientibus ; secunda die de Bleisa superiori, Domdorf, Geistingon, Nistera, Muiendorf, Berengereshuson, Irmenderod, Gornsceid, Inere et ceteris ad hsec pertinentibus ; III^ die de Achera superiore et inferiore et ceteris ad h^c servientibus ; sitque servitium, qaod abbas advocato io una- qnaque die placiti debeat^ U^ modii tritici, ama vini, 11^ am^'^^) cerevisi^, porci II valentes duos solidos, porcellus denariorum VI, anseres II, pulli IUI, ova XX, uvense modii VI. In Gulesa tantundem excepta cerevisia, qu^ non potest dari eo quod ibi non sit In Bettendorf tantundem) A. (0.) nullumque preter hoc singulare placitum in anno teneant nisi ab ab- bäte vocentnr (P.) neque snbdefenso- rem quenqnam nisi abbatis electione et fftmili^ coUaudatione constituant. Sed nee advocatus aliquis nisi quem vo- luerit abbas eidem monasterio con- stituatur nee episcopus quis vel suo- mm quisquam ibi standi potestatem habeat nisi cum licentia abbatis. Ai. (0.) Denunciamus itaque eisdem ad- 0 vocatis, ne preter hoc placitum singu- lare, nisi ab abbate vocentur, ullum in anno placitum teneant (P.) neque P subdefensorem quenqnam nisi abbatis electione et famili^ coUaudatione con- stituant neque terciam alicuius com- positionis nisi in suo placito Ventilat^ et induciat^ requirant. (Q.) De observanda vero consaetudine qua, modo instituti sunt fratres Q (ibidem deo militantes), et de abbatis singulari electione nuUa persona quic-' quam matare presumat, sed in omnibus ratum sit quod apostolici auctoritas scripto eis confirmavit et nos per bannum apostolici corrohoravimus (Ai : nostra episcopalis censura per bannum apostolici corroboravit). (R.) Abbas preter R famalos ^cclesi^ '*^) nullam militiam maiorem assumat, sed herum obseqnio res sibi commissas intus et extra disponat. (S.) Denunciamus itaque omnibus S fidelibus ex parte Domini nostri Jesu Christi et s. Marise perpetu^ virginisgenüricis .(Ai: s. Marias matris) eins sanctique Michahelis archaageli nee non preciosi martyris Manricii sociorumque eins et omnium sanctorum, in quorum honore •^) Ai: secclesise *°^ Ai: qu® '^') An familise '"'j mit geacbw&nz- tem e '^^) mit geschwänztem e '^^) Ai: secclesise. 11g 0. Oppemumn. T locna idem conncntoa «it, (T.) n« qais abbUem loci illJos serritiuin aliqaod cnrUle facere compelUt vel ad aliquod non ref^ulare officinm congtringAt. D (D.) Si qnie hniui noitri decreti et apoitolica pagina corroborati violator qaod non optamos eztitnit, abhomiDatioDem Dei et i. HarUe tauctorninqae, \u qnornm boDore locoa cooseiTatua eal, nisi cito Tesipoerit, iDcmrat et cum bis, qaoraro igais non eitinguilur et quoram TOnniB non moritar, portionem accipUt. ^ cu-ttv I Zeitschrift XXI (1902). Tafel I. fiamjrruxirit al ittdtcci^* ÄCt» rn^n iui- ^tp^ \9oac f vsr^^ yJMX 4. f J^ in<^ J Inhalt. Die legio XXII Primigenia. Von Dr. phil. Adolf Weichert in Berlin. 8. 119. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. Von Professor von Domaszewski in Heidelberg. (Hierzu Tafel 3.) S. 168. BeceDsionen: Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus. Urkundenbnch der Reichsstadt Frankfurt. Herausgegeben von Johann Friedrich Böhmer. Neubearbeitung auf Veranlassung und aus den Mitteln der Administration des Dr. Johann Friedrich Böhmerschen Nachlasses. Erster Band 794—1314. Bearbeitet von Friedrich Lau. — An- gezeigt von Dr. H. v« Nathusius-Neinstedt in Frankfurt a. M. S. 211. • Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Zweiter Band, 1100—1205. Bearbeitet von Dr. Richard Knipping. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XXI.) — Angezeigt von Dr. F. V igen er in Giessen. 8. 217. Rheinische Urbare. 8ammlung von Urbaren und anderen Quellen zur Rheinischen Wirtschaftsgeschichte. Erster Band: Die Urbare von 8t. Pantaleon in Köln. Herausgegeben von Benno Hilliger. (Publi* kationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XX.) — An« gezeigt von Archivar Dr. 0. Redlich in Düsseldorf. 8 221« Burgen und Befestigungen im 8achsenlande. 1) Mitteilungen der Altertumskommission für Westfalen II. Haltern und die Altertums- forschungen an der Lippe. 2) Atlas vorgeschichtlisher Befestigungen in Niedersachsen. Dr. Carl 8chuchhardt. Heft VU. — Angezeigt von Dr. Carl Rubel, Dortmund. 8. 225. Vom Korrespondenzblatt sind aiug;eg6be]i die Nrii. 1—6. Erschienen ist ErgäüZUIigsheft X: über den ersten Yerbandstag der west- und süddeutschen Vereine für römisch - germanische Altertumsforschung zu Trier am II. und 12. April 1901. Preis 1 Mk. 60 Pfg. Für Abonnenten der Westd. Zeitschr. 1 Mk. 20 Pfg. Die legio XXII. Primigenia. Von Dr. pfail. Adolf Welchert in Berlin. Nach allgemein herrscbenilcr Auffassnng kann eine Gesamtgeschichie Jer römischen Legionen nicht früher geschrieben werden, als bis die Geschieht« der einzelnen Legionen genaner untersucht worden ist. Die leteten Jahre haben daher fQr die Kenntnis der römischen Legions- geächichte eine wesentliche Bereicherung gebracht, indem zahlreiche Untersuchungen Ober die Geschichte einzelner Legionen angestellt wor- den sind. Besonders interessiert uns di^ Geschichte der Legionen, welche längere Zeit in Germanien gestanden haben, der legio I Minervia und legio XXX Ulpia in Germania inferior, der legio VIII Augnsta nnd legio XXII Primigenia in Germania superior. Die beiden zuerst genannten Legionen des niedergermanischen Heeres sind vor nicht langer Zeit von Otto Schilling*) eingehend behandelt worden, und auch fQr die achte Legion liegt eine ausfobrlichere Darstellung ihrer Geschichte vor von Urlichs*) in einer Anmerkung zu einer Abhandlung Ober römische Inschriften in Miltenben;. Auch die Geschichte der zweiten der obergermanischen Legionen, der legio XXII Primigenia, ist bereits einmal von Wiener') verfolgt worden. Diese Untersuchung ist wohl eine der ältesten ihrer Art, sie erscheint jedoch durch die Forschungen der letzten siebzig Jahre fast durchweg veraltet und überholt. l>ie fibersichtliche Sammlung der inschriftlic.hen Funde beginnt ja überbau|it erst geraume Zeit nach dem Erscheinen der Arbeit Wieners, und diese F'unde selbst liaben sich in ungeahntem Mus^ic vermehrt. Auch die ') Otto Schilling, de leg. Rom. 1 Min. et XXX Ulpia, Leipziger Studien XV, S. 1— 12Ö. *) Urlichs „Rümische iDschriften ia Hiltenberg* Jabrb. d. Ver. v. Altertamafr. im RbeinUnde Bd. 60 (1ST7), S. 53—70. ') P. Wiener, de legione Romanorum vicesima aecunda, Darmstadt 1830. Weatd. Zeltachr. f, Oesct. u, Ennflt. XXI, II- 9 120 A. Weichert eingehendere Beschäftigung mit der Legionsaeschichte überhaupt hat reiche Früchte getragen. Es wird daher vielleicht nicht ohne Nutzen sein, auch die legia XXII Primigenia wieder zum Gegenstande einer Untersuchung zu machen, wenngleich die Schwierigkeiten, welche sich diesem Unternehmen bieten, nicht zu nnterschätzen sind. Zeugnisse von Schriftstellern fehlen für die Legion fast gänzlich, nur für die Zeit des Vitellius giebt uns Tacitus genauere Mitteilungen. Wir sind daher fast ausschliesslich auf die inschriftlichen Zeugnisse angewiesen, die gerade für diese Legion in verhältnismässig grosser Zahl vorhanden sind. Für manche Fragen, wie z. B. die der Zeitbestimmung, geben uns die Inschriften aber oft nur einen sehr unbestimmten Anhalt. Auch ist ihre Benutzung^ dadurch ganz ungemein erschwert, dass der die beiden Germanien um- fassende Band des Corpus inscriptionum latinainim noch fehlt, so dass die Sammlung des sehr zerstreuten Materials häufig Schwierigkeiten bietet und Vollständigkeit und Genauigkeit unmöglich zu erzielen ist. Zudem bringt uns auch jedes Jahr eine Bereicherung der inschrift- lichen Funde, welche die bisherigen Schlüsse zuweilen vollkommen umstossen können. Doch im grossen und ganzen wird es, glaube ich, auch jetzt schon möglich sein, einen Überblick über die Geschichte der legio XXII Primigenia zu gewinnen. Auf die ältere Schrift von Wiener hierbei in allen Punkten genauer einzugehen, erscheint unnötig, es wird nur dann geschehen, wo es notwendig zu sein scheint. L Entstehniig und Namen der le^io XXII Primigenia^). 1. Die Entstehung der Legion. (a. Die Entstehung fällt nicht unter Caesar.) In der Betrach- tung der Geschichte der I^egion ist naturgemäss von ihrer Entstehungs- *) Benutzte Litteratur. (Es sind hierunter nur die wiederholt benutzten Werke mit den gewählten Abkürzungen aufgeführt; die nur einmal oder selten benutzten Werke sind an der betreffenden Stelle genauer bezeichnet.) Corpus Inscriptionnm Latinaram, Bd. I— XIY. (Nur Anführung der Band- nummer.) Corpus Inscriptionum Rhenanarum ed. G. Brambach. (Bramb.) Inscriptionnm Latinarum selectarum amplissima collectio ed. Orelli-Henzen. Inscriptiones Latinse selectie, ed. H. Dessau Bd. I. Ezempla Inscriptionum Latinarum ed. Wilmanns. Ephemeris epigrapbica Bd. I— VIII. (Eph. ep.) Die legio XXII. Primigenia. 121 zeit auszugehen. Diese Frage scheint jedoch die allerschwierigste zu sein, da uns genaue Angaben, besonders die Mitteilungen von Schrift- stellern, bei diesem Punkte vollkommen fehlen. Auch die Inschriften geben keine ganz sicheren Anhaltspunkte. Es giebt daher auch ganz verschiedene Ansichten über die Zeit der Entstehung der leg. XXII Pr. Wiener (S. 6, 19) vertritt die Meinung, dass unsere Legion bereits im Heere Caesars vorhanden gewesen sei und dass sie den Beinamen Primigenia erst später erhalten habe. Er ftlhrt hierbei auch (S. 6) die Ansicht Lehne» an^), dass die Legion von Caesar in Griechenland errichtet worden sei. Diese Vermutung weist schon Wiener mit trif- tigen Gründen zurück, indem er ausführt, dass die von I^ehne vor- geschlagene Änderung der Ziffer doch höchst bedenklich sei, da alle Handschriften übereinstimmend die Zahl XXVII böten und da über die Zählung der Legionen in den Bürgerkriegen überhaupt nichts Sicheres feststände. Er hält es jedoch (S. 7) ebenfalls für sicher, dass die Legion von Caesar errichtet worden sei, da sich in dessen Heere später noch I^e^ionen mit einer weit höheren Zahl befunden hätten*) und da es doch wunderbar wäre, wenn es unter diesen keine I^egion Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande Bd. 1—107. (B. J.) Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Bd. 1—20 (Westd. Z.) und Eorrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift u.s.w. Bd. 1—20. (Korr. Westd. Z.) Limesblatt. Mommsen, Rdmische Geschichte Bd. V. Schiller, Geschichte der römischen Eaiserzeit (Schiller R. E) Grotefend Klegio'' b. Panly Realencyklopädie Bd. IV. Cagnat „legio'' i. Dictionnaire de l'antiqait^ S. 1089 ff. P fitz n er „Geschichte der römischen Eaiserlegionen von Augustus bis Hadrian** Leipzig 1881. 'Wiener, P., De legione Romanonim XXII. Darmstadt 1830. Meyer, P., Die ägyptische legio XXII und die legio III Cyrenaica, Fleck- eisens Jahrb. f. klass. Philo!, u.s.w. 43 (1897), S. 578 ff. Schilling, 0., De legionibns Romanorum I. Minenria et XXX Ulpia. Leipziger Studien Bd. 15 (1894), S. 1—128. Jünemann, Aug., De legione Romanorum I. Adiutrice. Leipziger Studien Bd. 16 (1894), S. 1—140. Ritterling, £., De legione Romanorum X gemina, Diss. Leipzig 1885. ^) Lehne stützt sich hierbei auf Cses. b. c. III, 34, wo er die Zahl XXVII in XXII verändert, da Csesar zu dieser Zeit kurz nach der Abfahrt aus Italien, wo er nur vierzehn Legionen gehabt habe, nicht siebenundzwanzig Legionen besessen haben könne. •) Bis zur Nr. XXXVII, b. Alex. c. 63. 1* 122 A. Weichen mit der Nr. XXII gegeben hätte. Dass es eine Legion mit dieser Nummer gegeben hat, mag zugegeben werden, sicher ist jedoch, dass sie bei Caesar und auch in der Folgezeit niemals genannt wird. So weiss denn auch Wiener nichts über die weiteren Schicksale, Standort usw. dieser I^egion anzugeben und nimmt die Erzählung eigentlich erst wieder beim Jahre 68 n. Chr. auf. Unsere legio XXII ist sicher nicht auf Caesar zurückzuführen, wie wohl allgemein feststeht; hat es unter diesem eine Legion mit dieser Nummer gegeben, so ist sie sicherlich in oder nach den Bürgerkriegen untergegangen. Wie nämlich Paul Meyer') überzeugend nachgewiesen hat, giebt es eine Legion mit der festen Nummer XXII erst seit dem Untergange der I^egionen XVU bis XIX in der Varusschlacht, nach welcher Augustus der sogenannten galatischen Legion die Legionsnummer XXII verleiht und sie aus einer Peregrinentruppe zu einer Legion im Rechtssinne macht®). (b. Die Entstehung fällt nicht unter ÄuffustusJ Man hat femer angenommen, dass die Legion unter Augustus errichtet worden sei, und hat dafür besonders eine Stelle des Cassius Dio geltend gemacht. Dieser Schriftsteller nämlich, zu dessen Zeiten die legio XXII Pr. sicher noch bestanden hat, erwähnt sie in seinem bekannten Verzeichnis^) der unter Alexander Severus bestehenden Legionen nicht. Er zählt unter drei- unddreissig zu seiner Zeit vorhandenen Legionen vierzehn neue, seit Nero eingerichtete^®) und achtzehn augusteische, welche sicher sind. Für die dreiunddreissigste ihm fehlende Legion stellt er die Vermutung auf, dass es unter Augustus ausser der leg. XX Valeria victrix noch eine andere zwanzigste Legion gegeben haben müsse. Mit dieser Legion ist ganz unzweifelhaft unsere leg. XXII Pr. gemeint, wie aus einer Betrachtung der Stelle selbst wohl sicher hervorgeht^*). Man hat ^) P. Meyer, Die ägypt. legio XXII u. s.w. Fleckeisens Jahrb. f, klass. Phil. Jahrg. 43 (1897), S. 578 ff., s. bes. S. 579, Anm. 2. ^) Mommsen, res gestse divi Aug. S. 70; Hermes XIX, S. 14 Aam. 1. *) Cass. Dio 65, 23 und 24. ><^) S. Marquardt, röm. Staatsverw. II \ S. 439. ") Cass. Dio a. a. 0.: oi siKoöTol oi %(tl OvaXsQuoi nccl vixi^toiffs tovcfinöfievoi xcci iv B^trcewia tfi civca ovrts' ovsrivag 6 Jvyovarog ifioi öo-Kiiv, fiSTOL TÖiv Ti}v TS tov hlnoOTOV ^iKOifVfiiav ixovtmv xai iv rj FtQ/iccvia ttJ uvoi x^tf^cc^ovTooVf bI xofi TU fiuliöza fiT^d"* v(p' unavtoiv OvaUgtioi ^«txAiJ^iyffa» flirrt vvv Ire zij nQoarjyoQta ravri; ;|^^c5vra(, naffaXaßmv irtJQrjaev. Da gar kein Zweifel darüber herrschen kann, dass nicht die zwanzigste, sondern die zweiundzwanzigste Legion bezeichnet werden soll, so schlägt Mommsen (b. Borghesi Oeuvres IV p. 256) vor „ttjv rt tov tiyiooTov x«i bivti^iov ^Ttmvvfiiav ix^vtav^^ zu schreiben. Die legio XXII. Primigenia. 123 nun aus den unten angeführten Worten auf eine Entstehung der Legion unter Augnstus schliessen wollen. Besonders von Domaszewski ^*) ver- tritt diese Annahme. £r sagt: „Auch Dio war der Ansicht, dass die legio XXII Pr. in Ohergermanien errichtet worden sei (55, 23, 6 nach Mommsens Verbesserung), und wenn es an sich bedenklich ist, von Dios Angaben über die Geschichte der Legionen ohne zwingende Gründe abzuweichen, so bestätigen die Monumente auch hier sein Zeugnis. Es ist kein Zufall, dass das Fahnentier der leg. XXII der Capricorn ist, d. h. das Nativitatsgestirn des Augustus, des Gründers der Legion U.S. w.". Zugegeben muss werden, dass Dio annimmt, die in Ober- germanien stehende legio XXII sei von Augustus errichtet worden. Der Schriftsteller ist jedoch hierbei seiner Sache nicht sicher, er giebt nur seiner persönlichen Vermutung Ausdruck, wie aus der Wendung „ifioi SoTcelv" und femer auch aus dem Fehlen des sonst immer ge- nannten Beinamens klar wird. Es fehlte ihm also, ebenso wie uns, an genaueren Nachrichten und so konnte er mutmassen, dass die I^egion ebenso wie der grösste Teil des Heeres schon von Augustus errichtet worden sei. Diese Verwechslung lag übrigens sehr nahe. Die aegyp- tische legio XXII (Deiotariana) ist ja von Augustus errichtet worden. Zur Zeit des Dio war sie bereits längst untergegangen, und nur die eine Legion mit der Nr. XXII war noch übrig. Ein Irrtum konnte also leicht entstehen, besonders da auch auf den Inschriften nicht selten der Beiname fortgelassen wurde *^). Die Angaben des Cassius Dio be- weisen also nicht die Entstehung der Legion unter Augustus. Man hat nun auch daran erinnert ^^), dass das Fahnentier der legio XXII Pr. der Capricorn d. h. das Nativitätsgestirn des Augustus ist. Unzweifelhaft hat dieser mehreren Legionen dies Feldzeichen ver- liehen, z. B. der legio II Augusta und der legio XIV gemina. Daraus kann aber noch nicht auf eine Errichtung der Legion durch Augustus geschlossen werden. Es giebt vielmehr eine ganze Anzahl von Le- gionen, welche nachweislich nicht von diesem Kaiser errichtet worden sind, aber gleichwohl dies Fahnentier führen. So führt die im Jahre 68 n. Chr. errichtete legio I Adiutrix den Capricorn*^), ebenso die ") Korr. Westd. Z. X (1891), S. 59 ff. '*) Bei einer Anzahl von italischen Inschriften l&sst es sich aus diesem Grande auch gar nicht entscheiden, welcher der beiden Legionen sie zuzu- weisen sind. '^) 8. ▼. Domaszewski a. a. 0. ") Cagnat „Dictionnaire des Antiquit^s** S. 1075. 124 A. Weichert legio 11 Italica, die erst durch Marcus geschaffen worden ist, *^) un*) Mommsen R. G. V, S. 159 und Anm. Die legia XXII. Primigenia. 127 ziehenden Truppen selbst bei einer schnellen Beendigung des Krieges nicht sogleich wieder in ihre alten Standorte zurückkehren würden, man musste sich vielmehr darauf gefasst machen, dass sie längere Zeit auf der Insel verbleiben müssten, um die Besitzergreifung auch wirklich dauernd zu machen, ein Fall, der bekanntlich in der That eingetreten ist. Mit der Erweiterung der Grenzen des römischen Reiches musste somit eine Vergrösserung der Zahl der Legionen und auch der sonstigen Heereskörper erfolgen. Zu den neugeschaffenen Truppenteilen gehörte aüch die legio XXII Primigenia, deren Gründungsjahr also ungefähr das Jahr 43 n. Chr. ist. Dies erkannt zu haben ist das Verdienst Grotefends *^), und seiner Ansicht sind die Späteren*^) fast allgemein beigetreten. Da Schriftstellernachrichten über die Zeit der Errichtung voll- kommen fehlen, wird es sich darum handeln, die Richtigkeit der auf- gestellten Vermutung auf andere Weise zu begründen. Es ist vorher schon darauf hingewiesen worden, dass im Jahre 43 n. Chr. drei I^egionen der Rheinannee zur Teilnahme an dem britannischen Feldzuge l)esttmmt wurden und dass, dieser Ausfall unzweifelhaft gedeckt werden musste. Das würde aber natürlich noch keinen überzeugenden Beweis darstellen. Es giebt jedoch noch andere Anzeichen dafür, dass die Legion in jener Zeit errichtet sein muss. In und bei Mainz sind nämlich viele Grabsteine von Soldaten der Legion gefunden worden, welche in die Zeit von 43 — 70 n. Chr. fallen müssen. Die Inschriften dieser Grabsteine nun thun schon durch ihre ganze Fonn u. s. w. ihren frühen Ursprung kund, sie enthalten fast immer ausser der genauen Bezeichnung des Soldaten auch sein I^ebensalter und die Zahl seiner Dienstjahre. Nehmen wir also als spätesten Zeitpunkt für die Setzung der Inschriften das Jahr 70 an*®) und rechnen von da ab zurück bis zu der Zeit des Eintritts des betreffenden Legionars, so wird sich vielleicht ein Schluss auf die Entstehungszeit der liegion ergeben. Dass diese Berechnung nicht beweisend ist, bleibt dabei keinen Augenblick zweifelhaft. Es muss gleich von vornherein bemerkt werden, ^*) Grotetend b. Pauly Real-Enc. Bd. IV »legio«. **) S. z. B. Mommsen R. G. V, S. 159: ,,E8 wurden drei der Rhein-, eine der Donaulegionen dazu bestimmt [zum britannischen Feldzage], gleich- zeitig aber zwei neu errichtete Legionen den germanischen Heeren zugeteilt". An einer anderen Stelle (Ephem. epigr. V (1884) S. 229) scheint er der Ansicht Grotefends nicht so unbedingt beizastimmen. '*) Die Legion zog zwar mit Csecina und Vitellius i. J. 69 nach Italien» ein Teil (pauci veterum militum: Tac. Hist. II 57) blieb jedoch zurück. 128 A. Weichert <1b8s bei der Errichtung der Legion selbstverständlich nicht nur Rekruten eingestellt worden sind, sondern dass sicherlich auch ein beträchtlicher Teil von Soldaten aus anderen Truppenteilen übernommen worden ist. \Vahi*scheinlich wird man aber Leute mit sehr langer Dienstzeit nicht in die neuen ^'erb&nde eingereiht habenr, um sie nicht so bald wieder entlassen zu müssen, denn nach zwanzig Dienstjahren konnte doch der Legionssoldat seine Entlassung als Veteran beanspruchen, wenngleich die Entlassung selbst meist erst beträchtlich später stattfand. Es linden sich nun unter den Soldaten, deren Grabsteine uns erhalten sind und die unzweifelhaft aus der Zeit des ersten Mainzer Aufenthalts der Legion stammen, Leute mit bereits hohen Dienstjahren. Im Jahre 1895 z. B. wurde ein Grabstein mit einer nur teilweise erhaltenen Inschrift gefunden^'), aus welcher hervorgeht, dass der Verstorbene 65 Lebensjahre und 30 Dienstjahre zählte. Bei einer Errichtung des Denksteins im Jahre 70 kommen wir zu dem Schlüsse, dass er bereits 40 n. Chr. in das Heer eingetreten ist, also wohl schon vor der Er- richtung der Legion in einem anderen Truppenkörper gedient hat. Ich führe noch einige andere Grabsteine dieser Art an: Bramb. 1218: 50 Lebensjahre, 25 Dienstjahre = 45 n. Chr. „ 1075: 60 Korr. Westd. Z. V, S. 205 : 46 Bramb. 1082: | „ 1225: 38 Korr. Westd. Z. IV, S. 54:] Bramb. 1223: 40 „ Natürlich ist es unmöglich, dass alle diese Grabsteine aus dem Jahre 70 n. Chr. herrühren, viele fallen sicher in eine frühere Zeit; jedenfalls scheint aber auch aus den mitgeteilten Zahlen klar zu werden, dass die Errichtung der Legion bald nach 40 n. Chr. erfolgt sein muss*®). Für die Errichtung der leg. XXII Pr. und der leg. XV Pr. 23 V 47 r 21 « 49 „ 18 V 52 , 19 n — 53 , 2») Korr. Westd. Z. XIV (1895), S. 84, (Körber, Rom. Inschr. d. Mainzer Mus. 1897, Kr. 54): Catulus li Viruno mil. leg. XX[I1] Pr. an. LV 8tp. XXX h. 8. e. h. f. c. ") Aufiällig ist, wie nebenbei bemerkt sein möge, der yerhältnismässig spftte Diensteintritt bei einigen dieser Soldaten; so ist der Soldat Bramb. 1075 erst mit 37 Jahren in den Legionsdienst getreten, die Legionäre Bramb. 1218, Korr. Westd. Z. V, S. 205 and XIV, S. 84 mit 25, Bramb. 1208 mit 24 Jahren. Bei den meisten Soldaten erfolgte der Eintritt mit 20 Jahren, 80 z. B. Bramb. 1082, 1211, 1213, 1216, 1217, 1219, 1220, 1222, 1224, 1225 und Korr. Weatd. Z. IV, S. 64. Die legio XXII. Primigenia. 129 unter Claudias sprechen auch schon ihre Standorte in Germania superior und inferior, worauf auch von Domaszevvski, der freilich die Entstehung der Legion weit früher ansetzt (s. oben), hinweist ^^). Die Anwesenheit der XXII Pr. in Germanien ist auch für die Zeit des Claudius sicher bezeugt. Eine im Jahre 1875 zu Cos aufgefundene Inschrift zu Ehren eines Tiberius Claudius Cleonymus erwähnt von diesem Manne, dass er Tribun der leg. XXII Pr. in Germanien gewesen sei ^^). Wie Dubois überzeugend nachweist, ist dieser Mann der Bruder des bekannten Leibarztes des Kaisers Claudius, Xenophon, welcher auch bei Tacitus*^) erwähnt wird. Dieser Arzt heisst mit seinem vollen Namen C. Stertinius Heracliti f. Corn. Xenophon, dass er der Leibarzt des Claudius war, wird uns auch durch mehrere zu Cos und in der Nähe gefundene Inschriften bezeugt ^^). Tiberius Claudius Cleonymus und sein Ver- wandter Tiberius Claudius Philinus^^) empfingen ohne Zweifel von Claudius das Bürgerrecht und brachten es dann beide bis zum Range eines tribunus militum in der römischen Armee. Der erstgenannte ist jedenfalls ein jüngerer Bruder des bekannten Arztes, der ihm diese >*) Korr. Westd. Z. X, S. 61 Aiim. 3: ^Die BilduDg der Legionen unter Caligula zu setzen scheint deshalb nicht möglich, weil die Standquartiere der XXII Prim. und XV Prim. am Ober- und Niederrhein deutlich darauf hinweisen, dass sie bestimmt waren, die Lücken in der Rheinarmee, welche die Bildung der Ezpeditionsarmee gerissen, zu füllen u. s. w. ••) Inscript. of Cos (Paten aod Hicks) n. 94: Tißi(fiov Klavötov, ^ HQUxliiTOV viov, Kv(f.y Klfdvvfiov, tov n |' d6lq>6v Fatov UttQTiviov ! Ssvofpcovtog, XtiXtaQXV ^^^'^^ ^"^ r^Qg^ccvia Xiyimivo^ KB Tl^ifiiytviag, ötg jtfo j va^;|ri}0avTor, xccl itQtößsv \ aavta nolkdyitg vnlg Tijg\nccTQi8og ngog rovg £ißaa\\Tovg, KlotvÖia 0oißr]\\T6v havr^g oivÖQa y.ai svsgyi {[ttjv, dger^g ivfy.cc Ttai svvoiug. Vgl. Marcel Dubois „Ün m^decin de Tempereur Claude*' Bulletin 4e corresp. hellen. V, 468 ff., welcher die oben erwähnten Inschriften dort zusammengestellt hat. ") Tac. Ann. XII 62 und 67. **) So heisst er in einer Inschrift (Bull, de corr. hellän. V S. 472) jfioTifdg TißtQlov KXovölov KaiaccQog*^ und in einer weiteren (S. 473) „6 a(fxiccT(f6g Tcav ^smv Ztßaatmv.^ Aus der zuletzt genanaten Inschrift erfahren wir auch noch, dass er vor seiner Ernennung zum Leibarzt in der römischen Armee als tribunus militum und prsefectus fabrum gedient hat und im bri- tannischen Feldzuge durch die VerleihuDg der corona aurea und der hasta pura ausgezeichnet worden ist (S. 473, Z. 6 ff. ;t^^ I Xiccqzv^"^^'^^ ^"^ InaQXOv j ytyovoxa rcov aQXinyLxo 'j vtov xai Ti/ii]9'evTa iv tw Bifsrawmv ^Qiufißo} öTt[q3]iJ[j'w] I 2:(>»ilo7iaiaaQ, q>iXoLlioyikavötog^ (S. 470 u. 471), in der zuletzt erwähnten Inschrift chers, dann nahm sie den Namen des neuen Kaisers an. Diese Sitte ist von Caracalla eingeführt worden, vor ihm findet sich ein solcher Gebranch des Kaisemamens nur ganz vereinzelte^). Derartige Bezeich- nungen sind natürlich für die Zeitbestimmung von Inschriften u.s.w. äusserst wertvoll. Einmal'®) heisst ferner unsere Legion [leg. XXII P]rimig(enia) Germ[anicaJ p. f., doch ist Germanica nicht etwa ein ständiger Beiname, sondern nur Bezeichnung des Standortes, denn auch legio XXX Ulpia victrix wird in derselben Inschrift Germanica genannt e^). Schliesslich möge noch der eigentümlichen Sitte gedacht werden, der Bezeichnung ^pia fidelis^ Zahlen hinzuzufügen; wir begegnen ihr z. B. auf Münzen des Gallienus ®^). Diese Beinamen werden häufig fortgelassen, sogar das unterschei- dende Wort „Primigenia*' fehlt in vielen Fällen®*). Es konnte ja auch ruhig fortbleiben in Gegenden, wo eine Verwechslung mit der ägyptischen legio XXII nicht möglich war, oder bei Inschriften, welche nach dem Untergange dieser Legion abgefasst wurden. Bei der Anfertigung der Ziegelstempel mit der Bezeichnung der Legion ist man überhaupt ziem- lich willkürlich verfahren. Fast immer werden nicht die vollen Bei- '•) Grotefend b. Pauly IV S. 895; Marqaardt Rom. Staatsverw. U\ S. 436. '^) Einige Legionen führten auch schon früher Kaisernamen x. B. Claudia, Flavia, Domitiana, Ulpia, Traiana u.s.w.; der grosse Unterschied ist aber der, dass diese Legionen den Namen auch nach dem Hinscheiden des Kaisers weiter fahrten, während jetzt alle Legionen den gleichen Kaiser- namen führten, aber nur zu Lebzeiten des betr. Herrschers. '•) XIV 4178 b. ^') Auch die von Vespasian aufgelöste legio I heisst oft legio I Ger- manica; vgl. VI 1402 „leg. in Germania leg. XXII Primigenisß'' und Inscr. of Cos Nr. 94 „^v raQ^avia Xi^fcavog KB TJQtfjtiysviae.*^ «•) Vgl. Cohen Mäd.'lmp. V, S. 3J3, Nr. 542—550. *^; Bei den germanischen Inschriften sehen, so Bramb. 932, 1075, 1217, 1225; die genannten Inschriften fallen in eine ziemlich frühe Zeit. 142 A. Weichert namen, sondern nar die Abkürzungen der Namen niedergeschrieben. Es lassen sich jedoch hierbei einige Verschiedenheiten feststellen. In den germanischen Gebieten ist die regelmässige Abkflrznng für Primigenia „Pr." und nach Hinzutritt der Beinamen pia fidelis die Form „Pr. p. f.". Statt „Pr." findet sich auch „Pri." oder noch häufiger „P."®*), namentlich in älteren Inschriften; statt „p. f." trifft man wohl auch „pi. f.", „pia f.", pi. fi." u. s. w. ®^). Diese Abkürzungen finden sich jedoch ausserhalb Germaniens verhältnismässig sehr selten ^^), eine Aus- nahme hiervon machen nur die Inschriften von Lugdunum, wo die genannten Abkürzungen fast ausschliesslich vorkommen, und Cartenna. Diese Thatsache erscheint immerhin beachtenswert; anscheinend ist sie ein Zeichen dafür, dass Angehörige der Legion sich an diesen Orten länger aufgehalten und die in Germanien gebräuchlichen Abkürzungen gewissermassen eingebürgert haben oder dass die Steine von Leuten der Truppe selbst gesetzt worden sind. Bei den afrikanischen Inschriften der Legion besteht sogar ein bemerkenswerter Unterschied. Die vier Inschriften von Cartenna in der Provinz Mauretania Csesariensis ®*) zeigen das in Germanien übliche „Pr. p. f.", während die übrigen Inschriften aus den Provinzen Numidia und Provincia proconsularis AfricA diese Abkürzungen nicht haben, sondern ganz andere®^). Dies kommt daher, dass die Steine von Cartenna zum Gedächtnis von Legionaren von ihren Kameraden gesetzt worden sind, während dies bei den übrigen nicht der Fall ist. In Lugdunum ferner, wo sehr viele Inschriften auch von der XXII Pr. gefunden worden sind, bestand eine Veteranen- kolonie der germanischen Legionen®'), sodass das ausschliessliche Vor- kommen der gebräuchlichen Abkürzung keiner weiteren Erklärung bedarf. Ausserhalb Germaniens finden wir zunächst oft die volle Namens- form ^Primigenia" ®*), welche uns im Standort der Legion nur einmal ^') „P. p. f." kommt sehr häufig vor, dagegen das blosse „P." seltener. ^) Es würde zu weit führen, hier alle vorkommenden Abkürzungen aufzuzählen, vgl. den Index von Bramb. Corp. inscr. Rhen. ") Z. B. III 269: Pr. p. f., III 6819: P. p. f. ") VIII 9655, 9656, 9658, 9659. «•) Primigenia VIII 6706. — Primig. VIII 217, 1574, 2627, 2997. — Prim. VIII 2888, 2889 u.s.w. »^) S. Wiener S. 20; Schilling S. 66 ff. ") III 550 (mit p. f.), 6065 (mit p. f.); V 6896, 7775; VI 1402, 1440, 1455; VII 6706; X 5178 (mit p. f.); XI 5273; Eph. ep. VII (1892), S. 314; Inscr. of Cos n. 94 {TJgifjiiytvia) ; Heberdey und Kaiinka, Denkschrift S. 39 Nr. 53 {HQHiJityfvHa). Prim igen. III 291, 6818; V 877 (mit p. f.). Die legio XXII. Primigenia. 143 (Bramb. 1212) begegnet, zwei Inschriften geben sogar „Primigenia pia fidelis" ungekürzt ^^. Am häufigsten ist die in Germanien auch nur einmal (Bramb. 311) vorkommende Bezeichnung „Primig." ®^), öfters auch „Prim."^^). Manchmal steht überhaupt nur die Nummer der Legion, ebenso fehlt die Bezeichnung „pia fidelis" auf diesen Inschriften sehr häufig, viel häufiger als in Germanien, auch bei Inschriften, welche nachweislich einer späteren Zeit angehören als die der Verleihung dieser Beinamen. Einige Male findet sich übrigens auch nur „pia fidelis'' ohne „Primigenia" ®*). Ganz einzelstehend ist die Abkürzung PG für Primigenia in einer afrikanischen Inschrift (VIII 2891). Dass die Buchstaben GV bei einigen Stempeln der Legion keinen Beinamen be- zeichnen sollen, sondern wahrscheinlich einen Personennamen, ist bereits früher erwähnt worden. Die Kaisemamen, welche die Legionen seit Caracalla führen, werden in der Regel nicht abgekürzt, eine Ausnahme bilden, wie leicht begreiflich ist, die Ziegelstempel. Eine feste Gewohn- heit für die Stellung dieses Namens hat sich nicht herausgebildet, er steht manchmal unmittelbar hinter dem Zahlzeichen, manchmal hinter dem Beinamen und manchmal auch hinter der Bezeichnung pia fidelis. Es kommt sogar vor, dass nur der Kaisername bei der Legionsnummer steht und dass die übrigen Worte ganz fehlen. Von Kaisemamen kommen bei der leg. XXII Pr., wie bereits erwähnt, Antoniniana (unter Caracalla und Elagabai), Alexandriana Severiana (meist nur Alexandriana, nach dem Kaiser Alexander Severus) und Gordiana vor. Die Beinamen Alexandriana und Severiana sind infolge der über Alexander Severus verhängten damnatio memorise meist getilgt; auf Inschriften anderer Legionen kommen sie auch zusammen vor, bei der XXII Pr. dagegen nur einzeln^*). ") II 3237 und V 7872. •ö) II 4121; V 636, 4164, 4195, 6889; VI 1383 (mit p. f.), 1450, 1456, 2649; VII 846; VIII 217, 1574, 2627, 2997; 1X2092, 4885/6; X 5398, 58!>9; XI 19 (mit p. f.), 596 (mit pia fid.); XIV 4178b. '>) VI 3492, 3567 ; VIII 2888, 2889. In Germanien dreimal : Bramb. 1078 (mit p. f.), 1082, 1382. »«) Z. B. V 4362 ; VI 3634. *') Ich stelle die Inschriften mit Kaisernamen hier zusammen. a) Antoniniana. Bramb. 1305 leg. XXII A[ntoniniana], 1367 leg. XXII Prim. [Anto]nini[ana], 1576 leg. XXII Antonian., 1746 leg. XXII Ant. (?) ; Mommsen inscr. Helv. 218 leg. XXII Antoniniana P. p. f.; Korr. Westd. Z. VI, S. 198 [leg. XXII Pr. p. f. Antoni]niana und VHI, S. 213 leg. XXII Ant (nach Haugs Verbesserung Korr. West. Z. IX, S. 137) ; Westd. Z. XI, S. 296 [leg. XXII Ajntoniniana Pr. [p. f.] ; B. J. 69, S. 111 leg. XXII Ant 144 A. Weichert 8. Die Herkunft der Soldaten. Über das Vaterland der Soldaten ist wenig zu sagen, da diese Frage ausführlich von Mommsen behandelt worden ist ®*). Es erscheint daher nur notwendig, einige Erläuterungen und Ergänzungen zu geben. Zunächst ist noch einmal zu betonen, dass es schon aus den Heimats- angaben der Grabsteine von Soldaten klar wird, dass die XXH Pr. nicht aus der XXH (Deiot.) gebildet sein kann. Wie Mommsen wieder- holt betont und besonders aus der Inschrift HI 6627 nachgewiesen hat^^), bestand der grösste Teil der Soldaten der orientalischen Legionen aus Leuten der orientalischen Provinzen. Wäre die ägyptische legio XXII an der Errichtung beteiligt gewesen, so wären auch Mannschaften orien- talischer Abkunft an den Rhein gekommen, von denen sich doch irgend eine Spur hätte finden müssen. Doch trotz des Umstandes, dass wir verhältnismässig viele Inschriften mit Heimatsangabe aus jener älteren Zeit haben, die uns bis in die Errichtungszeit der Legion zurückführen, hat sich bisher kein Soldat orientalischer Abkunft nachweisen lassen. Die Legion bestand vielmehr hauptsächlich aus Italikem und Leuten und 95, S. 199 leg. XXII F. p. f. Ant. YIII 9658 ist nicht zu lesen «leg. XXII Pr. p. f. Ant(oniniana) (^) Martialis*', sondern „leg. XXII Pr. p. f. (^) Aat(onii) Martialis.'' b) Alezandriana. XII 144 leg. XXII Alezandriana p. f.; Bramb. 1060 leg. XXII [Pr. p. f.j Alexandriana, 1067 leg. XXII Pr. p. f. Alezandriana; Westd. Z. XI, S. 298 leg. XXII Pr. [Alexandr.] p. f. ; Keller Nachtr. II 22 d leg. [XXII Pr. p. f. Alezandriana] und 2db: XXII Pr. p. f. [Alezandriana] Severiana. Bramb. 1574 leg. XXII Pr. p. f. Severiana. c) Oordiana. Korr. Westd. Z. VI, S. 146: leg. XXII Primig. p. f. Gordiana. **) S. Mommsen, Die Conscriptionsordnang der röm. Kaiserzeit, Hermes 19 (1884), S. 1 ff., 23 ff., 39 ff. und ferner Eph. ep. V, Observationes epigra- phicsB XXXVIII „Militam provincialium patria" p. 159 — 249. Für leg. XXII Pr. findet sich die betr. Zusammenstellung auf S. 229—281. "*) Sein Beweis wird ergänzt durch W. Baehr, de centur. legion. qusest. epigr., Diss. Berlin 1900, S. 19 ff. „De ratione dilectus, quse fuerit inde ab Augusti %tate asque ad yespasianum**, bes. in Rücksicht auf die Einwände Seecks Rhein. Mus. 48, S. 603 ff. Baehr macht bei dieser Gelegenheit noch auf eine Thatsache aufmerksam, die die Errichtung der leg. XXII unter Claudius ebenfalls wahrscheinlich macht (S. 22 f.). In älteren Inschriften fehlt sehr häufig bei den gemeinen Soldaten das cognomen (III 6627 sogar bei den Soldaten durchweg), bei den Inschriften der leg. XXII ist uns dagegen nur ein solcher Fall bekannt (Bramb. 932). Wahrscheinlich ist infolge der vielen Verwechslungen u.s.w. von Claudius die Hinzufügung des cognomen in den Listen bestimmt worden. Die legio XXII. Primigenia. 145 ans der Gallia Narbonensis ^^). Die Italiker waren in der Mehrzahl. Besonders stark waren fQr XXII Pr. anscheinend die Aushebungen in der Regio XI ^^). Auffallend ist es, dass gerade der älteste Soldat, den wir kennen ^^), nicht aus Italien oder Gallia Narbonensis stammt, sondern aus Yirunum in Noricum. Er wurde wohl aus einer anderen Legion übernommen. Im allgemeinen ist man geneigt, die Aushebungs- zeit in Noricum eher in die Zeit zu setzen, wo die Legion nach ihrer Niederlage bei Cremona für kurze Zeit in lUyricum stand und sich in der Nähe rekrutierte. Dass dieser Schluss nicht sicher ist, zeigt schon der Umstand, dass in Mainz zwei weitere Grabsteine von Soldaten aus Yirunum gefunden worden sind, welche in der Zeit vor 70 n. Chr. gesetzt sein müssen, denn sie gehören der leg. lY Mac. und leg. XIIII Gem. an. Auch in Yirunum selbst haben wir übrigens einen Grabstein eines Soldaten der XXII Pr. (III 4848). Ausser aus Italien rekrutierte sich, wie schon gesagt, die Legion aus Gallia Narbonensis. Mehrere Legionare, deren Grabsteine erhalten sind, stammen aus Narbo selbst ^^j, femer aus Yienna ^^^) und anderen Orten. Im Jahre 69 n. Chr. wurden besonders starke Aushebungen in Gallien veranstaltet, um die Stämme der Legionen, welche am Rhein zurückgeblieben waren, zu verstärken ^^^). Seit Yespasian blieben nach Mommsen die Italiker vom Legionsdienste ausgeschlossen, doch wird diese Regel nicht ganz streng durchgeführt worden sein, denn wir besitzen noch eine stadtrömische Inschrift ^^^), welche ihrer ganzen Form nach anscheinend erst in das Ende des 1. Jahrhunderts zu setzen ist; der dort genannte Soldat zählt aber nur **) S. die Zusammenstellungen Mommsens Eph. ep. Y, S. 229 — 231. *^) Regio XI: Bramb. 1203 (Yercellse); 1216, 1222, 1226 (Mediolanum) ; 1220 (Laus); 1224 (Eporedia). Regio X: Bramb. 932 (Ateste); 1218 (Blantua); 8. auch Y 4164, 4196, 4988. Regio IX: Bramb. 1215 (Albingaunum), Korr. Westd. Z. XI Y, S. 84 (Dertona). ") S. Korr. Westd. Z. XIY, S. 84. ») Z. B. Bramb. 945 ; XII 4360. io<^) Bramb. 1082, 1382 und Korr. Westd. Z. lY, S. 54. Man hat Zweifel erhoben, ob unter Yiana (Bramb. 1382) auch Yienna zu verstehen sei. Grotefend (B. J. 26, 8. 119 f.) glaubt, dass es nicht der Fall sei, und hält Yiana für Oviäva (Ptolemaeus II 12, 4) in RiCtien, südlich der Donau. Aus Rätien scheinen jedoch erst viel später Leute zur XXII. Pr. gekommen zu spin, wie aus den Inschriften Bramb. 1617 (v. J. 186 n. Chr.) und Bramb. 999 (v. J. 210 n. Chr.) ersichtlich ist. '•«) Tac. Bist. II, 57. >•«) YI 3667 : D. M. L. Appio Secundo | mil. leg. XXII Prim. i[ 7 Petroni milit. ann. XYII Q. Yalerius her. posuit 146 A. Weichert siebzehn Dienstjahre. Hadrian führte eine neae Aashebungsordnung ein, nach welcher sich die Legionen in ihren Provinzen ergänzten. Für die in Germanien stehenden Truppen Hess sich dieser Grundsatz, wie Momrasen ^®') hervorhebt, nicht völlig durchführen, da die Mannschaften, welche man dort ausheben konnte, zur Deckung des Bedarfs nicht aus- reichten ; die dortigen Legionen erhielten daher auch Rekruten aus den tres GallisB und Rätien ^^). Ein grosser Teil der Mannschaften stammte jedoch später sicher aus Germanien, wie die Inschriften beweisen. In späterer Zeit, vom Ende des zweiten und Anfang des dritten Jahr- hunderts ab, sind nach Mommsens Vermutung *^^) viele Dalmatier und Illyrier eingestellt worden, doch blieb die Conscriptionsordnung wohl im grossen und ganzen dieselbe. Unter Alexander Severus kamen auch noch Angehörige fremder, orientalischer Stämme in die germanischen Legionen ^®®), ferner scheinen unter ihm auch viele Pannonier eingestellt worden zu sein *®'). IL Die legio XXII Primigenia in Obergermanien von 43 — 68 n. Chr. Betrachten wir nun die ersten Schicksale der Legion von ihrer Gründung ab. Sie wurde der Provinz Germania superior zugeteilt und hatte, wie wir als sicher annehmen können, als Standort Mainz, den bedeutendsten Ort dieser Provinz. Dort ist uns eine grosse Anzahl von inschriftlichen Denkmälern aus jener Zeit erhalten. Thatsächliche Nach- richten fehlen uns jedoch, da die Inschriften fast ausschliesslich Grab- inschriften von Legionaren u.s.w. sind, aus welchen wir für die Ge- schichte der Legion nur sehr wenig entnehmen können. Wir kennen auch die Namen ihrer ersten Legaten nicht, von Tribunen begegnen uns der schon genannte Tiberius Claudius Cleonymus, der der Zeit des >") Hermes, 19, S. 21 und 55. »0*) S. z. B. Bramb. 999 und 1617. '«*) Eph. ep. V, S. 202 ff. ^<»<0 Z. B. Thraker, s. Baehr a. a 0. S. 49 f. Für die legio I Minervia finden sich Inschriften, welche dies bezeugen (s. Schilling), und auch für die leg. XXII Pr. giebt es eine* Inschrift, welche es beweist, 8. Bramb. 1341 (Mainz): Aulus Coraulas j| mil. leg. XXII P. p. f. qui ;i vixit annis XXIII |; stip. XIIII cives i| civitate Anchejlnus n. Diatr. ; et Menapor Mu' [cat]rali» mil. leg. ' [eiusd.] fratres et contubernales eqs. (nach Baehrs Text). Diese Leute sind thracischer Herkunft, wie Baehr a. a. 0. S. 50 gezeigt hat. ^^^) Herodian VI, 8 : T6v ö^ Ma^L/iivov tovrov 'AkiiavdQog naatj r§ rov ötgarov vsokaia ol veaviai, iv otg tjv t6 nolv nXij&os TJaiovaiv (idXiara, Die legio XXII. Primigenia. 147 Clandias angehört*®®), und L. Titinias Glaucus, der zur Zeit Neros lebte, wie wir aus XI 1331 ersehen. Die Namen einiger Centurionen sind ans ebenfalls durch die Grabsteine erhalten, doch sind es ver- hältnismässig wenig, da auf den rheinischen Soldateninschriften der Gebrauch, die Centurie des betreifenden Soldaten anzugeben, bei weitem nicht so häufig ist, wie z. B. bei den Inschriften der Prätorianer in Rom, wo er ja die Regel ist. Von kriegerischen Ereignissen in diesen ersten Jahren, an welchen leg. XXII Pr. teilgenommen hat, hören wir nichts. Im Jahre 66 n. Chr. standen nach dem Zeugnis des Josephus *®^) acht Legionen in Germanien, unter ihnen war auch natQrlich leg. XXII Pr. Wahrscheinlich stellte sie femer wie die übrigen germanischen Legionen *'^ im Jahre 67 n. Chr. dem Nero ein Detachement, das mit nach Alexandria fuhr, dann zurückbeordert wurde und nach der Rückkehr im atrinm Libertatis in Rom untergebracht war, wie uns Tacitns berichtet. Dieser Schriftsteller, welchen wir jetzt zum erstenmal als Quelle be- nutzen können, nennt keine bestimmte Legionsnummern, er spricht nur von den „Germanici milites" und „Germanica vexilla" and erzählt "\), dass sie lange mit dem Abfall von Galba gezögert hätten, als Otho dessen Herrschaft gestürzt hatte und sie bei seiner Erhebung für sich zu gewinnen suchte. Es muss also doch in diesen Angehörigen der germanischen Legionen ein besserer Kern und mehr soldatisches Gefühl gesteckt haben als in den Prätorianem. Schon der Umstand, dass man sie zu dem Zuge nach Ägypten kommandierte, zeigt, dass man die Rheinlegionen für einen tüchtigen and zuverlässigen Bestandteil des Heeres hielt. Die erste grössere Rolle spielte die Legion im Jahre 68 n. Chr., als sich Julius Yindex, der Statthalter von Gallia Lugdunensis, gegen die Herrschaft Neros erhob. L. Verginius Rufus**^), der Statthalter ^^) Nach Borghesi fällt auch die Inschrift VI 1440 vor Nero, weil der Name der Provinz fehlt, welche der dort genannte Laberius als proconsul verwaltete. Es hat sich indessen gezeigt, dass Borghesis Grund nicht stich- haltig ist und dass die Inschrift jedenfiftlls in eine viel spätere Zeit fällt. '®*) Joseph, b. J. 2, 16, 4 : Tig vfMiv ovx axo§ naQBiXrjgit ro rBQfidvonv nlrj&og; *Prjvov r^g Offfirig oqov fx^vai, xai Paofiaimv oxtco tayficcCL dafia^ofitvoi, dovlfvovai fikv aköwsg xtJl\ »") S. Pfitzner S. 270. ^") Tac. Hist. 1, 31 : „Germanica vexilla diu nutavere, invalidis adhuc corporibus et placatis animis, quod eos a Nerone Alexandriam prsemissos atque inde reversos longa navigatione »gros inpensiore cura Galba refovebat." Vgl. auch Suet. Galba 20. "») S. über ihn L. Paul „L. Verginius Rufus" Rhein. Mus. 54, S. 602 ff. 148 A. Weichert von Obergermanien, wo leg. XXII Pr. stand, wurde von Vindex zur Teilnahme an der Bewegung aufgefordert ^^^), lehnte aber eine Beteiligung ab. Nach der Schilderhebung Galbas wurde ihm von seinen Truppen die Kaiserwürde angeboten (Plut Gralb. 6). Als er Ober die Absichten des Vindex: khir geworden war, zog er mit seinem Heere gegen ihn und vernichtete ihn völlig*"). Nach der Schlacht riefen die siegreichen Truppen den Verginius zum Imperator aus, doch blieb dieser zunächst mit seinen Truppen dem Nero noch treu"*). Sein Heer war, wie Tacitus mehrfach betont^**), stolz über den glänzenden, mühelos erfoch- tenen Sieg, seine Stellungnahme musste für die Zukunft von grosser Bedeutung sein. Für die leg. XXII Pr. war es die erste grössere Schlacht, an welcher sie teilgenommen hatte. Das siegreiche Heer bot wiederholt seinem Führer die Herrschaft an, als dieser aber auf seiner Weigerung beharrte, erkannte es schliesslich Galba als Kaiser an. Die Stimmung der Truppen war jedoch keineswegs für den neuen Kaiser günstig, da sie mit Recht glaubten, dass er ihnen nicht traue ^*^). Die Ermordung des Statthalters von Germania inferior und die schlechte Behandlung des Verginius (Tac. Hist. 1, 8) erregte ihre Gemüter noch mehr. Es war klar, dass bei der ersten besten Gelegenheit das ger- manische Heer sich von Galba lossagen würde. Der Kaiser täuschte sich über die Grösse der Gefahr, denn er schickte an Stelle des Rufus den gebrechlichen, unfähigen Hordeonius Flaccus nach Obergermanien, einen Mann, der selbst bei vollkommen ruhigen Zuständen keine Macht über die Soldaten gehabt hätte, so aber durch seine Schwäche und Machtlosigkeit die Zuchtlosigkeit im Heere nur noch steigerte. Das niedergermanische Heer war sogar eine Zeit lang ganz ohne Befehls- haber, bis schliesslich Galba den A. Vitellius, der sich bald überall sehr beliebt zu macheu verstand, dorthin entsendete. Neuen Zündstoff brachte das Gerücht, der Kaiser wolle die Legionen decimieren und die "») Schiller R, K. I, S. 36H. ^^*) Tac. Hist 1, 51 „caßso cum omnibus copÜB Julio Vindice.' "'^) Tac Hist. 1, 8 „[Germanici exercitus] tarda a Nerone doBciverant, nee statim pro Galba Verginius. An imperare noluisset dubium: delatnm ei a milite Imperium conveniebat.** S. auch Schiller R. K. I, S. 864 Anm. 7. "«) Tac. Hist. 1, 8 „superbia receotis victorise« und 1, 51 „ferox prseda gloriaque exercitns, ut cui sine labore ac periculo ditissimi belli Victoria evenisset.'' "^ Tac. Hist. 1, 8: Germanici exercitus, quod periculosissimum in tantis viribus, soUiciti et irati, superbia recentis victoriae et meto tamquam alias partes fovissent. Die legio XXII. Primigenia. 149 tüchtigsten Gentarionen entlassen (Tac. Hist. 1, 51). Die Missstimmang^ welche ganz allgemein über Galbas Regierung lierrschte und die dieser durch unkluge Massregeln im Heere nur noch fortwährend verschärfte, wuchs immer mehr und kam schliesslich zum offenen Ausbruch sowohl in Rom, als auch noch früher bei dem obergermanischen Heere. Wir kommen damit zu einem neuen Abschnitte in der Geschichte der zweiundzwanzigsten Legion. Es ist hier nicht der Ort, die wichtigen Ereignisse des Jahres 69, in das wir jetzt treten, und des nächstfol- genden Jahres ausführlich zu erzählen; ganz übergehen darf man sie aber in einer Darstellung der Schicksale der Legion m. E. nicht. Es wird daher genügen, die für die XXH Pr. wichtigen Punkte hervor- zuheben. Unser bester Gewährsmann für diese Zeit ist Tacitus, der uns die Kämpfe zwischen den verschiedenen Kaisem u.s.w. u.s.w. genau und ausführlich schildert. m HI. Die leg. XXII Pr. in den Kämpfen der Jahre 69 und 70 n. Chr. Am 1. Januar d. J. 69 n. Chr. sollten leg. XXU Pr. und leg. lY Mac. in ihrem ständigen Winterlager Mainz ^^®) dem Kaiser Galba ebenso wie das niedergermanische Heer den Eid der Treue leisten. Bei dieser Gelegenheit kam die Erbitterung gegen den Kaiser zum Ausbruch, und beide Legionen venveigerten den Eid"^). Die Bilder des Herrschers wurden von den Feldzeichen heruntergerissen, vier Centurionen der XXH Pr., Nonius Receptus, Donatius Valens, Romilius Marcellus und Cal- pumius Repentinus, versuchten es vergeblich, sie zu schützen. Zunächst schwuren die Soldaten dem Senat und dem römischen Volke den Eid der Treue, schon am 3. Januar aber erkannte die Armee des Oberrheins den infolge dieser Ereignisse zum Kaiser ausgerufenen Statthalter von Germania inferior, Vitellius, als Herrscher an (Tac. Hist. 1, 57). Die Kunde von diesen Vorgängen erreichte Galba am 10. Januar in Rom (Tac. Hist. 1, 12), doch ehe er noch an Gegenmassregeln denken konnte, wurde er am 15. Januar durch Otbo gestürzt. Die "^ Die Aonahme Ritters B. J. 39» S. 45 ff., dass die Legionen nicht in Mainz, sondern in Niederbieber gestanden hätten, ist gänzlich unhaltbar; 8. Theodor Bergk „Mainz und Vindonissa^ in „Gesch. und Topogr. d. Rhein- lande" 1882. Ritterling (Limesblatt Nr. 28, S. 779) weist nach, dass das Kastell zu Niederbieber nicht vor dem Ende des 2. Jahrh. erbaut worden ist. "•) S. Tac. Hist. 1, 12, 55; Plut. Galb. 22; Suet Galb. 8. 150 A. Weichen Vexillationen der germanischen Legionen, welche sich noch in Rom befanden, erkannten, wenn auch zögernd, den neuen Herrscher an. So hatte plötzlich das Reich zwei Kaiser, die Entscheidung über die Herr- schaft mussten die Waffen bringen. Yitellius bestimmte zum Marsch nach Italien zunächst zwei Korps unter Valens und Csecina^^), während er selbst nach Ergänzung seiner Truppen mit der Hauptarmee nachfolgen wollte. Unter Csecina standen leg. XXI Rap., die wohl erst in Vindonissa zu ihm stiess, mit ihrem Adler und Vexillationen der XXII Pr. und IV Mac. Seine Abteilung sollte über die pöninischen Alpen nach Italien einrücken. Unter man- nigfachen Schwierigkeiten drang Csecina vor; von den Verlusten beim Überschreiten der Alpen giebt uns der auf dem grossen St. Bernhard gefundene Grabstein eines Centurionen der XXII Pr. (V 6889) Kunde. Im Frühjahr 69 n. Chr. zeigten sich die ersten Truppen Csecinas in Oberitalien, wo es in der Gegend von Cremona zu einigen kleineren Gefechten kam, in welchen die Vitellianer vom Glück begünstigt waren. An den darauf folgenden Kämpfen mit den Othonianem bei Placentia waren auch Angehörige der leg. XXII Pr. beteiligt"'). Es ist uns eine Grabschrift eines jungen Soldaten der legio IV Macedonica in Veleja erhalten'^*), die ihm von seinen Kameraden, den vexillarii der vierten, einundzwanzigsten und zweiundzwanzigsten Legion gesetzt worden ist. Er ist in diesen Kämpfen bei Placentia, in dessen Nähe Veleja liegt, gefallen. Ebenso gehört wohl die Inschrift V 4164 aus der Nähe von Cremona hierher, welche zwei gefallenen Soldaten der XXII Pr. von ihrem Vater Valerius Rufus errichtet worden ist. In der Schlacht bei Bedriacum, die nach Vereinigung der beiden vitellianischen Korps stattfand, gelang es ihnen, das Heer Othos zu besiegen (Tac.Hist. 2, 40 ff.). Das siegreiche Heer bereicherte sich nach der Schlacht durch Plünderung 4er Municipien und Kolonien Oberitaliens (Tac. Hist. 2, 56). '**) Tac. Hist. 1, 61: Valenti inferioris ezercitus electi cum aquila •quintse legionis data; triginta milia Caecina e superiore Germania ducebat, quorum robur legio unaetvicensima fuit. 1*1) Tac. Hist. 2, 20—23. Aus den Worten „hinc legionum et Ger- manici exercituB robur" (2, 21) und „densum legionum agmen** (2, 22) hat man mit Unrecht geschlossen, dass die germanischen Legionen vollzählig da waren. Wie bereits oben erwähnt, war aber nur legio XXI Rapax mit ihrem Adler im Heere Csecinas, von den anderen beiden Legionen Obergermaniens nur vexilla. Vgl. XI 1196 „vexillarii*' eqs. "•) XI 1196 ... . [militi leg.] IUI Mac, ann. XXV stip. 11, ; voxillari < leg. trium , leg. IUI Mac, | leg. XXI Rap., || leg. XXII Pri., |l p. d. s. Die legio XXII. Primigenia. 151 Inzwischen hatte Yitellius aas den germanischen Legionen ein neues Heer gebildet. Er Hess nur .wenige alte Soldaten zurück, hob eiligst in Gallien Rekruten aus und bildete daraus Truppenteile mit der Legionsnummer der betreffenden Stämme**'). So kommt es, dass bei Tacitus von der leg. XXII in Italien und am Rhein gesprochen wird. Den Oberbefehl Aber die Truppen am Rhein bekam der schon erwähnte Hordeonius Flaccus. Der Kaiser selbst trat mit den Legionen, darunter auch leg. XXII Pr., den Vormarsch an, bald erreichte ihn die Kunde vom Siege bei Bedriacum und schliesslich hielt er seinen feierlichen Einzug in Rom. Hierbei wurden dem siegreichen Heere des Vitellius vier Legionsadler und ebensoviel Vexilla der anderen Legionen voraufgetragen. Es waren dies die Adler der leg. I Ital., V Alaud., XXI Rap. und XXII Pr."*). Die Legion nahm natürlich auch teil an den Auszeichnungen und Vergünstigungen, welche Vitellius jetzt ergehen Hess. Z. B. gestattete er es seinen Soldaten, zu wählen, ob sie in Zukunft Prätorianer oder Legionare sein wollten ***). Auch hierfür haben wir ein inschriftliches Zeugnis in einer römischen Grabschrift (VI 2649), welche dem Veteranen Q. Maulius Severus aus Alba Pompeia gesetzt ist, der aus der leg. XXII Pr. in die siebente Cohorte der Prätorianer übertrat und in ihr noch 15 Jahre diente***). Unter Schwelgereien und nnter dem Einflüsse des ungewohnten Klimas schwand nun die Kraft der Legion . dahin und durch den zahlreichen Übertritt iu die Prätorianercohorten, Alen u.s.w., sowie durch zahlreiche Ent- **') Tac. HiBt. 2, 67: „pauci veterum militum in hibernis relicti, festi- natia per Galliam dilectibus, ut remanentium legionum nomina suppleren tur.** >*«) S. Pftzner S. 54, 122, 271. Ich halte diese Thatsache für völlig erwiesen, besonders im Hinblick auf Tac. Hist. 2, 100: „Csecina e complexu Vitellii multo cum honore digressus partem equitum ad oceupandam Gremo- nam praemisit. mox vexilla primae, quartse, quintaedecumse, sextadecumse legionum, dein quinta et duoetvicensima secutae; postremo agnine unaetvicensima Rapax et prima Italica incessere cum vexillariis trium BritaDnicamm legionum et electis auxiliis.'' Die Zahlen sind leider zum Teil verderbt. Der Adler der leg. V Alaud. wird Hist. 1, 61, der der leg. XXI Rap Hist. 2, 48 erwähnt; leg. I Ital. ging als volle Legion (mit dem Adler) zu Valens über, der vierte Adler kann also nur der der leg. XXII Pr. sein. Tac. Hist. 3, \6. 21. 22. spricht nicht dagegen. ^^) Tac. Hist. 2, 94: „sibi quisque militiam sumpsere: quamvis indignus, si ita maluerat, urbanse militise adscribebatur; rursus bonis remanere intra legionarios aut alares volentibus permissum.'' 1^) Vgl. 0. Bohn, Die Heimat der Prätorianer, S. 12. Eine ähnliche Inschrift aus jener Zeit VI 2725. . Westd. Zeitschr. f. Qesch. a. Kunst. XXI, II. 11 152 A. Weichen lassungen ^^^) warde ihr Mannschaftsbestand stark geschwächt. Sie hielt sich jedoch noch tapfer, als es galt, die Herrschaft des Vitellius gegei> die heranrückenden Trappen Yespasians za verteidigen. Zusammen mit der leg. Y Alaud. ging leg. XXII Pr., ebensa wie vorher die Vexillationen der leg. I (Germanica), IV Mac, XV Pr. und XVI unter dem Kommando Csecinas zur Besetzung Cremonas ab (Tac. Hist. 2, 100). Ein Versuch des Führers, das Heer zum Anschluss an Vespasian zu verleiten, misslang, und man marschierte weiter. In- zwischen waren schon leg. 1 Ital. and XXI Rap. von den Vespasianern bei Cremona geschlagen und in die Stadt zurückgedrängt worden, und das Korps, bei welchem sich leg. XXII Pr. befand, beeilte sich auf die Kunde hiervon, ihnen zu helfen. Nach einem starken Marsche von sechs Meilen stiessen die Truppen auf den Feind (Tac. Hist. 3, 21). Die Nacht brach schon herein« doch die Soldaten des Vitellius brannten darauf, die Niederlage ihrer Kameraden zu rächen, und so begann der Kampf. In dieser Entscheidungsschlacht bei Cremona, welche die ganze Nacht durch wütete, stand die leg. XXII Pr. auf dem linken Flügel, ihr gegenüber die leg. HI Gall. "®), doch gerieten in der Nacht die Soldaten der verschiedenen Legionen ganz durcheinander. Die Legion focht wie die übrigen Truppen des Vitellius mit der grössten Tapferkeit. In der Schilderung der Schlacht wird sie von Tacitus nicht mehr er- wähnt, sie wurde geschlagen und musste sich nach dem Sturme von Cremona dem Antonius Primus, dem Feldherm des Vespasian, ergeben. Die besiegten Legionen wurden nach Illyrien geschickt und dort vor- läufig belassen**®). Vielleicht spielten ehemalige Angehörige der XXII Pr. auch bei dem Schlussakte dieses Dramas eine Rolle, denn in den Prätorianercohorten des Vitellius befanden sich sicherlich eine grosse Anzahl ehemaliger Zweiundzwanziger. Man hat auch behaupten wollen *^^), dass die drei germanischen Cohorten ***), welche bis zuletzt für Vitellius fochten und ihre Treue mit dem Tode besiegelten, aus den Vexillationen der germanischen Legionen bestanden hätten, welche Nero im Jahre 67 n. Chr. nach Alexandria hinübergesendet hatte und von denen früher ^") Tac. Hist. 2, 69: „amputari legionum auxilioramque numeros iubet vetitis supplementis ; et promiacuse missiones offerebantur.^ ^^) Tac. Hist. 3, 21 „dextro octava per apertum limitem, mox tertia densis arbustis interssepta'' und 3, 22 „sextadecumanos duoetTicensimanosque et primanos laevam comu complesse." ^^) Tac. Hist. 8, 35 „et victsß legiones per Illyricam disperase.** >^) Stille, Historia legionum eqs. Kiel 1877, S. 122 ; Pfitzner S. 63. »>) Tac. Hist 3, 69. 78. Joseph, b. J. 4, 11, 4. Die legio XXII. Primigenia. 153 gesprochen worden ist, doch lässt sich m. E. ein Beweis hierfttr nicht antreten. Wahrend so leg. XXII Pr. in Italien kämpfte, hatten auch ihie am Rhein zurückgebliebenen Reste, welche notdürftig zu einer Legion ergänzt worden waren, schwere Zeiten zu überstehen. Diese zweiund- zwanzigste Legion bestand natürlich aus minderwertigen Mannschaften. Die besten Leute waren mit Csecina und Vitellius nach Italien gezogen*'*), nur wenige alte Soldaten blieben als Stamm zurück, den grössten Teil bildeten Rekruten, die eiligst in Gallien ausgehoben worden waren. Gallien bildete ja überhaupt den gegebenen Aushebungsort für die germanischen Legionen. Das sollte sich jedoch in dem Aufstand des Julius Civilis, welcher im J. 69 n. Chr. ausbrach, als verhängnisvoll erweisen. In diesem für die germanischen Legionen so unrühmlichen Kampfe spielte die leg. XXII Pr. unter ihrem tüchtigen Legaten Dillius Vocula noch die beste Rolle *'*). Gleich bei der ersten Erwähnung der Legion im Kampfe gegen Civilis wird uns auch der Name ihres Kom- mandeurs genannt. Hordeonius Flaccus übertrug ihm das Kommando über auserlesene Mannschaften der beiden Mainzer Legionen (lY Mac, XXII Pr.), mit welchen er die von Civilis in Vetera eingeschlossenen Legionen (V Alaud. und XV Pr.) entsetzen sollte. Während des Marsches wurde er in der Colonia Agrippinensis auf Verlangen des Heeres zum Oberbefehlshaber ernannt (Tac. Hist. 4, 25). Der Marsch ging weiter, doch hatte Vocula in der nächsten Zeit, wie schon Hor- deonius, viel mit Unruhen im Heere zu kämpfen. Nach der Schlacht von Cremona leistete das Heer, wenn auch zögernd, dem Kaiser Ves- pasian den Fahneneid (Tac. Hist. 4, 32). Jetzt brach der Krieg mit Civilis offen aus. Die leg. XXII Pr. machte die nächsten Gefechte ***) Tac. Hist. 2, 57 „reliquse Germanici exercitus vires." *^ Eine zu Rom gefundene Inschrift (VI 1402), gesetzt von seiner Gattin Procula, giebt uns nähere Auskunft über diesen aus vornehmer Familie stammenden Mann. Er hatte als Tribun in der ersten Legion (gen. Germanica) gedient und war daon nach Bekleidung der Prätur Legat der XXII Pr. ge- worden. In der Inschrift wird er als „leg(atas) in Germania leg. XXII Primigenise*' bezeichnet. Dass der Standort der Legion genannt wird, kommt öfters vor, hier hat der Zusatz „in Germania" vielleicht noch eine andere Bedeutung. Dessau (zu Nr. 983 ^ VI 1402) meint, dass der Verfasser der Grabschrift an die Thaten des Vocula in Germanien habe erinnern wollen. Falls man eine Absicht überhaupt annehmen will, so ist m. E. eine andere Erklärung vorzuziehen. Die Gattin des Dillius wollte vielleicht zum Ausdruck bringen, dass er sich nicht in der Legion befunden habe, welche gegen Vespasian gekämpft hatte, sondern bei der in Germanien stehenden Truppe. 11* 154 A. Weichert mit, die keinen wesentlichen Erfolg brachten. Die Disziplin im rö- mischen Heere sank während dieses Feldzages immer tiefer, die Legionen waren schon zu zuchtlosen Horden geworden, die sich wiederholt gegen ihren Feldherm and ihren Kaiser empörten. Es war dies hauptsächlich eine Folge ihrer Zasammensetzang, denn die besten Leute waren nach Italien gezogen und die überhaupt schon schwachen Rheinlegionen be- standen daher aus einer Anzahl minderwertiger gedienter Mannschaften und sehr vielen Rekruten mit schlechter Ausbildung und ohne Gewöhnung an Disziplin ^^), Unsere Legion spielte noch eine verhältnismässig gute Rolle, denn bei einer Empörung des Heeres zu Novsesium wandte sie sich mit IV Mac. und I (Germ.) sehr bald reuig ihrem Legaten wieder zu und erneuerte den gebrochenen Fahneneid. Mit den anderen beiden Legionen wurde sie dann sofort nach Mainz geführt, das inzwischen von Germanenhorden belagert worden war. Ohne Kampf wurde die Belagerung aufgehoben. So hatte sich in diesem Teile des Feldzages die leg. XXII Pr. unter ihrem Legaten, welcher trotz mancher begangener Fehler unzweifel- haft der tüchtigste Offizier des germanischen Heeres war, immerhin noch zuverlässiger erwiesen als die zuchtlosen Horden der V Alaud. und XV Pr. Später jedoch, als in den ersten Wochen des Jahres 70 n. Chr. der Kampf mit Civilis von neuem begonnen hatte, Hessen auch die Soldaten der XXII Pr. ihren Kommandeur im Stich, als bei Novsesium, diesem in der Geschichte des Bataveraufstandes wiederholt genannten Orte, sein Heer pflichtvergessen und ehrlos zu den Galliern überging und den Führer ermordete. Zwar waren nur Teile der Legion bei Vocula, der Rest der Legion, welcher in Mainz zurückgeblieben war, machte es aber nicht besser als die übrigen Legionen, er folgte mit der IV Mac. ihrem Beispiele, nachdem sie ihre Offiziere getötet und den prssfectas castrorum verjagt hatten. Doch die Herrschaft des Civilis war niclit von langer Dauer; bald kam Petilius Cerialis im Auftrage Vespasians mit einem gewaltigen Heere, in dem sich auch leg. XXI Rap. befand, welche jetzt wieder nach Obergermanien, ihrem alten Standorte, zurück- kehrte. Unten den Soldaten, welche das gallische Reich zu verteidigen suchten und sich dem anrückenden Heere entgegenstellten, befanden sich auch römische Legionare von der XXII Pr. und IV Mac, so dass hier Römer in fremdem Dienste gegen ihre eigenen Landsleute fochten. Diese hieben zunächst eine vorausgeschickte Cohorte nieder, als sie aber die herranrückenden Einundzwanziger, ihre alten Waffen gefjlihrten aus ^^) Das Wort des Tacitus^ Hist. 4, 56 „iafrequentibus infidisque le- gionibus'* kennzeichnet sie genügend. Die legio XXII. Primigenia. 155 Obergermanien, erblickten, gingen sie zu den Römern über. Von ihren weiteren Thaten wird nicht mehr gesprochen, sie scheinen von Cerialis ftir ihren schmählichen Abfall nicht gestraft worden zu sein ^**). IV. Die \^%. XXII Pr. in Nieder/^ermanieB von 70 n. Chr. bis 89 n. Chr. Die bei Cremona geschlagene leg. XXII Pr. war, wie wir sahen, nach lllyrien geschickt worden, die Reste ihrer am Rhein verbliebenen Bestandteile hatten sich dem Heere des Cerialis angeschlossen. Es fragt sich nun, wohin die Legion bei der Neuordnung des Heerwesens durch Vespasian gekommen ist. Jedenfalls traf sie ein besseres Los als die vier Legionen, deren Adler am Rhein verblieben waren (1, IV Mac, XV Prim. und XVI) und die sich bei dem Aufstande des Civilis so schlecht gehalten hatten. Bei den tibrigen Legionen, deren Adler mit nach Italien gegangen waren, wurde die Vorstellung aufrecht erhalten, dass die Legion als solche durch den schmählichen Abfall der am Rhein verbliebenen Teile nicht das Recht auf ein Weiterbestehen ver- loren hatte. Die vier vorher genannten Legionen waren aber mit ihrem Adler zum gallischen Reiche übergetreten und hatten sich dadurch so entehrt, dass sie aufgelöst werden mussten^*^). Die leg. XXII Pr. bliel) also bestehen. Pfitzner spricht nun wiederholt ^^') die Behauptung aus, dass sie vom Jahre 70 n. Chr. ab in Pannonien gestanden habe, ohne, soweit ich sehe, den Beweis dafür anzutreten. Schriftstellerzeug- nisse fehlen, es müsste sich daher aus den Inschriften ein Nachweis führen lassen. Das ist aber durchaus unmöglich, da keine Inschrift, kein Ziegelstempel der Legion in Pannonien gefunden worden ist. Es erscheint daher sicher, dass leg. XXII Pr. nicht in Pannonien gestanden hat. Die Annahme Pfitzners verbietet sich auch noch aus einem anderen *^) Vgl. über den ganzen Aufstand des Civilis bes. Mommsen R. G. V, S. 1X7 ff. Die Beurteilung der Rbeinarmee S. 129. ^^) Vgl. über diese Frage Ritterling, Diss. S. 66. Etwas anders urteilt Mommsen R. 6. V S. 130: „Allerdings wurden nichts desto weniger die vier Legionen des unterrheinischen Heeres alle und von den beiden beteiligten oberrheinischen die eine kassiert, gern möchte man glauben, dass die XXII verschont ward in ehrender Erinnerung an ihren tapferen Legaten. ** Die legio V Alaudse, deren Adler auch mit nach Italien gegangen war, blieb bestehen und ist erst i. J. 87 n. Chr. im dacischen Kriege vernichtet worden, s. Schilling Leipz. Stud. 15, S. 24. "») Pfitzner S. 62, 69, 72, 79 u. s. w. 156 A. Weichert Grunde. Durch die scharfsinnigen Untersuchungen von Ritterling***) ist bekanntlich ganz sicher festgestellt worden, dass die Legion im Verein mit mehreren anderen nach der ünterdrtlckung des Aufstandes des Antonius Saturninus im Jahre 89 n. Chr. die ehrenden Beinamen „pia fidelis" von Domitian erhalten hat. Wir können daher, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Inschriften ohne diesen Zusatz — wohlge- merkt nur im Rheinlande — für älter als 89/90 annehmen. Nun sind in Germania inferior eine grosse Zahl von Inschriften gefunden worden, welche den Zusatz nicht haben und unzweifelhaft aus älterer Zeit stammen. Auch die Ziegelstempel treten als Beweismittel hinzu. Die Stempel der XXII Pr. in Germania superior zeigen mit fast verschwindenden Aus- nahmen, wenn man von den ganz spätzeitigen absieht, stets den vollen Namen ^Pr. p. f.", in Germania inferior hingegen weisen die meisten Stempel nur „XXII Pr." auf ohne diese Beinamen. Sie bestätigen also die bei den Inschriften gemachten Wahrnehmungen und beweisen, dass notwendigerweise vor 89 n. Chr. ein längerer Aufenthalt der Legion in der niederrheinischen Provinz stattgefunden haben muss. Von der Errichtung an bis zum Jahre 70 n. Chr. stand die Legion in Mainz, sie kann also erst nach dieser Zeit in Niedergermanien gewesen sein und zwar fällt ihre Anwesenheit, wie Ritterling richtig annimmt*'*), in die Jahre 70 — 89/90 n. Chr. Diese Feststellungen Ritterlings sind im grossen und ganzen unanfechtbar und es genügt daher, wenn ich nur auf seine Ausführungen hinweise, ohne die ganze Frage noch einmal genau zu prüfen. Die Legion wurde also im Jahre 70 n. Chr. von Vespasian dem niedergermanischen Heere zugeteilt. Jedenfalls geschah es mit Absicht, um sie aus den gewohnten Verhältnissen zu reissen und sie mit ganz anderen Legionen zu vereinigen. Von ihrem Aufenthalte in der neuen Provinz haben sich, wie bereits erwähnt, inschriftliche Denkmäler in grösserer Zahl, besonders aber Ziegel erhalten **°). Die leg. XXII Pr. scheint mit der leg. X Gem. zusammen in Noviomagus (Nymwegen) gestanden zu haben (s. Ritterling Diss. S. 68) und hatte gewiss zunächst die Aufgabe, die in den Stürmen des Bataverkrieges zerstörten Kastelle u. s. w. wiederherzustellen. So finden wir denn eine grosse Anzahl von Stempeln aus dieser älteren Zeit in jenen ^M) RitterUng Diss. S. 13 ff. und Westd. Z. Xn, S. 203 ff., s. auch Diss. App. I ,,Qn8e legiones setate Flaviorum in Germania tetenderint, quseritur.* "«) S. den bes. Anhang Diss. S. 65—80. R. unterscheidet die Zeit von 70—83, 83—88, 89—90 n. Chr. ^^) 8. Brambachs Corpus. Die legio XXII. Primigenia. 157 Gegenden, besonders in Holland'^'). Dass damals zwei Legionen dort oben gestanden haben, ist nicht wunderbar, muss sogar erwartet werden, denn in unmittelbarer Nähe wohnten die Bataver, mit welchen vorher ein so schwerer Kampf stattgefunden hatte. Die leg. VI Victrix stand währenddessen in Novaesium, leg. XXI Rap. in Bonn. Doch auch in Köln müssen sich zeitweilig Abteilungen der XXII Pr. aufgehalten haben ; es sind dort Ziegel in grosser Anzahl mit dem alten Stempel „leg. XXII Pri.", femer auch Inschriften gefunden worden***), welche dies zeigen. Dass an diesem Orte die Legion ihren Standort gehabt hat, ist nicht anzunehmen, denn bis Domitian hatte man das Bestreben, immer zwei Legionen, wenn möglich, zusammen zu legen, was bei einer jso gefährdeten Stellung wie Nymwegen wohl nötig war. Die Reste der Legion erklären sich jedenfalls daraus, dass Köln Hauptstadt des Mi- litärbezirkes war, wohin naturgemäss Angehörige der verschiedenen Legionen kamen '*^). Die Legion verblieb auch im Jahre 83 n. Chr. in Niedergermanien, als Domitian seinen Feldzug gegen die Chatten unternahm *^), möglicherweise haben jedoch Vexillationen von ihr an diesem Kampfe, welcher ausserhalb unserer Betrachtung liegt***), teil- '«>) lu Holland: Brambach 60b (Vechten), I28h 1, 2 (Nymwegen), 185 a Calour, 140 d I, 2 Caus Holland, Fundort unbekannt). ^*^) Bramb. 436 d „leg. XXII Pri.*", dazu die Bemerkung von Gruter nlateres huinsmodi cocticii apud multos extant Coloni» Agripp.** Die Ab- kürzung „Pri.^ ist alt 8. z. B. XI 1196 (Zeit des Vitellius). Inschriften: Bramb. 311, 328, 386. ^*^) S. Ritterling Diss. S. 69. R. macht bei dieser Gelegenheit noch auf eine intereatante Thatsache aufmerksam, s. die Inschrift Bramb. 311: T. Julio Tuttio T. f. Claudia Viruno mil. leg. XXII Primig. ann. XXXIII sti[p.] X[II]X (Eine ähnliche Inschrift Bramb. 944). Der Soldat T. Julius Tuttitts ans Virunum z&hlt achtzehn Diensljahre. Er ist also viel- leicht im Jahre 70 n. Chr., als die Legion in Illyrien stand und sich in der Nähe rekrutierte, um die grossen Lücken in ihrem Bestände auszufüllen, ausgehoben und hat in Niedergermanien bis 88/89, kurz vor dem Abmarsch der Legion nach Obergermanien, jedoch noch vor der Verleihung der Bei- namen „p. f. D.^ gestanden. Wir haben aus älterer Zeit nur noch ein Bei- spiel für eme Ergänzung durch Mannschaften, welche nicht Italien oder Gallien angehören, s. Korr. Westd. Z. XIY, S. 84. Der dort genannte Soldat stammt auch aus Virunum. ^**) S. Asbach „Die Kaiser Domitian und Trigan am Rhein*" Westd. Z. IV (1884) S. 1-26. '^*) Dfss in diesem Jahre leg. I Min. nicht errichtet ist, wie Ritterling Diss. S. 72 f. annimmt, hat Schilling erwiesen. Die leg. XXI Rap. kam nach Germania superior. 158 V- Domaszewski genommen. Einige Jahre später brach dann der Aufstand des Antonius Satuminus aus '^^). Infolge der Lückenhaftigkeit unserer Quellen sind wir nicht imstande, Genaueres darüber mitzuteilen, was ja auch nicht im Rahmen dieser Untersuchung liegen würde. Jedenfalls steht fest, dass sich in diesem Aufstande, welcher wahrscheinlich im Winter 88/89 n. Chr. stattgefunden hat, das ganze niedergermanische Heer und die Rheinflotte durch seine Haltung die Bezeichnung „pia fidelis Domitiana*" eiworben hat ^*''). (Fortsetzung folgt.) ^*^) Ober diesen Aufstand bat sich eine reiche Litteratar angesainmeii, ▼gl. Ritterling Dies. S. 12, Anm. 1 und Westd. Z. XU, S. 203 „Der Auf- stand des Antonius Saturninus*', femer Jünemann Leipz. Stud. 16, S. 43—53 and Asbach Westd. Z. HI, S. Iff. (s. bes. S. 8). Mommsen (Hermes lU, S. 120), Hirschfeld (Gott. gel. Anz. 1869 S. 2609) und Schiller (R. K. I, S. 524 Anm. 2) setzen ihn in den Winter 87/88, die übrigen, zuletzt Asbach und Ritterling, in den Winter 88/89. Ich halte die zweite Annahme für wahrsch einlicher. >«7) Dies ist, wie schon früher erwähnt, von Ritterling (Diss. S. 11—17 and Westd. Z. XII, S. 208 f.) nachgewiesen worden. Auch Ritterling giebt zu, dass wir Genaueres nicht sagen können, z.B. ob die niedergermanischen Legionen von Anfang an treu zu Domitian hielten, oder — wie im Jahre 41 n. Chr. legio YII Claudia und XI Claudia — zaerst abfielen und dann zu ihrer Pflicht zurückkehrten. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. Von Professor von Domaszewski in Heidelberg. (Hierzu Tafel 8*). In meiner Schrift über die Religion des römischen Heeres ^) habe ich auf die Bedeutung der Beneficiarierposten*) hingewiesen. Jedoch *) Stark verkleinerte Wiedergabe einer nach meiner Anweisung von Dr. Hofmann gezeichneten Karte. >) Westd. Zeitschr. 14, 98 f. ') Wie alle Einrichtungen des römischen Heeres dem Grundgedanken entwachsen, dass dieses Heer ein stets schlagfertiges, an keinen Ort dauernd gefesseltes sei, so wird auch die statio des Beneficiarius immer als beweglich gedacht. Das Zeichen der statio ist ein lanzenförmiger Stab, der in die Erde eingepflanzt, den Standort der statio von weitem erkennen l&sst. Am besten ist der Stab abgebildet auf einem Relief aus Perinth, das Kaiinka in den öster. Jahresh. I Beibl. 117 abgebildet hat. Um die Mitte des Stabes Die Beneticiarierposten und die römischen Strassennetze. 159 habe ich erst darch eine eingebende Untersnchung des Verhältnisses, in dem diese Beneficiarierposten zu den Strasseuzügen stehen, erkannt, dass die Posten alle an den Knotenpunkten der römischen Strassennetze ihren Platz hatten. Durch diese Beziehung werden die geringgeachteten Yotivaltäre der Beneficiarii zu Fingerzeigen, welche den inneren Zu- sammenhang und die historische Entwicklung des römischen Strassen- netzes erkennen lassen. Soweit die durchaus lückenhafte Überlieferung' es gestattet, soll dies für die Provinzen des Westens erwiesen werden. Illyricum: d. h. Rsetia, Noricum, Pannonia, Dalmatia. Die Strassen dieser Provinzen stellen ein einheitliches System dar. Den Ausgangspunkt des ganzen Netzes bildet die römische Kolonie Aquileia, deren Bedeutung als Handelsplatz weit in die republikanische Zeit zurückreicht. Unter den Handelshäusern Aquileias hat das Geschlecht der Barbii die erste Rolle gespielt®). Ihre Faktoreien, die von Frei- gelassenen des Geschlechts geleitet wurden, verbreiteten den Namen der Barbii längs der Handelsstrassen, die von Aquileia ihren Ausgang nahmen^). Der Name der Barbii tritt uns entgegen auf der Handels- strasse nach der Bemsteinküste, deren Kopfstation auf römischem Boden in Camuntum lag*): in Emona®) Celeia') Savaria®) Scarbantia®) Carnun- tum ^% Eine zweite Handelsstrasse läuft über Forum Julium-Santicum quer ist eine Kette geschlungen. Dieselbe Kette roh, als ein blosses Viereck an- gedeutet, findet sich auf einem ägyptischen Relief im Museum zu Bologna C. III 6601; die Bemalung hat hier die mangelnde Form ergänzt. Ebenso ist Bemalung anzunehmen auf einem Relief aus Salonae G. III 12895, wo ich die beiden scheinbar beuteiförmigen Anhänge am Stabe (Rhein. Mus. 1898, 325) früher nicht zu deuten wusste. Man wird annehmen dürfen, dass nach dem Einpflanzen des Stabes zwei Ketten ausgespannt wurden, um den Raum der Statio gegen das Publikum abzugrenzen. Vgl. S. 207. *) Vgl. meine Bemerkungen bei R. Schneider, Die Erzstatue vom Helenenberge (1893), 21 Anm. 8. *) Bis nach Ägypten hat sich der Handel Aquileias erstreckt. Denn selbst dort findet sich der sonst so seltene Name G. III 12055 (Alexandrea) 13607 (Heliupolis). ') Pliniuft n. b. 37, 45. Die Bernsteinindustrie Aquileias ist ans den Gräberfunden in Aquileia selbst ^bekannt. •) 3846. 0 6144. 11697. ^) 4156. Hier ist die Herkunft desBarbius aus Aquileia vollkommen sicher, da er seine Tribus, die Velina nennt. Zu dieser Tribus gehören ausser Aquileia nur Städte des südlichen Italien. ») 1406«, cf. p. 2328«'. »«) 4400. 4508. IgO V. Domaszewski üarch Noricum nach Laariacum an der Donau. Längs dieser Strasse linden sich Inschriften der Barbii: in Forum Julium^*) Virunum^*) luvavnm ^') Lauriacum ^*). Auf der Verbindungsstrasse zwischen Celeia und Virnnum wird ein Barbins auf einem Steine in luenna ^^) genannt. Eine dritte Strasse zweigte von Emona ab, die längs dem Südufer der Save nach Singidunum und dann weiter nach Viminacium führte. Am Endpunkte, in Viminacium ist der Stein eines Freigelassenen der Barbii zu Tage gekommen ^^). Auf der Strasse durch lapndien nach Salonae, schon in republikanischer Zeit ein römischer Handelsplatz, findet sich der Name der Barbii in Aenona ^^) Salonae ^^) und dann tief im Innern Dalmatiens in den Silbergruben von Domavia ^®), die nicht erst die Römer erschlossen haben werden*^). Diese vier Handelsstrassen der Aquileienser : I Aquileia-Lauriacum, II A(iuileia-Carnuntum, III Aquileia- Viminacium, IV Aquileia-Salonas, bilden die Grundlinien des römischen Strassennetzes in Illyricum. Die Bedeutung Aquileias als Ausgangspunkt der Militärstrassen lUyricums ist in der Geschichte der Eroberungskriege begründet. Denn während der ganzen Dauer der Kriege war Aquileia der Sitz der Oberleitung «les römischen Heeres*^). Das Herrschaftsgebiet Roms reichte in Noricum schon zur Zeit des Cimbemkrieges bis nach Noreia ^^), dessen Eisenwerke für den Handel Aquileias von Bedeutung waren. Die Kämpfe, die Augustns vor der Schlacht bei Actium gegen die Tauriscer geführt hatte, galten der Sicherung der Handelsstrasse über die Radstädter Tauem nach der Donau ^^). Gleichzeitig hatte der Kaiser auch die Eroberung des lapudenlandes und der angrenzenden Striche Pannoniens und Dalmatiens ") Vgl. Anm. 3. ") 4805. 4815. 4885-4886. 11561—11565. Vgl. 4788. 4869. >•) 4461. ^*) 5680. Auch hier wird durch die Tribus Velina die Herkunft des Mannes aas Aquileia gesichert. ") 6073. ") 14505 (= 12660). Strabo 4, 6, 9. ") 2979. ") 2141. 9372. ") 12743. '^) Die merkwürdig reiche Silberprägung von ApoUonia und Dyrrachinm beruht auf der Ausbeutung der Silbergruben an der Drina. *^) Vgl. die treffliche Abhandlung von Patsch arch.-epigr. Mitt. 15, 100 ff. *') Strabo, 5, 1, 8 Livius ep. 63. Vgl. auch Caesar bell. Gall. 1, 5. ") Die 49, 34. C. III p. 692. 589 und unten S. 165. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 161 in Angriff genommen. Am Beginne dieses Krieges, während der Kämpfe gegen die lapuden erscheint Siscia als ein Waffenplatz, der mehrere Legionen aufnimmt^). Die oberen Teile der Operationsbasis in Dal- matien und Pannonien sind durch einen Strassenzug verbunden, den Augustus durch das Land der lapuden erbaute. Die Knotenpunkte dieses Strassenzuges sichern die Beneficiarierposten von Crkvina^^) und Josephsthal ^% Die Überlieferung unserer Strassenkarten ist durch einen Fehler entstellt, über den Mommsen gehandelt hat ^^). Die Stationen sind angegeben sowohl in der Peutingeriana als im Itinerarium Antonini. Itin. p. 273 Peut. Peut. Itin. p. 259 Senia Senia Nevioduno !S^evioduno Avendone XVIII Avendone XX [Arupio X] Arupio X Bibium [X] Epidotio X Romula [XJ Romula X Quadrata XIIII Quadrata XIIII QuadratÄ XXVIII ad Fines XIIII ad Fines XIIII Siscia XXI Siscia XX Siscia XXVIIII Mommsen hat aus der gesicherten Lage von Neviodunum mit Recht geschlossen, dass die Stationen Romula, Quadrata, ad Fines, auf der geraden Strasse längs der Save zwischen Neviodunum und Siscia liegen. Denn die Entfernung zwischen Neviodunum und Siscia entspricht genau der Summe der Stationen zwischen Neviodunum und Siscia auf der Peutingeriana und in dem Itineranum p. 259. Demnach ist im Iti- nerarium p. 273 ein schwerer Fehler. Die iapudische Verbindungs- strasse zwischen Senia-Salonae und Neviodunum-Siscia ist ausgefallen. Den Punkt, wo die Verbindungsstrasse von der Strasse Senia-Salon» abzweigte, bestimmte der Beneficiarierposten Crkvina. Hier lag Avendo. Daran erkennt man, dass das südlieh von Avendo gelegene Arupium ") C. III p. öOl. «») 10050 cf. p. 2328"». *•) 3020 cf. 11057 I. 0. M. Soli invicto con8er[vatori] Aug. n. — ex fra(mentario) bf. cos. 3021 cf. 10058 Namini maiestatiqae d. n. Gordiani Aug. et Genio loci Aur. Valerianus 8pec(ulator) leg. XI Cl. refereas gratiam. Es ist ein beförderter beneficiarius consularis. 10060 I. 0. M. Genio loci in(unicipii) Met(ali). — Vgl. unten S. 162. — Aur. Maximus (centurio) leg. II atiutrids votum posuit libens numini [ma]ie8tatiq(ue) eins imp. d. n. Diocle- ti[ano — cos]. Auch dieser Centurio ist ein beförderter beneficiarius consularis. •0 C. III p. 384 und 496. 162 V. Domaszewski darch einen Irrtum in die Strasse geraten ist. Das Bibinm = Bivium bestimmt der Beneficiarierposten Josephsthal. Hier gabelt sich die iapudische Strasse in zwei Teile; der nördliche lief aaf Romnla, der westliche durch das Glinathal nach Siscia. Die Existenz einer Strasse im Glinathal ist gesichert durch die Grenzvexillation '^) und den Bene- ficiarierposten *^) an der Grenze Dalmatiens und Pannoniens in Topusko. Die Entfernungen Avendo - Bibium und Bibium-Romula sind, wie die wirklichen Abstände der Orte lehren, zerrüttet ^^). Die Bedeutung des Bivium als Knotenpunkt des iapudischen Strassennetzes wächst noch, wenn man erkennt, dass hier noch eine vierte Strasse, von Rätinium her, einmündete®*). Da die schwierige Eriegfflhmng in diesem Berg- lande die Anlage von Eolonnenwegen als Vorläufer der Militärstrassen zur Voraussetzung hatte, um den Zusammenhang mit der dalmatinischen und pannonischen Operationsbasis sicher zu stellen, so muss dieser Ort des lapudenlandes während des Krieges die Hauptstellung des Feindes gebildet haben. Als Hauptstadt der lapuden erscheint in der Über- lieferung Metulum®'), und gerade dieser Ortsname ist für Josephsthal bezeugt*^). Dann ist Bivium im Itinerar überhaupt kein Ortsname, >«) Westd. Zeitschr. 14, 22. '*) 8940 I. 0. M. sacr. C. Marios Satuminas Cetio beneficiarius [cod- Buiaris] v. s. 1. m. Mommsen bezieht den Ort 'Cetio' auf das norische Cetium. Aber die Origo des Mannes kann so nicht bezeichnet sein; es muss eine Station Pannoniens gewesen sein. Die Peutingeriana nennt 6 r. Meilen west- lich von Vindobona eine Station Cetio, die Kubitschek arch.-epigr. Mitt. 16, 154 mit Unrecht für den Berg hält. Vielmehr wird die Nennung des Ortes auf dem Steine zu Topusko so zu erklären sein, dass ein Principalis der Grenzvexillation zum Beneficiarius consularis ernannt wurde mit der Bestim- mung den Posten in Cetium an der Grenze Noricums zu beziehen. Vgl. S. 210. '^) Der gedankenlose Schreiber hat nach Romula die Distanz X bei- behalten, die vielmehr auf die Entfernung Neviodunum— Romula sich bezog und ebenso hinter Bibium die Entfernung von Arupio nach Epidotio ein- gesetzt. Über den Ort, wo die Strasse die Save erreicht, vgl. unten S. 179. '^) Vgl. unten S. 171. Dort an der Quelle des Bindus lag das Nationalheiligtum der lapuden. Vgl. Patsch, Bosn. Mitt. 6, 155 ff. und 7, 33 ff. ") Dio 49, 8ö. App. lUyr. 19. 21. Strabo 4, 6, 10. 7, 6, 4. **) Vgl. die Inschrift oben Anm. 26. Es ist M • mt überliefert, worin leicht m(unicipii) Met(uli) zu erkennen ist. Dem Genius des municipiums gelten auch die Steine der Beneficiarii, in Novae 1908 — 1910 Municipium Magnum 149Ö7 Neviodunum 3919. [Wie mir Brunsmid mitteilt, steht auf dem Steine, der jetzt im Agramer Museum ist, m*M'e; jetzt nach meiner Bemerkung in C. I. L III Sup. Tab. VI eingetragen]. Die BeDeficiarierposten und die römischen Strassennetze. 16f) sondern der Schreiber hat den Sprung von Avendo nach.Romula nur durch die Andeutung der Strassenteilung verkleistert^*). An die Unterwerfung der lapuden schloss sich die Bezwingung jener Pannonier, die im Thale der Save wohnten. Der ganze Lauf der Save bis an ihre Einmündung in die Donau kam in die Gewalt der Römer ^^). Demnach ist die pannonische Strasse bis Sirminm schon damals erbaut worden. Ebenso wurden die Dalmater gezwungen, die Strasse über Promona nach Salonse den Märschen römischer Truppen freizugeben. Aber auch von Salonae südwärts bis nach Epirus wurde bereite damals die Küstenstrasse für die Zwecke der Truppenbewegung gangbar gemacht. Denn die Eroberangskriege waren nicht hervorgerufen durch den kriege- rischen Ehrgeiz des jungen Herrschers, sondern durch den Weitblick des Feldherm, der für den kommenden Krieg mit Antonius die Land- verbindung zwischen Italien und Griechenland sichern wollte. So konnte Augustus, als die Entscheidung herankam, sein Heer ohne jeden Kampf mit dem zur See übermächtigen Gegner nach Griechenland führen. Dadurch dass Augustus seine Operationsbasis nach Illyricum verlegte, deckte er indirekt Italien und brachte die Offensive seines Gegners an der Küste Griechenlands zum Stehen. Deshalb hat sich die Entschei- dungsschlacht am Golfe von Ambrakia abgespielt, ebenda wo die Ope- rationslinien der beiden Gegner sich kreuzten. Die seltsame Thatsache, dass in diesem für die Entfaltung bedeutender Streitkräfte, so wenig geeigneten Winkel des adriatischen Meeres die Geschicke der römischen Welt auf Jahrhunderte hinaus entschieden wurden, findet nur so eine militärisch angemessene Erklärung. Auch in dem grossen Aufstande der Pannonier und Dalmater (6 — 9 n. Chr.) bildet die Militärstrasse an der Save die Operationsbasis der Römer. Von Siscia, dem Mittelpunkte dieser Stellung, leitet Tiberius die Bewegungen der römischen Heere. Die Verteilung der Legionen Pannoniens an dieser Strasse lässt der Bericht des Tacitus über die Revolte, die nach Augustus Tode ausbrach, erkennen. Man sieht, dass die drei Legionen Pannoniens, die VIII Augusta, IX Hispana, XV ApoUinaris getrennte Winterlager hatten. Ann. I, 30 soluti piaculo suis quisque hibernis redderentur. Primum octava deinde quinta decuma legio rediere. Nonanus imminentem necessitatem sponte praevenit. Nur ^) £8 wäre dies auch die einzige Wegstation, die nach einer Strassen- teilung benannt ist. ^) Das zeigt die Nachricht über die römische Flotte, die aus der Donau in die Save einläuft, Dio 49, 37, 5 und entstellt bei Appian Illyr. 22 fin. 164 ^* Domaszewski » Emona ist als Winterlager der legio XV ApoUinaris bezeugt ^% Dieses Lager von Emona hat Tacitns im Sinne, wenn er während der Revolte von hiberna spricht. Tacit. ann. 1, 27 hibema castra repetentem. In der Nähe liegen die aestiva: 1, 16 Castris sestivis tres simallegiones habebantur. Und so erklärt sich die Entsendung einer vexillatio in das nahe Nauportus, nach deren Rückkehr der Aufstand von neuem ausbricht. Das zweite Legionslager ist Siscia, erkennbar an der Be- deutung des Ortes zur Zeit des lapudenkrieges und des pannonischen Aufstandes. Das dritte Legionslager ist Sirmium, das während des pannonischen Aufstandes als Hanptlager bezeichnet wird^^). Auf das Hauptquartier^^) des pannonischen Heeres, Emona ist das Strassennetz von Noricnm bezogen. Die Verbindung zwischen der Hauptstrasse Noricums Aquileia-Forum lulium-Santicum-Virunum '^) und dem pannonischen Strassennetz stellt eine Strasse her, die von Emona über den Loiblpass nach Virunum führt. In Virunum stand der Bene- ficiarierposten *^). Der ursprüngliche Strassenzug nach Norden Virunum- Lauriacum wird durch die Stationen Noreia-Iuvavum bezeichnet. Denn die Bedeutung Noreias und luvavums als Punkte der Handelsstrasse Aquileia-Lauriacum ist gesichert**) und bei dieser Führung überschreitet die Strasse das Gebirge nur einmal in den Radstädter Tauern. Da- gegen die Strassen Teumia-Iuvavum **) und Noreia-Ovilava*') werden *•) 8835. 3845. 8847. 10769. Als Legionslager kann Emona noch nicht, obwohl es Mommsen G. III p. 489 annahm, unter Aagustns Colonie geworden sein; Emona ist vielmehr tsine Colonie des Claudius, der das Legionslager aufhob. Deshalb ist auch die Tribus von Emona, wie die von Savaria, die Claudia. Der Name lulia bezieht sich wie an anderen Orten der Handelsstrassen Aquileias auf die Bildung eines Gemeinwesens aus den cives Romani consistentes. •') Dio 55, 29. Vgl. unten S. 180. '") In der Nähe des Hauptquartiers hat man auch am Rheine die aestiva abgehalten, Tacit. ann. 1, 31 in finibus Ubiorum. Der Oberkomman- dant beider Rheinheere, Germanicus, hatte seinen Amtssitz in ara Ubiorum, wo auch seine Familie sich befindet. Das Hauptquartier des niederrheinischen Heeres ist damals Vetera. Westd. Korrbl. 1893. 262 ff. »») Vgl. Anm. 28. *•) 4776 Epona Aug. 4820 a. 238. Vgl. 4833. 4852. 11524. *^) Vgl. oben Anm. 13 und 22. Der Ort der ersten Cimbemschlacht bei Noreia zeigt, dass die Germanen auf der Handelsstrasse aus dem Norden Noricums nach Italien zogen, ebenso wie die Boi zu Caesars Zeit bell. Gall. 1,5. Vgl. unten S. 204. *•) C. HI p. 622. *») C. III p. 618. Die Beneficiarierposten und die römischen StrassenDetze. 165 einem späteren Aasbau des Strassennetzes angehören, da ihre Anlage im Hochgebirge weit schwieriger war. Nach der Peutingeriana biegt die Strasse schon bei Matucaium von der Strasse Virunum-Noreia ab, ehe sie noch Noreia erreicht. Aber dass eine Störung vorliegt, zeigt die Verdopplung von Noreia, das zweimal genannt wird. Es ist auch gar nicht einzusehen, warum die Strasse, statt von Noreia ins Murthal zu führen, den weit schwierigeren und längeren Weg durch das Gebirge genommen haben soll. Die Ursache der Störung liegt darin, dass auch Matucaium ein Knotenpunkt war^^), wo wahrscheinlich eine Strasse in das Gurcktbal abzweigte. Jedenfalls ist anzunehmen, dass die alte Handelsstrasse von Noreia westwärts durch das Murthal nach dem Radstädter Tauem führte*®). Zwischen Virunum und Matucaium sichert ein Beneficiarierposten bei Feistritz**) eine Seitenstrasse, die durch das Glanthal nach Santicum führte. Da Virunum der Sitz des Statthalters ist, so stand hier auch ein Posten der frumentarii, der kaiserlichen Depeschenreiter *^). Auf die Hauptstrasse Noricums mündet bei luva- vum*^) die Hauptstrasse Rätiens, die Augustus über Augusta Ranracorum, Brigantium, Augusta Vindelicum, Pons Aeni erbaut hatte und die immer die Hauptverbindung zwischen Gallien und den Donauländern geblieben ist*^). Gleich dieser Strasse gehört der Zeit der Okkupation an die Strasse, welche von Pons Aeni nach Veldidena und über den Brenner nach Tridentum führte*^). Der Beneficiarierposten stand jedoch nicht **) 14366* [Noreia]e Aug. wird zu ergänzen sein. ^^) Der Fehler der Peutingeriana — wenn überhaupt ein Fehler — ist ganz geringfügig, da der Abzweigungsstrich zwischen Matucaium und Noreia steht. **) 14862 G(enio) sacrum .... [b(ene)ficiarius) Cl]audii Patemi Cle- mentiani proc(uratori8) Aug. . . . cel]lam columnas p[ay]imenta porticum [sumptu 8U0 feeit]. Es ist der Epistylbalken des Tempels an der statio. Vgl. Westd. Zeitschr. 14, 107 und unten S. 206. «') 4787 =s 4861 [C. Ma8culi]niu8 [Masjculus (centurio) leg. II Italicae fr(ttmentariu8), so ist zu ergänzen. Der Mann war während seiner Dienstzeit als centurio fnimentarius aus der norischen Legio II Italica in die pannonische legio II adiutrix versetzt worden. *•) 11759 I. 0. M. et om. dibus. *•) Itin. Ant. 281, 8. 241, 2. ■*) C. V. p. 938 viam Claudiam Augustam quam Drusus pater Alpibus hello pateÜEUStis derexerat munit ab Altino usque ad fiumen Danuvium m(ilia) p(a88Uttm) CCCL. Aber auch die Abzweigung über den Brenner wird nach der Station der Peutingeriana, Pons Drusi zu schliessen bereits Drusus an- gelegt haben. Vgl. Zeuss, Die Deutschen etc. p. 237. 166 V. Domaszewski bei Pons Aeni selbst sondern bei Bedaiam^^), wo auch die statio des vectigal Iliyrici^*) an der Grenze von Noricam und Rätien ihren Platz hatte. Wegen der Bedeutung der Verkehrslinien stand in Bedaium ein Posten der frumentarii ^'), welche die Befehle, die aus Gallien über Augusta Rauracorum oder von Italien über Tridentum einliefen, weiter- beförderten. £ine zweite Strasse bog bei Brigantium ^^) nach Süden ab, die über die Alpen nach Comum fahrte. Jedenfalls war die Strasse zur Zeit des Marcomanenkrieges längst gebaut und damals militärisch besetzt. Denn in der Nähe von Comum hat sich der Altar eines Beneficiariers gefunden, der nach der Fassung der Inschrift dieser Zeit angehören kann^^j. Als von Noreia später eine Strasse quer durch die Alpen nach Norden erbaut wurde, um eine kürzere Verbindung zwischen Virunum und dem Donaufer herzustellen, mündet sie nicht in Lauriacum, sondern in Ovilava^^j, auf die Hauptstrasse ein, ein deut- liches Zeichen, dass die Strasse luvavum-Lauriacum die ursprüngliche ist. Weiter nach Norden mündet in Lentia^^) die gleichfalls später entstandene Donaustrasse, die von Castra regina nach Osten führt. An der Grenze von Noricum und Rätien steht in Boiodurum, sowohl der Beneficiarierposten *^) als die statio des Vectigal Illyrici*^). Im Innern 'Noricums wurde das Strassennetz ausgebaut durch die Strasse, welche die Strasse Aquileia- Virunum mit der Strasse Tridentum- Veldidena verbindet. Diese Verbindungsstrasse zweigte bei Santicum ab^^). »>) 6675 I. 0. M. Arub(iano) et sancto Bed(aio) a. 226. 6580 I. 0. M. Arubiano et Bedaio sancto. a. 219. *') Arch. epigr. Mitt. 18, 138. Meine Korrektur der Überlieferung wird jetzt bestätigt durch C. III 15184^ **) 5579 frumentarius legionis VII Geminae. Es ist die spanische Legion. Der frumentarius war aus den castra peregrina in Rom abkomman- diert. Marquardt St. V. II, 491 ff. <^) 5768 Deo Mercurio Arcecio a. 288/244. '*) C. V. 5451 (Arcisate) Mercurio L. Cominius Pollio miles leg. XllI Gem. beneficiarius legati consularis aram et tectum v. 8. 1. m. Der Legatus con- sularis wird Antistius Adventus sein. N. Heid. Jahrb. V, 115 und 129. Eine Stationierung und nicht einen vorübergehenden Aufenthalt lässt die Art der Weihung erkennen. »•) 11826. •0 5689. »•) 5690 a. 230. »•) Arch. epigr. Mitt. 13, 138. ••) 14361 I. 0. M. et d(i8) d(eabu8) et Gen(io) dom(inorum) n(o8trorum) Aug(u8torum) a. 209. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 167 Ebenso ging südlich von Santicum^^) eine Querstrasse nach Westen, die durch das Gailthal nach Loncium führte. Im nordöstlichen Teile von Noricnm verzeichnen unsere Itinerare keine Strassen. Und doch sichert eine Strasse im Murthale, welche Noreia und Solva verband und deren Existenz auch sonst keinem Zweifel unterliegen kann, der Posten bei Brück ^^. Hier zweigte eine Strasse ab, die durch das Mürzthal und über den Semmering nach Vindobona führte. Der Soldat des Postens gehört der Legion von Vindobona an; ebenso haben sich in dem östlich angrenzenden Gebiete nur Steine oberpannonischer Legionare gefunden*'), so dass das Mürzthal und der Oberlauf der Raab zu Pannonia superior gehören werden^). Der Ausbau des Strassennetzes im Südosten von Noricum ist von der weiteren Entwicklung des panno- nischen Netzes abhängig. Das Strassensystem Dalmatiens, von Augustus begonnen, wurde von seinen Nachfolgern Tiberius und Claudius in den Grundlinien aus- gebaut, lieber diese Bauten berichten die Inschriften, welche nach Vollendung der Strassen an einem grossen Denkmale in Salon» ein- gezeichnet wurden®^). Jeliö hat angenommen®*), dass die Inschriften an einem gewaltigen Cippus von 2,10 m Seitenlänge eingezeichnet waren. Es scheint mir dagegen nach Analogie der Strassenkreuzungen anderer , Hauptquartiere*^ ganz sicher, dass die Bauinschriften an den Wänden des Quadriviums, das den Ausgangspunkt der Strassen überwölbte, ein- geschrieben wurden**). Durch die ausgezeichneten Strassenforschungen *') 11482 I. 0. M. et Genie d(omini) n(o8tri) Antonini Pü fellci. Aug. a. 216. ") 5460 (Pischk prope Brück) L 0. M. Debulsori (sie) C. lulius Probus iD(ile8) leg(ioni8) X G(eminae) S(eyerianae) a. 284. Der Soldat wird einer der immunes consularis sein, die an minder wichtigen Punkten den Strassen- verkehr überwachten. Vgl S. 197. •») 6486. 5497. 5510. *^) Der Stein des Daumvirs von Solva 5516 kann nichts dagegen be- weisen. Die Nähe von Solva erklärt das Vorkommen, auch wenn der Fund- ort nicht mehr in Noricum lag. •») C. m 8198 cf. 10156. 3199 cf. 10157. 3200 cf. 10158 und p. 2328". 3201 cf. 10159. ••) Zu C. lU 10156. •'; Vgl. unten S. 185 f. ^) Dann sind die zahlreichen im Glockenturm zu Spoleto eingemauerten Blöcke, die nach lelid diesem Monumente angehören, Bausteine jenes Quadriviums. Westd. Zeitschr. f. Gesch. n. Kirnst. XXI, n. 12 168 y. Domaszewski Ballifs^^) ist jetzt der Lauf der von Salonse aosgehenden Strassen so gesichert, dass ein Yersach, das Verhältnis der in den Inschriften ge- nannten Bauten zu den nachweisharen Strassen zu bestimmen, berechtigt erscheint. Ausser dem Hauptquartier Salon» müssen für den Strassenbau Dalmatiens entscheidend gewesen sein die beiden Hauptlager Dalmatiens, das Lager der Legio XI in Humum und das Lager der Legio VII in Gardun, südlich von Salon«. Denn der Zweck der ßtrassenbauten nach der Niederwerfung des Aufstandes war zun&chst, Verbindungslinien für militärische Bewegungen zu schaffen. Die Verbindung von Salonse mit Burnum berichtet die Inschrift 3200 mit den Worten: item viam Gabinianam ab Salonis Andetrium aperuit et munit per leg(ionem) VII. Demnach ist an SteUe einer älteren römischen Strasse eine militärische Kunststrasse gebaut worden ^^). Nur die legio VII hat von Süden her den Strassenzug gebaut, weil die nördliche Anschlussstrasse die von Burnum nach Andetrium führte ^^) eben von Burnum aus durch die Legio XI hergestellt wurde. Durch diese Landverbindung wurde der lange Bogen der Eüstenstrasse über lader, Tragurium abgekürzt. Eine Querstrasse, welche die Binnenstrasse mit der Küstenstrasse verbindet, lief von Muncipium Magnum^^) nach Tragurium^*). Nach Norden stand Burnum mit dem Hauptquartier Pannoniens, Emona in direkter Verbindung durch die Strasse, die von Burnum nach Avendo führte. Von hier zweigte die iapudische Strasse ab, die wie oben gezeigt wurde ^') über Metulum nach Neviodunum führte. Es ist diese Strasse durch die Gablung bei Metulum zugleich die kürzeste Verbindung von Burnum mit dem zweiten Legionslager Pannoniens, Siscia. Vor dem Neubau der via Gabiniana nennt die Inschrift noch eine Hauptstrasse. Die Bezeichnung ihres Endpunktes ist verloren gegangen, cuius viai milia passuum sunt CLXVII munit per vexiUarios leg(ionum) VII et XI. Im Gegensatze zu allen anderen Strassen, die am Quadrivium **) Philipp Baliff und Carl Patsch Römische Strassenforschungen in Bosnien und der Herzegovina (1893). **^) Mehr will das aperuit et munit nicht sagen. Vgl Anm. 60. '®) Peutingeriana. ") 9790. 14956. 14957 [L 0.] M. [et ge]mo [mum]cipi. 14959—14962. Die Inschrift 14959 kann schon wegen des bf. cos. nicht dem 1. Jahrhundert angehören. Statt der Tribus Scaptia ist das Gentile zu ergänzen. »•) 2677. ^) Vgl. oben S. 161 f. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 169 genannt waren, ist auch diese Strasse, wie die via Gabiniana, von den Legionen gebaut. Die Verbindung beider Strassen in einer Inschrift wird durch die Verwendung der Legionen beim Baue sachlich begründet sein. Und dieser sachliche Grund, der bei der via Gabiniana klar hervortritt, ist der Zweck, dem beide Strassen dienen, die Verbindung der dalmatinischen und pannonischen Legionslager. Die grosse Länge dieser Strasse von 167 r. Meilen zeigt, dass sie Dalmatien durchquerte und zwar muss das Ende der Strasse weiter östlich liegen als Servetium, zmschen Siscia und Sirmium. Denn die Entfernung zwischen Salon« und Servetium bestimmt das Itin. Anton, p. 368 auf nur 156 r. Meilen. Damit ist das Ziel der Strasse gewonnen ; es ist das dritte Legionslager Pannoniens, Sirmium. Aber ebenso wie auf der Strasse Salonse-Burnum nicht die ganze Strecke von Salonae aus erbaut wurde, so auch auf diesem Strassenzug. Die Entfernung von Salonse bis Sirmium beträgt mehr als 200 r. Meilen. Die beiden Dalmatinischen Legionen haben die Strasse nur bis an jenen durch die Verstümmlung der Inschrift verlorenen Endpunkt gebaut; das letzte, nördliche Stück haben die pannonischen Leonen von Sirmium aus hergestellt. Das Zusammen- wirken des pannonischen und dalmatinischen Heeres entspricht nur der Organisation des Gebietes in jener Zeit, das unter dem Namen Illyricum zu einer Einheit zusammengefasst wurde. Die Scheidung des pannonischen und dalmatinischen Herreskommandos hat sich erst vollzogen, als diese Strasse vollendet wurde. Eben diese Strasse ist in der Peutingeriana überliefert, aber durch eine flüchtige Abkürzung entstellt. Salon« — XVI — Tilurio XXII — ad Libros — Villi — in monte Bulsinio — VI — Bistue vetus — XXV — ad Matricem — XX — Bistue nova — XXIV — Stanecli — Argentaria — ad Drinum — XV — Gensis — XXX — Sirmium. Da die Lage von Bistue nova^^) jetzt feststeht, so erkennt man, dass die Strasse von Salon« nach dem Legionslager Gardun — in der Nähe der Station Tilurio — und von da in mög- lichst gerader Richtung nach Nordosten zog. Die weiteren Angaben der Peutingeriana sind durch den Ausfall mehrerer Stationen zwischen Stanecli und ad Drinum entstellt. In der Lücke steht die allgemeine, keine Station bezeichnende Angabe, Argentaria. Auch die Lage der Argentaria mit ihrem Mittelpunkte Domavia ist jetzt gesichert ^^). Dem- nach hat der Kartenzeichner den wichtigen Bergwerksbezirk in seiner '^) Bistue bei Zenica an der Bosna C. III p. 2127 kann nach den Maassen der Peut nur Bistae nova sein. »») C. III p. 2124. 2320. 12* 170 ▼• Domaszewski Karte nicht missen wollen, obwohl er gar nicht an dem Strassenzage lag, und iiess dann mit der Einscbaltang der Argentaria die Stationen von Stanecli bis ad Drinum aasfallen. Wenn man den Punkt ad Drinnm, wo die Strasse die Drina erreichte, mit 45 r. Meilen sfld- westlich von Sirminm festlegt, so erhält man für die Entfernung ad Drinum-Bistue nova in der Luftlinie gemessen mehr als 70 r. Meilen, also für den wirklichen Lauf der Strasse in dem bergigen Gelände zwischen Salonae und ad Drinum bei weitem mehr als 170 r. Meilen. Demnach liegt der Endpunkt des von Salonse aus gebauten Teiles der Strasse nicht an der Drina, sondern weiter westlich ^^). Eine dritte Strasse, welche die Itinerarien verzeichnen^^), lief von Salonse Ober Aequum nach Servetium ^®). Auch sie gehört sicher zu dem ältesten Strassensystem und einer der unbestimmbaren An&nge der Salonitaner Bauinschriften ^^) wird sich auf sie beziehen. Ihr Lauf ist durch Ballif^) ganz genau festgestellt. Diese Strasse und die Militärstrasse nach Sirmium sind durch eine Querstrasse verbunden, deren Ereuzungspunkte die Beneficiarierposten Glamoö^^) und Livno^^) bezeichnen. Ebenfalls Ober Aequum lief eine vierte Strasse CHI 10156^ munit ad [snmjmum montem Ditionum Ylcirum per milia passuum a Solonis LXXII D. Ihre Richtung und den Endpunkt bei Kastello di Grab hat Bauer erkannt®'). Sie misst nur 77^2 r. Meilen, weil sie wie jene Strasse nach Andetrium auf eine Strasse mündete, die von Burnum ihren Ausgang nahm und deshalb von Bumum^) ihre Meilen zählte®^). Diese von Burnum über Petrovac ins Sannathal ziehende Strasse ist mit der dritten Strasse Salonsß-Servetium durch eine Quer- strasse verbunden, deren Ereuzungspunkt der Beneficiarierposten Ban- jaluka®*) bezeichnet. Eine Abzweigung der von Burnum nach Nord- ") Vgl. unten S. 173. »») Itin. Ant. p. 368. Peut. '*) Als Waffenplatz der Pannonier genannt zur Zeit des grossen Auf- standes. Dio 56, 12. »») C. III 3198a = 10156a oder 3199. >«) p. 17. •») 9862 cf. 13231 und p. 2270. ") 9847. ") Arch. epigr. Mitt. 17, 138. •*) 14989. •») Ballif. p. 15. Der Ausgangspunkt der Zählung ist das Legionslager. ^) 14221 I. 0. M. et Genie loci L. Sicinius Macrinus bf. cos. P(an' noniae) s(uperiori8). Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 171 Osten fahrenden Strasse bog bei Petrovac nach Nordwesten ab. Der Beneficiarierposten an dieser Abzweigung bei Raetinium ®'') deutet eine Strassengablung an. Ein Ast lief auf den Knotenpunkt des iapudischen Strassennetzes Metulum **), der andere durch das Unathal an die Save. Am schwierigsten zu deuten ist die Angabe der Bauinschrift 10159 viam a Salonis ad LU .... c]aste](lum) Deesitiatium per m[illia pas]suum GL VI munit et idem viam ad Ba . . . [flujmen quod dividit Bis . . . [a] . . . ibus a Salonis munit per millia passuum CLYIII. Den einzigen An- haltspunkt fflr die Richtung der beiden Strassen giebt die Nennung der Daesitiates. Sie gehören nach Plinins n. h. 3, 143 zum conventus von Narona. Demnach wohnten sie im Soden der Provinz. Nach der Art ihres Auftretens zur Zeit des pannonischen Aufstandes können sie nicht allzuweit von der Meeresküste gesessen haben ^^). Ausser dem nach dem Norden der Provinz sich entwickelnden Strassennetze, den 4 oben behandelten Strassen, gehen von Salonae noch zwei Strassen ab. Die eine ist die Yerlängeruug der Binnenstrasse ''^), die südlich von Salonae über Tilurio, Novae, Narona nach Lissus läuft; die andere geht über Tilurio, Delminium nach Serajewo und von da an die Drina. Nur die erste Strasse kann jene sein, die zum Castell der Dsesitiates führt, weil die Zugehörigkeit der Dsesitiates zum conventus von Narona die Verbindung ihres Gebietes mit dem politischen Mittelpunkte fordert. Diese Strasse ist in den Itinerarien überliefert^'). Peut. : Itin. p. 337: Salonae Salonae Tilurio XVI Ponte Tiluri XVI Trono XII Billubio XII Bilubio XIII ad Novas Villi ad Fusciana Villi Anfustianis XVIII Bigeste XIII Narona XIII Narona XXV ad Turres XXII ") 15066. 16067. Vgl. p. 1639. »•) Vgl. oben S. 162. '*) Die 65, 29, 4 Batmv 6 JBlfiuvrjg (cf. 29, 2 Barmvog rivog JrjaiöiaTOv) Inl ZaXfova OTguTSvaag — hiigovg de vivag nifii^Kg navza tä 7t«*) Vgl. S. 160. 10*) N. Heid. Jahrb. 1, 199. Dass die aus Dardani gebildeten Auzilia älter sind als der Marcomanenkrieg, zeigt gegen Premerstein, Oester. Jahresh. 3 Beiblatt 152, die Ala Vespasiana Dardanorum. Dasselbe wird von der cohors Aurelia Dardanorum gelten und beide Kaisernamen sind als Ehrennamen zu fassen. Eine Aushebung nach civitates in den Donauländem ist f&r die Zeit nach dem grossen Aufstand der Jahre 6 — 9 n. Chr. mehr als unwahrschein- lich. Die Notiz der Vita Marc! 21, 7 latrones etiam Dalmatiae atque Dardaniae milites fecit kann nur mit Mommsen auf die Einstellung solcher als Räuber ergriffener Leute ins Heer und nicht auf die Bildung eigener Räuberbataillone bezogen werden. Die Benefidarierposten und die römischen Strassennetze. 175 Wie ich froher gezeigt habe^^), führt von Naissus eine Hanptstrasse qaer durch Moesia und Dalmatia nach Lissns am adriatischen Meere. Von dieser zweigte bei Hammeo (Prokoplje) eine Nebenstrasse ab^®^, die nach Südwesten führte. Beide führen anf die Strasse, welche von Plevlje^*^) in Dalmatien nach Stobi in Macedonien erbaat, an der Westgrmize von Moesia saperior hinlief. Die nördliche Hanptstrasse erreicht diese Strasse bei Botosi^^j, die südliche Abzweigung bei Blatsche ^*^). Die Hauptstrasse trifft in Ipek mit der südwestlichen Aste der Gablung Plevlje zusammen ^^^) und geht dann weiter nach Lissus. Zwischen beiden Beneficiarierposten stand ein dritter bei Runjevo"*) sowie eine statio des vectigal lUyrici^"). Von hier ging eine zweite Strasse über Prizren nach Ipek. Alle drei Strassenknoten liegen abseits der Städte Ulpiana und Scupi. Diese Strassenzüge sind demnach älter als die Entstehung dieser Städte in flavisch-traianischer Zeit ^^*). Erst als Scupi als Colonie begründet war, ist von der Strasse Hammeo-Blatsche, über Vranja eine Strasse nach diesem Orte gebaut worden, so dass die Strasse Hammeo-Scupi entstand, die die Peutingeriana verzeichnet. Im Osten der Provinz ist schon unter Augustus, der die Legio V Macedonica nach Ratiaria verlegte^"), eine Strasse von Naissus nach Ratiaria angelegt worden. Unter Tiberius dagegen ist die Strasse entstanden, welche nördlich von Naissus bei Präsidium Pompei nach Westen abbiegt. Sie überschritt bei Cafiak, wo der Grenzposten stand "•), die Grenze von Dalmatien und lief über das Municipium Malvensium und Ü2ice auf Bajna BaSta*^^), wo sie Domavia gegenüber die Drina »•«) Arch. epigr. Mitt. 13, 144 f. >^') 14564 I. 0. M. ceterisque düs deabusque omnibus a. 234. »«») Vgl. oben S. 173. "») 8173 I. 0. M. . . . upp d(is) d(eabu8) et Genpo] stationis — Va- lerianus 8pec(ulator) legionis IUI Fl. S(everinae) a. 226. Es ist ein be- förderter Beneficiarius consularis. *'^) 8237 I. 0. M. lunoni Reg(inae) MiD(ervae) BaDCt(ae) ceterisque düs deabusquae omnibus a. 200. '") Vgl. oben S. 173. "') 8184 cf. p. 2328>*<» Deo Andino a. 195. ">) Arch. epigr. Mitt. 13, 144. "*) C. in p. 1457. 1460. "*) N. Heidelb. Jahrb. 1, 198. "•) 8835. 8336. *^') Aus eigener Anschauung der örtlichkeit kann ich diese Richtung der Strasse verbürgen. 176 ▼• Domaszewski erreichte ^^*). Im Moravathale zweigte bei Horream Margi"®) die Strasse ab, die am linken Ufer nach Singidanam ^'^) and dann weiter nach Sirminm führte. Aach diese Strasse hat gewiss schon in augusteischer Zeit bestanden ^'^). Als das Hauptquartier von Naissus nach Yiminacium verlegt wurde, zählen die Hauptstrassen ihre Meilen von Yiminacium ^^). So wurde von Präsidium Pompei eine Querstrasse am linken Ufer der Morava nach Hammeo erbaut ^^^), um eine unmittelbare Verbindung mit der Hauptstrasse Naissus-Lissus zu erreichen. Eine zweite Querstrasse sichert der Beneficiarierposten Eladrop ^'^) an der Strasse Naissus-Ratiaria. Von hier ging eine Strasse nach Westen ins Timokthai, die weiter nach Horreum Margi führte. So wurde Horreum Margi der wichtigste Knoten- punkt des ganzen Systems und es erklärt sich, dass hier eine Vexillation der moesischen Legionen ihr Standquartier erhielt ^^). Die Bedeutung der Colonia Scupi als des wichtigsten Grenzortes gegen Dalmatien führt zu deix( Stationirung eines Fmmentaherposten an diesem Orte^^). Die Entwicklung des Strassennetzes von Pannonien beruht auf dem Dreieck der Strassen Emona-Gamuntum und Emona-Sirmium. Deshalb behalten Siscia und Sirmium auch dann ihre Bedeutung als Strassenknotenpunkte, nachdem die Truppenlager von diesen Orten weg- verlegt wurden. Wir finden die Beneficiarierposten in Siscia^*') und Sirmium ^^). In Sirmium als dem östlichen Endpunkt des grossen Drei- eckes Augusta Rauracorum-Lauriacum-Sirmium und dem Ereuzungspunkte der Hauptlinien Italiens ^^) und Dalmatiens ^'^) war ein Frumentarier- posten stationiert ^^^). An der Strasse Emona-Siscia sind Beneficiarier- >") Vgl. oben 8. 173. '»} N. Heidelb. Jahrb. 3, 194. ^*^) Huelsen, arch. epigr. Mitt. 12, 177. ^*^) Die 56, 29. Dies, lehrt der Entsatz von Sirmium durch das moesiBche Heer. >") 8270. »») Vgl. Anm. 107. «*) 6291 a. 218. "») N. Heidelb. Jahrb. 3, 194. »•) 8201. "^) 3938. 3948. 3955 I. 0. M. Heliopolitano — ne qois in hac ara porcos agi facere velit. 3970. 10839. 10842 cf. p. 2187 I. 0. M. et Cereri. 10843. I. 0. M. et Genio loci a. 227. Auf beiden letztem Steinen sind 2 beneficiarü ; es war also ein Doppelposten wegen der Bedeutung des Ortes. Vgl. Anm 295. "•) 6440. "•) N. Heidelb. Jahrb. 5, 126. »•) Vgl oben S. 169. "*) 3241. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 177 posten, Neviodunum ^^^) als Enotenpankt der Strasse Senia-Neviodunum- Celeia, und Latobici^®*) als Grenzstation gegen Italien^**). Die Militärstrasse Emona-Garnontum hat schon unter Augustus bestanden, da Carnuntum zum Ausgangspunkte des Feldzuges gegen Marbod ausersehen war^^). Dass ein Platz von solcher Bedeutung für die militärischen Operationen von römischen Truppen besetzt war, kann nicht bezweifelt werden. Ebenso muss die Strasse von Emona nach Carnuntum durch Auxiliarlager gedeckt gewesen sein, wenn wir auch nur ein Alenlager bei Gyaloka^'*) zu erkennen vermögen. Aber die Okkupation des Landes zwischen Save und Donau, kann sich nicht auf diese eine Strasse beschränkt haben. Denn Augustus bezeichnet die Donau als die Grenze der Provinz**^). Die Grundlinien der späteren Militärstrassen müssen schon unter Augustus bestanden haben. Sicher ein Teil des ältesten Strassensystems ist die Abzweigung von der Strasse Emona-Gamuntum, die von Scarbantia^'®) nach Yindobona und die Donau entlang nach Lauriacum führt. Die Bedeutung Scarbantias schon in der Zeit des Augustus sichert der Beiname lulia***), der wie in Emona**®) "*) 3916. 3918. I. 0. M. et Genie loci. 3919 I. 0. M. et Genie Municipi Fl(avü) Neviod(uni). 3927. 10799. ^") 3899 Diis deabusque omnib. Genie loci a. 224. 3900. 3902. 3903 [I. 0. M.] ceterisque dis d[e]aba8q. et G.enio) loci a. 225. 3904 1. 0. M. et Gen(io) loc(i). 3905 I. 0. M. et Gen. loc. 3906 I. 0. M. et G. L. a. 257. 3907 I. 0. M. et Genio loci et n(amini) Aug. a. 217. 8909 I. 0. M. D(oU- cheno). 3912 a. 232. 10787. 10789. I. 0. M. et Gen. loci a. 250. 1'^) Die Statio 'ad fines' (vgl. oben S. 161) zwischen Neviodunum und Siscia wird sich auf eine spätere Provinzialgrenze beziehen. »•*) Vell. 2, 109. "«) 4227. 4228. *") Mon. Ancyr. 5, 44 Pannoniorum gentes — subieci protulique fines Illyrici ad ripam fiuminis Danuvii. Ähnlich sagt Augustus von dem rechts- rheinischen Germanien 6, 12 Germaniam — ad ostium Albis fluminis pacavi. Auch hier muss die militärische Okkupation bis an die Elbe ge- reicht haben. Die Entfernung von Emona bis Carnuntum ist genau so gross, wie die von der Mündung der Lippe an die Mündung der Elbe. Wie in Pannonien die Legionen an der Save standen, so in Germanien am Rheine. Denn die pannonischen Legionen sollen auch gegen Dalmatien wirken, die germanischen gegen Gallien. Die Furcht vor den Germanen, welche die Römer weder empfanden, noch zu empfinden Grund hatten, hat die Legionen nicht am Rheine festgehalten. 1**) 14068 aus der Zeit Diocletians. 1**) Mit Recht hat Hirschfeld die Angabe des Plinius n. h. 3, 146 oppido Scarbantia lulia als richtig verfochten, Arch. epigr. Mitt. 5, 217 Anm. 8. **•) Vgl. Anm. 35. 178 V* Domaszewski anf die Gemeindeorganisation der an diesem Orte ansässigen cives Roman! hinweist. Als in späteren Zeiten in Vindobona nnd Camantnm neben den Legionslagem mnnicipia entstanden, wurde für den nicht militärischen Verkehr zwischen beiden Städten eine kürzere Binnenstrasse erbaut, die von Höflein ^^^) südlich von Camuntum nach Vindobona abzweigte. Die umfassenden Truppenverschiebungen unter Claudius lassen den Ausbau des Strassensystems und damit die Formen der militärischen Okkupation deutlicher hervortreten. So wurde die Legio XV ApoUinaris von Emona nach Camuntum vorgeschoben ^^^. Die an Stelle der IK Hispana aus Germanien herbeigerufene XIII Gemina erhielt ihr Stand- quartier in dem neuerbauten Legionslager Poetovio"'), das zugleich Sitz des Statthalters war^'^). Auch als später das Hauptquartier nach Camuntum verlegt wurde, blieb Poetovio der Sitz des Procurators der Provinz Pannonia superior"*) und die Centralstelle für die Verwaltung des Publicum Portorii lUyrici^**). Die Verschiebung der Operations- basis des pannonischen Heeres musste auf das Strassensystem, das im Dienste der Trappenbewegung stand, einwirken. Auf dem Strassenzug Emona-Poetovio steht bei Atrans an der Grenze Italiens der Posten der Beneficiarii ^*') und die statio des Vec- tigal Illyrici"*). Bei Celeia^**) zweigte die Strasse ab nach Viranum. ^*^) 14359 ^^ Dort war eine statio der Beneficiarii aber keineswegs ein Castell. »") Hirschfeld Arch. epigr, Mitt. 5, 203 flf. »*») Tacit. bist 3, 1 C. HI 4061, 10877, 10881, 14355«, 14356". ^**) Die Steine der legio VIII Augusta finden so ihre Erklärung 4060, 10878, 10879. "») 4031. >«*) 4015; für die kaiserliche Verwaltung 4024. Hier hat sich auf Grund der römischen Anschauung den Ertrag des Portoriums als frnctus su fassen, für das Gesinde des Vectigal Illyrici der Cult de^ Nutrices entwickelt C. III p. 2279. Das sind diejenigen Gottheiten, die das Gedeihen des fructus Dlyrici (C. III 781, 23) befördern. Es sind Eigenschaftsgöttinnen nach Art der Ops, Ceres. Der Kult wird altrömisch sein, wenn er auch nur hier in der Provinz hervortritt. Für Pannonia inferior ist die Centralstelle Aquincum C. III 18396 (missverstanden von Par^ch röm. Mitt. 1893, 192). **^) 1 1676 bf. cos leg. U Ital. teinplum vetustate conlapsum et in ruinam conversum sumptu 8[uo restituit]. "») Arch. epigr. Mitt. 13, 138. i«<>) 5154 Celeiae Aug. a. 213. 5160 lovi Dep(ulsori) 5161 a. 158. 5162. a. 158. 5163—5166 a. 158. 5167-5169 a. 158. 5170—5175. 6176 Eponae 5177. 5178 a. 192. 5179—5182. 5185 I. 0. M. Conserv. Arubiano et Cel(eiae) sanctae a. 215. 5187 I. 0. M. et Cel(ei9e) saDCt(ae) a. 211. Die fieneficiarierpoBten. und die römischen Strassennetze. 179 Der Beneficiarierposten an dieser Seitenstrasse in laenna^'^) zeigt, dass eine Strasse am Südafer der Dran direkt nach Poetovio fahrte. Das neae Hauptquartier Pannoniens tritt so in direkte Verbindung mit dem Hauptquartier Noricums, Yirunum. Poetovio wird auch mit Siscia und Sirmium durch eine Strasse verbunden, die sich bei Aqua viva^^^) in zwei Aeste teilt, der eine führt auf Siscia, der andere auf Sirmium. Die Strasse Aqua viva-Siscia ^") hat folgende Stationen: Aqua viva — XXX — Pyrrhi — XXIII — [An]dautonia — XXVII — Siscia. Da die Lage von Andautonia bei Scitarjevo ^^) feststeht, so ist die Richtung der Strasse bestimmt. Sie ging von Varasdin genau in sadlicher Richtung auf Scitarjevo^^) und von da direkt auf Siscia. Aber der Fund der Beneficiarierstation bei Erapina^^) lehrt, dass auch hier von der Save nach Norden eine Strasse auf Poetovio führte, die von einer Querstrasse Geleia-Aqua viva geschnitten wurde. Die Strasse von der Save nach Poetovio ist die gradlinige Fortsetzung der Strasse Avendo-Metulum- Romula^^). Die iapudische Strasse erreichte die Save östlich von Romula, gegenüber Stenjevec und lief über Krapina nach Poetovio. Dadurch steht das Legionslager Bumum in Dalmatien mit dem Legions- lager Poetovio in einer unmittelbaren, fast geradlinigen Verbindung. Die Strasse Aqua viva-Sirmium zieht am Südufer der Drau bis Mursa und dann über Cibalis nach Sirmium. Bei Mursa zweigte eine Strasse nach der Donaustrasse ab, in die sie bei Teutoburgium einmündete ^^^). Die Donaustrasse ist östlich von Teutoburgium bei Nestin direkt mit Sir- mium verbunden. Die geschichtliche Bedeutung Sirmiums als Legions- lager der ältesten Periode erklärt wieder die eigentümliche Meilenzählung der Donaustrasse in späterer Zeit. Als das Legionslager nach Aquincum verlegt wurde, blieb die Donaustrasse mit jener Abzweigung über Nestin nach Sirmium die Hauptstrasse von Psmnonia inferior und zählte ihre Meilen von Aquincum über Nestin nach Sirmium '^). Wie oben gezeigt 5188 I. 0. M. Gel(eiae) et Noreiae sancte. 5189 I. 0. M. d(i8) d(eaba8que) Omnibus a. 217. *»•) 6072. •") 10890 Herculi. "») Itin. Ant. 26d, 11—266, 3. '«) C. III p. 508. '*^) Brunsmids freundschaftlichen Mitteilungen verdanke ich das richtige Verständnis. »») 15187. 15188 a. 189. »*•) Vgl. oben S. 162. '") 3270 a. 226. >") 10651. 10652. 180 V. Domaszewski wurde, kam die zam Ersatz der IX Hispana in Pannonien eintreffende legio XIII Gemina nach Poetovio ^^^). Deshalb ist es wahrscheinlich, dass anter Angnstus die IX Hispana in Siscia stand, die YIII Augosta in Sirmiam. Dem entspricht die Geschichte der YIII Augnsta in claa- discher Zeit. Sie wnrde zur UnterdrQcknng des thrakischen Aufstandes nach Moesia berufen, weil sie dem Kriegsschauplatz zun&chst stand, und erhielt unter Nero Moesia als Standquartier^^). Die Bedeutung Sirmiums in jener Zeit erklärt es auch, dass die neugegründete Kolonie Savaria mit Sirmium direkt durch einen Strassenzug verbunden wurde, der über Sopianae^^^) nach Mursa läuft. Für das ganze Strassensystem im nordöstlichen Pannonien wird Savaria der Ausgangspunkt. Denn die Yeteranenkolonien jener Zeit sind Festungen mit einer schlagfertigen, kriegserprobten Besatzung ^^. Das ganze Strassennetz südlich der Donau und östlich von Savaria liess eine sichere Fixierung bisher nicht zu, da die Lage der in den Itinerarien genannten Orte ganz unbestimmbar blieb. Es sind folgende 5 Strassen überliefert: 1. Itin. 263 Sabaria 2. Itin. 232 3. Itin. 267 Sopianae Mestrianis XXX Mogentianis XXV Caesariana XXX Ossonibus XXVIII Floriana XXVI Acinquo XXX 4. Itin. 264 Limusa XXII Silacenis XVI Valco XXIII Mogetiana XXX Sabaria XXXVI Ponte Mansuetina XXV Tricciana XXX Cimbrianis XXV Crispiana XXV Arrabona XXV 5. Itin. 264 Sopianae lovia XXXII Fortiana XXV Herculia XX Floriana XV Brigetione VIII Ponte sociorum XXV Valle Caiiniana XXX Gorsis sive Hercule XX lasulonibus XXV Acinquo XXV Die richtige Lage der Strasse 3 lässt jetzt der Fund eines Bene- "•) Vgl. oben S. 178. »••) RhoiD. Mus. 1892, 211. »>) 15149. »•) Rhein. Mus. 1898, 345. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 181 ficiariersteines in Poszta-Iaba^^) erkennen. Der Ort liegt genan südlich der Stelle, wo der Plattensee dnrch zwei vorspringende Landzungen anf wenige Kilometer verengt wird. Hier hat demnach die römische Strasse am südlichen Ufer geendet and am nördlichen wieder begonnen; die Verbindung wurde durch eine Fähre hergestellt^^). Der Beneficiarier- posten bezeugt auch eine Strassenkrenzung. Eine Strasse, die von Yalco am SQdufer des Plattensees nach Osten führte, hat nach der durch die Lage des Kreuzungspunktes erkennbaren Richtung, die Donaustrasse bei Intercisa erreicht, wo das Einmünden einer Strasse durch den Benefi- ciarierposten gesichert ist^^). Mommsen ^^) hat erkannt, dass das erste Stück der Strasse 3 bis Ponte sociorum zusammenfällt mit dem Anfang der Strasse 5, die bis zu einem Orte Ponte Mansuetina gleichfalls 25 r. Meilen zählt. Dann aber ist es klar, dass die mittlere Strasse 4 dieses Stück mit der westlichen und der östlichen Strasse gemeinsam haben muss. An dieser Strasse 4 liegt der aus den Itinerarien erkenn- bare Knotenpunkt Floriana, dessen Entfernung von Brigetio das Itinerar nur mit 8 r. Meilen angiebt. Ein Knotenpunkt, dessen wirkliche Ent- fernung von Brigetio der Ziffer des Itinerars für den Abstand Floriana- Brigetione ohne jede Emendation entspricht, ist Tata. Denn hier ist ein Beneficiarierstein gefunden worden ^^^. Von Tata aus erreicht die Strasse mit 8 Meilen direkt Brigetio, mit 7 r. Meilen Azao^^) und dann mit 6 r. Meilen Brigetio ^^). Demnach wird die Entfernung Floriana -Brigetione VIII beizubehalten sein^^^). Auch die Strasse Nr. 1 Savaria-Aquincum kreuzt den Knotenpunkt Floriana. Die Be- stimmung der Richtung dieser Strasse hängt von der Lage von Moge- lt*) 19364 a. 226. Wie Kussiniaky mir mitteilt heisst der Ort Pnssta laba, nicht Pnszta Saba. Er hat mir auch die Lage nachgewiesen. ^*^) Der Fundort bezeichnet annähernd die Station Tricciana des Itineran. Von dort stammt der bekannte Statthalter Niederpannoniens aus der Zeit des Macrinus, Aelius Triccianus, von dem Dio berichtet, dass er als gemeiner Soldat einer pannonischen Legion seine Laufbahn begann. Prosop. I, 15 n. 166. >••) 3329. Libero patri. 10306 I 0. M. — et Genio coh. (miliariae) Hem(e8enorum) Antoninianae a. 213. Eben wurde dort ein noch unedierter Benefidarieraltar gefanden. '•0 C. m p. 432. '**) Die Inschrift 10960 kann auch [ex. bf. leg.] I adiut. ergänzt werden. >••) Bei Almas, Mommsen C. m p. 537. »••) 11388. "•) Vgl. unten 8. 183. 182 V. Domaszewski tiana ab *^^). Es kann nicht bezweifelt werden, dass dieser Ort aach auf der Strasse 2 Sopianae-Savaria genannt ist. Dann aber ist anf der letzteren Strasse die direkte Entfernung von Mogetiana nach Savaria mit 36 r. Meilen angegeben, w&brend die Strasse 1 mit 55 r. Meilen einen Umweg über Mestrianae verzeichnet, östlich von Savaria liegt zwischen Tüskevär*'*) ond So.lmyö-Väs&rhely"') ein Beneficiarierposten, also eine Strassenkrenzung. Der Ort liegt 36 r. Meilen östlich von Savaria, die Distanz zwischen Savaria und Mogetiana auf der Strasse 2 und 30 r. Meilen von Fenek am Plattensee, also die Entfernung von Valco und Mogetiana der Strasse 2. Bei Fenek ist Yalco der Strasse 2 anzusetzen. Denn Fenek ist von Sopianae 68 r. Meilen entfernt und diese Distanz erhält man für Sopianae Yalco, wenn man mit den geringeren Handschriften Silacenis — XXVIII — Valco liest. Der Beneficiarierposten bezeichnet demnach genau nach den Maassen des Itinerars die Lage von Mogetiana. Dass dieser Ort im Norden des Plattensees zu suchen ist, beweisen auch zwingend die Fundorte der Inschriften, die Beamte des Municipiums Mogetiana nennen. Die Steine sind alle nördlich des Plattensees ^^^), bei Brigetio und in Aquincum zu Tage gekommen. Mestrianae liegt dagegen sfidöstlich von Zalab^r, auf der direkten Verbindung Valco-Savaria. Es ist der Schnittpunkt einer Strasse, die von Poetovio nach Mogetiana und von da am Nordrande des Bakonywaldes *'*) nach Floriana lief. Diese Strasse ist aber nicht ^ie Strasse Nr. 1 Savaria-Aquincum. Denn die Strasse Nr. I zählt zwischen Mogetiana und Floriana 84 r. Meilen, während die direkte Entfernung von Mogetiana nach Floriana auf der Strasse am Nordrande des Bakony Waldes nur 61 r. Meilen beträgt. Demnach ist die Strasse Nr. 1 in einen Winkel gelaufen, in östlicher Richtung gegen Stuhl- weissenburg und dann nördlich gegen Floriana. Bei diesem Laufe muss sie notwendig schon nördlich von Stuhlweissenburg in die Strasse Nr. 4 'Sopianae-Brigetio gemflndet haben. Und zwar ist dieser Punkt nach den Massen des Itinerars die Station Ossonibus. Das Stück Ossonibus — ''^) Mogetiana wie Itin. 233, 4 steht, nicht Mogentiana 263, 5 hiess •der Ort nach den Inschriften. Vgl. Anm. 174. [Nach meiner Bestunmung in die Karten des C. I. L. III S. eingetragen, ebenso Valco]. "*) 10965 Gael(e8ti) reginae — templum constitaerunt "») 10957. "*) 10993. 11043. 15166. 15188». ^^') Die Bichtung der Strasse im schnurgeraden Laufe sichern die Funde der Militärinschriften 10956 (Topalczafö) Diplom XI (Sikator). Die Beneficiarierposten und die rumischen Strassennetze. 183 XXVI — Floriana liegt also auf der Strasse No. 4. Dadurch wird es möglich, den offenkundigen Fehler in der Distanzangabe der Strasse 4, die nur 100 r. Meilen von Sopianae bis Brigetio rechnet — mit Sicher- heit zu emendieren. Die Maasse des Itinerars führen für Herculia auf Stuhlweissenburg. Dass dieser Ort so hiess, ist aber in hohem Grade ^wahrscheinlich. Wie Mommsen gezeigt hat, ist Stuhlweissenburg die Stätte des Eaiserkultes der Pannonia inferior ^^"). Nach der Reform der Heeresreligion durch Diocletian ist aber im Herrschaftsgebiet des Maximianus Herculius, der Hercnleskult der Hauptkult ^^^), so dass also der Eaiserkult an jenem Orte gerade die Veranlassung wurde, ihn im vierten Jahrhundert Herculia zu nennen. Von Herculia nach Floriana rechnet das Itinerar nur 15 r. Meilen; die wirkliche Distanz beträgt aber 41 r. Meilen, d. h. die Station Ossonibus ist ausgefallen, die genafi 15 r. Meilen nördlich von Herculia liegt. Das Itinerar hatte also gelautet : Herculia Ossonibus XV Floriana XXVI. Das Itinerar der Strasse Nr. 1 bestimmt die Entfernung von Floriana nach Aquincum auf 30 r. Meilen. Dadurch ist der Weg des Itinerars bestimmt. Die Strasse ging von Floriana nach Pilis Csaba und von hier auf der durch Meilensteine gesicherten Strasse^'®), abseits vom Flusse nach Aquincum ^^). Es bestand zwischen Brigetio und Aquincum eine Binnenstrasse, wie zwischen Camuntum und Vindobona. Eine Strasse Floriana-Crumerum ist ebenfalls anzusetzen als die grad- linige Fortsetzung der Strasse Mestrianae-Floriana. Aber auch am Nordrande der Plattensees führte eine Strasse durch Funde gesichert nach Aquincum '^*^). Nach ihrer Richtung mündet die Strasse bei Cae- "•) C. III p. 432. "^) Westd. Zeitschr. 14, 113. Gerade für Carnantum und Aquincum ist der Kult bezeugt. Vgl. auch a. a. 0. S. 49. 1») C. III p. 1722. 1796. In Pilis Csaba wechselt die Zählung. Vgl. Anm. 185. "^ Vgl. oben S. 178. Diese Strasse ist die Strasse der Peutingeriana, die ganz andere Stationen nennt, als das Itinerar der Uferstrasse. <^^ Am wichtigsten sind die Funde der Militärdiplome LI (Tot- Vasony) und LXV (öskö), zwei Orte, die Auziliarlagern der älteren Periode entsprechen werden, ebenso wie Sikator. Vgl. Anm. 175. Wir wissen jetzt, dass die Veteranen ihre Diplome in dem Aerarium des Lagers deponierten. Diplom L. Daraus erklärt sich, dass in letzterer Zeit so viele Militärdiplome mit dem angeblichen Fundort Brigetio in den Handel kommen. Schatzgräber Westd Zeitschr. f. Gesch. a. Kanst. XXI, II. 18 X84 v* Bomaszewski sariana auf die Strasse Nr. 1 Savaria-Aquincum, hat das Stück Caesariana- Ossonibus mit ihr gemein und geht genau östlich auf Aquincum. Auf diese Strasse mündet bei der Station lassulonibus, 25 r. Meilen von Aquincum, die Strasse Nr. 5 Sopianae Aquincum. Die Strasse Nr. 1 Savaria-Aquincum ist also kein einheitlicher Bau, sondern diese Postroute des 4. Jahrhunderts lauft auf Teilen ganz verschiedener älterer Strassen. Allen 5 Strassen, die das Itinerarium nennt, ist es gemeinsam. n dass sie nicht direkt auf die Legionslager der spätere^ Zeit führen. Wie das Auxiliarlager Arrabona mit Sopianae durch eine direkte Strasse verbunden ist, so führt auch von Savaria eine Strasse nach Arrabona ^^^). Schon das nahegelegene Domitianische Legionslager ad Flexum ^^^) liegt ganz abseits von den Strassenzügen, die aus dem Innern an die Donau lehren. Die Strassen nach Arrabona sind also vorflavisch, spätestens unter Claudius gebaut. In gleicher Weise beruht die Bedeutung des Kreuzungspunktes Floriana auf der historischen Entwicklung des Strassen - netzes. Denn die beiden Donaulager, die von Floriana direkt erreicht werden, bestanden schon in claudischer Zeit. Für Azao hat dies eine feine Beobachtung Dessaus gelehrt. Dort hat C. Nymphidius Sabinus, der am Ende der Regierung Neros Gardepräfekt war, einen Altar ge- weiht als praefectus alae*^). Der vorflavischen Zeit gehört auch die Inschrift an »8*) C. IX. 5363: L. Volcacio Q. f. Vel(ina) Primo prae- f(ecto) coh(ortis) I Noricorum in Pannon(ia) praefecto ripae Danvvii et civitatium duar(um) Boior(um) et Azalior(um). Dass die Sitze der Azali 0 sich bis an die Donau erstrekten, zeigt diese Inschrift deutlich ^^), da haben das Aerarium eines Brigetio nahegelegenen Auziliarlagers erbrochen und bringen, um die Preise nicht zu drücken, die Diplome einzeln in den Handel. >•») Itin. 262, 2 — 263, 2. »") C. III p. 2191. ^"') Prosop. II p. 422 n. 200. Das Avancement vom praefectus alae zum tribunus cohortis praetoriae, der notwendigen Vorstufe der Gardeprae- fectur, ist in jener Zeit üblich G. X 8881. 4862 XI 4368. Diese Laufbahn zeigt aber wegen des Lebensalters, in dem Nymphidius Sabinus die Garde- praefectur erlangt haben muss, dass seine Abstammung von Galigula Schwindel war, was die Überlieferung auch andeutet ^^) Wenigstens sind alle bekannten Erwähnungen von praefecti civi- tatium und praefecti ripae vorvespasianische. Vgl. Neue Heidelb. Jahrb. 1, 196. ^^) Nach dem Norden von Pannonien und zwar westlich von den Eravisci setzt sie Ptolemaeus. Die Eravisci wohnten im nördlichen Teil von Niederpannonien von Aquincum bis Girpi G. III p. 1691 und n. 13389. Die Gebietsgrenze der Azali und der Eravisci bestimmt die Zählung der Meilen- Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze 185 der praefectus ripae zugleich praefectus der civitas ist. Der Orts- name Azao wird demnach in Azalo oder Azalio za ändern sein ^®®). Als Kopfstationen der alten Militärstrassen am Donanufer sind erkennbar Arrabona, Azalum, Cmmernm, Aquincum '^^), Intercisa und Tentoburgium. Sie sind, wie die Rekonstruktion des Strassennetzes gelehrt hat, die End- punkte der Strassen am Grenzstrom. Bedeutungsvoll für die Organisation des Dienstes der Beneficiarii ist der Posten in Transaquincum ^^). Hier liegt der Brückenkopf von Aquincum ^^^) und eine stehende Brücke verband, als einzige des Grenz- stromes, das Hauptquartier Aquincum mit dem Lande der Sarmaten^^). Die Weihung des Altars: Genio Ciniaemo^^^) et Genio Commerci zeigt, dass hier die Märkte mit den Barbaren abgehalten werden ^^'). it Wie alt das pannonische Strassennetz ist, erkennt man am Besten an der geringen Bedeutung, die Gamuntum als Knotenpunkt besitzt. Nur das mächtige Quadrivium, das zum Teile heute noch aufrecht steht ^^^), gab der Strassenkreuzung äus^erlich eine Bedeutung, die der steine C. UI 10657. 11340 und damit die Grenze zwischen Pannonia inferior and superior. Vgl. Anm. 100. Als später Brigetio zu Pannonia inferior ge- zogen wurde, Rhein. Mus. 1890, 208, zählen dennoch die Meilensteine auf dem Boden der Azali von Brigetio aus, auf dem Boden der Eravisci von Aquincum. Der Fundort des Diplomes LXV, das einen Azalus nennt, könnte höchstens beweisen, dass die Azali südlich bis an den Plattensee reichten. Vgl. Anm. 180. Die Boi wohnen sicher um Mogetiana, dessen Namen deutlich keltisch ist. ^'*) Mommsen C. lU p. 460 und 537 schreibt Adiaum gestützt auf das sicher verdorbene Odiabum der Notitia. Aber ,di* ist nur graphisch Terschieden von ,z' und ,b' wird eben ,1' oder ,li' zu lesen sein. '^^) Aquincum war ein Alenlager 10514. 14349^ Beide Inschriften sind nach ihrem Stile noch im ersten Jahrhundert geschrieben also älter als die Zeit, wo die Legion nach Aquincum verlegt wurde. Rhein. Mus. 1891, 603. ^^^ 3617 [I. 0. M. et] lunoui reg. et Genio Ciniaemo et Genio Com- merci a. 222—235. 3615. 10568 Silvano domestico. Die Dedicanten der beiden letzteren Inschriften, ein speculator und ein cornicnlarius, sind be- förderte Beneficiarii. >»*) Vgl. Westd. Korrbl. 1896, 233. Der mächtige Altar des Statt- halters 3486, der aus dem Strome gefischt wurde, stand anf dem mittleren Joche der stehenden Brücke. Über den Ort des Lagers vgl. G. III p. 2328'\ ^*^) Vgl. meinen Commentar zur Marcussäule S. 121. ^*') Nach der Analogie anderer Altäre der Beneficiarii ist das der Lokalgott und sein Name wahrscheinlich der Name von Transaquincum. Vgl. unten S. 209. >•«) Dio 71, 11; 72, 1, Boiss. "») Arch. epigr. Mitt.. 16, 155 ff. 13* 18() V. Domaszewski Würde des Hauptquartiers entsprach. Es liegt scheinbar ganz abseits vom Lager, während die Qaadrivia sonst in unmittelbarer Nahe des Lagers stehen ^®^). Dieser Schein ist nnr entstanden, weil Yespasian das Lager von seinem ursprünglichen Platze am Quadrivium weg ver- legt hat. Der Lauf der Militärstrassen und die Lage der Auxiliarlager gewähren einen tiefen Einblick in das Wesen der älteren Okkupation. Von den Legionslagem an der Operationsbasis Poetovio '^^) und Sirmium sind die Militärstrassen strahlenförmig an den Grenzstrom gezogen. Zwischenpunkte dieser Militärstrassen sind durch kleine Auxiliarlager gedeckt. Solche kleine Lager sind erkennbar an den Orten Gyaloka^^), Sikator^®^), Tot-Vasony, öskö^*^). Sie sind untereinander und von den Lagern an den Eopfstationen am Grenzstrom starke Tagemärsche entfernt. Die Auxiliarlager der Eopfstationen sind nach einer wenig beachteten Eigentümlichkeit des älteren Heerwesens bestimmt, eine grössere Zahl von Auxilia unter einem finheitlichen Kommando aufzunehmen^^'). Die Kommandanten dieser grossen Auxiliarlager sind diejenigen praefecti castrornm, die zu diesem Amte nach der Praefectura alae oder dem Tribunate gelangen^®®»). Durch die Vereinigung einer grösseren Zahl von Auxilia an den Kopfstationen sind diese Lager ebenso widerstands- fähig wie die Legionslager. Auf der Militärstrasse zwischen den Kopf- stationen und den Legionslagem vollzog sich dann rasch und sicher die ^*^) So in Vindobooa 13497, wo der Fundort 'Ann^gasse' die Lage des Quadriviams bezeichnet. Ebenso in Mainz, Strassburg. Vgl. unten S. 196 f. ***) Savaria ist für Poetovio nnr ein Zwischenpunkt, ebenso wie Sopianae für Sirmium. »••) Vgl. oben S. 177. "^ Anm. 175. "•) Anm. 180. !••) C. XI 6344 P. Comelio P. f. Sab. Gicatricula prim. pil bis, prae- fect equitum, praef. classis, praef. cohortium civium Romanorum quattuor in Hispaoia, trib. mil. Gicatricula ist ein 'militärisches Signum des tapferen Offiziers wie G. XIV, 3472 Giviea. Ebenso standen noch imter Traian in Assuän 3 Gohorten in einem Lager G. III 14147 >*. Vgl. Tacit. hist 4, 15. Dass in Arrabona mindestens 2 Alae lagen, zeigen die Inschriften G. III p. 546; ebenso für Aquincum Anm. 187. "••) G. m 33. 381. 13580. 14147 «•. IX 798. X 1262. 4868 6101. XI 1056. XII 4230. Suet. Vesp. 1. Dio 55, 8 — Tacit. 1, 38. Vell. 1, 120. Dem Range nach ganz verschieden sind die praefecti castrorum, die zu diesem Amte nach dem Primipilat befördert werden. Es sind die Piatz- kommandanten der Legionslager, ein Amt, das auch später noch fortbesteht. Die BeneficiarierpoBten und die römischen StrasBennetze. 187 Verschiebung bedeutender Truppenmassen zum Schutze bedrohter Punkte. Die Bewohner der civitates, deren Gebiete zwischen den strahlenförmigen Militärstrassen liegen, unterstehen den praefecti civitatium. So sassen die Boi und Azali zwischen den beiden Militärstrassen Mestrianae-Floriana und Valco-Ossonibus-Floriana-Crumerum. Der praefectus civitatium ist zugleich praefectus ripae Danuvii und hat zur Bewachung des Stromes die Milizen der civitates aufzubieten. Dennoch ist die Grenze im Wesent- lichen offen. Die starken Lager an den Eopfstationen hindern nur das Hereinbrechen der Barbaren auf die römischen Kommunikationen. Dem Offensivgeist, der das Heer erfQllte, entspricht es auch, dass die Lager, wie die rheinische Limesforschung gelehrt hat, in dieser Zeit nur aus Erdwerken bestehen. Es sind keine Festungen zur Verteidigung, sondern einfache Deckungen während der Dauer der Operationen, die die lagernde Truppe jederzeit kampffertig, sofort aufzunehmen bereit ist. Nach dem Vorbilde der Occupation Pannoniens haben wir uns auch die Verhältnisse vorzustellen in Germanien, während der Periode, wo das ostrheinische Land zum Reiche gehörte. Auch hier werden die Massen der Auxilia in Lagern gestanden haben, die aber die Operations- basis am Rheine'^) weit in das Vorland auf Militärstrassen vorgeschoben waren ^***). Die geringe Zahl der Auxilia — nur 3 Alae und 6 Co- hortes^') — welche das Heer der Legionen auf dem Rückmarsche des Varus begleiten, lässt erkennen, dass die Masse der Auxilia ^°^) in ihre Hibema östlich des Rheines bereits abgezogen war. Der Mangel an leichtem Fussvolk und Reitern musste den Römern ganz besonders ver- derblich werden und desshalb hat Arminius mit seinem Angriff gewartet, bis das Heer des Varus diese für die Operationen in dem schwierigen Gelände unentbehrlichen Waffen eingebtlsst hatte. Der Ort ad caput Lupiae, wo die Römer unter Tiberius Befehl Winterquartiere nahmen, ist sicher schon vorher ein Auxiliarlager gewesen ■*^^), aber kaum eine "•) Vgl. Anm. 137. soi^ Für Raetien ist diese Form der Occupation bezeugt. Vgl. Westd. Korrbl. 1898, 180. "«) Velleius 2, 117. *^') Die Auxilia des niederrheinischen Heeres waren drei bis viermal 80 zahlreich als jene Auxilia in Varus Heer. Tacit. ann. 1,49 duodecim milia e legionibns — also nur die H&lfte der Legionstrappen — sex et vigint^ •ociae cohortes, octo equitum alae. *^ Ob dort Aliso lag, ist nicht sicher, aber doch sehr wahrscheinlich. Vgl. Mommsen R. Gesch. 5, 31, Anm. 1. Die Angabe des Tacitus ann. 2,7 cuncta inter castellum Alisonem ac Rhenum novis limitibus aggeribusque -l Igg V. Domaszewski Kopfstation, sondern vielmehr ein Knotenpunkt, wie Sopianae in Pan- nonien^*). Der technische Name für diese aus der Operationsbasis strahlen- förmig vorgetriebenen Militärstrassen ist Limes. Das zeigen alle Stellen, wo dieses Wort bei Schriftstellern der älteren Periode sich findet. Vell. 2,120 Penetrat interius, aperit limites. Tacit. ann. 1,50 Romanas siivam Caesiam limitemque a Tiberio coeptum scindit^, castra in limite locat, frontem ac tergam vallo, latera concaedibus munitus*®'). 2,7 cunota inter castellum Alisonem ac Rhenum novis limitibus aggeribusqne permunita. Germ. 29 limite acto promotisque praesidiis*^®). Frontin strateg 1, 3, 10 limitibus per CXX milia passuum actis. In allen diesen Stellen ist die Anlage von Strassen und ihre Sicherung durch Auxiliarlager voll- kommen deutlich. Mit der Provincialisierung des Heeres am Anfang des 2. Jahr- hunderts schwindet auch der kühne Offensivgeist der Römer. Hadrian ^®*) geht notgedrungen zur Sperrung der Grenze über, zur Zersplitterung der Auxilia in viele kleine Lager, die in starken Defensivstellnngen den Angriff abwehren sollen. Jedes Lager ist eine Festung mit 20 Fuss hohen *^®) Mauern, entsprechend tiefem Graben und mit zahlreichen Geschützen armiert. Die Möglichkeit, die Truppen zu wirksamem An- griff zu concentrieren, ist damit aufgegeben. Noch schwächer ist das permunita zeigt, dass es sehr tief im Innern des Landes lag. Auf die kurze Distanz von Haltern, wo man Aliso jetzt gefunden haben will, zum Rheine passen die Worte durchaus nicht. Eher kann das Lager bei Haltern das bei Tacit. ann. 2, 7 genannte castellum Lupiae flumini adpositum sein, das nach Nipperdej's richtiger Bemerkung von Aliso jedenfalls verschieden ist. Wenn auch bei Yelleius 2, 105, 3 in Germaniam, in cuius finibus ad caput Lupiae fluminis hibema digrediens princeps locaverat, das entscheidende Wort Lupiae nur Co^jectnr ist, so stimmt sie doch ausgezeichnet zu der Lage in der Mitte des von den Römern besetzten Germaniens. *^') Die Entfernung von Sirmium nach Sopianae ist ebenso gross, wie von Vetera nach Paderborn. '^*) D. h. die Strasse durch Lichten des Urwaldes vorschieben. *^^ Das sind die passageren Befestigungen der castra. Castra sind Auxiliarlager, ebenso wie castella. Vgl. G. HI 13796. *<»•) Auch praesidia sind Auxiliarlager. C. IH 3385. 10312. 10313. '^') Dass Hadrian das neue Princip begründet hat, ist ganz sicher für Britannien und den Aluta limes. C. HI 12604. 12605. 13795. 13796. Die Angabe der Vita 12, 6 wird dadurch nur bestätigt. *^^) Remusmauem, wie man sie auf der Saalburg rekonstruiert, hat es nie gegeben. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. IgQ Bemühen, die Sperre der Grenze durch zahlreiche kleine Werke (burgi) ZQ vervollständigen, die das Grenzheer in zahllose Posten zersplittert, das System des 4. Jahrhunderts'^'). Es gleicht durchaus den kläglichen Blockhauslinien der Engländer in Südafrika, dem letzten Notbehelf mangelnder militärischer Kraft. Aber me Constantin des Grossen Posten- ketten von Attilas Reitern in den Staub getreten wurden, so auch jetzt die Blockhauslinien von den todesmutigen Buren. Das Strassennetz von Moesia inferior ist aus der Donaustrasse entwickelt. Das Gentrum bildet Oescus, das in flavischer Zeit, als dieser Teil der Provinz Legionen zur Besatzung erhielt, das Hauptlager war'^^). Ein Stein des grossen Quadriviums, wo die Strassen nach Süden sich verzweigten, ist erhalten '^'). Diese Strassen stellen die Verbindung her mit der Hauptstrasse Thrakiens, Naissus-Perinthus^'^). Die direkte Strasse, welche von Almus***) nach Serdica führt, wurde bei Municipium Montanensium**®) von einer Strasse geschnitten, die von Oescus ihren Ausgang nimmt. Sie lief am westlichen Ufer des Isker nach Süden über Enica*^'') und ging dann in genau westlicher Richtung verlaufend ''*) über TlanSene'^') auf Municipium Montanesium. Auch von Augustae lief eine Strasse nach Süden, die bei Altimir*-®) durch eine Querstrasse nach Enica mit der von Oescus ausgehenden Hauptstrasse verbunden war. '^^) Vgl Procop's vernichtendes Urteil Arch. epigr. Mitt. 13, 141. Vollständig erhalten und von Brünnow kartographisch genau aufgenommen ist dieser Limes in Arabien. >^') N. Heid. Jahrb. 1, 198. Vgl. auch 14415 und den unedierten Stein: L. Septimias G. [f.] mi(le8) leg. V Mac. vix a. LX militav. a. XXX h. 8. e. Maeolia l(iberta) [et] coiux f. c. Der Legionär hat kein Gognomen, demnach ist die Inschrift spätestens unter Vespasian geschrieben. Dazu stimmt die Abkürzung mit dem Vokal mi(les), wie auf den alten Grabsteinen in Mainz. «") 12349. *^*) Nach Perinth f&hren alle Strassen Thrakiens in den Itinerarieu, weil diese Stadt der Sitz des Statthalters von Thrakieh^ ist. G. III 7394. 7395 und die Inschriften bei Kaiinka oest. Jahresh. I Beiblatt 115 ff. Des- halb die Bedeutung des Ortes im Kriege des Septimius Severus gegen Pes- cennius Niger Vita Severi 8 Dio 74, 6. Dessau ins^. sei. 1141. >"») 14208 Nemesi A\ß. '**) 7447 D^]ae et Apollini — conservatus ab eis. •") 13728 a. 222/235. *^^) Das Defil^ des Jsker ist unpassierbar. "•) 12520. ^) 13719 a. 222/235, der Speculator ist ein befördeter Beneficiarius. 190 ^* Domaszewfiki Dass der Strassenzng Almas - Serdica in unseren Itinerarien fehlt, ist bemerkenswert, weil in früherer Zeit die frumentarii diese Strasse nahmen "^). Fflr das Gebiet im Osten von Oescus giebt die Pentingeriana Angaben, die sich durch Grenzposten des vectigal lUyrici genau fixieren lassen. Oescus ad Putea Storgosia VII Uriouibus XI Melta X Melta Nicopolis L Sostra XIII ad Radices X Montemno VIII Sub Radice VII Philippopolis XII Die Richtung der Strasse Oescus-Nicopolis ad Istmm bestimmt genau die statio des Vectigals zwischen Butovo und Nedan'^*). Sie lief in ganz gerader Richtung, soweit das Gelände es zuliess. Denn die Entfernung Stari-Nicup-Gigen beträgt in der Luftlinie etwa 70 r. Meilen, also um 8 r. Meilen weniger als der Strassenzng***). Die Richtung der Abzweigung über den Haemus nach Philippopolis bestimmt die statio des Vectigals Giridava"*). Von hier ging die Strasse ganz gerade aber den Troianpass. Die Station Monte Haemo ist gesichert durch den Stein von Markovo Kapje***). Da die Entfernung von Philippopolis nach Giridava in der Luftlinie 95 r. Meilen beträgt, also in Wirklich- keit wegen des Gebirges noch bedeutend länger war, so ist leicht zu erkennen, dass die Distanz der Pentingeriana durch den Ausfall ganzer Stationen zerrüttet ist. Die Lage des Kreuzungspunktes Melta zeigte dass schon bei der Anlage der Strasse die Abzweigung nach Novae geplant war, also das Lager an diesem Orte, der später der Sitz des Statthalters war, schon bestand **•). »0 7420 (Almns) 12871 (Mn. Montan.). "«) 12346. 12346. 12407. '^) Ad Putea bezeichnet also den Aasgangspunkt bei Oescus selbst» keine Zahl ist ausgefallen. ••*) 12399. «•») 13724. ««•) Westd. Zeitschr. XIV, 110. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 191 Weiter östlich steht die Existenz eines Strassenznges, der von Marcianopolis nach Sexantaprista fahrte, fest durch das Cohortenlager bei Razgrad^'^^). Den ersten Teil dieser Strasse bis Aboba^'^) hat Karl Skorpil ermittelt. In Razgrad ist ein Stein gefunden, der einen Beneficiarios zu nennen scheint*^*) und auf eine Strassenkrenzang Ni- eopolis-Dnrostomm, die gar nicht gefehlt haben kann, hinweist. Das Strassennetz von Dacia nahm seinen Ausgang von den beiden Hauptquartieren der Operationsbasis während der Daner der Eroberungs- kriege. Da wo die beiden von Viminacium und Oescus nach dem Innern Daciens führenden Strassen sich vereinigen, liegt das Hauptquartier des dacischen Heeres, Apulum. Der natürlichen Beschaffenheit des Landes gemäss verzweigen sich von dem Mittelpunkte Apulum die Strassen den Flussthälem folgend strahlenförmig nach allen Seiten^'®). Die wenigen bekannten Beneficiarierposten finden sich an den Endpunkten dieser Strahlen im Varmezö"»), Also — Kosäly«*«j, Homröd Szent Märton«») und legen so die Vermutung nahe, dass die äussersten Castelle Daciens durch eine Gflrtelstrasse verbunden waren nach Art des obergerma- nischen Limes. Hispania citerior: Obwohl nur ein Beneficiarierposten bekannt geworden ist, so tritt doch die Bedeutung der statio ganz besonders deutlich hervor. Die Statio von Segisamo*^) ist der Punkt, wo die Strasse, die von Tarraco nach Westen führt, nach drei Richtungen auseinander geht"*): nach Asturica^**), nach Legio**^) dem Lager der "') 13726. 13727. '^ 7464 wird ein Beneficiarierstein sein. **•) 7463. Deo projpitio ApoUini. *^) Rhein. Mus. 1893, 240. ^^) 7645 L 0. M Dolicbeno a. 212/218. ^*) 822. L 0. M, Aurel. Mon[t]Anu8 [bf] cos leg. V piae ag[en8 in] 8t[atione] r[eg.] Aus. -- so ist zu lesen nach Analogie von 7633. 823 I. 0. M. et dis deabus omnibus. 825 Deae Nemesi sacrarium vetustate dilapsom a solo restituit 826. Deae Nemesi. 7633 Deae Nemesi Reg(inae} — agens sub. Sic. — Samum cum reg(ione) Ans . . . . a. 239. •») 7719. >^) C. n 2916 [I. 0. M. et genio] 8ta[ti]oni[8] Segisamonensium Aelius Maritimns bf. cos. ezedram cum basi [d.] s. p. f. *^} Im Itin. Ant. ist nur die centrale Lage des Punktes kenntlich ge- blieben, der inmitten des gemeinsamen Stückes der vier Strassen liegt. Durch die Art wie in C. 11 Suppl. Tab. I die Strassen eingezeichnet sind, wird die Bedeutung des Knotenpunktes ganz verdunkelt. »•) Itin. 449, 6. »') Itin. 394, 5. 192 V. Domaszewski legio VII Gemina, und nach Burdigala^^®). Die Ursache, warum die Strassen sich gerade hier verzweigen, ist historisch gesichert. Segisamo war das Hauptquartier des Kaiser Augustus während des langwierigen Eroberungskrieges gegen die Asturer und Callaeker '***). Auch späterhin hatte bis auf Claudius die legio IV Macedonica in unmittelbarer Nähe ihr Standquartier^**^). Britannia: Für diese Provinz ist das Strassennetz durch die Itinerare so genau überliefert, dass die ursprüngliche Bedeutung der Strassen als Verbindungsglieder der Truppenlager von selbst hervor- tritt**^). Londinium, das Hauptquartier der Okkupationszeit***) ist als Ausgangspunkt des ganzen Systems leicht kenntlich. Das Festungs- viereck zum Schutze des okkupierten Gebietes wird gebildet von den Legionslagern Isca Silurum und Deva im Westen, sowie von dem Le- ^ gionslager Lindum und der Veteranenkolonie CamulodunuV^m im Osten **'). Auf der ursprünglichen, gradlinigen Verbindung Londinium-Isca Silurum liegt bei Dorchester an der Themse ein Beneficiarierposten^**). Die Strasse ist in den Itinerarien nicht verzeichnet. Südlich von dieser \ •»8) Itin. 454, 2. *"*) Orosius 6, 21, 3 Caesar aput Segisamam castra posuit. = Floras 2, 33 ipse venit Segisamam, castra posuit. *«o) Rhein. Mus. 1890, 6 und arch. epigr. Mitth. 15, 189. Das Heeres- kommaudo in Hispania ulterior bestand noch bei dem Tode des Lucius Caesar. Tacit. ann. 1, 3 : Lucium Caesarem euntem ad Hispaniensis exercitus, denn der Plural exercitus beweist für die Existenz zweier Provinzialheere (Neue Held. Jahrb. 4, 184). Erst nach der Varusschlacht hat Hispania ulterior sein Heer verloren, das am Rhein die Legionen ersetzte, welche in der Varusschlacht vernichtet worden waren. [Es sind dies die Legiü I, Legio II Augusta, Legio V Alaudae. Dass sie in augusteischer Zeit in Spanien standen ist sicher bezeugt (C. H Suppl. p. LXXVIIl und meine Bemerkungen bei Dessau inscr. sei. 2644). Da die Leg. I keinen Beinamen hat, die II. und HI. nach Augustus heissen, so wird die I. jene Legion sein, welcher der Beiname Augusta im cantabrischen Kriege entzogen wurde. Dio 54, 11 \ (vgl. auch Wesd. Korrbl. 1893, 262). Über den normalen Ersatz des Rhein- heeres durch spanische Legionen vgl. Rhein. Mus. 1892, 217. •") Vgl. die Karte in C. VH. **') Der Ort, wo das Heer des Suetonius Paulinus, nachdem es die Themse nahe der Mündung überschritten hatte, die Ankunft des Claudius im Lager erwartet, kann nur Londinium sein, da das nächste Operations- ziel Comulodunum ist Dio 60, 20. 21. "«) Rhein. Mus. 1893, 342. ***) C. VII 83 I. 0. M. et Numinib. Aug. M. Vari. Severus b. cos aram cum cancellis d. s. p. Arch. Ael. 48 (1890) p. 14 sep. I. 0. M. et dis patri(is). Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 193 Linie ist an dem wichtigen Ereuzungspunkte Venta Belgarum, nahe der Meeresküste der Posten nachzuweisen^**); ebenso an dem Punkte der Verbindungsstrasse zwischen Isca Silümm und Deva, Yiroconium, wo die von Londinium nach Nordwesten führende Strasse einmündet^**). Reicher ist die Überlieferung für den nördlichen Teil der Provinz. An dem Punkte, wo im Norden die Strasse, welche von Eburacum nach dem Valium Hadriani führte, sich in zwei Äste spaltet, bei Ca- taractonium stand ein Beneficiarierposten^^). Am östlichen Aste findet sich bei der Station Vinovia wieder ein Posten **®), der eine Abzweigung nach dem östlichen Ende des Valium Hadriani, Segedunum anzeigt. Auch in Lanchester^*®) auf derselben Strasse ist ein Posten bezeugt, so dass auch hier, wahrscheinlich nach Pons* Aelii eine Strasse abbog. Der Posten jenseits des Valium Hadriani bei Habitancium^^) weist auf Seitenstrassen hin, vielleicht nach den beiden Enden des Valium Pii. Der Posten von Borcovicium **^) bezieht sich auf eine mittlere Strasse, die das Valium Hadriani mit dem Valium Pii verband. Am Eigen- tümlichsten ist der Posten bei Lavatrae an dem westlichen Aste, der von Cataractonium nach Luguvallium führt. Die Beneficarii bezeichnen sich ausdrücklich als beneficiarii consularis provinciae superioris^^'^). Die Teilung Britanniens in zwei Provinzen, die konsularische Südprovinz Britannia superior und die prätorische Nordprovinz Britannia inferior hat nach dem unanfechtbaren Zeugnis des Herodian ^') Septimius Severus nach der Besiegung des Albinus verfügt. Sowohl in Gretabridge *^) als in Bowes ^'*), die beide etwa dem Lavatrae des Itinerars entsprechen, werden Statthalter des Septimius Severus genannt, die nach dem Con- ^ 5 Matribus Italßjs Germanis Gal(li8) Brit(anni8). ^) 156 G. Mannius C. f. Pol. Seeuodas Pollen, mil. leg. XX anoru. LH stip. XXXI ben(eficiaria8) leg(ati) pr(ovinciae) h. s. e. **') 271 Deo qui vias et semitas commentus est — bf. cos aram sacram restituit. a. 191. Vgl. Itin. Ant. 465, 2 » 476, 2. 468, 2. s«8) 424 L 0. M. Deab. matrib. [01]lot(oti8) zu verbessern nach Arch. Ael. 48 (1890) I. 0. M. et matribus Ollototis sive Transmarinis. «*•) 441 Deo Silvano. »0 996 Deo Mogonti Cad. . . et n. d. n. Aug. M. G. Secundinus bf. 008. Habitanci prima 8tat(ione). "*) 645 Deo Soli invicto Mytrae saeculari. ««) 280. 281 (Eph. ep. 8. p 314). iw^ Vgl. Hübner C. VH p. 4 und meine Bemerkungen Rhein. Mus. 1890, 206. "*) Pros. 1 p. 48 n. 377 Alfeniua Senecio. «•») Pros. 3 p. 466 n. 479 Virius Lupus. 194 V. Domaszewski sulate zu ihrem Amte gelangten; sie müssen nach den strengen Regeln römischer Ämterordnung Britannia snperior verwaltet haben. So be- fremdend es erscheint, der Ort Lavatrae mass, obwohl soweit nördlich gelegen von Ebnracum, dem Hauptquartier der Britannia inferior, der Gontrolle des Consularis der Britannia superior unterworfen gewesen sein. Wir wissen, dass von Mancunium an der Strasse Deva-Eburacum eine militärisch besetzte Strasse^ nach dem westlichen Ende des Valium Hadriani lief. Diese Strasse wird mit der Strasse Eburacum- Luguvallium durch eine Querstrasse in Verbindung gestanden haben, die von Longovicium^^^) über Bremetenacum nach Lavatrae fahrte, also eine nördliche Parallelstrasse zu der Strasse Deva-Eburacum. Der Grund warum gerade die Strasse, welche aus der Gegend der beiden Valla über Longovicium und dann die Kttste entlang nach Deva führt, der Gontrolle des Consularis der Provincia superior unterstand, liegt darin, dass Deva das Hauptquartier der Provincia superior ist^^^). Germania inferior*^^). Die geringe Breitenausdehnung der Provinz hindert die Entwicklung eines ausgedehnten militärischen Strassen- netzes. Alle Strassen sind auf die Basis der Uferstrasse längs des Rheines bezogen. Erkennbar sind an der Uferstrasse die Posten in Quaalburg«««), Vetera««^), Asciburgium «««), Köln««»), Bonn"*), Ober- winter*®*), Remagen*^), die alle auf das Einmünden von Strassen aus dem Innern der Provinz zu beziehen sind. Von den landeinwärts ge- legenen Punkten sind das Quadrivium von Tolbiacum ^<*') und der Be- "•) Itin. 481, 2. *^') 286 Deo sancto Marti Gocidio. '*") Deshalb ist es ein Lager zweier Legionen. Vgl. Rhein. Mus. 1893, 342. Meine frühere Ansicht über den Lauf der Grenze hat bereits Haver- field, Archaeologia Oxoniensis 1894, berichtigt. '**) Für den Lauf der Strassen kann auf die trefflichen Untersuchungen von F. W. Schmidt Bonn. Jahrb. 31 verwiesen werden. «••) Br. 166 Quadru[bii8] et Genie lo[ci] . . Flavius Severus vet, leg. X[XX] U. V. •") Br. 205 I. 0. M. et Genio loci. "•) Br. 231 a. 230. >•*) Br. 399 I. 0. M. et Genio loci, ebenso 430-432 a. 228 a. 236 a. 243. >•«) Br. 512 I. 0. M. et Genio loci a. 182. 513 I. 0. M. et Genio loci dis d(eabu8)q(ae) omnibns a. 214. Bonn. Jahrb. 105, 178. "*) Br. 642 u. 643 Herculi. «••) Br. 647 I. 0. M. et Genio loci et Rheno a. 190. "») Br. 550 Quadrubiis. Die BeneficiarierposteD und die römischen Strassennetze. 195 neficiarierposten von Belgica*®^) als Strassenknotenpunkt völlig deutlich. Ein dritter Erenzangspnnkt lag nördlich von Blankenheim, bei Netters- heim^^^), wo jedenfalls Strassen nach Bonn und Remagen abgingen. An der Grenze von Niedergermanien stand ein Posten ^^^), ebenso am BrQckenkopf bei Dentz Köln gegenüber ^^*), am Ausgang der Rhein- brücke*'*). Am merkwürdigsten ist der Fund eines Quadriviensteines in Köln*^^). Nach Zangemeister wurde der Stein gefunden, Ecke der Ehrenstrasse und der Albertusstrasse. Wie die schönen Aufiiahmen der Mauern und Thore des alten Köln von Schnitze und Steuemagel *^^) lehren, liegt der Fundort vor dem nördlichen Thore der Westseite. Bei dieser eigentümlichen Lage des Fundortes liegt kein Grund vor, eine Verschleppung anzunehmen. Gerade das Verhältnis dieses Thores zu den Bauten des Prätoriums und dem Flussthore des Kastells zu Deutz bestätigt, dass in der Gegend des Fundortes das Quadrivium der Colonia lag. Dann wird man annehmen dürfen, dass eine Linie, die von der Mitte des Flussthores des Kastells Deutz durch die Mitte der Ruinen am Rathaus geführt wird, die Mitte der alten Colonia bezeichnet. Die Länge dieser Mittellinie bestimmt der Abstand vom Rathaus zum Fundort des Quadriviums. Man wird annehmen können, dass die alte Colonia ein Quadrat von etwa 900 Meter Seitenlänge bildete. Das Hauptthor der Befestigung jener Zeit lag dann dem Prätorium gegen- über, etwas südlich von dem Fundorte des Quadriviensteines*^*). Germania superior*'*). Den Mittelpunkt des Strassensystems bildet das Hauptquartier Mogontiacum. Das Quadrivium des Lagers lag unweit des früheren Klosters Dalheim, an der porta decumana. Hier trafen die Hauptstrassen von Köln, Trier, Strassburg zusammen. "•) Br. 626 I. 0. M. et Genio loci. M*) Bonn. Jahrb. 101, 181 [in h.] d. d. [sanctis] simis ma[tribu8] Pri8cini[anu8 bf. cos.] leg. I. M. [p. f. aram pr]o se et sais [omnibus p]08uit ex [voto] a. 237. '^) Br. 649 Finibus et Genio loci, ein Doppelposten. Ebenso an der ober- germanischen Seite des Baches Bramb. 650 I. 0. M. et Genio loci Innoni reginae. "») Bonn. Jahrb. 73, 68 L 0. M. et Genio loci. **») Vgl. oben S. 186. •»«) Westd. Korrbl. 12, 106 vgl. 180. Westd. Korrbl. 7, 182. "*) Bonn. Jahrb. 98. "') Die spätere Stadtbefestigang hat mit der ursprünglichen Umfas- sungsmauer nichts gemein. Vgl. Lehner, Westd. Zeitschr. XV, 263. ***) Zu grossem Danke bin ich Zangemeister verpflichtet für die Er- laubnis, die Aushängebogen von G. XIII einsehen zu dürfen. 196 V. Domaszewski Bezeichnet ist die Stelle darch den Fundort einer Inschrift Brambaob 1139 (= a) + 1263 (= b). Nach Fuchs wurde a) im 1769. Jahre in dem Jungfrauenkloster Di^heim bei Mainz unter den Trümmern der bei dem Brande zusammengebrochenen Mauer gef. b) a. 1769 nach dem Brande im Kloster Dalheim bei Mainz an der Brandstätte der ab- gebrannten Scheuer ausgebrochen worden. Man braucht die Fragmente nur übereinander zu setzen, um zu sehen, dass sie eine Inschrift bilden '^^). L A R I B V S COMPETALI a B V S S I V E IST'FL-CASTVS b B E • C 0 S C • V I L • P • Diese Inschrift lehrt, dass die Lares compitales in den Provinzen zu Quadriviae umgetauft wurden, um den Kult der römischen Weg- kreuzungsgötter den Provincialen verständlich zu machen ^^^) und dass die Verbreitung des Kultes eng mit den römischen Institutionen des Heeres zusammenhängt*'*). Wo dieser Kult auftritt, liegen Kreuzungs- punkte römischer Militärstrassen. Merkwürdig ist die Nennung des vilicus, Z. 7 c(um) vil(ico); ein Beweis, dass hier am Quadrivium eine Zoll- linie liegt, die unmittelbar hinter dem Lager beginnend, das Lager selbst ausschliesst*^). Auf der Strasse nach Süden lag ein Quadrivium in Speier ^^). Ein Beneficiarierposten ist in Germersheim nachzuweisen^^'). ''^) Fuchs hat später ein Fragment, das *am 54. Pfeiler der Wasser- leitung lange hernach gefunden wurde' ALIBVS SAG mit a) verbunden. 1 p. 64. Aber er hat darin geirrt. Die Zusammengehörigkeit der Fragmente erkannte ich daran, dass zu b) sich keine passendere Gottheit, zu a) kein passenderer Dedicant ergänzen Hess. [Die beiden Steine bnfinden sich jetzt im Museum zu Cassel. Nach einer gütigen Mitteilung Boehlau's passen die Fragmente aneinander.] *^*) In Rom und Italien giebt es keine Quadriviae. *^*) Der Stein Br. 1107 Bibis Tribis Quadriviis lul. Bellicus vetra. leg. XXII p. p. f. stand ursprünglich auch am Quadrivium. Dagegen Westd. Korrbl. 1896 p. 82 Deab. Aufan(iabus) et Tutelae loci — bf. cos. a. 211 stammt wegen der Tntela loci wohl nicht aus einem Gebäude des Lagers. >8o^ Vergleiche die ähnlichen Verhältnisse an der Donau arch. epigr. Mitth. 13, 140. "*) Br. 1643 Biviis Triviis Quadruviis. Nach der Fundnotiz des Accur- sius gehört der Stein, wie Zangemeister C. XIII 6096 bemerkt, nach Speier. *"') Br. 1835 Deae Maiiae aedem a solo fecit. Über seine Bedeutung vgl. unten S. 200. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassen netze. 197 In Ar^entoratnm ist der Standplatz des Quadrivinms genau bekannt ^^). Es lag vor der porta principalis sinistra des Lagers*^*), wo die Strasse Angusta Rauracorum-Diviodaram, die linksrheinische Hauptstrasse schnitt. Diese fällt also mit der via principalis des Lagers zusammen. Über den vnchtigen Strassenknotenpunkt Augusta Rauracorum fahrt die Mi- litärstrasse durch die Schweiz nach den Alpenpässen. Auf dieser Strasse ist in Salodnrum der immunis consularis nachzuweisen, der über den Hand- und Spanndienst dieser Station die Aufsicht führt '^^). Auch an dem Qaadrivium von Aventicum *^*), wo die Strasse nach Vesontio ab- bog, wird ein Posten gestanden haben. Sicher nachzuweisen ist er in Viviscum*®'); hier trennen sich die Strassen nach dem kleinen und dem grossen St. Bernhard. Die Militärstrasse ist jene, welche über den grossen St. Bernhard nach Mailand ftlhrt. Deshalb finden wir in Tarnaia den Altar des Beneficiarius**®). Hier zweigte eine Strasse durch das Rhonethal nach Drusomagus Sedunorum ab. Die Beneficiarier und Soldaten des Rheinheeres und damit die Spuren, dass die Strasse unter der Oberleitung des Statthalters von Germania superior stand, finden sich noch auf der Passhöhe, wo der Altar eines a com(mentariis) co(n)s(ularis) gefunden wurde*®®). Dass die Strasse für militärische Zwecke in vor- züglichem Stande war, zeigt der Marsch des Alienus Caecina, der mitten im Winter mit einem Heere von 30000 Mann den grossen Bernhard überschritt. So ist diese Strasse auch der Weg der kaiserlichen De- M») Br. 2072 Quadr(uvÜ8). *Mj Denn der Fandort des Steines Br. 1883 (Vgl. Westd. Z. 14, p. 2^ und 102) bestimmt die Lage der Principia; demnach bezeichnet der Fundort des Qaadriviensteines, wie aach Zangemeister zu C. XIU 5971 bemerkt, sar la Place Saint-Pierre-le-Jeune, den Platz vor dem Lagerthore. >•*) Inscr. Hei. 219 Deae Eponae Ma pilias Bestie m. [l]eg. XXII Antoni[ni]anae p. f. immu[ni]s cos. curas afgejns vico Salod. a. 219. •»•) Inscr. Hei. 157. 158. '*') C. XII, 164: Der Stein wurde aus der Mauer, in der er stak, herausgenommen. Es ist deutlich zu sehen, dass er rechts gebrochen ist. Demnach ist zu ergänzen: Deo Silvano L. Sper(atia8) Ursulas benef(iciarias) leg(ioDis XX[II pr. p. f. do]n. ded[it]. Der Altar ist dem Silvanus ge- weiht, weil der Seerand mit Wald bewachsen war. Er stand vor einem Heiligtum. Denn an derselben Stelle ist eine treffliche, griechische Bronce (im Mttseam zu Yevey) mit dem Typus des lysippischen Poseidon gefanden. Es ist der keltische Seegott, römisch Neptun. Vgl. Westd. Eorr.-Bl. 1896, 234. An demselben Orte steht heute eine christliche Kirche. *^) C. Xn, 144 Genio stationis a. 222. Vgl. Hirschfeld a. a. 0. >**) C. y. 6867. Es ist ein beförderter Beneficiarius. 198 ^* Domaszewski peschentrÄger^^). Wie in Britannien greift auf dieser Militärstrasse die Kontrolle des Statthalters von Germania snperior weit über die Grenzen seiner Provinz hinaus. Dieselbe Erscheinung zeigt sich an der Grenze der Gallia Lugdunensis. Auf der Strasse, welche von Augusta Rauracorum tlber Yesontio nach Cavillonum fahrt, stand in Gavillonum ein Grenzposten^^). Hier gabelt sich die Strasse in zwei Äste, der eine fahrt nach Lugdunnm, der andere nach Augusta Treverorum. Auf beiden Strassen standen Beneficiarierposten, gegen Saden in Matisco^^^), gegen Norden in Tilena*^^). Die beiden Soldaten bezeichnen sich ans- dracklich als Principales des Gonsularis von Germania superior. Die Nennung der Provinz ist ein sicheres Zeichen, dass der Ort nicht mehr zu Germania superior gehört^*). Auch in der Belgica stand in Trier selbst ein Beneficiarierposten des obergermanischen Heeres ^^^), so dass auch hier die Eontrolle des Strassendienstes aber die Grenzen der Provinz hinausgriff. Im rechtsrheinischen Gebiete sind deutliche Spuren der älteren Form militärischer Ocupation erhalten in dem strahlenförmigen Bau der Strassen. Den Ausgangspunkt für die Strassen nördlich des Maines bildet das Castellum Mattiacorum ^. Die Hauptstrasse führte über Heddemheim nach Friedberg ^*^); dies war die Eopfstation der Offensiv- '*^) C. y. 6869 frumentarius legionis III Italicae. Die anderen Sol- daten, welche auf der Passhöhe Altäre errichtet haben, gehören dem Rhein - heere an. G. Y. p. 761. Der eques legionis Uli Macedonicae köntite zar Zeit von Alienus Caecinas Marsch den Altar gesetzt haben. ">) C. XUI p. 408. '**) C. XUI 2Ö96 miles leg. YIII Aug. Alezandrianae candidatus; der Gandidatus ist ein beförderter beneficiarius consularis. Ygl. Arcb. epigr. M^ih. 10, 19. "») C. XUI 5609 (= Borgh. oeuv. 8, 105) [I.] 0. M. et Genie loci Q Ta . . ins Satominus bf. Caesemi Statiani cos. a. 150. 5621 (« Orelli 2105) [in] h. d. [d.] [dejis dea[bu8] Bivis, Trivis, Quadrivis AureL Yictorinus mil. leg. XXII pr. im. cos. Ger[m.] superioris a. 226. **^) Ygl. oben Britannia. Besonders deutlich wird dies in Dalmatia, wo die aus den benachbarten Provinzen abkommandierten Beneficiarii wieder- holt die Provinz nennen, derem Heere sie angehören. Anm. 86. 98. 101. Ygl. Rhein. Mar. 1890, 211. "») Br. 777 in h. d. d. L 0 M T. [A]ur Masgilflus) et Ae[l] Yict(or) b(ene)f(iciarii) leg(ioni8) YIII Aug. v. 1. m. Es ist ein Doppelposten wegen der Bedeutung des Ortes. Ygl. Anm. 127. 270. '**) Br. 1325 Mercurio Pat. Sanctinus imm(unis) co(n)suIaris a. 183. **') lieber die rechtsrheinischen Strassen. Ygl. Sarwey Westd. Zeit- schr. 1899, 1 und 93 ff. Die BeDeficiarierposten und die römischen Strassennetze. 199 linie gegen die Chatten. Seit wir wissen, dass der Ort noch in der civitas Taunensium lag^, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Kastell, welches immer der Mittelpunkt de^ Taunusstellnng ge- blieben ist, in den Worten des Tacitus zu erkennen ist Ann. 1, 56 posito castello super vestigia patemi prsesidii in monte Tauno'^). Ob die Römer den Ort nach Germanicus wieder geräumt, erscheint mir mehr als fraglich, da das Kastell am Knotenpunkt Heddemheim unter Tiberius sicher besetzt war*^). Die Friedberg entsprechende Kopfstation am Main ist Kesselstadt. Als ein Lager der älteren Periode gesichert durch sdnen grossen Umfang ^^), der deutlich die Bestimmung erkennen lässt, eine grössere Zahl von Auxiliarformationen aufzunehmen. An der Strasse westwärts den Rhein entlang läuft der Strahl über Wiesbaden nach Heddesdorf, die beide als Auxiliarlager der ältesten Periode zu betrachten sein werden. An dem Knotenpunkt Heddernheim, dessen Bedeutung bei dem späteren Ausbau der Strassen noch wuchs, steht der Beneficiarierposten*^), ebenso in Friedberg ^, wo die Strassen sich strahlenförmig nach den Kastellen der Gürtelstrasse verzweigen. Nicht an allen Kastellen der Gflrtelstrasse wird der Übertritt aus dem Yorlande in das durch die Gürtelstrasse geschützte Gebiet gestattet gewesen sein. Auch der Handelsverkehr wird sich auf wenige Punkte be- schränkt haben '^). An diesen Punkten standen, wie an den Brücken- köpfen der Grenzflüsse, Beneficiarierposten. Ein solcher Punkt wird das Kastell Butzbach gewesen sein, wo der Quadriviumaltar erhalten ist*"*). Die Gürtelstrasse und damit die Sperrung des von der Gürtel- strasse unmittelbar gedeckten Gebietes wird nach der Analogie ähn- licher Anlagen in anderen Provinzen auf Hadrian zurückzuführen sein. '*') Gesichert durch den nenentdeckten Meilenstein aus Friedberg. Westd. Korrb). 1902, Nr. 4. '**) An die militärisch ganz unbedeutende Saalbnrg kann gar nicht gedacht werden. Auch ist es ein CaBtell der Gürtelstrasse. *<^) Die Inschrift Br. 1480 gehört der Zeit an, wo die Cohorte noch nach ihrer ursprünglichen Bildung aus Freigelassenen bestand. Errichtet wur- den die Gehörten dei^ Yoluntarii, während des pannonischen Aufstandes. Vgl. Mommsen St. R. 3, 449. s«») Limes Nr. X. '^*) Br. 1492 Genio sancto a. 213. 1444 Genium plateae novi vici cum edicula et ara — imm(une8) cos. a. 230. »»•) Westd. Korr.-Bl. 1894, 185 Deabus Quadrubis; 187 Soli invicto imp(eratori); Virtuti invicti imp(eratori8). »•*) Vgl. oben S. 186. 195. «>») Br. 1419. Westd. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, II. 14 A 200 V. Domaszewski Damit ist aber keineswegs gesagt, dass die Reicbsgrenze da läuft, wo der letzte römische Posten steht ^. Von Castellam Mattiacomm führte eine Strasse etwa bei Hochheim i ^ tlber den Main, nm am südlichen Ufer bei Bich^ofsheim sich in zwei Äste zn gabeln. Bei diesem Qaadrivium*^^) zweigte eine Strasse in genan östlicher Richtung nach der Eopfstation Stockstadt ^ am Main ab. Hier stand in älterer Zeit ein grosses Auxilarlager, als Schutz der Eopfstation. Nach Süden führt die rechtsrheinische Strasse über eine Reihe von Zwischenstationen nach Offenbnrg. Erkennbar sind die Kreuzongspunkte : Lorsch^, hier mündet eine Strasse, die von dem Kastell in Worms ihren Aasgang nahm, dann Heidelberg *^^), wo der Beneficiarierposten an der Neckarbrücke, den Ereuzungspunkt der von Worms und Speier einlaufenden Strassen mit der rechtsrheinischen be- zeichnet. Militärisch besetzt war der Punkt sicher schon in vorflayischer Zeit'^'). Hierauf folgt Stettfelden *^^), das in sicherer Beziehung zu dem Beneficiarierstein Germersheim steht^^^). Erkennbar ist auch der Ereuzungspunkt bei Durlach *^^) und wahrscheinlich eine Strassengablung bei Pforzheim *''). In Offenburg sichert der Grabstein des Centurio einer *^) Die zahlreichen Durchgänge an der Gürtelstrasse, wie ich sie unter Loeacbkes freundschaftlicher Führung im Becken von Niederbiber ge* sehen habe, dienten dem Nachbarverkehr. Denn die römischen Bauern und auch die Garnisonen nützten das Land zu beiden Seiten der Gürtelstrasse. Vgl. die bekannte Angabe des Tacitus ann. 13, 54 von den Ländereien am östlichen Ufer des Niederrheines, agrosque yacuos et militum usui repositos. ^^ Br. 1883. Bivis Trivis Quadrivis Ael. Demetrius (centurio) leg. XXII. Pr.; er ist, wie in so vielen Fällen, ein beförderter Beneficiarius. ^j Westd. Eorr.-Bl. 1898 p. 195. L 0. M. [Isis Serapis] conserva- tori ceteris dis deabusque et Qenio luni Yictorini cos. G. Secionius Senilis bf. cos. p. 197. I. 0. M. lunoni reg. Dis deabu8q(ue) omnib. et Genie loci. Anthes Mainthal (1899). I. 0. M. lunoni reginae Mercurio et Genio loci a. 167. und sahireiche andere Altäre der BeneficiariL ^ Br. 1386; nach Zangemeisters Copie Bonn. lahrb. 83, 134 . . et Trib(üs) Qua(dribii8) Cas(ibu8) . . pro sal. dd. n. n. . . . kann sehr wohl ein Beneficiarierstein sein. 'i<^) Westd. Eorr.-B). 1890 p. lOJ^ I. 0. M. aram et columnam. *") Ein eben gefundener Grabstein eines Soldaten der cohors XXIY. Voluntariomm zeigt deutlich die Schriftformen der älteren Periode. Vgl. Br. 1700 (centurio derselben Cohorte). ">) Br. 2061 in h. d. d. deabusque Quadmbis. »") Vgl. oben Anm. 282. ''^) Wes^. Eorr.-Bl. 1898 p. 34 Veteranenstein. •") Br. 1688 I, 0. M. Doli[c]eno L. Verat. Patemus m.[l]eg. V[III] Aug. Es ist vielleicht ein immunis consularis. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 201 Auxiliarcohorte*^^) zugleich ein Auxiliarlager an der Eopfstation des von Mainz am rechten Rheinufer nach Saden fahrenden Strahles^*''). Als durch Traian*^®) Lopodunum zum Vorort des ganzen rechtsrheinischen Gebietes erhoben wurde, gewann der Ort auch als Ereuzungspnnkt der Strassen eine Bedeutung, die die Stationierung eines Beneficiarius be- dingte'^^). Es muss Lopodunum geradezu als der Centralpunkt des ganzen Verkehres zwischen dem linken Rheinufer und dem Gebiet am obergermanischen Limes betrachtet werden ^^). Von Vindonissa ist ein Strahl aber den Rhein nach Norden geführt worden, dessen Eopfstation das grosse Auxiliarlager von Rottweil bildete. Ein Eolonnenweg, der die beiden Eopfstationen des Strahles von Mainz, Offenburg und des Strahles von Vindonissa, Rottweil yerband, wird immer bestanden haben, um das Zusammenwirken der Truppen zu sichern. Aber eine Militär- strasse Ober den Schwarzwald hat erst Vespasian erbaut. Dies lehrte Zangemeisters Entzifferung des Offenburger Meilensteines '''^). Dass das Ziel dieser Strasse nur Rätien gewesen sein kann, hat Zangemeister gezeigt. Doch möchte ich der von ihm als minder wahrscheinlich be- zeichneten Ergänzung in r[ipam Danuvii] den Vorzug geben, da bei solchen Strassenbauten auch sonst eine bestimmte Grenzlinie angegeben wird*"). Wo die Strasse die Donau erreicht hat, lehrt die Peutingeriana. Denn in ihrem weiteren Verlauf ist jene Strasse eben die Strasse der Peutingeriana, die von Arae Flaviae (Rottweil) nach Abusina an der "") Br. 1684. VgL Ephem. epigr. V p. 244. ^") Da Offenburg der südlichste Punkt der römischen Besatzungen am rechten Ufer blieb, so erklärt dies das fast völlige Fehlen römischer Denkmäler am rechten Rheinufer südlich nach Basel zu. "^ Vgl. Zangemeister Westd. Zeitschr. 3, 246 ff. und N. Heidelb. Jahrb. 3, 1 ff. '**) Die in Alta ripa zum Festungsbaue des Eaisers Valentinian ver- wendeten Steine stammen, auch nach Zangemeisters Ansicht, aus Lopodunum Br. 1791 in . h. d. d. Genio b(ene)f(iciariorum) co(n)8(ulari8) G(ermaniae) 8(uperioris) et loci et Concord(iae) var(iarum) stat(ionum). — So Mommsen arch. Zeit. 1868 p. 62 — a. 181. Br. 1793 = G. XIII 6133 immunes l[ibnirii] nach 2^gemei8ter8 Lesung und Ergänzung. "^) Dies zeigt die Weihung an die Concordia variarum stationum und so erklärt sich wieder die nicht minder vereinzelte Nennung des Genius der Benefidarii consularis Germaniae snperioris. Vgl. Westd. Zeitschr. 14, 107. •»') Westd. Zeitschr. 3, 247. »«•) Vgl. oben .8. JB ff. C. III p. 2304 a finibus Syriae ad mare H rubrum C. V 8002 ab Altino nsque ad flumen Danuvium C. II p. 626, 993 a Baete et iano Auguste ad Oceanum. 14* 202 V. ]>omaszewski Donau fahrt. Den ältesten Limes Rätiens bildete die aagosteische Militärstrasse Vindonissa-Brigantium-Augnsta Vindelicam-Pons Aeni''^'). Aber nach dem Okkupationssystem jener Zeit, werden die Römer gleich dem Strahle, der von Vindonissa nach Rottweil führt, noch andere Strahlen gegen die Donan vorgeschoben haben, so dass die Donau die äusserste Grenze der Okkupation bildete. Der glQckliche Fund von Köngen^'^) hat den Lauf der Strasse der Peutingeriana nördlich von Arae Flaviae genau gesichert. Der Meilenstein Hadrians, welcher bis Köngen 29 r. Meilen misst, sichert die Lage Sumelocennas bei Rotten- burg und bestimmt den Lauf der Strasse. Die an demselben Orte ge- fundene Inschrift i. h. d. d. I. 0. M. plati8eda[nni]****) civitatis Sume- locene(n)s(is) -^ nach Zangemeisters Ergänzung — vici 6rinar(ionis) maceriem d(e) s(uo) p(osuerunt) beweist, dass der Mittelpunkt des vicns Grinario in Köngen lag und die Ziffer der Peutingeriana, die als Distanz zwischen Sumelocenna und Gnnario nur XXII r. Meilen angiebt, ent- sprechend der Ziffer des Meilensteines zu ändern ist. Diese Auffassung ist um so wahrscheinlicher, weil sich das Gebiet von Grinario noch weiter nördlich erstreckte. Denn in der Inschrift aus Cannstadt Bramb. 1576 ist zu lesen : in h. d. d. lovi et lunoni reg(in8e) et Genio loci et G[rina]rionis Sep(timius) Verus mil(es) leg(ionis) XXII [pr. p. f.] Antoninian« b[f]. ^Qs884b^ Von Köngen ging die Strasse nach Cannstadt, in dessen Nähe C]arenna anzusetzen ist und dann ostwärts dem Laufe des rätischen Limes entlang ^'^). Damit ist die Kopfstation des Strahles Vindonissa- Rottweil nach Cannstadt vorgeschoben, wo eine Strasse westwärts über Pforzheim nach dem Rheine abging'*^) und nach Norden die Strasse längs der Kastelle am Neckar. Da der Beneficiarierposten nicht nur in Cannstadt ***^^) sondern auch in Köngen*^®), bezeugt ist, so ist auch '") Vgl. oben S. 165. "*) Lachenmayer, Westd. Korr.-Bl. 1900 Sp. 33 ff. West. Zeit. 1901, 5. "^) Auch auf dem Clichd bei Haug-Sixt, Die röm. Inschr. und Bildw. Wfirtt. p. 383 n. 497 ist am Schlüsse der Zeile 2 der Kopf eines A ganz sicher. '*^b) Der Stein war jedenfalls beschädigt, da die Beinamen der Legion nicht fehlen konnten. Die Zeilenabteilung Apians hat keine Gewähr. "') Der Genius loci ist nicht identisch mit dem genius von Grinario, das eben südlich an das Gebiet von Clarenna angrenzt. "•) Vgl. Anm. 315. "') Br. 1577 in. h. d. d. Biviis Trivis Quadrivis a. 221. Br. 1575 in h. d. d. lovi et lunoni Reg [et] Genio loci et d(ei8) d(eabus) omnibus a. 213. Br. 1574 in h. d d. I. 0. M. Genio loci et Fortunae dis deabusque a. 223. und die Inschrift oben im Texte. "«) Westd. Korr.-Bl. 1882 p. 69. [1.] 0 M [D]o[liche]no. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 203 in Köngen eine Strasse ^^e^wärts abgegangen, wahrscheinlich aber Ur- m spring nach Faimingen^^^^). Bei dieser nachweisbaren Entwicklang der Grenzverteidigüng bis auf Yespasian, scheint auch die Frage nach dem Laufe des von Domitian angelegten Limes endlich eine befriedigende Antwort zu finden. Beide Nachrichten, die wir über die Anlage dieses Limes besitzen, lassen sich ohne Zwang anf die Militärstrasse beziehen, welche die beiden Eopfstationen Stockstadt und Cannstadt verbindet, auf den sog. inneren Limes. Front, str. 1, 3, 10 Imperator Csesar Domitianus Augustus, cum Germani more suo e saltibus et obscuris latebris subinde impugnarent nostros tutumque regressum in profunda silvarum haberent, limitibus per centum viginti milia passuum actis non mutavit tantum statum belli, sed et subiecit dicioni su« hostes, quorum refugia nudaverat. 2, 11, 7 Imperator Caesar Augustus Germanicus eo hello quo victis hostibus cognomen Germanici meruit, cum in finibus Gubiomm castella poneret, pro fructibus locorum quae vallo compre- bendebat, pretium solvi iussit: atque ita iustitise fama omnium fidem adstrinxit. Wenn man erwägt, dass die römischen Linien vor Domitian sich nicht in das Innere des Neckargebietes erstreckten, so gewinnen bei dem Bau der neuen Neckarlinie die Worte quorum refugia nudaverat einen trefflichen Sinn. Die Rttckzugslinien des Feindes sind blossgelegt durch diese Militärstrasse. Aber sowohl der Plural limitibus als die Länge von 120 r. Meilen zeigt, dass Domitian noch eine zweite Militär- strasse angelegt hat. Die Verlängerung der Neckarlinie erreicht den Main bei Obemburg '*^), wo der Beneficiarierposten das Einmünden der Strasse sichert. Demnach wird man annehmen dürfen, dass auch der Ast von Obernburg bis Miltenberg von Domitian erbaut wurde. Beide Strassen zusammen Cannstadt-Stockstadt und Obernburg-Miltenberg er- geben die erforderliche Länge von 120 r. Meilen, wenn man die Krümmungen der Flussläufe in Rechnung zieht. Aber auch der einzige Volksname, der Stamm der Cubii, lässt sich mit Wahrscheinlichkeit in dieser Gegend lokalisieren. Nach Hirschfelds Untersuchung'^^) haben die Helvetii zu Caesars Zeit als Ziel ihres Wanderzuges das Land der Santones gewählt, weil schon andere benachlsarte und verwandte Stämme ihnen auf diesem Wege vorangegangen waren und an der Garonne feste *Ma) Insofern hat Zangemeister gewiss mit Recht auch eine Strasse nach Urspring angenommen, obwohl ich sonst Lachen meyer beistimmen muss. '*") Westd. Zeitschr. 11 p. 305 I. 0. M. et genio loci. Limesblatt p. 868 — a 181. »•) Sitzungsb. d. Berl. Akad. 1896, 4o3 f. 204 ▼• Domaszewski Sitze gewonnen hatten. Zangemeister bat im Corpus diesen Zosammen- hang weiter erläutert, indem er nachwies^'), dass Reste der Santones 22 und Turones noch in der Gegend von Miltenberg und Walldttr^ zur Zeit der römischen Okkupation wohnten. Dazu treten nach meiner Beobachtung die Exploratores Triboci et Boi in Benningen ***) und die Verehrung des Mars Caturix in Boeckingen •*'), der sonst nur auf helvetischen Steinen genannt wird^. Dass die Boi hier sassen, zeigt schon ihre Vereinigung mit den Triboci zu einer Abteilung und dies bestätigt die Angabe Csesars, dass die Helvetii nicht nur die benach- barten Stämme der Rauraci, Tulingi und Latobrigi bewogen, mit ihnen zu ziehen, sondern auch Boiosqne qui trans Rhenum incoluerant et in agrum Noricum transierant Noreiamque oppngnarant, receptos ad se socios sibi adsciscunt. Die Nachbaren der Bituriges Vivisci an der Garonne sind die Bituriges Cubi, in deren Beinamen der Name der Cubii, die Domitian unterworfen hat, wiederkehrt. Gerade der Name Cubus findet sich auf einem Grabstein in Obemburg"^). Es scheint demnach, dass wie die Vivisci den Helvetiem vorangegangen sind in dem Zuge nach der Garonne*^), so auch die Cubi"**), und dass die Bituriges sich nach Aufnahme dieser fremden Stämme in zwei Völkerschaften schieden, in die Bituriges Vivisci und die Bituriges Cubi. Zu den Kastellen, die Domitian im Lande der Cubii anlegte, gehörte Obemburg. Nach der Anlage des neuen Limes wurden die Knoten- punkte der rechtsrheinischen Strasse mit den Hauptpunkten der vordem Linie durch Querstrassen verbunden. Die Strasse von Lorsch '•^) führte ostwärts wahrscheinlich auf Miltenberg. Die Neckarstrasse von Heidel- berg endete etwa bei Gundelsheim ^"), die Strasse von Stettfelden bei Boeckingen "®), die nördliche Abzweigung der Strasse Pforzheim-Cann- Stadt ^^) bei Benningen. Die Art der Verwaltung dieses Gebietes lässt >") Zu 6607 (~ Westd. Zeitschr. 1, 264). Deo Santio. •") Br. 1600. '**) Br. 1588. L 0. M. et Marti Caturigi Genie loci C. Iul(iu8) Quie* tu8 bf. COS. Es ist eine locale Gottheit. »•*) Inscr. Helv. app. Kellen n. 15. 16. 18. 835^ Westd. Zeitschr. 9, 186, worauf mich Zangemeister aufmerksam macht. »'•*) Vgl. Hirschfeld a. a. 0. »•«) Vgl. Zangemeister, Neue Heidelb. Jahrb. 3, 15. »") Vgl. Anm. 309. '*^} Br. 1606 L 0. M. et lunoni reginae C. Fabius Germanus bf. cos. '") Vgl. Anm. 312 und 333. »*•) Vgl. Anm. 315. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 205 die Inschrift aus Bithynien erkennen, Westd. Korr.-Bl. 1886, 260: STOTpoTcov . . . aeßaoTJoO x^P*? [SjonsXoxrjvvTjata^ xal [üTcJepXtuttavrj^ 4ic£T[pOTCOv t]oO aötoö Seßoaxoö iTz, in Dacien, Hispani Mauri Palmyreni Pannonii Syri^*^. Die Exploratores da- gegen, die zur Erkundung des Vorlandes dienen, waren aus den Be- wohnern der Provinz selbst gebildet, weil ihr Dienst Vertrautheit mit Sitte und Sprache der Nachbaren erforderte ^^^). Auch aus den Be- wohnern der an den Cohortenkastellen entstandenen Orte wurden Truppen- körper gebildet, wie der numerus Aurelianensis '*^) und zuletzt die an der Grenze angesiedelte Dediticii in das Heer eingereiht '^^), so dass das Reichsheer sich in eine Lokalmiliz verwandelte und der Schutz der Grenze in sich selbst zusammenbricht. Die Culte der Beneficiarii. Unsere Kenntnis der Bene- iiciarierposten beruht auf den Votivaltären, welche die Beneficiarii nach ihrer vorübergehenden Thätigkeit an dem Orte der Statio errichtet haben ^^•). Das Heiligtum wird als Templum bezeichnet***); es war von geringem Umfang, da die Beneficiarii es aus ihren eigenen Mitteln erbauen ***). Eine Inschrift lässt erkennen, dass das Templum in einem w») C. III. 13795. 13736. »*«) Westd. Zeitschr. XIV, 46 f. »*•) C. III 873. 1149. 1294. 7693. 7699. 8032. 13795. 13796. 14126. Dipl. LXVU. ^) Vgl. oben Anm. 332 und Westd. Korr.-Bl. 18S9 p. 47. Deshalb' heissen sie auch nach ihren Standquartieren, weil sie aus den Anwohnern ihrer Garnisonen gebildet waren. '") Vgl. Westd, Korr.-Bl. 1889 p. 47. ^') Limesbl. 1897 p. 659, wo die officiales der Dediticii genannt sind. >^) Wenn durch einen Zufall an dem Orte einer Sutio nachgegraben wurde, so sind die Altare zu Dutsenden gefunden worden. Vgl. oben Celeia Anm. 149. Latobici Anm. 133. Siscia Anm. 127. Stockstadt Anm. 308. ^) Anm. 46. 147. 172. 232. Einmal wird eine exedra erwähnt, 234, also eine Nische. *») Anm. 46. 147. Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 207 Atrium stand, dem Platze der statio ^^^). In diesem Hofe erhielten die massenhaften Yotivaltäre ihren Platz '^^). Der Gott, der auf diesen Altären fast immer genannt wird und in vielen Fällen allein, ist luppiter optimus maximus, der Herrscher im römischen Heere und im römischen Reiche. Die lange Reihe solcher Altäre, die die Beneficiarii der procuratorischen Statthalter Noricums in Celeia^*®) gesetzt haben, nennen mit einer Ausnahme ^^^) nur luppiter. Auch der unter Com- modns dort gesetzte Altar ^^^) gilt ihm allein. Erst mit der Renationali- sierung des Reiches durch Septimius Severus treten die Lokalgottheiten neben luppiter. Rein römisch ist auch die Verehrung der Gottheit, die an dem Orte der Statio waltet und als Genius stationis ^^^) oder Genius loci '^*) neben luppiter genannt wird '*'). Aus dem römischen Glauben an die Lares compitales ^•*), den Schutzgöttem der Wegkreuzungen, ent- wickelt sich in den Provinzen der Kult der Biviae, Triviae, Quadriviae ^•®). Ganz besonders deutlich ist die Beziehung dieses Kultes auf den Dienst der Beneficiarii an den Reichsstrassen ausgesprochen in der britannischen Inschrift ^^^: Deo qui vias et semitas commentus est. Gerade weil in dieser Inschrift ein Beneficiarius spricht, wird diese Unterscheidung zwischen viae und semitae technisch sein, und die Reichsstrassen von den Vicinalwegen scheiden. Als viae werden wir nur jene zu betrachten haben, an deren Kreuzungspunkten Beneficiarierposten stehen und die wahrscheinlich alle mit Meilensteinen bezeichnet waren. Die Stellen, "*) Anna. 46. Zwischen den Säulen der Statio wird man sich die Kette gespannt denken müssen, die den Amtsrauin abgrenzt. Vgl. Anm. 2. "') Bei den einzeloen Fundorten habe ich oben im Laufe der unter- suchong zu den Kammern der Inschriften die Gottheiten, die der Altar nennt, hinzngeschrieben, ausser wenn luppiter optimus maximus allein ge- nannt ist. »*«) Anm. 149 3*») 5176 Eponae. Vgl. Anm. 369. »*<^) 5178 a. 192. ^•») Anm. 109. 234. 288. Vgl. Westd. Korr.-Bl. 14, 109. "*) Anm. 26. 86. 97. 127. 132. 133. 261. 263. 264 266. 268. 270. 271. 293. 308. 319. 327. 333. 344. 346. Einfach Genius 46. 302. Auch der Genius plateae Anm. 302 ist der Gott des Ortes, an welchem die statio steht. ^) So schon auf dem ältesten datierten Altare circa a. 150 Anm. 293. »*) Vgl. oben S. 196. '•») Anm. 260. 267. 279. 281. 283. 293. 303. 305. 307. 309. 312. 327. In Illyricum nochmals umgebildet zu einem Cult der SiWanae. Philol. 61, 19. »••) Anm. 247. 208 V. Domaszewski wo die semitae in die viae einmünden, werden die Biviae sein '^^}, die Strassengablungen die Triviae, die Strassenkreuzungen die Quadriviae*®*). Auf den Postdienst an den Reicbsstrassen bezieht sich die Verehrung der Epona®**). Der Kaiserkult der severischen Dynastie tritt in der Verehrung des Numen Augusti hervor"^®), der mit dem dominus et deus der diocletianischen Monarchie, die Verehrung der anderen Gott- heiten zum blossen Schein herabsinken lässt^^^). Die ganz singulare Weihung an den Genius des Statthalters in Stockstadt, über die Zange- meister gehandelt hat '^^), findet seine Analogie in der Bezeichnung des Statthalters als consularis noster*^*). Beides drückt die persönliche Abhängigkeit des Officialen vom Statthalter aus*'*). An die Ver- ehrung des Genius loci schliesst sich die Verehrung der Lokalgottheiten. So in Britannien: Matribus, Italis, Germanis, Gallis, Britannis ''^), ^^) An sich erscheint der Ausdruck Biviae berieh ungBlos, weil, wo immer zwei Strassen zusammentreffen, ein Dreiweg entsteht. ***) Bei der Wiederaufdeckung der Römerstrasse hätte man wohl zwischen semitae und viae scharf zu scheiden, um sich nicht selbst in den Maschen des immer dichter werdenden Netzes zu verwickeln. "**) Am deutlichsten Anm. 285, der immunis consularis curam agens vice Salodnri ist der Buchfübrer über den Postdienst. Vgl. Anm. 40 (Viru- num) 97 (Dociea) 149 (Celeia). Dass Epona eine keltische Gottheit ist, wird durch Reinachs Statistik (bei Wissowa p. 77) keineswegs erwiesen, sondern nur, dass die Kelten eine Gottheit verehrten, die sich mit Epona gleichen liess. Denn Epona hat einen Festtag in einem italischen Kalender. C. I. L. I* p. 253. Vgl. über diese Art der Gleichung Philo). 61, Iff. "«) Anm. 26. 60. 61. 133. 244. 250. 37^) Anm. 26 n. 10060. Obwohl der Altar in der typischen Weise dem luppiter und dem Genius loci gesetzt ist, löst der vom Beneficiarins zum Centurio beförderte Soldat das Gelübde numini maiestatiqne eins, d. h. dem Gottkaiser. Die erlangte Beförderung oder die Hoffnung dar- auf ist auch für die anderen Beneficiarii der Grund, das numen des Kaisers zu ehren. Gewöhnlich ist die Errichtung des Altars pro salute des Kaisers. »") Anmerk. 308. "') 6246 (Caracalla). 14437> (Helvius Pertinax, wahrscheinlich unter Commodus. Vgl. Philol. Suppl. 9, 65, Anm. 134 a). 3'^) Die Beförderung der Principales liegt beim Statthalter, der auch das Vorschlagsrecht für den Centurionat ausübt. Arch. epigr. Mitth. 10, 19 ff. 37») Anm. 245. In dem Kopf dieses Provincialen spiegelt sich auch die Götterwelt der fernen Länder, wohin man von seinem Strassenposten ge- langte, nach Art der heimischen. Denn Matres Italae gibt es nicht. Die BeDeficiarierposten und die römischen Strassennetze. 209 matres OUototae sive Transmarinae *^^), Deo Mogont. Cad. . .^'^), Marti Cocidio*'®); inGermaDien: Rhenus ''^•), Matres ^®^), Mars Caturix***), Mars und Hercules dii patrii'^*). Aber auch da, wo der lokale Charakter nicht direkt hejrvortritt, verbirgt sich unter römischen Xamen ein heimischer Gott. So ist die häufige Verbindung des luppiter und der Inno den Rheinlanden eigentümlich ^®^). Ebenso werden Hercules '®') und Mercurius'®*) die germanischen Götter sein. In Raetien: Mer- curius Arcecius '®*) ; inNoricum: Arubianus'®®), Bedaius'®'), Celeia'®®), Noreia'®'); in Moesia: Andinus'*^), Diana regina und Apollo**^*); Pannonia: Liber'**), Silvanus •**), Ciniaemus •**). Zuweilen ist die Gottheit der Ort selbst, wie Bedaium, Celeia, Noreia, Giniaemus und auch am Rheine in Grinario ■•*), und den Fines **^). Ebenso wird der Genius des Ortes verehrt in Pannonia: Neviodunum ••^) ; Dalmatia: Metulum'*^, Municipium Magnum ***), Novae ^••). Der Ort selbst, wo '^') Die Eultform wird aus Germanien durch die numeri verpflanzt sein. Vgl. Anm. 248. Ollogabiae in Castel. West. Korr. 1896, 200 und 201 (vielleicht aus Castel verschleppt). '") Anm. 250. "8) Anm. 257. Vgl. Westd. Zeitschr. 14, 56. "•) Anm. 266. ^) Anm. 209. Aufaniae Anm. 279. Maiiae Anm. 282. «») Vgl. Anm. 833. ^*) Anm. 346. Vgl. Zangemeister Neue Heidelb. Jahrb. 5, 54. '*^) Anm. 808. 327. 338. 346. Sonst nur noch Anm. 188. Die Trias Capitolina ist, wie in der Heeresreligion, selten Anm. 98. 110. »») Anm. 266. »**) Anm. 296. 308. «») Anm. 54. »•) Anm. 51. 149. «') Anm. 51. M») Anm. 149. »•) Anm. 44. 149. ^^) Anm. 112. Verstummelt der I. 0. M. . . . upp. Anm. 109. «»») Anm. 216. 229. Vgl. Westd. Zeitschr. 14, 53. »«) Anm. 165. »") Anm. 188. »•») Anm. 188. >•*) Vgl. S. 202. »») Anm. 270. »••) Anm. 132. »•^) Anm. 26. >•«) Anm. 71. '••) Anm. 101. 210 ▼• Domaezeweki die statio stand, wird nnr selten genannt, so in Britannia, Habitancinm ^^); Pannonia, Cetium*®*); in Dada: die regio Ans.*^*). Eine eigentQm- liche über den lokalen Rahmen binansreichende Geltung hat der Galt der Nemesis, d. h. der T6x7], in den Donauländern gewonnen^"'). Eine allgemeine Verbreitung erhalten wahrscheinlich unter dem Ein- fluss des Handelsverkehres, an den belebten Ereuzungspunkten, wo die stationes der Beneficiarii standen, die Kulte der orientalischen Götter. In Britannia: Mithras*®'*), Germania: Mithras*®*), Isis und Serapis *®^), Dolichenus*^®), Dalmatia: Sol *®^), Pannonia : Heliopolitanus*'^®;, Doliche- nus^*^), Celestis^'^). Das Gefühl der Abhängigkeit von dem unsicheren Walten der Gottheiten während der Dauer ihres verantwortungsvollen Dienstes bestimmte die Beneficiarii, auf ihren Altären alle Gottheiten, genannte wie ungenannte, zusammenzufassen^^'), die in dem Räume, den die Strassen durchziehen, wirken könnten. Die Überwachung des Strassenverkehrs durch die Beneficiarii des Statthalters gehört zu den ursprünglichen Einrichtungen des Heeres, wenn auch die Zeugnisse für das erste Jahrhundert so gut wie ganz versagen. Aber die Stelle der Vita Hadriani 2, 6 ex qua (Germania superiore) festinans ad Traianum, ut primus nuntiaret excessum Nervae, a Serviano, sororis viro, diu detentus fractoque consulto vehiculo tar- datus pedibus iter faciens eiusdem Serviani beneficiarium antevenit, lässt in der Art, wie der beneficiarius auftritt, diese Institution bereits er- kennen. Jedenfalls gehören der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts die zahlreichen Altäre der Beneficiarii der procnratorischen Statthalter in Noricum an^^'). Dennoch muss es historisch begründet sein, dass die *<^«) Anm. 250. *o») Anm. 29. *o») Anm. 232. ^^ Anm. 215. 232 und im Hauptquartier Apulum C. III n. 14474 templum a noTo fecit. *<>»») Anm. 251. *o*) Anm. 303. *^^) Anm. 308. "•) Anm. 316. 328. "') Anm. 26. 102. *«») Anm. 127. *'^) Anm. 133. *") Anm. 172. Vgl. auch Westd. Zeitschr. 14, 74. "») Anm. 48. 60. 107. 109. 110. 138. 149. 264. 293. 308. 3i7. ^>3) Anm. 149. Dem ersten Jahrhundert gehört sicher die Inschrift Anm. 246 an, die, obwohl ein Grabstein wegen des charakteristischen Fond- Die Beneficiarierposten und die römischen Strassennetze. 211 geschlossene Reihe der Altäre erst mit Commodns beginnt ^'^). Der höhere Sold^^^) hat den Beneficiarii die Bestreitung der Kosten eines solchen Altares erleichtert, die Erfüllung der Hoffnung, zu einem höheren Amte befördert zu werden, hat ihr Dankgefühl gesteigert ^^^). Aber die wesentlichste Erscheinung, die ungemein grosse Zahl dieser Stationen im dritten Jahrhundert, weist doch noch auf eine andere Ursache hin, die wachsende Unsicherheit des Verkehres in den Grenzprovinzen, seit der Zeit des Marcomanenkrieges. Eines der wichtigsten Probleme, welches die Stationen der Forschung bieten mQssten, hat in dieser Untersuchung nicht berührt werden können. Erst die Aufdeckung der Heiligtümer selbst wird die Schnitt- punkte der Strassen feststellen können, und damit für den Lauf der römischen Hauptstrassen und die Art, wie die Itinerarien die Distanzen zählen, eine gesicherte Grundlage schaffen. ortes beweisend ist. Allerdings ist auch die von Mommsen vorgeschlagene Auflösung le(gati) pr(ovinciae) nicht ganz sicher, möglich wäre auch leg(ati) pr(aetorii) d. h. des Legionslegaten cf. G. III 14480. «>*) Dafür ist der Fund in Stockstadt Anm. 308 lehrreich. Hier ist auch ein Altar aus der Zeit des Marcus a. 167 gefunden. Vgl. Anm. 149. 155. 264. ♦») N. Heid. Jahrb. 10, 281. *") Anm. 26. 109. 188. 220. 289. 292. 307. Recensionen. Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus. Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt. Herausgegeben von Johann Friedrich Böhmer. Neubearbeitung auf Veranlassung und aus den Mitteln der Administration des Dr. Johann Friedrich Böhmerschen Nach- lasses. Erster Band 794 — 1314. Bearbeitet von Friedrich Lau. Frankfurt a. M., Verlag von Joseph Baer u. Co. 1901. XII u. 561 SS. 4^. 30 M. — Angezeigt von Dr. H. v. Nathusius- Neinstedt in Frankfurt a. M. Als Böhmer im August 1836 sein urkundenbuch der Reichsstadt Frank- furt der wissenschaftlichen Welt übergab, hatte er ein Werk vollendet, das er mit Recht andern Städten zur Nachahmung empfehlen konnte und das auch wirklich andern Städten als Vorbild für ähnliche Arbeiten diente. Schon die äussere Form, das statt des bisher allgemein üblichen Folioformats ge- wählte Quartformat, war ein bedeutender Fortschritt und fand fast allgemeine 212 Recenüonen. Nachahmung. Böhmers Abneigung gegen das Folioformat ging bekanntlich so weit, dass er sich sein Exemplar der Monumenta Germaniae so stark be- schneiden liess, als irgend möglich war, und es fast auf Quartformat brachte. Und nun erst der Inhalt des Bandes. Waren doch in ihm alle bekannten Urkunden iür die älteste Geschichte Frankfurts an einer Stelle vereinigt, die man vorher mühsam aus den verschiedensten Archiven und Druckwerken zusammensuchen musste, das gesamte Urkundenmaterial bis zum Jahre 1300 und die für das 14. Jahrhundert nach Ansicht des Herausgebers wichtigsten Stücke waren eigentlich jetzt erst der Forschung zugänglich gemacht, ein Überblick über sie ermöglicht, ihre Bearbeitung erleichtert. Und doch zeigte der Codex mancherlei Fehler, von denen im Vorwort der Neubearbeitung die wichtigsten angeführt werden. Ich möchte noch vor allen Dingen auf das Fehlen jeglicher Anmerkungen hinweisen; wer dieselben in Böhmers Manuskript nicht gesehen hat, wundert sich, woher die Neubearbeitung z. B. weiss, nach welchen Quellen Böhmer druckte. Seine Anmerkungen, die ausserden noch andere wichtige Angaben, z. B. Siegelbeschreibungen enthalten, wollte er mit dem zweiten Bande veröffentlichen; selbst wenn dieser erschienen wäre, wäre eine Benutzung sehr schwer gewesen, da man eben immer zwei Bände zur Hand nehmen musste. Doch konnten alle diese Schwächen des Werkes seinen Wert nicht beeinträchtigen; erst als im Lauf der Jahre sich eine grössere Anzahl von Urkunden fanden, die bei Böhmer fehlten, tauchte der Gedanke einer Ergänzung und Verbesserung seines Werkes auf. Vor etwa 21 Jahren schlug der damalige Frankfurter Stadtarchivar Dr. Grotefend den Administratoren des Böhmerschen Nachlasses vor, einen Teil der von Böhmer zur Förderung gaschichtlicher Arbeiten bestimmten Mittel auf Herausgabe von Quellen zur Frankfurter Geschichte zu verwenden und dabei auch Böhmers Urkundenbuch zu ergänzen und den schon von ihm gehegten Plan der Herausgabe von Regesten zur Frankfurter Geschichte aus- zuführen. Diese stimmte freudig zu, besonders der um die Geschichte seiner Vaterstadt [so hochverdiente Justizrat Euler förderte das Unternehmen mit Rat und That. Besonderer Wert wurde auf eine vollständige Sammlung von Begesten gelegt, in die alle Frankfurter Nachrichten aus Chroniken und alle Urkunden, auch die, in denen Frankfurt nur als Ausstellungsort genannt wird, aufgenommen werden sollten. Daneben sollten alle Urkunden, die noch gar nicht oder nur ungenügend oder in schwerer zugänglichen Werken gedruckt waren, abgedruckt werden, ob als Anhang zu diesen Regesten oder als besonderer Band, das sollte erst entschieden werden, wenn der Umfang des ganzen Stoffs sich übersehen liess. Deshalb wurden auch die bei Böhmer gedruckten Urkunden zunächst nicht wieder abgeschrieben, sondern nur ver- glichen und verbessert, ebenso die in Baur's Hessischem Urkundenbuch ge- druckten. Es war also nicht eine Neubearbeitung von Böhmers Urkunden- buch geplant, die dieses selbst ersetzen und unnötig machen sollte, sondern nur seine Verbesserung und Ergänzung, daneben als Hauptsache die Regesten- sammlung, für die die in Frage kommenden Werke grösstenteils durchge- sehen und etwa 2000 Regesten gesammelt waren. Im Gegensatz dazu liegt jetzt als Endergebnis aller Arbeiten eine Neu- bearbeitung des Böhmerschen Urkundenbuchs vor, schon auf dem Titel als Recensionen. 213 solche gekennzeichnet. Es ist ein handlicher Quartband, in Ausstattang, Druck und Papier den Mitteln des Böhmerschen Nachlasses durchaus ent- sprechend, die fehlenden Siegeltafeln dürfen wir wohl mit dem versprochenen zweiten Band erwarten. Selbstverständlich sind bei Wiedergabe der Urkun- den die allgemein in Urkundenwerken angewandten Regeln befolgt, z. B. v und u dem heutigen Schreibgebrauch entsprechend gesetzt. Vor i ist nicht gleichmäsdg c oder t gesetzt, sondern mit Recht die Schreibweise des Origi- nals beibehalten, so dass ci und ti neben einander, auch in denselben Ur- kunden vorkommen. Die über die Urkunden gesetzten Regesten sind häufig, wohl wegen der Anlehnung an Böhmer, etwas zu kurz gefasst, so wäre in n. 319 besser „der Schiffer** zu Hartwig beigefügt, n. 707 Qiselbert „von Münsterliederbach**, n. 734 sind die Pfandgläubiger „das Kloster Engelthal**, n. 466 fehlt, wie bei Böhmer, was Sulzbach erhalten hat „die Verpflichtung*^. Ich hätte auch die Namen der Frauen bezw. Töchter genannt, z B. in n. 161, 656, 664 und 703, in n. 642 statt Kranechenberg entweder mit Böhmer dem Text folgend Cranichisberg oder den jetzigen Namen Gransberg gesetzt und in n. 955 für unthunlich „unmöglich**. Die nicht vollständig datierten oder undatierten Urkunden stehen richtig am Ende des Zeitabschnitts, in den sie gehören, nur n. 185 gehört hinter n. 187. Die von Lau im Vorwort angestellte Berechnung der Vermehrung der Urkunden gegenüber Böhmer ist für ihn zu ungünstig, auch insofern nicht richtig, als er angeben müsste, wieviel Urkunden Böhmer bis zum September 1346, dem Schluss des Lauschen Bandes, bringt. Ich zähle 586, davon fallen bei Lau fort sechzehn Nummern bei den Verhandlungen des Rheinischen Städtebundes, die er unter einer Nummer erwähnt, femer Böhmer S. 358 zu 1804 März 12, die zu 1404 ge- hört, und Böhmer S. 864 zu 1304 November 18, die zu iaB4 gehört Drei Urkunden druckt L. auffallender Weise weder ab, noch giebt er ein Regest davon, Böhmer S. 63 zu 1236 Juni 3, erwähnt Lau n. 106, Böhmer S. 402 zu 1813 Januar 7, erwähnt Lau n. 895 Zusatz, und Böhmer S. 405 zu 1318 September 16, erwähnt Lau n. 965, Anm. 1. Diese einundzwanzig verringern Böhmers Zahl auf 565, dazu zähle ich 407 nicht bei Böhmer vorhandene Nummern, das ergiebt Laus Zahl 972. Die Neubearbeitung hat fast 42 7o neue Stücke, eine Vermehrung, die Böhmer sicher nicht für möglich gehalten hat. Diese Zahl wäre noch wesentlich höher geworden, wenn nicht viele Urkunden in den Anmerkungen abgethan wären, um keine Raumverschwen- dung eintreten zu lassen. Für den Benutzer wäre es eine grosse Erleichte- rung gewesen, wenn die Erwähnungen der Schultheissen, Pröpste u. s. w. einzeln regestiert wären ; die erste Erwähnung des ersten Frankfurter Deutsch- ordenskomthurs hätte wohl um so mehr ein besonderes Regest verdient, da die Urkunde meist falsch oder gar nicht datiert war. Das Datum 122[1 October 5] hat L. offenbar meiner Doctorarbeit : Die Deutschmeister vor 1832 entnommen. Vor allen Dingen fehlen aber Regesten über die Anwesen- heit der Kaiser zu Hoftagen, die doch im 13. Jahrhundert für eine Stadt von grosser Bedeutung waren, z. B. die Ottos IV im März 1212 (Böhmer- Ficker 470—478), Friedrich II im April und Mai 1220 (B.-F. 1098—1126), Heinrichs im August 1282 (B.-F. 4241—4248), umsomehr, da Regesten auf- genommen sind, die auch nur die Anwesenheit anderer Personen in Frank- 214 Recensionen. fürt ergeben, z. B. n. 206 die des Pfalzgrafen, n. 308 die des Deutschmeisters. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, gehört der n. 97 vorkommende Heinrich y. Wickstadt zur Familie Qoldstein und kommt noch in mehreren hei L. fehlenden Urkunden vor, auch w&rde ich glauben, dass Rupert V. Karben noch öfter genannt wird, als in den Anm. zu n. 115 steht. Ausser den drei oben angefahrten Urkunden sind in der Neubearbei- tung, ihrem Zweck als Ersatz für das frühere Werk entsprechend, alle bei Böhmer gedruckten Urkunden wieder abgedruckt, sofern sie sich auf Frank- furt bezieben, einige Male fehlt der Hinweis auf die durch Verbesserung der Datierung veränderte Stelle, an der die Urkunde jetzt steht. So vermisse ich die Nachweise : 1236 Juni 3 s. 1235 April Anm., 1800 März 6 s. 1308 März 3, 1313 Januar 7 s. n. 895 Zusatz; der Hinweis von 1290 März 1 auf 1291 März 1 gehört vor n. 571, nicht in n. 572 Anm. Mit Recht nicht wieder abgedruckt sind die in Reimers Hessischem Urkundenbuch, das Jedem, der sich mit Frankfurter Geschichte beschäftigt, zugänglich sein muss, ge- druckten Urkunden, sofern sie nicht schon Böhmer hatte, doch ist dieser Grundsatz nicht immer ganz durchgeftkhrt, sonst durften n. 257, 370, 612 und •632 nicht gedruckt werden, n. 74 und 819 nicht nur regestiert werden. Anders liegt die Sache, wenn Urkunden nur in Baurs Hessischem Urkundenbuch ge- druckt sind; da dieser bekanntlich sehr fehlerhaft und mit willktkrlichen Auslassungen druckte, so mussten alle Urkunden, die er bringt, neu abge- druckt werden, z. B. n. 330, 444, 549, 628, 665, 758, 763, 765, 803, 876 und 956. Ich hätte auch die noch nicht gedruckte n. 788 abgedruckt, ebenso n. 968, vor allen Dingen aber die nicht unwichtigen Akten zu n. 364. Ich würde auch n. 74 zu Frankfurter Urkunden rechnen, denn wenn die genannte Elisabeth die Witwe Konrads v. Hagen ist, wie ja auch L. anzunehmen echeint, dann war sie Frankfurter Bürgerin, und ihre Urkunde musste ge- druckt werden. Aus sprachlichen Rücksichten hätte ich auch die erste deutsche Urkunde n. 555 abgedruckt und n. 649 die erste vom Frankfurter Rat in deutscher Sprache ausgestellte, erstere von 1288, diese von 1294. Die Anmerkung zu n. 449 über die Bedeutung der Urkunde lässt uns ähnliche Anmerkungen bei andern Urkunden vermissen. Bei n. 47 z. B. musste wohl gesagt werden, dass es sich um die Leonhardskirche handelt, und auf den früher immer wieder ausgebrochenen Streit über die Lage der ältesten Kaiserpfalz hingewiesen werden, den erst Grotefends Aufisatz in den Berichten des Freien Deutschen Hochstifts von 1882/83 endgiltig beendigt hat. Auch der dominus in n. 409, der wohl sicher ein Lesefehler des Ab- sei reibers für dictus ist, ist häufig zum Beweis für den Adel der Patrizier herangezogen, was wohl L. entgangen ist; die kurze Zeit seines Frankfurter Aufenthalts konnte unmöglich genügen zur Erwerbung genauerer Kenntnisse der Geschichte Frankfurts und' der auch über die älteste Zeit derselben in fast überreichem Masse vorhandenen Werke und Aufsätze. Sonst wäre ihm auch nicht aufgefallen, dass n. 943 in Berlin in einem Vidimus vorhanden ist. Diese Urkunde ist sehr häufig abgeschrieben, da sie der älteste, noch jetzt bei jeder Neubelehnung im Original einzureichende Lehnbrief über „das Münzen- berger, sogenannte Alt Strahlenberger Erb und Frauenlehen** ist, vergl. meine 1900 erschienene Schrift, in der der Lehnbrief abgedruckt ist. Zu L. An- Recensionen. 215 merkungen möchte ich noch folgendes bemerken. In n. 19 hat Grotefend wohl richtig Schweinstiege statt Schwanheim gesetzt, ich wüsste wenigstens •nicht, wo zwischen diesem Dorf und dem Main sieben Mansen Platz fänden ; bei n. 120 fehlt der Hinweis auf die facsimilierte Wiedergabe in Sybel und Sickel, Kaiserurkunden VI, iS^ und Frankfurter Archiv III Folge II, 141, bei n. 44 fehlt: Herquet in Annalen d. Vereins f. Nass. Altert. 13 zu 1217 mit der Bemerkung „Copie auf Pergament aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Die Reste eines hinten aufgedrückten geistlichen Siegels sichtbar". Zu dieser Bemerkung ist Herquet wohl durch die auffallende Kleinheit des Originals verleitet. Die Anm. zu n. 233 ist nicht genau genug, Siegfried ist nicht nur später Dechant, sondern auch schon 1259, s. n. 225. In der Anm. zu n. 495 hat L. «ich merkwürdig geirrt, Böhmer datiert auch richtig 14. August 1284, nicht 13; im Text hat er aber 1283, nicht 1284. Sehr lehrreich ist die in den Anm. zu n. 604 und 858 enthaltene Bestätigung zur Behauptung Posses in: Die Lehre von den Privaturkunden, dass der Empfänger die Urkunde schreiben Hess. Nicht immer stimme ich mit L. wegen der Familiennamen überein. Ob es richtig ist, z. B. Niger und Longus zu übersetzen, weiss ich nicht, heisst letzterer Lang oder Lange? Dann müsste auch Preco mit Richter übersetzt werden. Femer ist „de'' häufig mit „aus^ zu übersetzen, nicht mit von, n. 119 ist nicht von einem Heinrich von Einzheim die Rede, son- dern von Heinrich Scobelin, der aus Kinzheim stammt, ebenso ist im Register zu ändern. In diesem femer: Heinrich v. Aldendorf aus Katzenellenbogen, Fuchs aus Rüdesheim, Konrad v. Urberg aus Sachsenhausen, Wingarter aus Friedberg. Das Wort Winzer passt nicht in unsere Gegend, Vinitor ist auch Wingarter, ebenso ist Angelus und Engel dieselbe Familie, Baurus und Beyer, Leo und Löwe; Heinrich v. Hachenburg gehört mit Frauen und Kin- dern zu Holzhausen, Oweman ist Vorname eines Groschlag, die v. Wetter gehören zu den Frankfurter Wedels. Konrad in Atrio ist der auf dem Fried- hof, jetzt Hühnermarkt, wohnende barbitonsor, der auch unter Konrad vor- kommt, Peter inter Piscatores wohnt in der Fischergasse, Arnold zum Pul im Haus zum Pul auf dem Kornmarkt, Konrad juxta Graburnen beim Grab- born in der Fahrgasse, Institor ist nicht Familienname, sondern bedeutet den Beruf, ebenso caraifex bei Ulricus Longus, Juvenis heisst nicht Jung, sondern in den angeführten Fällen stets der Jüngere. Da wir nun einmal beim Register sind, auch noch einiges über Orts- namen. Steinheim muss wohl bei Hanau liegend bezeichnet werden, Kriftel bei Frankfurt, Bornheim und Bockenheim sind schon länger Stadtteile von Frankfurt als Oberrad, „Hohenberg, welches?" ist wohl Homburg, Langen- selbold und Selbold ist derselbe Ort, ebenso wohl Vetzberg und Vetzzenburpr, auch die beiden Liederbach, Marienhagen ist Schmerlenbach bei Aschaft'en- burg, Niederbommersheim bei Hausen ist unbestimmt wegen der drei Orte Hausen, Weiberhof muss heissen Weiber, Hof bei Fronhofen, Weilnau ist Altweilnau, Hohenrod war ein selbständiger Ort, nicht Teil von Oberrad; Talanweck ist nicht Flumame, sondern Wegname wie Wisigartaweck, Falken- stein in Bayern, das auch Sauer im Register zum Nassauer Urkundenbucb anfuhrt, kann fortfallen, zum Lohe ist bei Bischofsheim, der Wald nördlich davon heisst heut noch so. Westd Zeitschr. f. Gesch. a. Kunst. XXI, II. 15 216 ReceDsionen. Unter Arborea wird auf Oristano verwiesen, letzteres fehlt; unter dem Schlagwort Frankfurt fehlen die Antoniter, Kleine Mainzergasse, Grabbom,. Pfarreisen, Hühnermarkt oder atrium, Haus zum Pul. Die Minoriten sind in Frankfurt unbekannt und heissen hier Barfüsser, die Krnchengasse ist die Graubengasse, die TOngesgasse gehört in der Reihenfolge hinter ,,Korn- markt", dann „Dumpilbom", das ,,Schuchhu8'' und das „zur weiten Thür** ist dasselbe, richtig ist ,,Rothen Kopf^, nicht „Rothkopf*. Bei andern Worten vermisse ich die erklärenden Zusätze mit den jetzigen Namen, z. B. St. Marien- und Georgs-Kapelle, jetzt Leonhardskirche; Bockenheimerpforte, jetzt Katha- rinenpforte; Kommarkt jetzt z. T. Buchgasse; St Georgsgasse, jetzt östl. Alte Mainzergasse; Leinewebergasse, jetzt Drachengasse; Rossbühel, jetzt Liebfrauenberg; Schuhgasse, jetzt Goldenhutgasse. Von Druckfehlern ist das Buch ziemlich frei; es fehlen die {| am Ende der Zeilen des Originals in n. 40, 782, 842, 873; das „So'' oder (!) in n. 23^ hinter „schabini", in n. 363 hinter „resingnavit'', in n. 382 hinter „aucmen- tum*', in n. 384 hinter „stremmo*'. In n. 54 Anm. a muss es heissen „Zwei Worte** statt „Zweite Worte", in n. 134 Anm. „B. 73« statt „43", in n, 506- Anm. 1 „Vgl. No. 641" nicht „611", im Regest zu n. 938 „October 18" nicht „8", im Register S. 509 Z. 22 von unten „146 Anm." nicht „146", 518 Z. 6 v. unten „Eberbach" nicht „Eberbacb", 620 Z. 31 v. oben „664" nicht „666",. 638 Z. 10 V. oben „907" nicht „901", 639 Z. 9 v. oben „1274" nicht „1277", 642 Z. 27 V. oben „Meisenbug", nicht „Meisenburg", im Druckfehlerverzeichnis^ „S. 16 No. 32 bei den Litteraturangaben : I. B. 19 st 10" nicht „20«*. Ueber diesen kleinen Versehen und Mängeln dürfen wir aber nicht vergessen, was der Band dem bietet, der sich eingehender mit seinem Inhalt beschäftigt; auf den verschiedensten Gebieten erhalten wir neue lehrreiche Nachrichten, neue anziehende Gesichtspunkte. Wir können z. B. deutlicl» sehen, wie die Stadt allmählich räumlich wächst, ihre Strassen und Häuser Namen erhalten, und woher diese kommen; wir erfahren die Namen vieler Bewohner und sehen, wie allmählich aus dem Bedürfnis der Unterscheidung der einzelnen Glieder der wachsenden Bevölkerung einzelnen Personen Bei- namen gegeben werden, die dann häufig zu Familiennamen werden; wir ver- folgen das Wachsen der Stifter und Orden und ihrer Besitzungen und können z. B. aus dem Umstand, dass über zweihundert Urkunden sich auf die Deutschherren beziehen, auf die Bedeutung dieses Ordens für Frankfurt und die ganze Umgebung Schlüsse ziehen. Wir können aber auch die Entwick- lung der Stadtgemeinde und ihrer Verwaltung beobachten, wie neben die Gerichtsbehörden die oft aus denselben Personen bestehenden Verwaltungs- behörden treten, wie der Vogt verschwindet, um Schultheiss und Bürger- meistern Platz zu machen, und sich so deutlich der allmähliche Fortschritt zur Befreiung der Stadt von der kaiserlichen Botmässigkeit erkennen lässt. Der versprochene zweite Band und die hoffentlich auch noch erscheinende Sammlung aller Regesten zur Frankfurter Geschichte der ältesten Zeit wer- den unsere Kenntnis auf allen diesen Gebieten noch wesentlich zu bereichern im Stande sein. RecensioueD. 217 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Zweiter Band, 1100 — 1205. Bearbeitet von Dr. Richard Knipping. (Pablikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskonde XXI.) Bonn, P. Hansteins Verlag 1901. 4», XXVI, 400 S., 22 Mk. — Angezeigt von Dr. F. Vigener in Giessen. ..Wenige Spezialgeschichten mögen von grösserer Wichtigkeit für die Geschichte des Gesamtvaterlandes seio, als die Kölns nod seiner Fürsten; am so mehr ist es zn bedauern, wenn ihr nicht die verdiente Aufmerksam- keit EU Teil geworden ist**. Wie berechtigt diese Klage war, als sie Julius Ficker ?or einem halben Jahrhundert im Vorworte zu seinem Reioald von Dassel niederschrieb, wie anders es heute steht, ist bekannt. Zur Geschichte der Rheinlande, besonders zur kölnischen, haben die letzten Jahrzehnte eine Fülle von Veröffentlichungen gebracht, und vornehmlich der 20 jährigen Thätigkeit der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde verdanken wir eine Reihe wertvoller Werke. Unter ihnen werden die Regesten der Erz- bischöfe von Köln ihrer Bedeutung nach eine der ersten, oder — wenigstens für die weiteren Kreise der Erforscher mittelalterlicher Geschichte — - über- haupt die erste Stelle einnehmen. Ein Band liegt nun abgeschlossen vor und zwar der zweite; er hat dem ersten vorangehen müssen, da dieser noch iu den An^gen steckt und erst in geraumer Zeit, später auch als der dritte, erscheinen kann. Der Bearbeiter ist Dr. R. Knipping, der bekanntlich vor wenigen Jahren in derselben Sammlung die Kölner Stadtrechnüngen des Mittelalters in vorzüglicher Weise herausgegeben hat. Wer sich selbst mit ähnlichen Dingen beschäftigt, oder wer ein solches Werk in seine Einzelheiten hinein verfolgt, weiss die gewaltige Arbeit zu schätzen, die darin steckt. Dem, der es übernimmt und durchführt, ist die wissenschaftliche Welt zum Danke verpflichtet, zum wenigsten dann, wenn sein Werk jene Eigenschaften zeigt, die dadurch, dass sie vorausgesetzt und gefordert werden müssen, an Verdienstlichkeit nicht verlieren — die möglichst erschöpfende Sammlung und vollkommene Beherrschung des Stoffes, kritische Umsicht in seiner Verwertung und peinliche Gewissenhaftigkeit in der Be- arbeitung, die Fähigkeit^ bei sorgfältiger Berücksichtigung des Einzelnen den Blick für das Wesentliche zu wahren. Dieser Vorzüge kann sich das Buch Knippings rühmen, es ist eine vortreffliche Arbeit. Das Streben des Verfassers nach grösstmöglicher Vollständigkeit in der Sammlung des Stoffes ist erreicht, Urkunden und Briefe wie die Nachrichten der Schriftsteller sind wohl erschöpfend und mit sorgsamer Kritik verwertet. Vornehmlich bei der urkundlichen Überlieferung war die kritische Prüfung erforderlich, und ihre Ergebnisse sind zum Teile — ein Verzeichnis der untersuchten Urkunden wird erst mit der Darstellung des erzbischöflichen Urkunden wesens im ersten Bande erscheinen — als kurze kritische Erläuterungen, besonders zum Nach- weis von Fälschungen, bei einzelnen Regesten zu finden. (Vergl. z. B. n. 123, 163, 303, 314, 861 u. a. m.) Die Zahl der verarbeiteten Originalur- kunden ist sehr gross, und wenn auch weitaus die meisten schon bekannt waren, so fehlt es doch nicht an ungedruckten (ich verweise auf die Nummern 16* 218 Recensionen. 93, »4, 99, 100, 377, 718, 1228, 1362). Neben den Urkunden waren die Schriftsteller zu berücksichtigen. Hier dr&ngte sich eine überfliessende Fülle des Stoffes auf, deutsche und italische, französische und englische Quellen wollten verwertet sein, und hier war denn, da doch auf alles, was sie bringen, verwiesen werden musste, in der wörtlichen Auffuhrung ihrer Nachrichten die grösste Beschränkung geboten. . K. hat nun zwar, wie er auch im Vorworte bemerkt, die Regesten, die sich auf chronikalische Quellen stützen, kurz zu halten gesucht, aber er thut es nur, um die Quellen mög- lichst selbst sprechen zu lassen. Und er Iftsst sie reichlich sprechen, allzu reichlich. Regesten sollen doch das Wesentliche in der Überlieferung kurz und klar zusammenfassen, und so kann es schwerlich ihre Aufgabe sein, die breitere Ausmalung ihres eigenen Inhaltes, die die einzelnen Quellen geben, mit sich zu führen. Besonders dann scheint mir die wörtliche Aufführung überflüssig zu sein, wenn der Text des Regestes ganz oder vorwiegend auf einer Quelle beruht und ihren Inhalt mit mehr oder minder enger An- lehnung an den Wortlaut genau wiedergiebt — wie z. B. bei den Nummern 742, 783, 882, 918, 1264, 1353, 1440, 1558. Da, wo mehrere Schriftsteller zu Grunde liegen, bietet bisweilen die Gegenüberstellung ihrer Nachrichten mancherlei Anregung, aber sie geht doch wohl über den Rahmen eines Re- gestenwerkes hinaus, zumal auch hier die einzelnen Regesten an Genauigkeit und Ausführlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. (Vgl. z. B. n. 893, 1187, 114% 1232, 1234, 1286, jedes dieser Regesten nimmt l—l^'s Seiten in Anspruch.) Allerdings, hier und da wird durch diese breite Wiedergabe der Ueber- lieferung das Bild der kölnischen Kirchenfürsten glücklich ergänzt. Es ist überhaupt aus diesen Regesten, wenn man sie nur im einzelnen kenneu zu lernen sucht, um sie im ganzen zu überschauen, eine Vorstellung von dem Wesen und Wirken dieser M&nner zu gewinnen. Zehn Erzbischöfe haben in den Jahren von 1100—1205 auf dem kölnischen Stuhle gesessen, eine wechselvolle Reihe. Da ist Friedrich I. (1100—1131), ein Baier, den noch Heinrich IV. erhoben hatte, ein Mann, der starr auf seinem Rechte bestand, der dem Kaiser trotzt (vgl. n. 229, n. 244) und vor scharfem Einsprüche gegen Übergriffe des Papstes nicht zurückscheut (n. 62 . . . sicut pontifex Romanus a Coloniensi archiepiscopo debitam exigit subjectionem, ita Colo- uiensis archiepiscopus exigit a Romano presule, ut in regiminis sui iure servet ei canonicum correctionis ordinem) — wenigstens nach dieser Hin- sicht ein vir magno constancie, wie eine kölnische Aufzeichnung sagt (n. 1 Seite 2), dem Gelde gegenüber allerdings minder standhaft (n. 238: bei der Lütticher Bischofswahl von 1128 Hess er sich bestechen, vgl. auch n. 203). Sein Nachfolger Bruno IL (1131—1137), ein Graf von Berg, mag kein allzu selbstbewusster Herr gewesen sein (vgl. n. 288 : er befragt Bernhard v. Clair- vaux, ob er die Wahl annehmen solle und klagt sich dabei seines unwürdigen Lebenswandels an; n. 308, 309: entzweit sich mit Lothar III, erhält aber nach wenigen Wochen durch Vermittlung der Fürsten und „satisfactione sua** Verzeihung), seine Persönlichkeit tritt wenig hervor. Von Hugo (1137) können die Regesten nur berichten : wird gewählt, wird geweiht, stirbt (n. 345, 346, 847). Arnold I. (1138—1151), den der milde Otto von Freising mit Recensionen. 219 scharfem Worte „unnütz zu allen kirchlichen und weltlichen Dingen^ nennt (q. 497), der vom Papste wegen lässiger Amtsführung und wegen Simonie suspendiert wird (n. 461), hat doch, seinen Urkunden nach zu urteilen, eine nicht unbedeutende Verwaltungs- und gerichtliche Thätigkeit entfaltet, auch spielt er im Staatsleben seine Rolle und dem Könige selbst zum wenigsten muss er nicht ganz „unnütz" erschienen sein. (A. ist in zahlreichen Ur- kunden Konrads IIL Zeuge; der König tritt dem Papste gegenüber mehr- mals für den suspendierten Erzbischof ein (n. 469, 470, 476, 479), sp&ter allerdings, nach dem Tode Arnolds, meint Konrad in einem Briefe an Eugen III. (n. 513), die kölnische Kirche sei vornehmlich unter Arnold I. von ihrer früheren Höhe herabgekommen. Nach ihm wird Konrads Kanzler Arnold von Wied als Arnold II. Erzbischof (1151—1156), der vertraute Freund VVibalds von Stablo (vgl. n. 498, 506, 507, 512, 516 u. ö.), der getreue An- hänger derStaufer. Es folgt Friedrich II. (1156—1158). Dann tritt uns Reinald von Dassel entgegen — diese reizvolle Gestalt von herzer- freuender Frische und ursprünglicher Kraft. Sein Wirken kann man an der Hand der Res[esten im einzelnen verfolgen. Man weiss, wie er ein Jahr- zehnt hiLdurch des Kaisers erster Berater oder vielmehr der wahre Lenker der Dinge gewesen ist. Wir sehen ihn überrall an der Spitze. Er ist der Mann der That, seine hochgespannte Vorstellung von der Macht des Kaiser- tums will er zur Wirklichkeit kommen lassen, hier sieht er das Ziel seines Lebens. Seine grossen politischen Pläne Hessen die Sorge für das Stift zu- rücktreten. Nur wenig ist er in den 8 Jahren, da er die erzbischöflicbe Würde innehatte, (1159—1167) im kölnischen Lande gewesen (vgl. n. 676, 705, 804, 808, 8^0 ff., 843 ff.) und wenn er auch manches gethan hat für den bischöflichen Besitz (vgl. n. 680, 705, 866, 867) wie für das kirchliche Leben (vgl. z. B. n. 863), so liegt doch nicht hier, sondern eben in seiner politischen Thätigkeit seine Bedeutung, wie denn auch die Kölner selbst ihn feiern als den „in quo maxima pars gloriae imperatoris est^, als „laus et decus et pavor imperatoris*' (Chron. reg. Col., Gat. arcb. Gol., Regest n. 675 S. 113). Von 1167-1191 war Philipp von Heinsberg Erzbischof, Inder That, wie der Kaiser sagte, Reiualds „einzig würdiger Nachfolger" (n. 906 S. 162). Mochten ihm auch die Geisteskraft und der ungestüme Thaten- drang Reinaids abgehen, an politischer Fähigkeit und kriegerischer Tüchtig- keit wird er ihm kaum nachstehen, in einem — in der Gestaltung und Ver- waltung seines Landbesitzes hat er ihn weit übertroffen (vgl. besonders 1886j. Bruno III. (1191 — 1193) machte bald seinem weit bedeutenderen Neffen, dem Grafen Adolf von Altena Platz. A d o 1 f L (1193—1205) tritt entschlossen für die weifische und kirchliche gegen die staufische Politik auf (vgl. n. 1471 f., 1504, 1530 ff.), bis er sich im J. 1204 von König Philipp gewinnen lässt (1651); mit seiner Absetzung durch die päpstliche Partei am 19. Juni 1205 schliesst der zweite Band der Regesten. Der Kritik'-kn eigentlichen Sinne giebt ein so trefflich gearbeitetes Werk wie das Knippings wenig zu thun, um so eher kann ich die kleinen Ausstellungen hier vorbringen. Bei den Zitaten aus den Schriftstellern fehlt stets die Angabe von Buch und Kapitel, das ist f&r den Benutzer besonders da misslich, wo mehrere Ausgaben vorliegen — wie z. B. neben den Mon. 220 Recensionen. Germ, die Script. Rer. Germ, oder die CoUection de Textes ; aus Raummangel ist es schwerlich unterlassen worden, denn andere Zitate wie etwa: M. G. Quartausg. Leg. Sect. IV, Con. (n. 559, 647, 688, 730 u. s. w., 581 und 584 ist wenigstens Sect., 748 u. 744 Quartausgabe weggelassen — M. G. Con- stitutiones h&tte dort wohl genügt) sind nicht eben kur^ gehalten. (Unver- ständlich ist es, warum Rahewins Gesta Frider. als Ottou. Fris. et Rahewini G. F. angeführt worden (n. 675 S. 111, 112, 113; a. 688, 700) oder gar da, wo Rahewin gemeint ist, Otto Fris. gesagt wird (so n. 664, 669, ö74). — Das Register hat sich bei zahlreichen Stichproben als zuverlässig bewährt, doch dreimal hat es versagt: es fehlt (n. 481) Kemnade [Nonnen- kloster nördl. V. Korvei i. d. Didzese Minden, vgl. Bernhardi, Konrad III. S. 553 Anm. 40], bei Simon v. Tecklenburg ist noch auf n. 1104 zu verweisen, bei Erzb. Wichmann v. Magdeburg auf n. 1122. Was die Anlage des Registers betrifft, so möchte ich für die folgenden Bände vorschlagen, dass bei den einzelnen Erzbischöfen auf ihre frühere Stellung hingewiesen werde, denn das jedesmalige Nachschlagen bei dem Anfangsregest eines Erzbischofs ist zu umständlich. Femer dürfte es sich empfehlen, auch dann die heutige Form der Ortsnamen zu geben, wenn diese nur in Verbindung mit einem Personennamen vorkommen (z. B. n. 392 Lambertus de Lurecha, n. 859 Reinold v. Lureke (vgl. im Register S. 381), n. 1299 Heidolphus de Pletten- bratb, Widekindus de Attendarne (vgl. S. 387, 353). — Auf die Druckfehler, deren mir mehrere, aber ganz unwesentliche begegnet sind, gehe ich nicht ein, und ich will nur noch einige leichte Berichtigungen zu einzelnen Regesten geben: n. 61, Urk. Kg. Heinrichs V. v. 1108 Xll 28, ist doch wohl als Fälschung zu bezeichnen, nicht nur Stumpf (n. 3024), auch Ficker (Beiträge II S. 222) und Posse (Cod. Sax. I 2 n. 21) halten sie für falsch und nach Gersdort (ÜB. v. Meissen I n. 41) ist sie mindestens verdächtig (vgl. auch Dobenecker, Reg. Thur. I 1045). n. 102, Urk. Heinrichs V. 1114 Jan. 17, von K. nach Stumpf 3100 als Fälschung bezeichnet, ist nach B'icker, Beitr. I 279 wohl nur korrumpiert, vgl. Dobenecker I 1090. n. 222 lies statt SS. XX. 568, SS. XII 563. n. 524 (Krönung Friedrichs I.) hätte vor allem auf Otton. Fris. Gesta Frid. II 3 verwiesen werden müssen ([Frid.] in proximo sabbato Aquisgrani venit; sequenti die, id est ea dominica qua Letare Je- rusalem canitur, ab episcopis a palatio in aecclesiam beatae Mariae semper virginis deductus, cum omnium qui aderant appiausu ab Arnoldo Coloniensi archiepiscopo, aliis cooperantibus, coronatus). n. 607 ist jetzt von Opper- mann in dieser Zeitschrift XX (1901) S. 158 als Fälschung entpuppt. Zu u. 556, 584, 589 wären vielleicht die Bemerkungen von R. Detloff, Der erste Römerzug Friedrichs I. (Götting. Diss. v. 1877) S. 56 ff. zu beachten gewesen, n. 925 Lunowe ist = Leuna, vgl. Dobenecker II 379. n. 926 der Marga- retentag ist, wenigstens nach Grotefend, Zeitrechnung I 118, II 84, auch in der kölnischen Diözese, der 13. nicht der 12. Juli. — Es sind Kleinigkeiten, die ich* hier anführe, wie man sie eben nur vermerken wird bei einem Werke' das in allem Wesentlichen und Wichtigen vortrefflich ist. Recensionen. 221 Rheinische Urbare. Sammlung von Urbaren und anderen Quellen zur Rheinischen Wirtschaftsgeschichte. Erster Band: Die Urbare von St. Pantaleon in Köln. Herausgegeben von Benno Hilliger. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XX). Bonn, H. Behrendt, 1902. CIV u. 725 SS. 8^. Mk. 18. — Angezeigt von Archivar Dr. 0. Redlich in Düsseldorf. Mit dem vorliegeoden Bande ist eine Edition ins Leben getreten, die mit zu den ersten von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde geplanten und geförderten wissenschaftlichen Unternehmungen gehört. Schon iUe von Harless, Höhlbaum und Loersch verfasste Denkschrift des Jahres \88l hatte hingewiesen auf das „für die Geschichte der Preiswerte und des Besitzes, für das weite Gebiet der Wirtschaftsgeschichte", ergiebige „noch fast ganz verschlossene Material, das in den Güter-, Zins- und Heberegistern der geistlichen Korporationen vorliege. Aber erst im Juli 1890 gewann der Plan #iner Edition dieses Materials greifbare Gestalt, indem K. Lamp recht mit der Herausgabe der Rheinischen Urbare von der Gesellschaft beauftragt wurde. Xoch in demselben Jahr veröffentlichte Lamprecht in einem Mar- burger Universitäts- Programm als eine Vorarbeit zu dieser Quellenedition ein „Verzeichnis niederrheinischer Urbarialien**. Obschon dem rheinischen Gebiet entrückt, blieb Lamprecbt auch fernerhin Leiter diesf r Edition, für die er als Mitarbeiter die Leipziger Historiker Hilliger und Kötzschke gewann. Wie Lampreeht selbst in dem trefflichen Geleitswort zum vorliegenden Bande n ^ Sigillatenstempel aus Rom. 243 1. Ämiantif Ts. S. Noch unbekannt. [Vgl. jedoch den Nach- trag S. 253]. 2. Ä(uli) Änni Splitter. = Neuss 16. Vgl. nr. I 6 (nicht auch das gallische of. A. An in Britannien CIL. YII 1336, 1). 3. ApöllMßorusf) C. Anni, Ts. Arezzo XI 33. Sonst unbekannt. 4. ArvL Tl. Arezzo 97. Spanien. Vgl. nr. 9. 5. Atei auf einem Schilde. Ts. — Spanien, Gallien, Yechten 43, X^. 6. Atei viermal wiederholt. Tl. Pompeji, Spanien, Neuss (B. J. 102, 151 nr. 351: „St. urspr. mehrmals wiederholt"). 7. Atei mit Zeichen, viermal. Tl. In Rom 5007 cc : • x äei • x (aber nur ^nmal eingedruckt), wo Atei Xanthi als mög- liche Auslegung angenommen ist, welches sich in Narbonensis findet. ATEI )J( in Poitiers, Trion, Langres, Koblenz, Neuss (vgl. B. J. 102, 151), Vechten; * A'EI # in Poitiers: 48. In Narbonensis XII 85: Genf. 8. On. Atei Er(as). Im Kreis geschrieben. Ts. Die Stempel des Cn, Atei Eros in Rom (5009), Arezzo, Pompeji, Puteoli, Spanien zeigen nur entfernte Ähnlichkeit. 9. Cn, Atei Cn{aei) l{ibertus) Dei{phobu8?). Tl. Noch unbekannt. Ergänzung unsicher. 10. Crhe8t{us). Ts. Noch unbekannt. Vgl. Chresti (Capua X 88, Trion XIH 10010, 552, auch Creh), CIRES (XII 231). (Cresti{us), Crestio sind nicht selten, vgl. 5096, am Rhein 98 u. a.) 11. Corn{eli) Hedi{lir). Ts. Noch unbekannt. Ob Hedylusf 12. Crispini Fhil(eros). Tl. von sehr schöner Ausführung. Hadrumet (Rev. arch. 1884, 18 ff.). — Neuss und Bonn mus. priv. 102 Vgl. 5161: Philer OS C. Crispini 13. Eros Inoiei (= fecit). Ts. = Mainz 117. Eros fecit, sowie ^oi (inoiei) mit anderen Namen (s. I 22) findet sich bisweilen. 14. Fortuna . . Schale mit Sgraffito (s. S. 246) Dioclis. Sehr ahnlich XI 300 aus Tuder. — Vgl. Fortunatus 5219 und Fortuna 'in solea' in Pompeji CIL. X 8055, 19. 15. C, Fron(tinif). Splitter. Noch unbekannt. 16. Gallus. Tasse und 17 Grallus • fecit Ts., im Kreis geschrieben. Beide noch unbekannt. {Gali 5223 und Galli m., of. u. a. [Narbonensis CIL. XII 5686, 377; Britannia VII 1336, 475; Gallia XIII 10010, 939] gehören nicht hierzu). 18. Quarti{of) Hertor{ii) auf einem Schilde. Ts. Noch unbekannt. 244 A. Biese. 19. Januarius feci(t), Tb. Im Ex&b geschrieben. Derselbe Stempel in Tarraco, Nimes und Neuss (B. J. 101, 17; GEL. Xm 10010, 1002). Der geradlinige Stempel Janua(ri(u8 {f. [in (Pallien und am Rhein häufig] gehört nichthierher, vgl. ebenda 1002. 20. Sex(ti) M.. P. . (2 Ex.) Ts; Schale. S. Vgl. 5297 ; 5300 f. = Puteoli, Sicilien (X 197). (S M P inSicilien, Sardinien, Spanien). 21. S, M., T.. sowie (aus Pompeji) \KT Tl. S. Antium (X 200); Faesulae; Spanien; Narbonensis; Rheinzabem 157. 22. C. Mar(ir) P(rwusf) od. dgl. Tl. S. Noch unbekannt. Die Lesung ist sicher. 23. C. Pac{%deif) Pa{riBf) oder dgl. Splitter. Tarraco. 24. Bdopis, Tl. Noch unbekannt. 25. Q. Petilii. Splitter. So noch unbekannt. Qj.PETIL in Arezzo (459), Ferentino, Q. Fet in Spanien und Solunt. (II 382 ; X 256 f). 26. Primii^iif) Str(U(of) Ts. Vgl. Primic \ Sirat in Spanien (II 402) und Primis \ Strat in Sardinien (X 587). 27. M. P(erennif) Se(verif) od. dgl. Splitter. Arezzo, aber in solea (XI 430). Vergleichbar ist MPS (resp. M^B) in Arausio und Klagenfurt (vgl. B. J. 101, 19), in Trion, Neuss, Xanten, Monterberg, Vechten 184. Vgl. Ritterling zu Haltern 64. 28. P. 0(ßllif) Z(oilu8f), wenn nicht etwa ^08. Ts (?). S. Ersterer noch unbekannt. 29. Ea(sinif) 0(j9liof), Tst. (Vgl. R0A Bordeaux 216?) — Arezzo XI 537. 30. Primus Basini Tl. — Arezzo XI 543. 31. Tettian{us) BasinL Tl. = Arezzo XI 549*. 32. Coenus Begin{i) f{ecü). Tl. Noch unbekannt. 33. Eo(do), T8(?). Aussenstempel ^) zwischen Ornamenten. Derselbe fand sich zugleich mit Bild und Namen des Augustus auf einem Ge- f&ss in CinceUi (CIL. XI 247), in der Werkstatt des P. Cornelius. 34. L. Rufre(ni). Tl. S. Noch unbekannt; nur T,, nicht L., Bufrenus ist bekannt. 35. Alexander Saufei. Tl. — Arezzo XI 585. 36. Servil({). In einem Schwalbenschwanz eingerahmt. Tl. Servili 5583; aber diese Art des Stempels ist noch unbekannt. *) Über Aassenstempel vgl. B. J. 96, 48. Sigillatenstempel aas Rom. 245 37. Set(i). T8. — Setus Spanien II 481. C. Seit ebenda 99. 38. Silvi BUrici, Gallische Schale mit verzierter Aussenseite. Mit Sgraffito ly. = Britannien (Cn.. VE 1079 f.); — Gallien, Vechten, Wiesbaden (Xin lOOlO, 1818). 39. Sp{h)aenis fecet (=/e(^). Tl. So in Corfinium (IX 6082, 76). (Spaerus in Rom 5601 and Arezzo XI 643*. 40. Chreaufn(u8) TUi. Tl: Noch unbekannt. {Chresim TUi: Gal- üen 277). 41. TUi Lic.. (= Lychnusf) Kleine Schale. Noch unbekannt. 42. Gme{Uu8) L. TUi. Splitter. — Arezzo ; Puteoli (CIL. X 8056, 1 58). 43. Sectifidus L. TUi. Tl. — Spanien ü 464. X. Tl Se(c. in Cam- panien (X 356) und Arezzo (XI 722). 44. Oru8 Tura(ni). Ts. Noch unbekannt. Crtis(es) so v. w. Chryses. 45. T. Vemi Davi Tl.(?) Noch unbekannt. Mit Sgraffito Felic, ted (s. S. 246), wozu ich den Stempel FELICEN • TE aus der Gegend von Arles (CIL. XII 356) und jenes cniOPel (s. S. 238) vergleiche, also Felicem ted — vgl. Buecheler Lat. Deklination S. 25* — oder Felicem te d{ieo) lese, wahrend 0x6 (brieflich) Felic{is) Ped(ani) oder überhaupt einen Namen vermutet. Vgl. auch CIL. XIII 10010, 886. 46. Felix Vettl Tasse. Noch unbekannt. Vgl. den Sgraffito VIITTIDI FIILICIS XV 6014. 47. Vibi€(ni) Faus(t%). Spütter. C. Vibieni Fausti 5746, XI 762 u. ö. in mehreren, von dieser noch unbekannten sehr verschiedenen Formen. 48. P. Vicirii{f) Quartio. Ts. Noch unbekannt. Vgl. P. Viciri\ Terti 5761. 49. C Vivi Bufi, Tasse. Im Kreis geschrieben. Noch unbekannt. 50. i. Umbrici Ärchehi(i oder -us). (2 Ex.). Ts. =^ Neuss SOS (wo aber AR). Hierzu kommen in Pompeji von mir gefundene Stempel : 51. Agath,. Splitter; vgl. Ägatheme{ri) in Loveno V 6, Agathe.. in Puteoli n. a. X 18. Agatha in Arezzo 16. 52. Ciria{cif). Splitter. S. Noch unbekannt. 53. Femer Cresti (?) aus Cumae und einige undeutliche aus Rom, wie 54: Um \ &r(?), sowie der Aussenstempel 55: P. C(om«/«), vgl. oben zu nr. 33. 246 A. Riese Sgraffiti. n /* In diesem zweiten Verzeichnis sind also unter ungefähr 50 Stem- peln die aus Rom noch unbekannt sind, ungefähr 23 enthalten, die meines Wissens überhaupt noch nirgends gefunden wurden, mit fast 20 neuen Namen. Einige dieser Stempel finden sich in Pompeji in grösserer Zahl wieder, und dies lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass sie der letzten Periode vor der Vernichtung dieser Stadt im Jahre 79 ange- hören, in welcher die Kunst bereits in „tiefem Niedergang*' begriffen war *). Ausserdem sind von meinen Stempeln etwas über 30, wie obige Listen ergeben, auch aus dem Rheinlande schon bekannt; und unter diesen sind sogar einige, die bisher n u r im Rheinlande gefunden waren, nämlich 1. A, -4»»(i), 2. Eros epoi und 3. L, ühtbrid Archebi. Nur aus Gallien, Grermanien und Britannien kannte man Silvi Pcttrici. Nun steht einerseits fest, dass der Export solcher Ware aus Italien nach dem Rheinlande schon früh aufhörte, da im ersten Jahrhundert nach Chr. bereits die gallischen und rheinischen Töpfer ihre selbständige einheimische Ware hoch brachten und in erfolgreichem Wettbewerb die Ware des Südens frei nachahmten und — verdrängten. Anderseits stammen die betr. Stempel Germaniens wie gesagt vorzugsweise aus einer fast ganz augusteischen Fundstätte bei Neuss; wozu sich neuer- dings die von Ritterling bearbeitete und a. a. 0. veröffentlichte von Haltern gesellt, welche nach ihm auch nur bis in den Anfang der Tiberia- ni sehen Regierung herabzureichen scheint. Aus beiden Ursachen sind obige römische Stempel, soweit sie mit diesen germanisch-rheinischen identisch sind, spätestens ungefähr der Zeit des Augustus zuzuweisen. *) Dragendorff, B. J. 103, 87. Sigillatenstempel ans Rom. 247 Die ältere, augusteische Zeit und die spätere Periode bis zum Ende von Pompeji — nur diese beiden lassen sich fürs erste fixieren — unterscheiden sich u. a. noch, wie schon bisher bekannt ist, dadurch, dass in der in Neuss vertretenen älteren Periode ein Stempel mehr- mals (meist viermal) auf einem Gefässe wiederholt werden konnte, was oft z. B. bei Ateiusstempeln ^) geschah; dass ferner gern noch Marken statt des Namens, auch öfters mehrere Male wiederholt, gesetzt wurden, wie es schon bei den älteren schwarzen Stücken (s. oben) geübt wurde, oder Marke und Name wurde vereint wie z. B. zwei oder vier Huf- eisen^) mit dem des Hertorius, oder ein anderes Zierrat zweimal mit dem des Crispinus; drittens: altertümliche Orthographie findet sich in Haltern {Thursus und Tigranei statt Thy- und -wi), und wird na- turgemäss auf die ältere Periode weisen, wie oben Gruses, Epapra, JPam- pilus, Sjpaeru fecet (wo p für ph, -et für -it steht) u. a., vgl. Ihm B. J. 102, 115; 118®). Denn an die ganz späte Vulgarisierung der Orthographie darf man hierbei schon deshalb nicht denken, weil mit Namen gestempelte Sigillaten in Italien überhaupt nicht weit unter das erste Jahrhundert herabzureichen scheinen. Während Rundstempel und solche mit Rahmen in der Form des 8<^. Schwalbenschwanzes beiden Zeiten angehören können*), — finden sich doch letztere z. B. in Neuss und anderseits in Pompeji und auch am Limes noch im Castell Butzbach, — werden solche in Sohlenform (in planta pedis genannt oder in solea, ursprünglich mit Ausprägung der fünf Zehen) anerkanntermassen der späteren Zeit zuzuweisen sein. Es scheint mir, dass sie auf eine gallische Form zurückgehen, da der entschieden gallische Stempel of(ficina) Mommo{nis) und der nordische Silvi Patrici eine Art länglich abgerundeter Umrahmung haben, die auch am Limes wiederkehrt und aus der die Sohlenform wohl hervorge- gangen sein kann, welche Pompeji oft, Neuss 2 mal, Haltern noch niemals *) Diese sind in Germanien mit Caesar- and Augustusmünzen gefunden worden (Xanten: Fiedler- Houben T. 2. Andernach: B. J. 86, 161), reichen aber 'in solea' bis tief in späte Zeit herunter. ') Dagegen können einfache Hufeisenstempel auch späterer Zeit an- gehören, vgl. Gamurrini, Vasi Arretini S. 32 (X. B(tsini Pisani mit 'forma di un ferro di cavallo') und Oxä B. J. 102, 143. ') So haben die Perennii Sklaven Namens Pilades und Pilemo, Tet- tius einen Eutucus etc. *) Ältere Rundstempel führt Ox^ B. J. 102, 143 an; der späteren Zeit gehurt nach S. 248 z. B. mein römischer Rundstempel L. S. C. an. 248 A. Riese und allerdings aach Gallien selbst kaum bietet ^^). Wenn sich die Sohlen- form auch auf südrassischenSigillaten aus Olbia findet, welche nachDragen- dorfiP B. J. 96, 37 vgl. 46 älter sind, als die arretlnische Ware, also nicht zu den ebenda S. 82 angeführten aus Italien nach Osten importierten Stücken gehören können, und wenn anderseits auch eine Beeinflussung Arretiums durch Olbia wohl undenkbar ist, so bleibt nur übrig, eine nach Ort und Zeit weitgetrennte zweimalige Erfindung desselben Motivs anzunehmen. Dass in Italien die Form in solea eine sp&tere ist, nimmt auch Ihm (B. J. 102, 116 u. ö.) an. Vielleicht darf ich hier anführen, dass sich auch Legionsstempel in solea finden und zwar in Camuntum, dass sie aber nicht der 15. Legion, die im ersten Jahr- hundert dort stand, angehören, sondern der 10. und 14. Legion, also der späteren Oarnison ^*). In der Sohle (seltener auch sonst) finden sich nun oft Namen, die nur durch ihre Anfangsbuchstaben angedeutet sind, wie I M T oder CNF oder SEX. M. F. Pompeji und ebenso der Limes bietet hiefür zahlreiche Beispiele, während solche in Haltern und Neuss noch fehlen, bis auf ein vereinzeltes P C N (Neuss), welches denn doch eben seiner Vereinzelung wegen aus einer späteren Trümmerschicht stammen 0 wird ^'). Weil L. Basinius Pisanus in solcher Abkürzung vorkommt L ' R ' PIS und weil er in meinem Exemplar in solea steht, glaube ich dass er mit Recht als später Nachkomme oder Nachfolger der augusteischen, Rasinier angesehen wird^*). Weiter ist zu bemerken, dass unter meinen Stücken Stempel in solea teilweise auf schlechtem, wenig und nur gelblich ge&rbtem Thon stehen, z. B. die des OCT(avius) PRO(clus); dies auch weist auf Decadence der späten Technik hin. *®) Die richtige Sohlenform kenne ich aus rheinischen Fundstätten nur auf einem Teller und zwei Tassen in der grossen Sammlung des Herrn G. M. Kam in Nymegen. Fundort: Hunerberg bei Nymegen. Diese OefUsse sind von Terra nigra und gehören jedenfalls dem 1. Jahrhundert, vielleicht noch seiner ersten Hälfte, an. 1^) Vgl. Der rüm. Limes in Osterreich II, Tafel 2. 7. 12. ") Dass man eine solche mit in Rechnung ziehen muss, bezeugen Koenen B. J. 101, 5 und besonders Ox^ B. J. 102, 139. ^') Diese Firma scheint recht lange bestanden zu haben, da auch der einfache Stempel RASIN sich 'in solea' findet. Ob freilich der Neusser Stempel pisn (B. J. 101, 119) auch diese Zweigfirma bis in augusteische Zeit zurückzuführen erlaubt, oder ob er irgendwie anders zu erklären ist (vgl. die vorige Anmerkung), sei dahingestellt. Über den mehrere Generationen dauernden Fabrikbesitz derselben Familien vgl. auch B. J. 96, 49. 102, 110. SigiUatenstempel aus Rom. 249 Zu diesem Allem ergiebt sich endlich noch ein weiteres, bisher in dieser Weise wohl nicht beachtetes Mittel, die Erzeagnisse beider Perioden einigennassen zu unterscheiden ^^). Die Greftsse mit dem Sohlenstempel, also die sicher späteren, haben n&mlich in den meisten F&llen einen Standreif von nur geringer Höhe, der nach innen zu sehr flach und schr&g verläuft (Fig. 5). Anderseits haben die Greftsse mit T, Vf-lF. •"-n L^y solchen Stempeln, wie sie auch in Neuss und Haltern gefunden wurden, also die frfihzeitigen, in Rom in der Regel einen relativ hohen, aussen und auch innen steilen oder doch ziemlich steilen Standreif (Fig. 1). Diese Beobachtung der zwei Endglieder lässt auf die allm&hliche Ent- Wickelung der ganzen Erscheinung schliessen, und so dürfen wir die Formen, die als Figur 2 (weniger hoch, aber stSil), 3 (zwischen steil und schr&ge die Mitte haltend), 4 (niedrig und ziemlich schräg) be- zeichnet sind, als ungefähre auch chronologische Zwischenglieder ansehen. Doch wohlgemerkt ist dies eine Regel nicht ohne Aus- nahmen ^^) ; dass sie aber dennoch als Regel gelten darf, wird folgende Statistik von 142 meiner Stücke (bei den anderen fehlt der Fuss) erweisen. Summe Auch in Neuss oder Haltern vorkommend Stempel in solea 1. Hoch, innen steil . . . 2. Niedriger, steil . . . 3. Mittlere Form .... 4. Niedrig, ziemlich schräg . 5. Sehr niedrig und sehr schräg 27 4 31 44 36 15 1 7 6 0 3 2 6 9 15 ^') Dies mag als Ergänzung zu DragendorfTs grundlegender Abhandlung im 96. Hefte der Bonner Jahrbücher dienen. '') Bisweilen scheinen Teller zu Form 1, Tassen zu Form 8—5 hin- zuneigen; aber der entgegengesetzte Fall ist so häufig, dass unsere Beob- achtung hierdurch nicht widerlegt wird. 250 A. Riese Die Abflachang und Abschrägung des Fassrandes nach Innen geht hiernach deutlich Hand in Hand mit dem Aufkommen des Stempels in solea. Beides ist neue Mode, neben welcher wie immer manche an alten Moden festhielten *®). Auch in diesem Punkte mag wohl wie bei der Verwendung der solea die Veränderung der Mode, welche zwischen Augustus und Vespasian Platz griff, von der gallischen Industrie aus- gegangen sein. Wenigstens finde ich, dass meine zwei gallischen Stempel des Mommo und des Silvius Patricus die Form, die Fig. 5 wiedergiebt, und zwar in ganz besonders plumper Weise, haben. Da- nach ist es nur natürlich, dass auch die rheinischen Funde der Limes- zeit meistenteils entweder geradezu der Fig. 5 gleichen oder wenigstens ihr ähnlicher sind als der Fig. 1, wenigstens soweit ich hier an Oii; und Stelle die Sache überblicken kann, da das Limeswerk gerade in diesem Punkte (ausser Lieferung 14) wenig ergiebt. Wogegen ein Ge- fäss mit Stempel X^NJHI aus Mayen bei Andernach (in meinem Besitz), der auf die alten Firmen der Ateii hinweist, der Figur 1 völlig ent- spricht. Es wird sich lohnen, diese Erscheinung in den Museen weiter zu beobachten. — Eine Einordnung der einzelnen Stempel in die ver- schiedenen Perioden, welche über das von Dragendorff u. a. schon Gefundene hinausgeht, will ich jedoch, da jenes neue chronologische- Anordnungsmotiv zwar für die Gesamtheit sicher ist, aber nicht unmit- telbar für jedes einzelne Stück passt, einstweilen noch unterlassen, obwohl sich manche neue Zeitfixierung schon jetzt ahnen lässt. Zum Schlüsse mögen einige Bemerkungen per saturam folgen. Bei mehreren Stücken ist die Färbung unvollendet geblieben, da sie auf der unteren Bodenfläche den farblosen hellen Thon, z. T. mit far- bigen Fingerspuren beschmiert, zeigen, und zwar stammen diese aus arretinischen Fabriken des Crispinus, des Hertorius, des A. Sestius sowie aus der der Ateii. Es scheint danach, dass diese Fabriken auch Ausschussware, die we^en irgend eines Fehlers unvollendet blieb, nach Rom schickten, wo sie sie wohl um billigen Preis verkauften. Ein Sigillatastück, welches im Innern mit einem Relief, und zwar dem eines Widders, geschmückt ist, das ich ebenfalls in Rom erwarb, ist zu dem von Quilling Korrbl. XV 98 beschriebenen Stück hinzuzufügen. Es ist wie jenes „von gutem, nicht mehligem Thon und hellroter Farbe." >') z. B. C. Ämurius, der in solea stempelte, aber die Standreife auch nach Fig. 1 bildete. Sigillatendtempel aus Rom. 251 Eine grössere Anzahl von Stempeln, die ich bei H&ndlem sah, aber nicht erwarb, und die anch aus den Anfangs genannten Fund- stellen Korns stammen, habe ich mir flüchtig notiert. Ich erwähne davon, aber ohne völlige Genauigkeit zu verbürgen, als im CIL XY fehlend folgende : Ädl \ Ä, S — Ä Ann (s. S. 246) — Äfer \ Ann. — AJban | C Ann — Ingenu(us) \ Anni — Primu \ C. Ann — (^uarti \ C. Anni — Charit j — GemelF. Com — Epac \ (Uus — Eros \ ^oi (S. 246) — Gra I ni — Tkarsus \ Hertar{i%) — Lada — Ü6/// — LN\U — Front — Q. Fubli I dus fec(ii) — Doci \ Pia>l — Opilio | Basini — KOCM \ Saufei — Acutus \ Secti — Proc \ Setto — Sex LF — Siru — Strato \ Step{h)an — Epaigaihusf) \ Tüin — Cerdo \ Titi — Cinnam \ Tiii o — Clar I Titi N — Orhesiio \ Titi — Pub \ TU{%) — Bos{cius f) \ Tut — UM I Tiii — Auct{us) \ Tura{nii) — Thyrsi vierfach wiederholt — T. Faferttts — a Fa I Tyripnnus) — C. Vdlusti (.«) | Eutactu — Felix \ Yiri(f) — Hector \ Umbric — Q, ümb \ Philo — C. Volusenu — M. Volasennae — Jf. Vol | asena. Auch einige meiner Stempel kehrten hierbei wieder. Eine Besprechung dieser Stücke unterlasse ich. Endlich erw&hne ich 10 Stück mit blossen Marken, von denen eine viermal eingeprägt ist, und gegen 50 Stücke mit einem teilweise reichen bildnerischen Schmuck *^), von welchen zwei die Aussenstempei n 33. 55 obiger Verzeichnisse tragen. Die Bilder aus der Tier- und Pflanzenwelt: Stierkopf, Pferd, Delphin, Guirlanden, Kränze, Banken und Blätter, femer Schild und Trophäen, Gaduceus, das Bild einer Vase, dann die Darstellungen aus dem menschlichen Leben : die Krieger, die Reihe gefesselter Sklaven, die Tänzerinnen — sowohl die hochge- schürzten Kalathiskostänzerinnen wie solche in langem schönfaltigen Gewände *®), — und endlich auch die nur formalen dekorativen Zeich- nungen (letztere u. a. sehr schön auf einem fusslosen Becher) zeugen grossenteils von einer solchen Feinheit und Fülle des Könnens, dass man erkennt, dass die nordische Nachahmung, wenn sie auch manches von dieser Kunst gelernt hat, doch noch viel mehr hätte lernen können. December 1901. ^*) Vgl. hierzu im allgemeinen Dragendorff, B. J. 96, 66 ff.; auch die AbbildoDgen sowohl S. 69 wie S. 128 ff. zeigen einige gleiche oder ähn- liche Darstellungen. ^*) Ein ganz besonders schönes Exemplar der letzteren entspricht der Abbildung bei 0. Holder, die Formen der röm. Tbongefässe (1897) Taf. 24, 4- Westd Zeiteohr. f. Gesch. u. Kunst. XXI, m. 18 252 A. Riese Nachtrag. Folgende Stempel erwarb Professor G. Wolff im Winter 1901/2 von einem Händler an der via Sistina zu Rom. Sie stammen aas Rom, jedoch ist die genauere Fandstelle unbekannt; nur Nr. 37 fand Wolff selbst und zwar im ginnasio Romano zu Taormina. Die Abkürzungen verwende ich wie oben; die mit R. bezeichneten Stücke verdanke ich dem Genannten als Geschenk, w&hrend die übrigen in seinem Besitze sind. m fo 30- ^•M9WJa o fi 3^ C® 3/ 9t /<£S2S^ ''(£H21®> '^@5E> '^(Jopfl^^ E^ 3i- fiffl ^7 ]- in diesen Namen betrifft, so ist damit der gleiche Wechsel in der griechischen ") Beyer, Mittelrhein, ürkundenb. I 271. ») Beyer a. a. 0. I 140 »•) Beyer a. a. 0. I 466. »») Jubainville a. a. 0. S. 205 Anm. l. ^*) Bück, BirliDgers Alemannia VIII 156. . ^*) Dies Suffix geht zurück auf das Flussnamenwort am-, das z. B. in Am-an-a (Ohm), Am-an (in Schweden), Amance (Seine) u. s. w. hervortritt. ••) Vgl. "Alhoa Ort im Gebiete der Mamertiner (Diod. Sic. 22, 24), Alaiact, röm. Haiesa, Stadt auf der Nordküste Siciliens, jetzt Pittinio (Strab. VIII 266; D. Sic. 14, 16). Aliso — seiii N&me und seine Lage. 259 Form des gallischen Alesia zu vergleichen (vgl. unten). ''AXt]^ ist ein FIbss hei Colophon (Paus. 7, 5, 10), der von Plinius (nat. bist. 5, 31) Halesus genannt wird. Es liegt nahe, dass auch der klein- asiatische "AXu^ hierhin zu stellen sei. Wie *Alison in Elison um- lautete, so treffen wir auch in Hellas die gleiche Erscheinung an : der EXi(7ü>v hat zwei vollendete Doppelgänger in den beiden £Xiaaa>v, von denen der eine von Pausanias (2, 12, 2) als Nebenflnss des Alpheus genannt wird, der andere bei Strabo (Yin 838) als ein Flttsschen in Elis eriBcheint. Übrigens mag Elis selbst ein Reflex dieses Flussnamens sein, wenigstens erscheint als Nebenform jenes Elisson auch der Name Elisa. Ganz ähnliche Namen gab es noch mehrere: 'EXtaeug war nach Strabo (Vm 356) ein Fluss in Thessalien, der "EXt^og ein Fluss in Keos (Strab. X, 487), 'EXtaaoög ein Städtchen in Arkadien (D. Sic. 16, 39). Der keltische Flussname Alisontia, der auch am Rhein und in Schwaben erscheint, leitet uns zum heutigen deutschen Land hinüber. Da haben wir zunächst einen noch aus römischer Zeit herrührenden Beleg in der civitas Alisinensis (bei Neckarelz) ; der Name ist durch eine Limesinschrift bezeugt (Bramb., C. I. Rh. 1693).**) Wenn auch auf niederrheinischem Gebiet Namen wie Als-siefen **) oder Elsonberg auf mittelniederdeutsches Alse, Else = Erle, Rüster, BerghoUunder zurückgehen, so ist eine solche Erklärung doch auf oberrheinischem und österreichischem Gebiet ausgeschlossen. Zur Aliso- Sippe wird daher zu zählen sein der Aisbach am Wiener Wald, der um 1040 Alsa genannt wird*^), der elsässische Aisbach (mit gleichnamiger Ortschaft, Kr. Rappoltsweiler) ; derselbe Name auch in Schwarzburg'Rndolstadt (Amt Königsee) *^). Namensgleich hiermit ist sicher auch Alschbach in der bayrischen Pfalz (Bezirk Zweibrücken); in derselben Gegend (Bezirk Kaiserslautern) ein Als en- brück. Die Als er ist ein Flüsschen in Nieder-Österreich, das durch Wien fiiesst (davon der Stadtbezirk Aisergrund); in der Nähe auch der Eisbach mit gleichnamigem Dorf (Bezirk Hernais). Der Name des Hütten- werks Als- au im Reg.-Bez. Coblenz (Kr. Neuwied) deckt sich mit dem der Elsawa, eines rechten Nebenflusses des Mains (entspringt auf dem Spessart, mündet bei Elsenfeld); für den Westerwald '^) ^^l* Alisinensis pagas, j. TAuxcis in Gallien (Holder s. v.). ") Leithaeaser, Berg. Ortsn. S. 148. '*) Förstemann, Altd. Namenbuch II S. 63. *^) Ritter, Gtoogr.-statisches Lexikon 1. 41. 260 F. Crmmcr (Kreis Neuwied) ist eine Eisaffe durch mittelalterliche Urkunden ^^) bezeugt; von ihr haben den Namen die Dörfer Elsaff und Elsaff- thal; eine Eisoff fliesst nordwestlich Ton Hatzfeld und nördlich von Hadamar in Nassau, während eine andere Eisoff mit der Eder zur Fulda läuft; an beiden liegen gleichnamige Dörfer. Der Eis b ach, der von der Rhön herabkommt, hiess früher Elispa, Elisba^^) = Al-is-apa; eine Elspa, jetzt Elz geht in die Streu, die mit der Saale der Elbe tributpflichtig ist. In die fränkische Saale fällt eine Eis. Eine andere Ils, ein Nebenflüsschen des Rheins bei Bingen, wird i. J. 983 Elisa rivus genannt^^). Elsendorf, südwestlich von Regens- burg, erscheint im 10. Jahrb. als Ilsin-dorf ^^), während eine Hz bei Passau sich durch die alte Form Ilsiza als verkappte ^Alisentia und als Verwandte der bairischen Elsenz verrät. Elsenborn ist eine Quelle bei dem bekannten Militärübungsplatz im Kreise Malmedy. Els-heim, südw. von Mainz, weist a. 793 die Form Elisan-heim auf (Förstem. S. 901). Sehr wahrscheinlich ist mit dem Namen Aisbach etymologisch gleichwertig der öfters vorkommende Name Halsbach oder Halsenbach ; das h ist unorganisch vorgesetzt wie z. B. in der Form Haedui statt Aedui. Halsbach begegnet dreimal in Bayern: 1. im Bezirk Alt- ötting, 2. in Mittelfranken (bei Dinkelsbühl), 3. in Unterfranken (bei Lohr, Amtsgericht Gemünden). Halsenbach ist ein Dorf bei St. Goar (R.-B. Coblenz). Es giebt also auf oberdeutschem Gebiet eine stattliche Reihe von Verwandten unseres 'EXfatöv. Wie steht es nun auf der rechten Seite des Niederrheins und insbesondere in Westfalen ? Gleich an der untern Lippe begegnet uns ein in den Rhein fallender Bach Eis, von dem jedenfalls das benachbarte Dorf Als -um (Kr. Mülheim a. d. Ruhr) = Al-is-heim seinen Namen hat; der Name Eis um, mittelalterlich Alsum, begegnet auch links des Rheines im Kreise Heineberg. Ales-beke wird i. J. 1266 ein Gewässer in der Gegend von Vlotho genannt (Jellinghaus S. 150). Eine Elsse bei Huntebnrg (Amt Wittlage) wird im 13. Jahrb. Elsene genannt ^^); eine andere Elsse vereinigt sich mit dem Weser-Zuflusse Werre. Elsebeck ist ein Dorf im braun - >») Beyer, Mittelrhein. Urkundenbuch I 143. 180 (a. 893 bew. 1222). s>) Müllenhcif, Deatsche AltertumskuDde S. 230. ") MüUenboff a. a. 0. S. 235. ") Förstemann II S. 901. **) Darpe, Codex traditionum Westfalicarum IV 104. Aliso — sein Name and seine Lage. 261 schweigischen Kreise Helmstadt. Der Elsenbach bei Ergste (Er. Iserlohn) wird im Jahre 1343 Elze genannt; damit ist erwiesen, dass das Bestimmungswort ^Elsen' nichts mit der Erle zu schaffen hat, weil sonst der Zusatz ^Bach* unentbehrlich wäre. Else hiess auch nach einer Urkunde des Jahres 1364 die heutige Ilse, die ebenfalls (mit der Bega) zur Werre geht'^); so werden denn auch die anderen Ilse-Bäche, wenigstens zum Teil, hierhin gehören. Noch zweimal begegnet dieser Name im Wesergebiet. Die eine Ilse fliesst bei Windheim in die Weser (schon i. J. 1235 so genannt)'^), die andere in der Gegend von Grohnde. Bei einem Orte Ali sei ist Karl der Grosse i. J. 797 Ober die Weser gegangen; der Name ist um so bemerkenswerter, als er durchaus mit dem belgischen A 1 i s n a (s. o.) in seinem Lautbestande übereinstimmt. Nach einem Gewässer ist die Bauerschaft Alse mit Alser-deich im oldenburgischen Amt Brake (Gemeinde Rodenkirchen benannt). Bei Yolkmarssen in Waldeck begegnet der Ortsname Helsen, für den sich im 9. Jahrh. die Form (H)eliso findet, später Helison (1058), Hilesan (1107), Helsen (1209)^^. Auch an Seitenstacken zu den Elsaff- oder Espa-Bächen fehlt es nicht: im Sauerland, Kreis Olpe, begegnet eine Elspe, die i. J. 1000 Elis-opu**; (später Elisopii [lat. Genetiv] und Elsepe) genannt wird; Elspe heisst ausserdem eine Ansiedelung bei Lüdenscheid. Man sieht: Gerade im Lippischen und in den angrenzenden Strichen ist das Flusswort Al-is- stark vertreten. Ob auch die (H)aUen- b ecke bei Schwelm, die (H)als-beck bei Eppe (Waldeck), die (H)als- mecke bei Attendorn mit in dieselbe Reihe gehören, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls reichen die sichern Belege aus, um erkennen zu lassen, dass der Name Aliso nicht bloss im Keltenland, wie Schuchhardt meint ^), sondern auch in Deutschland zahlreiche Ver- wandte aufzuweisen hat. Es würde also nicht auffallen können, wenn bei einer solchen „Ueberproduktion^^ an Aliso -Namen der eine oder andere derselben im Lauf der Zeiten einer andern Bezeichnung hätte Platz machen müssen. '^) Preuss u. Falkmann, Lippiscbe Regesten, II 294: Jellingb., Westf. Ortsnamen 8. 150. ") Jellingh. S. 150. ") Vgl. Wenck, Hess. Landesgescfa. II 366; Fürstenberg, Mooum. Paderborn, p. 10; Giefers, De Alisone castello S. 37 Anm. 4. ») Erhard, Westf. Urkund.-Boch nr. 697. **) Mitteilungen der Altertamskommission für Westfalen Heft II (1901) S. 214. 262 F. Gramer Uebrigens begegnen uns aach, wenn wir weiter nach Norden und Osten gehen, immer noch Spuren des vielgebrauchten Flussnamenelements. Eine Ilse kommt z. B. auch im Harz, als Zufluss der Ocker vor. Eine Ilsineburg wird i. J. 955 genannt (Förstemann II S. 900), j. Ilsen- bürg an der Ilse. Eis an pah ist eine urkundliche Form aus dem 11. Jahrh. für heutiges Ilsebach, südöstlich von Eggenfelde, nord- westlich von Braunau (Böhmen). So weit man ohne Belege aus älterer Zeit urteilen darf, stellt sich sogar die zur Oder gehende Olsa (be- züglich des 0 = a vgl. z. B. Ohm = Amana) und der Marchnebenfiuss Ols-awa hierher (vgl. oben Elsawa). An der Rigaer Bucht (Ostsee) stösst man auf eine Al-ass und im äussersten Südosten Europas im Gebiete des kaukasischen Eur, auf einen Al-as-an, womit der Ali- sanus in Gallien zu vergleichen wäre. Den kleinasiatischen Halys erwähnten wir; aber noch weiter, in Persien, begegnen^wir einer Alsa, einem Nebenflusse des Aras (Landschaft Aserbeidjan). Ja selbst im hohen Norden, im Jakutsk-Gebirge fliesst eine Al-as-eia, die ins nördliche Eismeer &llt. Mag hier und da ein neckischer Zufall sein Spiel treiben, die gewaltige Masse der Belege kann daraus nicht er- klärt werden. Und die Bedeutung des vielverzweigten Stammes Al-is-? Nur einer hat ernstlich eine Deutung versucht, Karl Müllenhoff'^). „Aliso, im Deutschen als Flussname ein Femininum, führt wie viso in Idisiaviso auf alts. ahd. uuisä, auf ein schwachformiges Alisa (got. Alisö) gen. Alisdns- 6n d. i. die Grundform von ahd. alts. elirä (gen. elirün) alnus ndl. eis, und wäre hier im Appellativ die schwache Form nach ags. alor oler (gen. alre), wie auch in andern Baumnamen, erst später eingedrungen, so könnte Alisä-öns allein schon 'Erlen bach' ausdrücken. Aber so wie Alme [Nebenfluss der Lippe] keineswegs bloss eine schwache Form von alm, altn. almo alts. ahd. elm ujmus war, sondern alts. Almungä Almangö, wie thür. Helmungouni auf Helmana j. Helme, vielmehr auf Almana als den Namen des Flusses führt, so erwartet man auch für Alisa eher Alisana, Alisna oder eine andere Weiter- bildung, wie in den gallischen Namen, von denen Zeuss (Gramm. 808) Alisincum mit Aliso ahd. elira slav. ollsza zusammenstellte. Entschiede aber bloss die Leichtigkeit der Deutung, so wäre Aliso am ersten eine noch einfachere Ableitung von demselben keltischen Namen, wonach man Alesia, Alisia als 'saxosa' erklärt (Zeuss Gr. 785), und bedeutete **) Deutsche Altertumskunde II 225. Aliso — sein Name and seine Lage. 263 daher Steinach, Steinbach^^ Wie man sieht, hat Müllenhoff selbst kein rechtes Vertraaen zu seiner Deutung als Erlenbach, insofern er eine andere Deutung zur Auswahl beifügt. D'Arbois de Jubain- ville^^) adoptiert Müllenhoffs Gleichung Aliso ^^ Erlenbach mit den Worten : ,,Ces rivi^res [d. h. die Zusammensetzungen mit Alis-] semblent tirer lenrs noms des aunes qui croissaient sur leurs bords: le nom ligure de Taune ^tait alisa^^), aliso-s ou aliso-n, tandis qu'en ganlois Tanne s'appelait vemo-s. Le nom ligure de Taune est aussi germanique. Jubainville erinnert daran, dass der keltische Name der Erle yernos sei. Und doch soll es auf keltischem Boden so ungemein viele Aliso-Bäche geben? Muss übrigens nicht überhaupt die unglaubliche Menge der Wasserläufe stutzig machen, bei denen angeblich die Erle Patenstelle vertreten hat! Dazu kommen sprachliche Schwierigkeiten: Mflllenhoff erklärt, um seiner Deutung den Weg zu ebnen, das -i- in Aliso für kurz, indem das "AXeiaov des Ptolemäus nur die persönliche Auffassung dieses Gelehrten wiedergebe. Ich glaube zwar auch, dass die Römer gewöhnlich AlTso gesprochen haben, nach Analogie von CotTso, NatTso u. ä. ; aber wenn Dio EXbcov, Ptolemäus dagegen 'AXeiaov schreibt, so beweist dies meines Erachtens nichts als ein Schwanken der Quantität. So wird z. B. neben * Akrida (Alesia) auch 'AXeoCa überliefert (z. B. bei Diod. Sic. 5. 24. Plut. Caes. 27. Strabo 4, 191); ich erinnere auch an die früher angeführten Formen 'AXefaiov, 'AXoua(a^ usw. Wenn MüUenhoff sagt, Alisa könne unter Umständen schon für sich allein nicht bloss Erle, sondern Erlenbach bedeuten, so meint er jedenfalls jenes Schluss -ä stehe für ursprüng- liches -ah(v)a = Bach. Mit Recht erwartet er aber eher eine Weiter- bildung wie Alisana, Alisna. Nun liegt zwar, was MüUenhoff entgangen ist, in unserm 'EXfawv, 'AXetaov tliatsächlich eine Weiterbildung vor : die vermeintliche Flexionsendung -(ov, -ov (in lateinischer Biegung Alison-is, Alison-e etc.) ist nichts anderes als das ungemein häufige -n = Suffix (-an-, -on-), wie es in den Formen Alis- an -us, ganz besonders auch in Alisna (vgl. Förstemann II 54 f. 466. 1600) jede Missdeutung ausschliessend, hervortritt. Aber anderseits stehen Formen wie *'AXu€, "EXtaa, "AXetg entgegen, in denen jede Andeutung des »•} a. a. 0. S. 205. '^ Jubainville will dies schliessen eben aus den korsischen Namen wie Aliso etc< (vgl. oben). 264 F- Cramer Begriffes 'Bach, Fluss* fehlen warde. Also scheint dieser Weg zur Aufhellung des Namens kaum ganghar. Nicht besser steht es um den zweiten von Müllenhoff selbst nur zweifelnd vorgebrachten Versuch, in Aliso und Alisia den Begriff 'saxosus' zu erblicken. Sehen wir davon ab, dass das Gebiet der Lippeniederung nicht gerade für Steinbäche ein günstiges Feld ist, so ist vor allem die Erklärung Alesias als der steinigen, auf dem Felsbügel gelegenen Festung unter der Voraussetzung erfolgt, man habe es in dem Namen Alesia mit einem wirklichen Ortsnamen, nicht mit einem ursprünglichen Gewässernamen zu thun. Indes ist Alesia durch seine Mineralquellen weithin bekannt, und ihnen wird die Ansiedlung den Namen verdanken. Wenn nicht alles trügt, ist der Name des Orts auch in den beiden Bächen, die den Stadthügel umfliessen, versteckt vorhanden. Die Bäche heissen Oze (Auze) und Auzerain. Wenn die oben angeführten Wasser- läufe des Namens Auzon auf älteres Alson zurückgehen, so wird dem Namen Auze ein altes Al-is-a zu Grunde liegen, während Auzerain auf eine Grundform Al-is-ar-anus (vgl. Al-is-anus) hinweist. Was die Namensähnlichkeit der beiden ineinanderfliessenden Bäche anlangt, so ist es eine auffallende, aber nicht hinlänglich verfolgte Thatsache, dass benachbarte oder geradezu sich vereinigende Flussläufe vielfach einander ähnliche Namen tragen: Mosa - Mosella, Amblava (Amel) — Amblisa (Emmels), Nida (Nidda) — Nidder, Nette -Nitz (Nitissa) usw. Weder die Erklärung unseres Aliso als 'Erlenbach' noch als 'Steinbach' kann also befriedigen. Versuchen wir eine andere! Die älteste erreichbare Wortform des Flusses, den Dio Cassius '£Xtc7(ov nennt, ist Ai-ls-ön. Über die schwankende Quantität der Silbe -is- ist bereits gesprochen; dieselbe Beschaffenheit scheint sich für die Silbe -on- zu ergeben, wenn wir das 'AXetoov des Ptolemäus mit Dio's Schreibweise ('EXfawv) vergleichen. Dieses Schwanken erklärt sich einfach, wenn wir die beiden Silben als Vertreter der in zahllosen Flussnamen vorkommenden -s- und -n-Suffixe auffassen; so steht z. B. die Ax-ön-a oder Matr-ön-a neben dem Ar-oen-is, j. Ar-on (Zufiuss der Mayenne) oder dem Aniö(n) oder An-i-en (der alten Form statt Anio, Gen. Anienis^*). Ehe ich auf Herkunft und Bedeutung der beiden Suffixe eingehe, wende ich mich zunächst zum Stammworte AI-. Es ist dasselbe Wort, das auch in der kleinen, aber weltberühmten AU-i-a wiederkehrt, und ebenso in ausserordentlich zahlreichen Gewässernamen ") Über Anien vgl. Forbig er, Handb. der alten Geogr. 111* 371. Aliso — 86in Name und seine Lage. 265 aller indo-germanischen Länder. Anf gennanischem Gebiet begegnet 2. B. die Al-ar-a*'), j.: Aller (Weser), die Al-apa, j.: Wölpe (zur Weser)^ in der Nähe eine andere Al-apa-, j.: Alpe (ein Zufluss der Aller), die Al-ant-ia, j.: Elz (Neckar), die Al-ai-a, j.: Ill*^),.auf keltischem Boden der Al-aan-os (Ptolem. III 3, 6), an der SüdostkOste des alten Britannien, die Al-e-a bei Lyon*^), der Al-an-io, j.: Alamion*^), der El-av-er (=Al-av-er), j.: Allier, die Al-n-a, j.: Eaone, in Italien (ausser der Allia) der Al-är-o (in Calabrien), der Al-abon (Sicilien, bei Hyblae mündend^'), auf griechischem Sprachgebiet die Quellen Al-opa in Attika und Al-eip-es bei Ephesus**), der Al-or bei Dyrrhachium**j. Auch der Al-ut-us, j.: Alt (Donau) ist hierher zu ziehen; aus dem Norden stellen sich u. a. der Ob-Nebenfluss Al-ej und der All-ach im Lenagebiet ein*®). Diese Liste Messe sich leicht vermehren. Schwieriger ist die Beant- wortung der Frage, was dieser Stamm AI- bedeutet. Ich bin geneigt, ihn mit derselben Wurzel in Verbindung zu bringen, der auch das griechische ^(£XXo(iat ich springe' sowie *(£X$ Springflut, Meer, entstammt. Wie aus den beigebrachten Beispielen ersichtlich ist, verbindet sich AI- mit Grundwörtern bzw. Suffixen aller Art: Al-ar-a, Al-an-io, Al-ab-on, Al-op-a, Al-ut-us*^); besonders zahlreich sind nun, wie wir gesehen, die Verbindungen mit dem -s-Suffixe, wie dieses auch mit andern Stämmen sich gern verbindet: Jag-es-a (Jaxt), Brach-ys-a (Braex, Zufluss der Sayn bei Engers), An-es-us (Ens), Nit-iss-a (Nitz bei Vimeburg in der Eifel), Nem-es-a (Nims, zur Mosel), Fil-is-a (Filz), Id-as-a (Itz), Nan-as-a (in Spanien), Andr-is-ius (Indrois), Am-at-issa (Amasse) usw. Das Flussnamenelement is- erscheint auch als Stamm- wort, und zwar in recht zahlreichen Namen. Einer der bekanntesten ••) So im 8. Jahrb.; vgl. Bück a. a. 0. S. 156. *ö) Vgl. Bück a. a. 0. S. 156. *>) Mon. Germ. bist. V 370. ") Bück a. a. 0. S. 156. *•) 'Alaßtov Diod. Sic. 4, 80; ^'Alaßov Plut. Timol. 3, 4, Ptol. III 4, 9 Also auch hier derselbe Wechsel in der Quantität wie bei 'FMetov: ''JXhcov^ **) Kötting, Etymol. Studien über deutsche Flussnamen (Kreuznach, 1899) S. 7. ") Kötting a. a. 0. S. 8. *•) Kötting a. a. 0. S. 7 § I und III. *') Mit dem Alutus vergleiche man noch die 0 l-ut-or-a (Kamtschatka) Al-at-ur (Nebenflnss der Sura, Russland), vielleicht auch den El-euth-er-os, Quelle in Argos (Kötting a. a. 0. S. 8). 266 F. Gramer ist die Is-ar-a: 1. die Is^re in Südfrankreich, 2. die Oise, Nebenfluss der Seine*®), 3. die Isar in Baiern*^), 4. wahrscheinlich auch alter Name der Iser (Elbe-Zofloss), die noch im 15. Jahrh. Ysra genannt wurde*^). Die. Is-a**), j. la Hise, ein Zufluss des Ariöge, und ein kleiner Zufluss der Donau, der ans dem Namen des Stationsortes ^Ad pontem Ises' sich ergibt ^^) (Tab. Peuting.), zeigen den Stamm ohne konsonantisches Suffix^'). Die Salzach hiess ehemals *Is-ont-n8 oder *Is-ont-ia nach Ausweis des Namens der Amb-isontii, die an ihren Ufern wohnten (amb- ist die gallische Präposition ambi, die dem griech. i|i9t, dem lat. amb- in amb-o, amb-ire, amb-edere etc. entspricht. Is-an-a ist der Name einer Reihe von Wasserläufen, die zum Teil sich jetzt als £isen-ach, Eisen-bach geben; der Name ist über- liefert^*) für die heutige Isen, Nebenflnss des Inn, ebenso für die südlich von Worms in den Rhein fliessende Isen ach"). Eine Weiter- bildung des Stammworts zeigen ferner: der Is-arc-us^^), j.: Eisack, der bretonische Is-arv- US*'), der gallische Is-r-us, j.: l'Arroux und die britische Is-ac-a ClaflEx-a Ptol. II 3, 4). Endlich gehören auch die Yssel, im Mittelalter Is-el-a, und die Is-ell-a*®), ein 1. J. 1299 urkundlich genanntes Flüsschen im Bezirk von Novara (Piemont), mit in dieselbe Reihe. Das Stammwort dieser Namen entspringt jedenfalls der indo- germanischen Wurzel eis, is (sanskr. ^sh, ish; vgl. zend. Mshara reissend, stark*); sie bedeutet *in heftige Bewegung setzen'*®). Das griechische 16^ lautet in ursprünglicher Form *is-vo-s = ^was sich rasch bewegt' *^) Die Stadt Pontoise ist die Brlva (Brücke) Isarae im Antoninischen Itinerar (p. 384, 11). ^•) Vgl. Oeeterley, Histor.-geogr. Wörterbuch des deatschen Mittel- alters S. 822. »®) Oesterley a. a. 0. *>) In Urkunden der Jahre 1113 und 1161; d'Arbois de Jubainville a. a. 0. S. 135. *•) Heute Ybbs oder Ips. '*) Ises scheint gallischer Genetiv zu Isa: vgl. Mommsen zu Corp. inscr. Lat. III p. 687. M) Förstemann II 922; Oesterley a. a. 0. S. 382. ^*) In den Annales Wormatienses, vgl. Oesterley a. a. 0. S. 322. ") Vgl. Forbiger a. a. 0. III« S. 319. »») Bück a. a. 0. S. 160. ") Vgl. Jubainville a. a. 0. S. 136. ^') Sanskr. 'ishati, eshati = er setzt in reissende Bewegung'; medial *eshate = er bewegt sich reissend'. Äliso — sein Name und seine Lage. 267 d. i. 'der Pfeil' ®®). Die Bedeutung dieser Wurzel trifft also völlig das Wesen des dahineilenden Wassers. Al-is würde also die dahineilende Flut bezeichnen. Wie wir oft an fertige Flnssnamen noch das Wort ^trom' oder Tluss' oder 'Bach' anhängen — z. B. Rheinstrom, Moselflnss, Düssel- bach — und wie in manchen Fällen ein solches Grundwort gar mit dem Namen unlöslich sich verbunden hat — z. B. in der oben er- wähnten Isenach — obwohl doch im eigentlichen Namen schon der Begriff des Wasserlaufs enthalten ist, so haben auch in uralter Zeit neue Generationen, neue Völker zwar die alten vorgefundenen Namen beibehalten, aber sie gelegentlich mit neuem Aufputz, mit weiterbildenden Anhängseln versehen. So kommt es, dass sehr viele Flussn&men zwei, ja auch drei Suffixe zeigen. Hier einige Beispiele: Vis-or-ont-ia (Veserance), Am-at-issa (Amance), Car-ant-ön-us (Charente), Bib-er-ussa (Bibersch), Trag-is-amum (Traisen)**), Ab-us-In-a (Abens) **) Lig-er-in-us (Zufluss des Loiret), Medi-ox-im-us ^*) (Miossan), Ses-om-iris ^) (der Semoy in den Ardennen), Sel-at-un-us (Schlatein) *^), Salm-agn-ar-ia (in Gallien) **). Neben die bayerische Ab-el-a (Ablach) stellt sich, um ein Suffix vermehrt, die lothringische Ab-el-ic-a. Ein Flussname mit zwiefachem Suffix ist nun auch unser '£X{a(ov, Al-is-on. Das zweite Suffix -on- geht zurück auf das Flussnamenwort An-, welches in Skandinavien noch bis auf den heutigen Tag in lebendigem, appellativischem Gebrauch ist^*^; es ist also ein Seitenstück zu Elv, Elf (vgl. Elbe). So bedeutet — ähnlich wie Dal-elf — die Bezeichnung Am-An den Am-Fluss, Em-An den Em-Fluss (in Svealand). Auch anderwärts begegnet An noch als selbständiger Flussname, freilich nicht als Appellativum. So bedeutet der Name des Gnadiana, der jedem geographischen Abc -Schützen geläufig ist, nichts als Wadi Ana; Wadi (Guadi) ist Zusatz aus der Zeit der arabischen Occupation. Auf ••) Cartius- Windisch, Griech. Etymologie' S. 402; Jubainville a. a. 0. S. 135. •») Vgl. Förstemann II S. 1409. **) Der alte Name ist als der eines rom. Stationsorts erhalten. ") -ox- ist dasselbe Namenelement, das in Ax-on-a erscheint; es geht wahrscheinlich auf *asc- Wasser' zurück (vgl. irisch nisce = Wasser). •*) Aus Seg-is-om-ir-is verkürzt. Bück a. a, 0. S, 178. •») Bück a. a. 0. S. 181. **) Vielleicht gleich ^Salmanaria aus *Salt-am-an-ar-ia. Der Stamm Salt kommt in Gallien vor. Back S. 180. •») Kötting a. a. 0. S. 4. Westd. Zeitschr. f. Gesch. n. Kunst. XXI, HL 19 268 F. Gramer deutschem Boden begegnen wir einer Ahne, die zur Fulda fliesst. Als Stammwort, durch ein Suffix erweitert, begegnet An- ausserordentlich häufig ; Ann-as (Indien), An-ava (England), An-bach (Znfluss der Prims im Saargebiet), (H)an-af-a (Hanf, zur Sieg), An-ar-a (j. Gehlbach, zur Lahn), An-em-o*®) /j. Lamone im Pogebiet) und so fort®*). Als Suffix gehört -an- zu den allergewöhnlichsten Ableitungssilben. Jedem Cäsar- leser sind geläufig: Rhodänus, Sequäna, Matröna, Axona. Dass dies -ön- lediglich ein getrübtes -an- ist, geht deutlich aus den Fällen hervor, in denen bei demselben Namen der Vokal schwankt. So erscheint z. B. die Sequana als Sigona (in einer Urkunde Chilperichs II von 717), auch Sigunna'®), ja als Sigina'*). üeberhaupt ist der Vo- kalismns des Suffixes -an- wie auch der der übrigen schwankend; so geht die Endung des Namens 'Weser' die ganze Stufenleiter des Voka- lismus durch: Wis-ara, Wis-era, Wis-ora, Wis-ura^*) Auch die Quan- tität des Vokals schwankt. Der Matröna steht z. B. gegenüber der Drahönus^^) (Drohn, Moselzufluss) ; der Ani-en und der Aroenis sind schon genannt. Es erklärt sich also auch des Ptolemäus 'AXetaöv gegenüber Dios 'EXfatöv; vgl. oben S. 264. In A 1 i s 0 n - erkennen wir also eine Zusammensetzung des Fluss- namenworts AI- mit den beiden weiterbildenden Grundwörtern bzw. Suffixen -is- und -on- . Der Form nach deckt sich mit unserm Alison- genau der schon angeführte Name Alisni = *Alis(o)ni im Wesergebiet (Ann. Petav. in Mon. Germ. bist. I 18) und Alisna = *Alis(o)na in den Ardennen. Wir stehen vor der Frage : Lässt sich unser Al-is-on, der 'EXtawv des Dio Gassius, in einem der modernen Bachnamen des Lippegebiets wiedererkennen? Thatsächlich giebt es eine Entsprechung, die lautlich nichts zu wünschen übrig ist. Bei Elsen, westlich der untern Alme, entspringt ein gleichnamiger Bach, der nach kurzem westlichen Laufe bei Ringboke in die Lippe fiiesst. Dieser Bach wird i. J. 1036 El-es-en genannt'*). El- würde mit der ^Lautform bei Dio Cassins ") Plin. nat. bist. 3, 115; Tab. Peut.: Animo. *') Eine reichhaltige Sammlung bei Kötting a. a. 0. S. 9 f. '^) Beim Gosmographus Ravennas 4, 26. 29. ") S. Müllenhoff a. a. 0. II 221. ") Förstemann a. a. 0. II 1500. Vgl. Bück a. a. 0. S. 146. '•) Drahönus steht statt eines ursprünglichen Dravönus ; vgl. die Form Dra-u8 bei Plin. nat. bist. III 137. Die Länge des ö ergiebt sich aus Auson. Mos. v. 365. '*) Erhard, Westfäl. ürkundenbuch I no. 97. Aliso — sein Name und seine Lage. 269 Obereinstimmen, während die Abschwächnng bezw. Trübung des Suffixes -is- in -es- und -on- in -en- durchaus nichts Ungewöhnliches böte. In der Vita Meinwerci — aus dem Jahre 1260 — ist Illisa (= Il-is-a) und Il-as-an überliefert; Il-as-an steht statt Ileson bzw. Ilison, da -a- oft für unbetontes -e- und für -o- eintritt''*). Ausserdem sind noch die Formen (H)ilasan (1136), Ilesen (1260) Ilsen (1325) überliefert'«). Kurz, an und für sich ist der heutige Name Elsen — Bach und Dorf — durchaus namensgleich mit Alison. Wenig schwer würde gegen die Identität der Einwurf wiegen, dass der Bach zu klein sei: der be- rühmte Grenzfluss Rubico ist ganz ebenso ein winziges Rinnsal, und die weltbekannten latinischen Bäche Cremera uüd Allia trocknen jeden Sommer aus. Natürlich hat man schon längst das berühmte Kastell mit Elsen in Verbindung gebracht. Der erste, der es that, war Cluver i. J. 1663 (Germania antiqua III p. 34), dann Fürstenberg 1669 (Monumenta Paderbomensia p. 17). Der letzte, der mit aller Ent- schiedenheit und ebenso grosser Gründlichkeit für Elsen eintrat, ist H. Delbrück gewesen in seiner Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte (II, 1, Römer und Germanen, Berlin, 1901). Die Vertreter der Elsen-Theorie haben fast alle den Ort Elsen selbst als die Stätte des alten Aliso betrachtet, und als den alten Elison die in der Nähe fliessende Alme, nicht den Elsenbach. Aber in Elsen ist bei Gelegenheit einer Chausseeanlage im Jahre 1893, wobei lange Gräben mitten durch das Dorf gezogen wurden, nichts Römisches zu Tage ge- kommen''). Indes wäre dies noch nicht ausschlaggebend. Das rö- mische Elsen- Aliso wäre an der Mündung des Baches zu suchen. Ob hier thatsächlich nach römischen Resten geforscht ist, entzieht sich meiner Kehntnis ; jedenfalls ist bei Ringboke bis jetzt nichts Römisches, wohl aber eine , .Hünenburg" festgestellt '®). Trotz allem würde die Namensgleicbheit von Elsen -Aliso unabweisbare Bedeutung besitzen, wenn sich dieser Flussname durch singuläres Vorkommen auszeichnete. Nun giebt es aber, wie wir oben gesehen, gerade im nordwestlichen Deutschland, zumal in der Lippe- gegend so viele Aliso-Els-Bäche, dass die einstmalige '») MüUenhoff a. a. 0. S. 224 Anm. * ^•) Vgl. Jellinghaus a. a. 0. S. 150. '') Schucbhardty Die Aliso-Frage, Mitteilungen der Altertumskommission für Westfalen Heft II S. 201. W) Vgl. Mitteil. d. Altertumsk. f. W. I S. 12. 19* 270 F. Gramer Existenz mehrerer Lippezuflüsse dieses Namens nicht ausgeschlossen erscheint. Ganz unzulässig ist es, den Namen der Alme aus Alison sich entstanden zu denken, ^ie dies z. 6. Giefers (De Alisone castello. Krefeld, 1844. S. 40 ff.) thut; eine solche Annahme heruht auf völliger Unkenntnis der Flussnamengebung. Die Alme, schon im frflhen Mittel- alter als Alm-an-a vorkommend (Transl. Modoald., Mon. Germ. hist. XII 3071) — die alte Form ist im Ortsnamen Almen (a. 850 Almina, Förstem. II 1600) erhalten — ist eine Namensschwester der Almina im alten Etrurien ^®), des Almo ®®) (j. Almone, Tiberzufluss), der Alma in der Krim, des Almus*') (j. Lom, Donaugebiet), der Alme in Devon- shire (England), der Alm in Holland und vieler anderer Wasserläufe (auch Ilm-en-au gehört hierher)®^). Auf der Suche nach Gleichklängen ist man auch auf die Liese gestossen, an der Liesborn (a. 850 Liesbern, ebenso 1019^')) liegt. Freilich vereinigt sie sich eine halbe geogr. Meile von der Lippe ent- fernt mit der Glenne^); man suchte sich daher durch die Annahme zu helfen, dass das grosse Römerkastell bis zur Liese herangereicht habe. Aber eine solche Ausdehnung ist natürlich ein Unding. Im übrigen stimmt auch die sprachliche Rechnung — die Herleitung des Namens Liese von 'EXfacov — nicht im geringsten. Zunächst widerspricht der Ausfall der Stammsilbe germanischen Betonungsgesetzen. Auch bietet kein einziger der vielen Eis-Bäche irgendwie eine Analogie. Vor allem aber trägt der Name Liese ein durchaus ursprüngliches Gepräge. Er ist sprachlich identisch mit der ligurischen Les-i-a®^) (Piemont, Provinz Turin), ebenso mit dem bereits von Polybius (7, 6, 5) erwähnten sicilischen Lissus (A(ac70^) und dem — wohl nach seinen heilkräftigen Quellen benannten — Lesa, ebenfalls in Sicilien und durch Ptolemäus (3, 3, 7) bekannt. Desselben Stammes ist unsere '') Der Name ist im Itin. Anton, überliefert (p. 500); das Flüsschen mündet südlich vom Hafeu Telamon. »•) Cic. de nat. deor. 3, 20; Ovid. Met 14, 329. *^) Almus ist Stationsname im It. Ant. p. 220, jetzt Lom an der Mün- dung des gleichnamigen Flusses. ") Vgl. Küttiqg a. a. 0. S. 7; Bück a. a. 0. 156. w) S. Företemann II S. 990; Erhard a. a. 0. no. 89. "^) Glenne ist ein uralter Name; vgl. Ledebur, Land und Volk der Brukterer (Berlin, 1827) S. 298. ^*) Urkundlicher Beleg bei Jubainv. a. a. 0. S. 181. Aliso — sein Name und seine Lage. 271 heimische Lieser, die rehenhekränzte Ge&hrtin der Mosel; sie wird von Ausonios (v. 365) erwähnt®*): Praetereo exilem Les-ür-am tenuemque Drahonnm. In Westfalen selbst gesellt sich der Liese zu die Leise, die in die Werre und mit dieser zur Ruhr fliesst, ebenso Leese an der Weser bei Stolzenau®^). Auch die nordbelgische Lys gehört hierher und ebenso die höhlenberühmte Lesse in den Ardennen. So muss also auch der an der Glenne-Mündung liegende Hof „Schulte-Nomke'^, für dessen Aliso- Ansprüche unter den altem Forschem namentlich Leop. v. Ledebur und später Jak. Schneider ®®) eine Lanze gebrochen haben, aus dem Wettbewerb ausscheiden. Noch an einem andern Punkte des Lippelaufs hat man sich an eine entfernte Namensähnlichkeit angeklammert: es ist die Ahse-Mün- dung bei Hamm. Hauptvorkämpfer ist hier Ess eilen (Das römische Castell A. und der Ort der Niederl. des r. Heeres unter Q. Varus. Hamm, 1867), und noch i. J. 1901 schrieb R. Stegmann (Zur Lage des C. A., S. 15): „Vorläufig darf jedenfalls auch Hamm wegen der Ahse, die hier mündet und nach Essellen in mittelalterlichen Urkunden auch Arsen, Artzen oder Orson genannt wird, noch volle Beachtung beansprachen." Also: „wegen der Ahse"! Allerdings kommen die genannten Wortformen vor; die älteste Form ist Arsna, und noch im 15. Jahrh. wird der Fluss Arsene oder Orsene genannt®*). Auch kann man zugestehen, dass in morphologischer Hinsicht der Verwandlung eines ursprünglichen -1- (in Alison) in ein -r- (in Arsene) nicht viel entgegensteht. Aber bei der Arsene haben wir es wieder, wie vorhin bei der Liese, mit einem regelrechten, für sich bestehenden Flussnamen- stamm zu thun. Der Stamm Ars- stellt sich zu sanskritischem 'ars = fliessen' und erscheint z. B. in den griechischen Gewässernamen Arsen in Arkadien, Arsinus in Argolis, Arsinoe (Quelle in Messenien), Arsynia (See bei Cycicus) ; ja selbst ein Euphrat-Nebenfluss Ars-an-ius und der armenische See Ars-en-a zeigen genau dieselbe Straktur ^) Ebenso von Sidonius Apollinaris (carm. 24, 44, 45 : Auct. antiquiss. Vin 263): Hinc te Laesora, Caucason Scytharnm Vincens, aspiciet citusque Tamis. »0 Vgl. Ledebur a. a. 0. S. 148. ^') Die röm. Militärstrassen an der Lippe und das Kastell Aliso (Düss. 1878). ••) Die urkundl. Belege bei Ledebur a. a. 0. S. 297. 272 F. Gramer ihrer Namen ^^). Also anch mit der Ahse ist es nichts. Übrigens haben wir hier ein treffendes Pröbchen von der Wichtigkeit der ver- gleichenden Methode wie bei der Sprachforschung Oberhaupt, so bei der Ortsnamenkunde im besondem. Bei Haltern liegt die Sache umgekehrt wie bei Elsen, bei der Liese, Alme und Ahse. Dort wirklicher oder vermeintlicher Anklang in den Namen, aber Mangel an archäologischer Grundlage, hier die Steve r — dem Elison des Dio wie zum Hohne in die Lippe ein- mündend — dagegen grossartiges Ausgrabungsergebnis an römischen Anlagen. „Die Ausgrabungen bei Haltern", sagt Schuchhardt^^), „haben römische Anlagen ergeben, die weit hinausragen über den Charakter einer einfachen römischen Wegestation. Am Rhein ist doch das eine oder andere der von Florus erw&hnten 50 Drususkastelle schon wieder- erkannt worden, wenn auch erst eines, bei Urmitz, seinen Umfang einigermassen enthüllt hat. Es ist kaum so gross wie das Annaberg- Kastell. Alle liefern aber, wie dieses, an Thonware fast nur gallisches Fabrikat, nicht italischen Import, das will sagen: es hat in ihnen die übliche Besatzung von Auxiliaren gelagert. Im grossen untern Lager von Haltern ist es umgekehrt, hier herrscht die italische Sigillata, hier haben Legionen gelagert, wie am Rheine eine in Mainz und Xanten. Die Grösse des untern Lagers, ferner der Hafen mit den Magazinen beweisen eine aussergewöhnliche Station." So in der That hat man sich nach allen römischen Berichten Aliso zu denken. Auch darin ist Schuchhardt beizupflichten, dass aus diesen Berichten für jeden Unbe- fangenen nicht der Eindruck zu gewinnen ist, als müsse das Kastell an der obern Lippe gelegen haben. Aber wo steckt der Elison V Diese Frage kann nun einmal nicht umgangen werden. Schuchhardt meint resigniert (S. 215): „Der Name Aliso scheint für die Ortschaft wie für den Fluss längst verloren zu sein. Für Haltern ist die älteste nachweisbare Form Haiostron (i. J. 1017); die Stever heisst mittel- alterlich Stibara oder Stibarna. Man könnte nun vermuten, bei Haiostron stecke in der Endung das germanisch häufig vorkommende stra (Strom), das sich vom schwarzen Meere bis an die Elbe und an den Rhein verfolgen lässt **), daran sei das Schluss-n zur Bezeichnung des aus dem *<>) Vgl. die Sammlung bei Kötting a. a. 0. S. 12. »») Mitteilungen der Altertums-Komm. f. Westf. II S. 202. »«) Vgl. Förstemann in Kuhns Ztschr. f. vgl. Sprachf. IX 1860 S. 276 ff. Allso — sein Name und seine Lage. 273 Flussnamen entwickelten Ortsnamens gehangt worden Sieg = (Siegen ®'), Stever — Stevern); es bliebe also als Stamm Halos oder Halo, und das sei dem Aliso doch wohl verwandt. Aber die Germanisten er- klären, dass der Weg nicht zn erkennen sei, auf dem sich ein Aliso zu einem Haiostron entwickelt haben sollte. So wird man sich bescheiden müssen, einen völligen Namenwechsel anzuerkennen, wie er ja auch in so vielen anderen Fällen eingetreten ist." Das wäre gut und wohl, wenn nur der Name Stever deutsch wäre, d. h. wenn er in nachrömischer Zeit entstanden sein könnte. Das ist aber nicht der Fall. Müllenholf sagt: „Der ältere Name der Ase bei Hamm klingt fremdartig (s. o.) und der der Stever bei Haltern a. 800 bei Lacomblet nr. 18 Stibirne empfiehlt sich nicht eben durch leichte Verständlich- keit, so dass sich das Gebiet der Lippe als urgermanisch nicht gut behaupten lässt." Ausser Stibirne bringt Förstemann folgende Wort- formen aus dem 9. Jahrh. bei: 'Stibharna' (bh =- v), Fluss und Ort, 'in Stibharnon', 'juxta Stibarna', 'Stibarnafeld', 'Stivarnamuthi'. Das Flussnamensuffix -am- (aus -ar-an entstanden) war, wenn jemals ger- manisch, jedenfalls in nachrömischer Zeit nicht mehr der deutschen Flussnamengebung geläufig. x\ls Stammwort erscheint am- z. B. im italischen Arnas (Arno) und in der Arn-apa (Erft); eine Harna (j. Arne) fliesst in die Champagne, ein Arnon ist Nebenfluss des eher, ein zweiter ist Zufluss des Severn in England. Eine Arne ist auch als Bach in der Thessaliotis überliefert. Das Stammwort des Flussnamens Stiv-arna, der auch im Namen der Steverbeck bei Sprockhövel und der Stevert in Nordbrabant erscheint, berührt sich wohl mit dem Namen des Sees Sitcp-dvr; im Pontus (Strab. 12, 560), des Flusses STcß-oftrjs in Hyrkanien (D. Sic. 17, 75), des Ortes Stubera (Liv. 31, 10) oder Siußsppa (Polyb. 28, 8) in Macedonien, des Vorgebirges Sriß-oppov in Numidien (Ptol. 4, 3, 5\ der Ortschaften Ste^dcvTj, 1. in Paphlagonien , 2. in Galatien, 3. in Phocis. Ebenso hiess vor alters die Stadt Präneste (Plin. 3, 5, 9). Ebendahin gehört unzweifelhaft der berühmte Name Siuixy-aXo; für Quelle, Fluss und See bei gleichnamiger Stadt in Arkadien. STU|xcp- ist nasalierte Lautform statt Stu^-; vgl. den Namen Stuficptov bei Diod. Sic. 15, 49. Nach brieflicher Mitteilung des Herrn Direktors Prof. Vogt (Cassel) *') *Siegen' ist anders zu erklären; -en ist nichts anderes als der Reflex der alten Form des Flussnamens: Sigina; vgl. Müllenhoff a. a. 0. S. 221. Ebenso steckt Almana =■ Alme im Ortsnamen Almen. 274 F. Cramer kann der hier erscheinende Wortstamm mit dem des griechischen axl^o) identisch sein; die Grundbedentnng des letztern scheint zu sein: * rings umgeben, eng, dicht einschliessen'. I]t6|x-C . 277 Das Segment Irnsing-Weissenburg des Strassenzuges Yindonissa Bojodurum ') der Peutinger-Tafel. Von Generalmajor K. Popp in München. In dem Artikel „Linearer Verlauf und Bauart der alten Strassen- züge" — Westdeutsche Zeitschrift für Gesch. u. Kunst, XVI. S. 124 ff. — habe ich bei Schilderung des Strassenzuges, welcher die Kustelle *) hinter dem rechten Flügel des ratischen Limes unter sich verbindet, auch den Umstand erwähnt, dass sich hinter dieser Strasse, soweit sie den Raitenbucher Forst (östlich Weissenburg) etwa eine römische Meile von der Limesmauer entfernt, dieser fast parallel laufend, durchzieht, die Kudera einer Reihe von Wachthäusem fanden. In dem „Verzeichnis A der alten Grabhügel und Schanzen" — Jahresbericht VII des historischen Vereins im Rezatkreis — finden wir ausser den zahlreichen sehr grossen Hügelgräber - Gruppen in dem Gelände-Abschnitt östlich der Rezat südlich der Teufelsmauer auch eine Anzahl von Befestigungsresten verzeichnet, darunter speziell unter lit. D. Ziff. 14 u. 15 S. 46 zwei Schanzen, die eine im Kahl- dorfer Gemeindewald, die andere am Hohl-Loch, als Überreste römischer Castra bezeichnet. Nun sind aber auch die Wachttürme an der Limes- strecke längs des Raitenbucher Forstes — 1. c. Ai a. a, b, c, d — als „Schanzen" bezeichnet und dieses gab Veranlassung, die beiden vorher erwähnten, welche dicht an der Strasse liegen, näher mit dem Spaten zu untersuchen, wobei sich nicht nur ergab, dass die im Vier- eck aufragenden Schuttwälle die Überreste von wenigstens im Sockel und Erdgeschoss gemauerten kleinen Gebäuden bargen, welche nur um ein Geringes geräumiger waren als die Wachthäuser am Limes, sondern auch, dass innerhalb des Forstes noch 3 weitere derartige Überreste an der Strasse liegen, und zwar auf dem „Steinbuck" (Cöte 582) 2,2 km nordwestlich des „Hohl-Loches", dann 2,5 südöstlich desselben im Kaldorfer Gemeindewald und 2,5 km von da weiterhin südöstlich ') Zweckdienliches Kartenmaterial: Die bayr. Atlasblätter Weissen- burg w. 0. — Dietfart und Ingolstadt w. o. in 1:50000; von der Reichs- karte die Sektionen Nr. 578, 594, 595 in 1 : 100000. «) Nach dem Wortlaut der Peutinger-Tafel: Biricianis Weissenburg, — Vetonianis Pfünz, — Germaniccum Kösching, — Celeusum Pföring, — Arusena Imsing. 278 K Popp (C6te 570) auf dem „Ziegel-Buck" am Ostrande des „Workeredorfer Forstes". Alle diese Überreste von Grebäuden, welche wie die TQrme am Limes nur als Wacht- und Signalposten gedient haben konnten, standen auf Culminationspunkten des wellenförmigen Geländes dortselbst und es waren den Höhencöten — der Reihe nach vom Steinbuck in Südost- ,. , ü. , . r «. u * ^ 584 I n84 i 563 | 577 i 570 •, hcher Richtung fortschreitend ö43 I 554 1550 i 54ft i 54U ^ " nach zu schliessen von jedem dieser Wachthäuser hinweg die beider- seits nächst benachbarten noch zu sehen. Da lag denn auch die Folgerung sehr nahe, dass solche Wacht- häuser bezw. Signalposten auch noch weiterhin an der Strasse auf ähnlich situierten Punkten des Geländes zu finden sein müssten, und es genügte eine einfache Andeutung in dieser Richtung auf der Karte und Schürfung auf der bezeichneten Stelle, um das Zutreffende dieser Vermutung zu rechtfertigen. So fand der Streckenkommissär Herr Winkelmann, einer diesbezüglichen Anweisung entsprechend, alsbald in völlig freiem Felde an einer nur ganz leicht über das örtliche Niveau sich erhebenden Anschwellung an der Strasse, 1,2 km gerade südlich von Weigersdorf und ebenso weit nordwestlich von Preith entfernt, die ganz wie die vorigen gestalteten Fundamente eines derartigen Bau- werkes *), und darauf um eine Erfahrung reicher sowie sicherer in Be- urteilung der passenden Standorte, unmittelbar nachher noch 2 solcher Überreste — ca. 1.5 km südöstlich von Preith an der Stelle, wo das Strässchen von Eichstätt nach dem Affenthaler Waldhaus die Römer- strasse kreuzt (Cöte ca. 440) und 2,5 km weiterhin in der Forstab- teilung „Buchschlag" (Cöte ca. 519), beiläufig 1800 m vom Kastell bei Pfünz entfernt. Weitere zwei Wachthausstellen auf der Strecke bis zum Raitenbucher Forst vermutet Herr Winkelmann — 1. c. — in dem flachwelligen offenen Gelände westlich von Weigersdorf und Seuvers- holz, sowie einen an der Strassenbiegung in Preith; den letzteren würde ich auf der flachen Einsattlung des Rückens unmittelbar südöstlich des Dorfes suchen. Gelegentlich einer in jüngster Zeit vorgenommenen Besichtigung von Ausgrabungen unterhalb des Pfünzer Kastells bezeichnete mir Herr Winkelmann den felsigen Vorsprung oberhalb der Strasse südwestlich ') Die Zahlen oberhalb der Linie sind die Höhencöten der Wacht- häuser, die unterhalb derselben die zwischenliegenden Depressionen. *} Limesblatt Nr. 25 Ziff. 170 S. 700. Das Segment Irnsing- Weissenburg des Strassenzugen Vindonissa. 279 des Dorfes nur 250 m nördlich des Kastelies, wo die Fundamentspuren eines kleinen Gebäudes blossgelegt worden waren als Signalturmstelle, und sprach sich dabei auch dahin aus, dass der Mauerturm an der Ostseite der Umfassung, von welchem aus einstens der Strassenzug durch den „Hofstettener Forst" bis zu den „12 Buchen" (cöte 482 m) ein- gesehen werden konnte, ebenfalls als Beobachtungs- oder Signalposten gedient haben dürfte. In der Nähe der 12 Buchen wurden vor einigen Jahrzehnten gelegentlich von Forstculturarbeiten auch die Ueberreste eines kleinen Gebäudes, wohl wieder ein Wachthaus der geschilderten Art, ausgebrochen und zwischen diesem und der Ostseite des Kastelies etwa halbwegs liegen die Fundamentreste eines kleineren von Moos überwachsen zu Tag. Gestützt auf diese fast lückenlose Reihe von Beobachtungen darf man wohl mit allem Hechte darauf schliessen, dass man es hier nicht mit Zufälligkeiten, sondern mit einer planmässigen Ausstattung der Strasse zu thun hat, und dass man solche Wachthäuser auch weiterhin und zwar am Ostrand des Forstes, dann auf dem Plateau nahe südlich Hofstetten und dicht westlich Böhmfeld ^), ferner nordwestlich von Echenzell, dann wieder auf dem Stein-Berg östlich eben erwähnten Ortes, weiterhin südöstlich auf dem Geisberg, sodann an der flachen Umbiegung der Strasse nach Südost zunächst oberhalb Heppberg zu suchen habe, woselbst nach Baiser — 1. c. T. III S. 26 — „ein längst verschwundener Römertnrm stand und ein Oastrum zum Schutze der Strasse, dessen viereckige mit Gräben und Wällen umfangene Anlage noch (1832) sichtbar ist." Gegenwärtig bedeckt ein hochaufragender gewaltiger Schutthaufen, der Abraum dortiger sehr ausgedehnter Steinbrüche, den Platz). Von da aus ist Kösching sichtbar, ich vermute, dass der nächste Signalposten auf dem Weidhaus - Berg zunächst jenseits eben erwännten Ortes zu suchen ist, wo sich gegenwärtig eine moderne Befestigungsanlage befindet. Man sieht von dort hinweg sowohl die Steinbruchhalde oberhalb Heppberg, wie auch in östlicher Richtung den Lee Bück jenseits Teissing, in welchem schon Raiser — 1. c. T. III. S. 27 letzt. Abstz. — ein monopyrgium erblickt hat. Die ostwärts nächstfolgenden Wachthäuser bis zur Donau müssten der Configuration des Geländes entsprechend nördlich Unter-Hartheim, südlich des „Lindach" 2 km westlich von Ettling, dann wenn überhaupt ') Das vom Pfarrer Dr. Mayer entdeckte „römische Wirtshaus'^ an der Sau-Strasse — conf. Kaiser, Ob. Donaukreis unter den Römern T. III S. 26 Note 47 — mag eines dieser beiden Wachthäuser gewesen sein. 280 K. Popp nötig, zunächst nordöstlich des Kastelies bei Pföring, ferner auf dem „Hummel-Berg*^ 1,5 km nördlich Marching und nur 1 km weiterbin auf dem „Geis-Berg" 1 km südöstlich Pirkenbrunn liegen. Es ist das ein Punkt, ganz vorzüglich geeignet s. Zt. als Specula zwischen dem Eininger und dem Pföringer Kastell gedient zu haben. Leider konnte ich eine vor Jahren an dieser Stelle zunächst der Nord- seite der alten Strasse beobachtete, aber nicht genügend beachtete? leichte Anschwellung des Terrains, in welcher auf Grrund der gegen- wärtig im Raitenbucher Forst und weiter südostwärts gemachten Er- fahrungen unzweifelhaft die Überreste einer Strassenwarte vermutet werden dürften, nicht mehr auffinden. Das nebenanliegende Feld ist seitdem vollkommen verebnet und die Strasse selbst an der kritischen Stelle am Saume des Waldes auf eine kurze Strecke weit demoliert und ihrer grösseren Steine beraubt. Endlich wird ein solcher Signal- und Wachtposten im Thal an der Strassenbiegung nordwestlich des Kastelles bei Irnsing gestanden haben und am Eingang zur Brücke oder an der Ländeschwelle einer eventuellen Fähre war ein derartiges Gebäude sicher ebenfalls vorhanden. Wenn nun auch nur für einen Teil dieser Angaben Belege vor- handen sind, für den anderen aber lediglich Vermutungen ausgesprochen werden können, so berechtiget doch die regelmässige, wenn auch nicht in gleichgrossen Abständen erfolgende aber durch die ähnlichen Gelände- formen bedingte Wiederkehr ein- und desselben Vorkommnisses zwischen dem Steinbuck im nordwestlichen Teile des Raitenbucher Forstes und dem Forstorte „zwölf Buchen" zwischen Pfünz und Hofstetten zur Annahme einer systematischen Einrichtung. Nur diese Annahme hat das Auffinden der Überreste einiger dieser kleinen Gebäude sowohl im freien Felde nördlich und südlich von Preith wie auch im dichten Waldbestand oberhalb — n. w. — Pfünz ermöglichet, obwohl in keinem dieser Fälle oberflächlich eine erhebliche Anschwellung des Bodens oder sonstige Umstände das Vorhandensein von Mauerwerk im Boden an- gedeutet haben. In Erwägung dieser Umstände glaube ich kaum eine zu kühne Behauptung auszusprechen, wenn ich sage, die Heerstrasse zwischen den Kastellen Abusina— Biriciana^) und vielleicht auch noch weiter westlich war ') Immer unter der Voraussetzung, dass diese Heerstrasse wirklich identisch mit der auf der Peutinger-Tafel eingezeichneten Grenzstrasse ist, was immer noch von einzelnen Forschern bezweifelt wird. Das Segment Irnsing- Weissenburg des Strassenzuges Vindonissa. 281 nicht nur eine Grenzstrasse in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes, wie das ja schon von früheren Forschem angenommen wurde, sondern sie \^ar speziell ein älterer Limes, im Sinne des Definition Mommsens — Römische Gesch. Bd. V S. 111 u. 112 Anm. 1. — „Die Reichs- grenzstrasse ^, bestimmt zur Regulierung des Grenz Verkehrs dadurch, dass ihre Überschreitung nur an gewissen Punkten gestattet, sonst untersagt wird. Zunächst ist das ohne Zweifel herbeigeführt worden durch Abpatrouillierung der Linie . . . .", was bei der hier in Rede stehenden Strasse offenbar der Fall war, und zunächst durch die in den mehrerwähnten Wachthäusern untergebrachten Mannschaften aus- geübt wurde; „und so lange dies geschah — 1. c. — blieb der Limes ein Grenzweg. Er blieb dies auch dann, wenn er an beiden Seiten befestiget ward .... und die Zwischenstrecken (zwischen den Wacht- häusern) der Grenzwege in irgend einer Weise unwegsam gemacht worden, damit verwandelte sich die Grenzstrasse in eine mit gewissen Durchgängen versehene Grenzbarrikade, und das 'ist der Limes Ober- germaniens . . . ." und ich setze hinzu, auch der Hadrianische Palis- sadenzaun mit den freistehenden Türmen oder Wachthäusern und Durch- gängen, sowie schliesslich die Langmauer, welche darauf folgend diese Türme unter sich verband, — der rätische Limes der späteren Zeit. Als von Cohausen sein Werk über den „römischen Grenzwall in Deutschland '^ herausgab, war die von mir konstatierte Einrichtung des in Rede stehenden Strassenzuges und dessen engere Bedeutung als Grenzweg noch nicht in betracht gezogen, er konnte daher unbedenk- lich sagen „Auffallend ist in dem bayerischen Zug [des Limes] das Fehlen der Kastelle, während zwischen Main und Rhein solche in der Kegel in Abständen von 8 bis 11 Kilometer [unt^r sich] bestehen:" — 1. c. S. 14 — Er zählt dann — 1. c. S. 15 — als Kastelle und Schanzen hinter dem Limes, mit Eining am rechten Ufer der Donau beginnend, von Ost [nach West weiterschreitend: Irnsing, Pföring, Imbath und Schwabstetten, Kösching, Heppberg, Echenzell, Böhmfeld, Pfünz, Emetzheim bei Weissenburg auf unter Angabe ihrer verschie- denen Entfernungen zu 4 resp. 5,5 — 9 — 5 — 2,5 — 13 — 11,5 — 12 — 10 — 8 — km vom Grenzwall und vergleicht damit die Lage der Kastelle in der ersten Linie hinter dem Pfahlgraben, deren Entfernung ') „Der ersten Anlage nach eine Milit&rstrasse ...'', welche späterhin allerdings auch den wachsenden Eulturbedürfnissen gedient haben wird. Vgl. Westd. Ztschrift XIII S. 134 ff., insbes. S. 138. 282 K. Popp von Letzterem mit Ausnahme zweier, welche 1200 und 2000 m ab- liegen, nur 50 bis 4000 m beträgt^). Dieser verhältnismässig ganz bedeutende Unterschied des Abstandes der Kastelle hinter den bezüg- lichen Grenzbarrikaden konnte dann allerdings zu dem Trugschluss vom „Fehlen der Kastelle" am rätischen Limes führen. Auch Professor Zangemeister glaubte noch daran erinnern zu dürfen — Limesblatt Nr. 32 S. 888 unten — wie weit es gelungen ist, unsere Kenntnis des rätischen Limes zu fördern. „Noch vor etwa 10 Jahren — schrieb er gelegentlich der Besprechung der im Kastell Böhming aufge- fundenen Thorinschrift — bezweifelte man überhaupt, dass längs der rätischen Mauer in solcher Nähe wie an dem obergermanischen Grenz- wall Kastelle angelegt gewesen wären. Jetzt kennen wir bereits eine stattliche Reihe solcher Anlagen". Damit gelange ich nun zu nachstehenden Schlussfolgerungen: Wenn es die Römer bei erstmaliger Okkupation eines Grenz- gebietes, wie wir an einzelnen Beispielen gesehen, im allgemeinen für geboten erachtet haben, die Grenzlinien — limites — durch Erbauung ganz nahe liegender Kastelle zu schützen, so ist nicht einzusehen, warum dieses in Rhätien nicht auch so gehalten worden sei, dass dieses aber in der That auch der Fall war, dürfte durch meine Schilderung des Strassenzuges mit seiner besonderen Einrichtung erwiesen sein. Das Gebiet nördlich der Donau von Eining aufwärts wurde wohl schon unter Domitian, spätestens aber unter Trajan gegen Ende des I. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung in Besitz genommen und die Grenze bis zur Linie der gegenwärtigen Ortspositionen Imsing, Pföring, Kösching, Pfünz, Weissenburg etc. vorgeschoben und wie anderwärts in Afrika, Britannien und Germanien durch entsprechende Einrichtung — z. B. „castra in limite locata" — geschützt. Das Verhalten der benachbarten Hermunduren war anfänglich wie in den vorausgegangenen Zeiten ein ziemlich friedfertiges, eine ununterbrochene Grenzbarrikade war demnach vorerst nicht nötig. Der Limes — die die Kastelle auf kürzestem Wege verbindende Militärstrasse — wurde lediglich durch kleine von den Kastellen abgestellte Wacht- kommandos besetzt, welche den von Mommsen — conf. weiter vorne — angedeuteten Verkehr zu regeln bezw. zu überwachen und die zwischen ') Durch dieses Citat aus Cohausens Werk sollen aber die Ergebnisse der neueren Forschungen auf dem bezeichneten Gebiete — hinter dem Pfahl- graben — durchaus nicht ignoriert werden. Das Segment Irnang-Weissenburg des Strassenzuges Vindonissa. 283 liegenden ganz geradlinigen Strassenstrecken abzupatrouillieren hatten. Die Wachthäuser dienten neben ihrem Hauptzweck gleichzeitig auch zur Unterkunft dieser Kommandos. So blieb es bis die Umstände es erlaubten oder geboten, die Grenze weiter vorzuschieben, und das führte dann wohl allmählich zu schweren Differenzen mit den Grenznachbarn. Der neue Limes, welcher wie der vorhergegangene anfimglich nur durch in der Nähe liegende, und wie ich sogleich bemerken will, kleinere Kastelle gesichert wurde'), welche allem Anschein nach von Detachements besetzt worden sind, welche die nun in 2. Linie liegenden grösseren Kastelle abzustellen hatten, musste später — wohl gegen Ende des 2. oder Anfangs des 3. Dezenniums des IL Jahrhunderts — kräftiger geschützt werden, was auf Befehl Hadrians durch Errichtung eines mächtigen Palissadenzannes — stipitibus magnis — mit dahinter, da und dort auch anliegenden, anfänglich in Holzfach werk später in Stein konstruierten 2 bis 3 Stock hohen Wachthäusern oder Türmen, die auch zum Signalisieren dienten, geschah. Diese allen schädigenden Witteningseinflüssen ausgesetzte, auf einzelnen Strecken wohl auch durch Feindeshand in Brand gesteckte oder sonst wie zerstörte Holzwehre musste unzweifelhaft öfter repariert bezw. neu hergestellt werden, einmal — zwischen 264 und 2 77 (V) — unterlag sie mit einem Teile des Hinterlandes gänzlich dem feindlichen Andrang [nach Zosimus Franken, Vandalen, Alemannen u. a.]. Probus drängte dann die eingefallenen feindlichen Massen „wieder ober den Neckar und die Elbe (?) [soll wohl die Alb d. i. die Rauhe Alb heissen] zurück*®) und schützt die erweiterte Donau- und Rhein- *) Es waren resp. sind, soweit hier in Betracht zu ziehen: Die von Goulon (conf. von Kallee, Kriegstheater der Römer etc. S. 34 dritter Absatz und Anmerkung) noch beobachtete, seitdem verschwundene Schanze ninter dem rechten Flügel der Limesroauer nordlich von Hienheim, vorwärts Eining Irnsing, — das Kastell und die Schanzen bei Schwabstetten, Imbath und Bieber nördlich von Pfuring, — ein vorwärts von Köschiug zu suchendes fehlt — nordöstlich von Pfünz bezw. nördlich, dann die Kastelle bei Böhming, und am Rande des östlichen Walzenthales nordwestlich Hirn- stetten. Ich vermute auch ein solches in der Nähe der Abbiegung des Limes nach Nordwest am Ostrand des Raitenbncher Forstes, — endlich das Kastell auf der Höhe östlich von Ellingen vorwärts Weissenburg. Sic sind alle kaum Vs so gross als die in 2. Linie liegenden Kastelle «nd haben mehr oblongen Umriss. ^*) Bei dieser Gelegenheit will ich darauf hinweisen, dass in dem Kastell Dambach auch eine Garinus Münze gefunden wurde. Westd Zeitscbr. f. Oescb. n. Kunst. XXI, m. 20 284 ^' Franck grenze durch eine Maner." Nach dem Tode dies Eaiserses brachen die Germanen wiederholt herein, das Grenzland fiel abermals in Feindes Hand, einzelne Heerhaufen überschritten sogar die Donau, sie wurden zwar von Diocletian wieder zurQckgetrieben, doch nur auf kurze Zeit. Die Gebiete der Römer im südlichen Deutschland gingen samt dem Zehntland für immer verloren ^^). Am Ende des 3. Jahrhunderts ver- lief die Grenze der Donau entlang aufwärts bis zur Einmündung der Hier, dann dieser entlang südwärts. Damit glaube ich nun eine zutreffende Erklärung bezüglich des „auffallenden Fehlens der Kastelle in dem bayrischen Zug" des rätischen Limes speziell für die Strecke von der Donau zur Rezat sowie hin- sichtlich der besonderen Bedeutung der Heerstrasse, welche die grösseren in zweiter Linie hinter der Limesmauer liegenden Kastelle unter sich verband, gegeben zu haben. ") Erhard, Oberst z. D., Kriegsgeschiche der Bayern, S. 56 v. ff. Sente LQthilt. Von Prof. Dr. J. Franck in Bonn. Von Frau Carl von Jordan, geborener Freiin Hereman von Zuydt- wyck, wurden mir gütigst die folgenden Fragmente eines interessanten Gedichtes zur Veröffentlichung überlassen. Sie lagen unbeachtet im Archiv der Familie zu Lüftelberg, im Kreis Rheinbach, nördlich von Meckenheim, wo sie der Sohn der Frau von Jordan auffand. Es sind 2 Doppelblätter und 2 einzelne Blätter Pergament, 19 cm hoch, stark 13 cm breit, auf der Seite mit je 27 Zeilen in hübscher und regel- mässiger Schrift des 14. Jhs. beschrieben. Dem Inhalt nach folgt auf das 1. Blatt des einen Doppelblattes ein einzelnes Blatt, dann das 2. Doppelblatt, dann das 2. Einzelblatt und schliesslich das 2. Blatt des ersten Doppelblattes. Darnach haben die beiden einzelnen Blätter ursprünglich gleichfalls ein Doppelblatt gebildet, und wir haben es mit den 3 inneren Doppelblättern einer Lage zu thun, also mit einem fortlaufenden Texte. Die im Abdruck als 1 C" und 1^ und 6 (^ und 6^) bezeichneten Blätter hängen also noch jetzt zusammen, ebenso 3 C und 3^) und 4 C und 4^), während 2 C und 2^) und 5 (' und 5^) jetzt ge- trennt sind. Auf einigen Seiten der Blätter ist die Schrift stark Sente LOthilt. 285 abgenutzt oder yerschmiert. Doch war es, zum Teil unter Anwendung von Reagens, bis auf wenige Einzelheiten mdglich, alles mit genügender Sicherheit festzusteUen. Am untern Rande von S'^, einer der Seiten mit abgeschlissener Schrift, steht, in umgekehrter Richtung zur ursprünglichen Schrift, von spaterer Hand ßiifftct S3ctgcr Slcgiftcr 173 (dahinter vielleicht noch die Ziffer 6) offgeric^t. Also befand sich die Hs. auch in früheren Jahrhunderten zu Lüftelberg; sie behandelt einen Lüftelberger Stoff, und also ist sie, wie das Gedicht, vermutlich auch dort entstanden. Die Sprache stimmt zu dieser Annahme. Das Gredicht ist uns eine willkommene Quelle für die Legende der heil. Lüthilt, die uns, abgesehen von einem bei Caesarius von Heisterbach (ü S. 150, cap. 82; vgl. 83) erzählten Heilwunder der im Kloster „de Hovenne" verehrten Heiligen, so viel ich weiss, nur aus viel spaterer Überlieferung bekannt ist. Die Acta Sanctorum Jan. II 1146 erzählen sie nach der „Vita S. Lufthildis a Cornelio Curtio Ecclesiae collegiatae SS. Chrysanthi et Dariae monasterii Eyffliae Canonico, et Tulpiaci, siue Tulpeti Christianitatis Decano sub annum MDCVIII conscripta^. Curtius fusst auf mündlicher Tradition und auf Bildern mit ihren Unterschriften in der Lüftelberger Kirche. Noch weiter sind dann die Wundergeschichten in der jüngeren Überlieferung ausgeschmückt (vgl. einen Aufsatz in der D. Reichszeitang 1901 Nr. 22). Dem tritt hier die Version des 14. Jhs. gegenüber. Ob auch sie bloss auf der Localtradition oder einer schriftlichen Quelle fusste, ist nicht zu sehn. Wir bedauern, dass ihre Darstellung nur so kurzgefasst und uns nur bruchstückweise erhalten ist. Der Text gibt uns zugleich einige Rätsel auf, die es mir nicht zu lösen gelang. Vielleicht hat ein anderer mehr Glück damit. Die Sage von der Lüftelberger Heiligen erscheint merkwürdiger Weise mit der Merlinsage verbunden. Wie die Verbindung gedacht war, das geht aus den Versen 214 ff. nicht recht klar hervor. Es ist nicht zu sehn, was die Klosterfrauen (214) mit Merlin zu thun haben. Aus der folgenden Be- merkung „nach ihrem Tode — dies immer noch zu Merlins liebzeiten — kamen andere dorthin und hatten die gereUschaf {„die Zurüstung"; ge- meint wohl der Aufenthaltsort, das Kloster) inne'^, möchte man fast ent- nehmen, dass Merlin etwas mit der Stiftung dieses Klosters oder dieser Klause zu thun gehabt habe. Merkwürdiger Weise schliesst dann dieser Absatz mit der Angabe, Merlin sei erst vor kurzem gestorben. Eine innerliche Verknüpfung der Lüthiltlegende mit dem vorangehenden 20* 286 J* Franck scheint nicht vorhanden zu sein. Rein ilasserlich wird gesagt „wie Christus mit Merlin Wander gethan hat und noch täglich an jedem Menschen Wunder schafft — jedes einzelnen Gestalt und Charakter (d. h. ihre Mannigfaltigkeit sind ein Wunder?) — so auch an der Jungfrau Lathilt". In hurten dagen heisst es. Ist damit gemeint „kurz nach Merlins Zeit" (vgl. Vs. 215), oder „vor kurzem", von der Zeit des Erzählers an gedacht? Sprachlich möglich wäre heides. Auch diese Zeit- angabe ist vom Standpunkt eines Dichters des 14. Jhs. aui^dlig. Ob wir die Auffälligkeiten milder ansehn dürfen unter der Voraussetzung, dass der Text die getreue Übersetzung einer älteren Compilation ist, das wttrde wesentlich auch davon abhängen, ob die Merlinsage in der hier vorliegenden Version und der Localisierung, die hier vielleicht fOr sie anzunehmen ist, eine nennenswert ältere Datierung zulasse. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die verlorenen Teile unseres Gredichtes eine mehr innerliche Verknüpfung der beiden Sagen hätten aufzeigen können. Der Verfasser hat eben wohl nur verschiedene Legenden aneinander gereiht. Dann scheint mir aber, da wir es doch mit einem Local- dichter zu thun haben, eine Vermutung nicht leicht abzuweisen, dass nämlich auch die Merlinsage sich irgendwie auf seine Umgebung be- zogen habe. Für eine solche auffallende Localisierung würde am ersten wohl irgend ein Namensanklang in Betracht kommen, und da wäre daran zu erinnern, dass eine gute Stunde von Lüftelberg, etwas östlich von Meckenheim, allerdings ein kleiner Ort liegt, der heute Merl heisst. Irgend einen weiteren Anhaltspunkt für eine solche Vermutung hab ich freilich nicht zu gewinnen vermocht. Aach für die Merlinsage ist aber unser Text nicht ohne Interesse, und zwar nicht bloss als ein verhältnismässig frühes Zeugnis für ibre Bekanntheit auf deutschem Boden. Eine unmittelbare Quelle habe ich für unser Gedicht nicht feststellen können. Die vorliegende Version der Sage nimmt in einigen Punkten eine Mittelstellung ein zwischen den beiden Versionen, die vertreten sind einerseits durch die lateinische, fälschlich Gotfrit v. Monmouth zugeschriebene „Vita Merlin!^, und anderseits durch den französischen Roman des Robert de Boron und seine Ableitungen *). Die Vorstellung von Merlins Geburt (Vs. 220 ff.) ') Merlin, roman en prose du XIII« si^cle, publik par G. Paris et J. Ulrich. 2 Bände Paris 1886. Sonst ist noch immer zu benutzen San- Marte, Die Sagen von Merlin. Halle 1853. Ich nenne ausserdem Jac. V. Maerlants Merlijn uitgegeven door J. van Vloten, Leiden 1881, Kölbing, Arthur und Merlin (Altengl. Bibliothek IV) Leipzig 1890 und Kurt Jahn, Sente LOtbilt. 287 scheint dieselbe gewesen zu sein wie in de Borons Roman, obwohl Vs. 1 2 ff. widersprechen (vgl. Paris-Ulrich S. 20) ; dagegen stimmen seine Flacht vor den Menschen nnd sein Aufenthalt im Wald mehr mit der Vita (vgl. dort Vs. 63 ff., Vs. 113 ff. ; seine Abneigung zu lachen 253, 483 u. ö.). Nirgends habe ich die Prophezeiung Aber seine Gefangennahme durch eine reine Jungfrau und die Geschichte, wie sie sich verwirk- licht und zum neuen Zeugnis fflr seine Allwissenheit wird, gefunden. Im gleichen Zusammenhang, d. h. unter den Proben von Merlins Seher- gabe, erscheint allerdings in einer englichen Version eine Erzählung, die gleichfalls von einem als Mann verkleideten Mädchen handelt, dessen Geheimnis Merlin durchschaut, die aber sonst ganz anders gewendet ist ; Eölbing a. a. 0. S. CXVIII. Die Erzählungen vom dreifachen Tod und dem jungen Mann mit den neuen Schuhen finden sich dagegen in beiden Versionen. Aber auch eine nur oberflächliche Vergleichung der ersteren zeigt, dass sie in unserem Gedicht der in der Vita sehr viel näher steht; besonders geht das hervor aus der Art und Weise, wie der prophezeite Tod wirklich erfolgt. In der Vita, Vs. 396 ff. Nam dum venatum canibus comitantibus iret, Aspexit cervum nemoris sub fronde latentem Dissolvitque canes, qui cerTO devia viso Transscendunt, complentque suis latratibus aaras. Ipsemet urget equum calcaribus, insequiturque, Nunc comu nunc ore monens, operisque ministros Increpat, atque iahet cursu citiore venire. Mons ibi celsus erat circumdatus undiqae sazis, Juxta quem fluvius subtns per plana fluebat: Hunc fera transcendit fugiens, dum venit in amnem, Exegitqae suas sollte de more latebras. Instigat iuvenis, montem quoque tramite recto Praeterit et cervam per saza iacentia quaerit. Gontigit interea, dum duceret Impetus ipsum, Labi quadnipedem celsa de rupe, virumque Forte per abruptum montis cecidisse sub amnem; Ut tamen haereret pes eius in arbore quadam, Et submersa forent sab flamine cetera membra: Sicque mit, mersusque fait, lignoque pependit, Et fecit vatem per terna pericula verum. Das Ereignis wird dagegen bei de Boron (S. 84) folgendermassen erzählt: eines Tages reitet der Baron mit einem grossen Gefolge aus und kommt zu einem Flusse, Ober den eine Holzbrücke (pont de fust) Immermanns Merlin (Palaestra hg. von Brandl nnd Schmidt III) Berlin 1899. Die Vita eitlere ich nach der Ausgabe von San-Marte a. a. 0. 273 ff. 288 J- Franck führt. Sein Pferd stranchelt auf der Brücke und fiillt auf die Knie, er stürzt und bricht den Hals. Der Körper schl> über die Brücke ins Wasser, aber ein Pfahl verföngt sich in den Kleidern, so dass der Kopf nach unten schlägt, und Kopf und Schultern im Wasser hangen. Von beiden Versionen weicht die Motivierung der ganzen Geschichte völlig ab, steht aber immerhin der im Franz. näher. Eigentlich hat unser Gedicht überhaupt keine Motivierung, ganz roh wird angeknüpft (Vs. 59) „der Truchsess kam auch dahin und befragte Merlin". Dass in dem fehlenden Teil etwa eine solche vorbereitet gewesen sei, hat wieder wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Überhaupt erzählt unser Gedicht ja recht kurz und obenhin, es macht geradezu einen excerpt- artigen Eindruck, was bei der Beurteilung seiner Quellen und seiner Composition nicht ausser Acht bleiben darf. Der franz. Version steht unsere auch insofern näher, als es dort ein mächtiger Baron des Hofes ist, dem der dreifache Tod verkündet wird, wie hier der Truchsess, in der Vita dagegen ein puer. Dagegen stellt sich im Franz. der Baron, der Merlin auf die Probe stellt, jedesmal krank, wovon weder in der Vita noch bei uns die Rede ist. Auch bei der Schuhgeschichte (vgl. dazu Kölbing a. a. 0. S. CVI) haben wir wieder das selbe Verhältnis. Die Situation ist ähnlicher mit dem Franz., wo das Ereignis gleichfalls auf dem Weg statt hat, den der gefangene Merlin an den Hof geführt wird, während in der Vita Vs. 481 ff. der Gefangene bereits am Hofe war und von Rodarchus zur Zerstreuung ausgeschickt wird. Dagegen weiss unsere Erzählung wie die Vita nichts davon, dass der Mann mit den Schuhen im Begriff steht eine Pilgerfahrt anzutreten, und während im Franz. die Geschichte bereits unterwegs ihren Abschluss findet, sind in der Vita wie bei uns die Leute mit Merlin inzwischen an den Hof gekommen, erzählen dem König, wie Merlin über den Mann mit den Schuhen gelacht habe, und dann schickt der König aus, um nachzusehen, was aus ihm geworden ist, wobei er tot aufgefunden wird. Wörtlich klingt unser Vs. 133 an postquam disstäa foreni Vita Vs. 517 an. Eine zweite Parallelgeschichte der Vita hat aber unsere Erzählung ebensowenig wie das Französische. Die Prophezeiung über Richard Löwenherz Vs. 191 ff. ist auch sonst bekannt; vgl. San-Marte S. 33 f. Den deutschen Namen Limezheim (oder Lime'^heim) für Limoges kann ich sonst nicht belegen; das nl. Wörter- buch Kilians bleibt mit Limosins näher an der Grundform. Dagegen habe ich nichts aufgespürt, was der Prophezeiung über den römischen Kaiser Heinrich und seinen Tod durch ertrinken verglichen werden könnte. Sente Lttthilt. 289 In Wirklichkeit ist kein deutscher Kaiser Heinrich ertranken. Sonst passen — wobei vielleicht auch die Gleichzeitigkeit mit Richard Löwenherz in Betracht za ziehen ist — die Worte nicht schlecht auf Heinrich VI. Die Vergleichang mit Tieren liegt in der Art der Prophezeiangen Merlins. Auf Grund des unter dem Text gegebenen Materials meinen wir die Vermutung wagen zu dürfen, dass hier der Uhu gemeint sei. Ein bubo kommt in der „Prophetia Merlini** (bei San-Marte 8. 25 2^ile 222) vor; freilich in einem Znsammenhange, der sonst nicht die mindeste Anknüpfung für nnsern Text bietet. Die Schilderung Ottos als eines breitbrüstigen, sonst aber schmächtigen Mannes von önsterm Aussehen Hesse sich damit wohl reimen ; eine Erwägung, von der übrigens die Gonjectur zunächst ganz unabhängig war. Dürfen wir aus unserer Quelle schliessen, dass sich die Erinnerung an Heinrichs plötzlichen Tod in der Sage mit der Todesart seines Vaters vermischt hatte? Dass unser Gedicht für die Geschichte der Merlinsage in der That nicht bedeutungslos sei, dürfte erhellen, wenn wir sehen, dass G. Paris, Einleitung der Ausgabe 8. XII, der Ansicht huldigt, dass möglichst alles, was Bobert de Boron abweichend von der Historia Britonum des Gotfrit v. Monmouth hat, für eigene Erfindung oder Zuthat des französischen Dichters zu halten sei. Dem gegenüber dürfte sich hier doch erweisen, dass zwischen der Vita Merlini und de Borons Version und ebenso zwischen der Historia Britonum und de Boron noch eine andere Quelle liegt, die die Erzählungen zum Teil schon in der Version hatte, wie sie sich auch im franz. Boman finden. Denn die Annahme, dass in einer auf der Vita oder einer mit ihr gemeinsamen Quelle beruhende Tradition Elemente aus de Borons Roman eingegangen seien, ist gewiss keine sehr nahe liegende. Man würde auf sie wohl überhaupt kaum verfallen, wenn man nicht durch eine Ansicht wie die G. Paris' über de Boron bevorurteilt wäre. Auch die Einfügung der geschichtlichen Prophezeiungen weist wohl auf eine besondere Quelle. Und in irgend einer Form wird dieselbe Version, die sich hier in dem deutschen Gedicht wiederspiegelt, auch dem franz. Dichter bekannt gewesen sein, so dass er also auch in Bezug auf diesen Teil seines Stoffes nicht in dem Masse als selbständiger Erfinder zu gelten haben würde, wie es G. Paris und andere auch für andere Teile seines Gral- romans ohne genügende Wahrscheinlichkeit annehmen. Über die Sprache möchte ich hier etwas ausführlicherhandeln, als es für den nächsten Zweck unbedingt notwendig ist, um auch die Historiker und andere Leser dieser Zeitschrift aufmerksam zu machen, 290 J. Franck was and wie yielerlei in dieser Hinsicht bei altern Texten za beobachten, and mit welcher Methode es anzugreifen ist, nicht bloss zum Nutzen für den einzelnen Text und fQr die Geschichte der Sprache, sondern auch fOr die Qbrige Geistesgeschichte und die gan^e Altertumswissen- schaft. Mancher ist in der Lage durch eigene Beobachtungen und durch Beibringen von Material uns besser in die Hand zu arbeiten, als es in der Regel geschieht. Der Lautverschiebungsstand entspricht den Verhältnissen der npuarischen Mundart, dem Teil des Mittelfränkischen, der von der nördlichen Grenze, der bei Benrath den Rhein überschreitenden Laut- verschiebungslinie, bis zu einer Linie reicht, die etwa an der Ahr- mündung den Rhein schneidet und die südliche Hälfte des Mittel- fränkischen, das Moselfränkische abtrennt. Wir haben unverschobenes t in den Pronominalformen dat, wat, du (het) und den Adjectivformen allet, ein ändert. Ebenso das unerklärte unverschobene k in versoicken; auch 118 steht wahrscheinlich soickenf nicht soiclicn. Weiter entspricht groUe „grüsste^ 296 der bodenständigen Sprache, wenn die Form auch heute in der Mundart nicht mehr bestehn, d. h. durch Einfluss der Schriftsprache oder Ausgleich mit dem Praesens grölen überall beseitigt sein sollte. Denn ursprüngliches tt im Praeteritum und Participinm der Verba, deren Stamm auf germ. t ausgeht, bleibt erhalten : Beispiele für sottet gesät von setzen bei Weinhold Mhd. Gr. ' § 196 f.; gebwfl „gebüsst" Wilde Mann 2, 40. 103. 3, 142; gruote „grüsse« : smte „suchte" Morant u. Galie 46. Wilde Mann 2, 89; s. femer Bartsch, Über Karlmeinet S. 237. Entsprechendes liefern auch neuere Mund- arten noch, z. B. auch an der Sieg saädSy gesät von setzen, schwadde^ w€Ldde, schadde von schwätzen, wetzen, schätzen. Selbst in der lothring. Moselmundart geschwät von schwetsen, geschnatä von schnaüscn „schnauzen", gespaut von spaitsen „speien". Damit ist jedesfalls zu vergleichen das Verhältnis von jrüQS ^) ^Sross" zum Comparativ jrü9f^^ Superl. 9t jrüdts in der Erftmnndart (auch kölnisch gröter neben grösser) das durch nd. grötter, gröüest — mit doppeltem t gegenüber grötiro, woraus unser grösser — u. ä. gestützt, wenn auch nicht genügend erklärt wird^). Auch kurt „kurz" ist noch heute in der Mda. weit ') 9 ist Zeichen für das schwache e als Nachschlag von Diphthongen und in Nebensilben. ') Die Nichtverschiebung des t in den genannten Fällen bedingt noch nicht das gleiche in Fällen wie schätz aus germ. tkatto und sitzen aus westgerm. sü^an, germ. s^jan (vgl. Praesens setzen neben Praet. saUe), wofür man allerdings bei Weinhold a. a. 0. gleichfalls Beispiele findet. Sente Lüthilt. 291 verbreitet (köln. köt). der aach sckeppen „ schaffen^ nnd scliepper „Schöpfer'' entsprechen. Das Praet. söte von „Sachen'', das wir in den obigen Beispielen im Reim zn gröte finden, begegnet auch in anserm Text 73 a. 125. Es entsteht ans söhta dnrch Ausfall des h in der Verbindung ht (laut- lich =7 cht). Der gleiche Ausfall hat mundartlich statt in den Formen von bringen und denken. In unserm Text sind jedoch nur daichte 68 und braicht lö6. 310 belegt. Dagegen ist der Ausfall wieder belegt hinter r in intfort aus entforht „gefürchtet" 192. 202. In unbetonter Silbe, eü „etwas", neU „nichts" aus iowM und niowiht, ist der Schwund jedesfalls sehr alt. Vgl. dazu Weinhold § 244. Nach ursprünglich kurzem Vocal gewährt unser Text kein Beispiel, obwohl die Mda. den Ausfall in diesem Fall kennt in Wörtern wie nät „Nacht", rpt „recht" ^). Denn in drusaisse, draississe von druhts^e ist vielmehr Assimilation von hs (aus hts) zu ss anzunehmen, und sonst ist reichty kneichtj ver- ^) Aus dem oben erörterten Lautwandel erklärt sich auch die Ge- schichte des Namens der Heiligen und des Ortes Läftelberg. Der richtige Name, wie er entsprechend noch im Gedichte lautet, ist ursprünglich lAuJüküt ; so bei Caesarius von Heisterbach Liuthädis, verlesen lAnthüdis. Daraus LuOuU, Da nach dem besprochenen Lautwandel auch „leuchten" statt ludUen in der Mda. lüten lautete, so wurde der Name auch zu LüdUhätt Leuchtküt verhochdeutsch t. Anderseits war auch luft zu lucht geworden und hatte dann entsprechende Veränderungen erlitten : lucht selber je nachdem lucht oder lüt; Plur. lüte, Ableitung „luftig" lütech. So gab eine andere Verhochdeutschung Lufthiit oder mit Beibehaltung des ti- Lautes, der als Umlaut von u gefasst werden konnte, Lufthiit und verkürzt Lüftd, woher Lüftdberg. Daneben bezeugt Cornelius Gurtius noch — zugleich mit o für t, worüber wir nachher sprechen — eine merkwürdige Form LeuftoU: „quam Luftddin, alii Leuftoldin vocant". Als Ostgrenze der Formen lüt oder lu9t wird heute etwa eine Linie Zülpich — Kerpen bezeichnet, worauf weiter öst- lich bis Königswinter— Brühl lu9ch folgt; s. Wrede im Anzeiger der Zs. für deutsches Altertum u. deutsche Litteratur 19, 278. Entweder muss die Form ohne dl früher weiter nach Osten gegangen und lu9chfl) von irgend einem Centrum sprachlichen und kulturellen Einflusses aus fremd eingedrungen sein, oder die Entwicklung beruht nur auf den mehrsilbigen Formen des Wortes luft : lüte^ lutech. Wenn übrigens der Acta Sanct. a. a. 0. angeführten Urkunde ans dem Archiv von Maria ad Gradus zu Köln „datum Bonnae a. 1260 VIU Idibus Sept.", in der ein „Willelmus de Monte S. Lufteldis" genannt sein soll, zu trauen ist, wenn also damals bereits die Verhoch- deutschung möglich war, so würde sich ergeben, dass bereits in der 2. Hälfte des 13. Jhs. lüte für „Lüfte", also auch knfte, gesprochen worden sein muss. Solche Verhocbdeutschungen spielen in der Geschichte unserer Namen, be- sonders der Ortsnamen, eine geradezu unheilvolle Rolle. 292 J. Franck maacheicht, tnanechtich, moichte, doiehier geschriebeo. Das siod s^r schwer zu beurteilende Yerbältnisse. Man klonte die Sond^stellang von soie und inifart so beurteilen wollen, dass der Ausfall zun&chst nnr nach ursprünglich langem Yocal nnd nach Eonsonaaten stattgefunden habe, nach ursprünglich kurzem, wenn auch thatsächlich schon ver- längertem, Yocal zur Zeit unsres Denkmals aber noch nicht, und könnte für die Abweichung von dächte, brächte eine Erklärung auf Grund einer gleich zu erwähnenden Beobachtung construieren (nämlich lautgesetzlich däie aber gedächt, brate aber brächt, und dann durch Ausgleich auch dächte und brächte). Aber die Erörterung der Quantität wird zeigen, dass neumundartlich gedät und entsprechend daichte in unserm Text gar nicht auf die Formen mit der alten Länge, sondern auf dazwischen liegende dächte u. s. w., mit Yerkürzung zurückgehn. Die Formen haben ja auch nicht die Qualität der alten Längen. Wenn aber das alte dähta verkürzt war, so ist es auch für söhta anzunehmen und die f*orm unsers Textes also auf sdchte zurückzuführen. Eine andere Möglichkeit giebt die Thatsache an die Hand, dass heute im Kreis Bergheim Sing, knfch aber PL knpt9 begegnet, d. h. tautosyllabisches ht ist cht geblieben (und hat später das t verloren), heterosyllabisches dagegen hat die Spirans eingebüsst. Auf Grund davon haben wir eben brate gegen brädU construiert. Aber die Formen unsers Textes, be- sonders doichter, würden sich auch einem hierauf gegründeten Yersuch nicht fügen, und ich vermag überhaupt nicht zu sehn, wie wir ihnen gegenüber auskommen könnten, ohne äussere sprachliche Einflüsse an- zunehmen. Das dürfte aber überhaupt bei der Geschichte der Wörter mit cht in den Mundarten so sein, dass wir fortwährend auf den Streit der eigenen Entwicklung, die die Spirans bedrohte und der Nachbar- mundarten oder gemeinsprachlicher Typen, die sie erhielten, Rücksicht zu nehmen haben. Angereiht sei hier gleich der Ausfall des ursprünglichen h hinter r in vurgenois 319, wörtlich „Furchgenosse". — Der in der Anm. voriger Seite berührte Übergang von ß in M liegt auch vor in manechtich aus mahiieftich, manhaftkh xm^ vermaschecM 123; s. unter dem Text. Ygl. Weinh. § 236. — Ein bekannter, weitverbreiteter Vorgang ist der Schwund von g zwischen Yocalen. Dahin saide 76. 90. 99. 150, behaide 66, behaide: saide 79, du sais 63, drait ir 260 (vgl. Weinh. § 33; Bartsch über Karlm. 224); femer vielleicht lomen 307, d. h. JSnen aus lauginjan „läugnen" (vgl. Weinh. § 225); s. jedoch den Text mit Anmerkung. Daneben wird sakhte (:daichte) 67, sachte 26, Sente Lüthilt. 293 Opt. mit Umlaut selckte 19, gesatckt (ihraidU) 155. 309 gebildet. Ob das (bloss orthographisch ?) aaf schriftsprachlichem sachte aas sägete oder etwa einer älteren Form sahta (wie lidbda za haben ^ lahta, gilaht za legen^ Kreis Bergheim geiät) beniht, ist nicht so leicht mit Bestimmtheit za ent- scheiden. Möglich wäre übrigens wohl auch hier ein laatgesetzliches Ver- hältnis 8äde aber gesackt nebst neuen Aasgleichsformen. Das Praet. seide 117 ist unwahrscheinlich. Aas ähnlichem Schwand des b erklären sich die contrahierten Formen von haben wie ich hain, du hais; he heit 160. 234 geht auf früheres hebU aus habid zurück (vgl. Braune, Ahd. Gr. § 368 Anm. 2), und heute entspri/cht mit Verkürzung die weit ver- breitete Form hett *). Auch von geben begegnet der entsprechende zu- sammengezogene Infin. gein (:plem) 316. Aus der heutigen Mda. kann ich nur belegen eck jä9n „ich gebe", jä9n „gegeben" Busch, Über die Eifelmundart (Malmedyer Progr. 1888) S. 23; vgl. sonst Vogt, Salaman u. Morolf S. C und J. Meier, Jolando v. Vianden S. XXIV. — Ein d zwischen Vocalen ist geschwunden iu foeir (:eir) aus weder, wider 322. Für diesen, besonders im Nl. bekannten, Ausfall giebt Weinh. § 189 auch einige ripuarische Beispiele. Heute scheint er, soweit es nach den Wörtern bruder und kleider zu bestimmen ist, nicht bis in unsere Gegend za reichen, sondern, wenn ich Wrede richtig versteh, östlich mit einer Linie Schieiden —Düren (etwa mit der Rur) abzuschliessen (Anz. 20, 109 u. 21, 291). Vermutlich ist aber früher das Gebiet weiter ge- gangen; vgl. Nierendarf Kr. Ahrweiler aus Niderendarf, In dem un- betonten wer aus hwedär^ wer . . . ö^ „ob. . . . oder" Vs. 40, ist die Contraction weiter verbreitet. — Beispiele für Metathesis des r liefern dirde „dritte" 93 und bürsten 181; vgl. Weinh. § 214 und bösch ans borst, burst im Kreise Bergheim. Ohne Metathesis Christen „Christ". — Wegen der Form eickelich „jeglicher" mit A; 226 vgl. Weinh. § 495. Daneben sei noch erwähnt die ausnahmsweise statt nc vorkommende Schreibung koninch 41. 116. 177, die sich ausser im Nl. und Nd. auch ripuarisch nachweisen lässt ; vgl. Graffunder, Der niederrheip. Gato (Jahresber. des Prinz Heinrichs Gymn. Berlin 1897) S. 8. — Nur graphisch verschieden sind js und s(s) für verschobenes intervocal. t z ist geschrieben in maize 30. 66, vaizen 111. 134, genovsen 187, besaizen 217; also so weit nur hinter langem Vocal. Dagegen grais und seine Formen 193. 249. 272. 320, genois 319, ') Es fehlt leider sozusagen noch ganz an Zusammenstellungen für die Praesensformen dieses Verbums. Fürs östliche Md. vgl. jetzt Roethe, Reimvorreden des Sachsenspiegels S. 24. 294 J. Franck heiß „hiess'' 16. 149, weis „verwies'' 23. 266, heis Adj. 265, ver- drois 32, mois 56. 140, leis „Hess'' 70, sUjssm 143, laisen 322, droississe 59 u. s. w., bis 73. 125. 294, as 35, &as 116 {:was mit altem s), tvasser 112, verslissen 133, ^es^en 292, ^sc/Sk»sden 200, beslossen 214. Also überwiegend s, S8, und .er nur hinter Längen, wenn dabei kein Zufall obwaltet. Jedesfalls braucht man gesckojs 195 dabei nicht als Ausnahme anzusehen, da rheinisch — wenn ich nicht irre, auch heute noch — geschatz vorkommt ; s. Deutsch. Wtb. 4, 1 b, 3958. Es bleibt dann noch der Name Limeeheim mit g in unbe- tonter Silbe, wo es nicht sicher ist, ob damit z (ss ts) oder ; (= sz) gemeint ist. Wegen lAmosins ist das letztere wohl wahrscheinlicher. Bei den Vocalen wäre zunächst die Quantität zu erörtern. Wir haben kurze und lange Yocale. Bei den letztem wären wieder alte Längen und die Dehnungen ursprünglicher Kürzen, wie in sagen, geben, zu untei-scheiden. Eine Längebezeichnung ist, wie wir sehen werden, vorhanden. Da sie aber nicht ganz regelmässig angewandt wird, können Zweifel über die Quantität übrig bleiben. Sie werden in der Regel die Dehnung von Kürzen betreffen, z. B. ob in lachen und dem damit reimenden quachen der heutigen Mda. entsprechend schon für damals lacken, guächen anzunehmen sind. Jedesfalls sind die that- säch liehen Längen -nicht immer bezeichnet, und wir sind darin der Hs. gefolgt, haben also z. B. genade neben raide gelassen. In ge- schlossener Silbe fehlt allerdings die Bezeichnung bei ursprünglicher Länge nicht häufig:, öfter bei i, wie tvisliche 1, pinde 6, sonst nur vor r, warheit, Horde. Vor r ist eben lang gesprochener Vocal die Regel. Ebenso ist in offener Silbe langgesprochener Yo^al als Regel anzu- nehmen, obwohl die ausdrückliche, also eigentlich überflüssige, Länge- bezeichnung dabei ganz gewöhnlich ist. Gegen diese Annahme könnte man einwerfen, dass in unserm Text gedehnte und lange Vocale nicht miteinander reimen. Es begegnen nur warde (d. i. wörde): Hürde 39, sunder vale: wale 151 und saicHte: daicHte 67, gesaicHt: braicHi 155. 309^). Vale ist mit langem a anzusetzen, aber das Woit ist ja Fremdwort, und aus den andern Reimen ist wahrscheinlich zu schliessen, dass die mundartlichen gedächt, brächt nicht unmittelbar altem gidäMa, bräht entsprechen, sondern verkürzte Formen (wie nhd. gedacht, gebracht) dazwischen liegen. Sonst werden wohl einerseits dagen: sagen (ur- sprüngliche Kürzen), anderseits genade: spade (ursprüngliche Längen), ') vain: Hain „haben" Vs. 45 ist kaum mitsurechnen. Sente Lüthilt. 295 aber z. B. nicht dagen : vragen (ursprangliche Kürze zu arsprttnglicher Länge) gereimt. Obwohl das schwerlich Zufall sein kann, braucht daraus doch nicht auf einen noch weiter bestehenden st&rkeren Quantit&tsunter- schied geschlossen zu werden, da Dehnung und Länge sich auch in der Qualität unterscheiden können; vgl. neumundartlich däge: vröge, verlöre: üre „Ohren". Bei ursprünglicher Kürze sind die zweifelhaften Schreibungen häufiger, solche wie pert, sachte neben saichte „sagte", mocJUe neben maichie. Das Längezeichen ist nun, wie wir in einigen Beispielen bereits gesehen haben, nachgesetztes i ^). Das Zeichen ist in dieser Eigenschaft rein zufälliger historischer Entstehung, die von dem i in tonlosen Silben ausgeht, und es deutet nur die Länge an sich an. Dass es eine be- sondere Qualität des Lautes oder eine besondere Art des Accentes be- zeichne, ist zwar oft behauptet, aber noch niemals bewiesen worden ; vgl. jetzt Beiträge z. Gesch. d. d. Spr. u. Lit. XXVII 398 ff. Es steht in geschlossenen und in offenen Silben, bei ursprünglichen Längen und bei gedehnten Kürzen, z. B. daitf rait, vain, maize, hayre, aine „ohne"*), loig, hoirden, oygen, doide, genoich, doi „damals", jsoi, voizen, goider; aine, am „an", tcaile „wohl", zaile, hain „haben" (z. B. 150; han daneben, z. B. 141, kann Verkürzung andeuten; aber die Schreibung beweist nicht), beuoire „bevor", kaimen, Jwiue: loiue, koininc, loigene. Auch 21 schoilt: wollt „wollte es" bezeichnet das i eine durch die Konsonanz bewirkte Verlängerung des Vocals, desgleichen in ir tnoicht, maichie^ doickter. Die Bezeichnung des langen i durch v> z. B. tp^f, sijs „sie dessen", taijsheide, slijssen, zyden ist den genannten Schreibungen nicht parallel, sondern bedeutet Doppelschreibung (ii^ der vielmehr aa für langes a parallel sein würde). Nun kommen wir aber beim e in Verlegenheit. Ohne Zweifel kann, dem vorher Betrachteten entsprechend, ein langer e-Laut mit eij ey ausgedrückt werden ; aber anderseits steht für einen Diphthongen des Klanges äi, ei (nicht ai) auch keine andere Schreibung zu Gebote. Wie haben wir nun thatsächlich die ei aufzufassen? Diese Frage führt *) Statt t zuweilen auch y^ nnd ebenso vereinzelt in andern Fällen y für t, wie fnynsche^ ey für eL Ich habe mir erlaubt dies ^, das nur der graphischen Deutlichkeit halber, in der Umgebung von andern t-Strichen oder im Anlaut und Auslaut steht und für nnsem Druck ganz zwecklos ist, im Text mit t zu vertauschen. Es steht fast immer in ey Je** und ney „nie**. *) Als Conjunction „ausser dass, abgesehen davon dass*'; Vs. 11 ist der Sinn deutlich „obgleich **. 296 J- Franck ans sofort in die Geschichte der Laote ein. Zunächst ist 1) mhd. ei regelmässig ei geschrieben in ein, eintcfc, ei$ige, heiSf cleide, toatrheide, den praet. hit, reit, weis „litt, ritt, verwies", in geit ngeht", sleü „stehf" a. s. w. Aber mandartlicb haben wir hier Monophthongierang za langem geschlossenem f. 2 erscheint jedes mhd. ie als ei, so die Praet. bescheit, veracheü, heis, geinc, leia, veil, heilig reifen, eir von eren ^pflQgen**, die Wörter leif, deinde, steif moder, vleigen; st-lteire „alsbald''. Hierher gehören femer ei „jemals", nei „niemals", eit (nl. ief) „etwas", neU „nichts", eiman, neiman, eickelieh „jeder", hei „hier" und wei „wie". Die heutige mundartliche Aussprache ist ge- schlossenes langes e. Nur je einmal ist nie 87, u^ 189 geschrieben. Darin könnten Lehnformen vorliegen, aber auch wohl eine eigene Neben- form, die der unbetonten Satzstellung. 3) Dieselbe Schreibung far Umlaut des alten langen a, mhd. re: ich toeine, weint (wainde Praet. hat regel- recht keinen Umlaut), gedeine 227 ^) aus gidäni „Aussehen, Gestalt", die Opt. Praet. neitne, und die 2. Sing. Ind. Praet. spreiches 91 (früher sprdchi). Während kein e daneben vorkommt (auch bei No. 1 und 2 nicht) ist im Opt. were, weren nur e geschrieben 3. 5. 133. 223*). Heute lautet der Umlaut, wo er unbeeinflusst ist, f, z. B. kis^ was auf früheres geschlossenes e weist. Wo der Umlaut noch lebendig mit ä-Formen zusammengehört, ist er entsprechend corrigiert, z. B. Opt. n§m zum Ind. ngm, 4) steht fast immer ei aber auch für unter irgend welchen Einflüssen verlängerte kurze f und e (offene und geschlossen), wie geschein „geschehen", intsein „fürchten" (mhd. entsehen) (3. Pers. aber siß 229), das früher genannte gein „geben", weir „wieder", hegeinde >) Ob das bei BQsf h a. a 0. S. 24 erwähnte jtdim neutr. „das Charak- teristische der Gesichtszüge^ woran man die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Familie erkennt", etymologisch damit vereinigt werden könnte? ') Diese Ausnahme, die schwerlich auf Zufall beruhen kann, weiss ich nicht zu erklären. Wert reimt 5: 9ere, 233: here „Herr". Dadurch wird der Versuch, in der abweichenden Schreibung etwa eine Spur der oben angedeuteten Correctur des Umlauts erblicken zu wollen, abgeschnitten. In Verbindung mit den im folgenden genannten snoeren und weren könnte man versucht sein, an einen Einfluss des r zu denken. Zunächst an einen orthographischen in dem Sinne, dass nach r die Längebezeichnung weniger notwendig erschien. Dagegen spricht einiger massen, dass doch scheire, eir, toeir geschrieben sind. Einen lautlichen Einfluss des r, der mit den oben vorgetragenen Ansichten im Einklang stünde, kann ich nicht wahrscheinlich machen. So lange diese Thatsache sowie der im folgenden erwähnte Unterschied zwischen hei und de nicht erklärt sind, bleiben Bedenken gegen die oben angestellten entwick- ln ngsgeschichtlichen Versuche bestehn. Sente Lüthilt 297 „begegnete^, deide „that^, leiven^ geiven, eiver „wiederum, aber^ (mdartlich ever gegen hd. dber\ steide „Stätte", reide „rede", heU „hat" ; reicht, kneicht (mdartlich raucht). Vgl. Weinh. § 29 ; 48. Die einzigen Beispiele fQr e sind jsemen „z&hmen": nemm 195, weren „dauern" 207, stoeren „schwören": weren „dauern" 307. Schreibungen in wieder geschlossen gewordenen Silben wie vert: erwqrt 193 erklären sich aus dem angedeuteten Einfluss der r- Verbindung genügend; vgl. Horde. Hierhin gehört nun weiter hei „er", wie bis auf he 266 und hene „er ihn" 125 stets geschrieben wird; jetzt in der Mda. he. Davon heben sich de „der" 22. 125. 131. 141. 160. 162 u. ö. und we „wer" 223, wahrscheinlich auch so, und nicht wei, 156, in der Schreibung ab. Auch hier weiss ich wieder nicht bestimmt zu sagen, in wie weit ein lautlicher Unterschied vorliegt, und wie er zu erklären wäre *). In all den genannten Fällen wäre es ausser bei 1 ^rachge- schichtlich unwahrscheinlich einen ^Laut vorauszusetzen. Heute sind durchweg lange e-Laute, seien es geschlossene oder offene, vorhanden. Und so scheint sich zu ergeben, dass wir hier überall in dem ei nur die Bezeichnung langer e-Laute zu sehn haben, und der Reim heis : verweis 265 würde weiter nur die an und für sich wahrscheinliche Voraussetzung bestätigen, dass auch für 1 Monophthong anzunehmen ist. Nur der Reim 315 plevn „Fläche, Gefilde" : gein könnte Bedenken erregen. Aber das aus gleichbedeutendem nl. plein — noch jetzt mit Diphthong — entlehnte Wort könnte ganz wohl noch die Monophthon- gierung des im Deutschen als Diphthong erhaltenen ei-Lautes mitge- macht haben. Der Fall würde nur beweisen, dass sie fürs Ripuarische verhältnismässig spät anzusetzen ist. Natürlich ist daneben immer die Möglichkeit, dass ei auch den Diphthong bezeichnete, anzunehmen. In leye „Fels" 109 ist er nicht zu bezweifeln. Dagegen sind steit und geit gewiss auch monophthongisch; vgl. steit ileii 161. Parallel ist die Monophthongierung des au, wo mhd. au bleibt, zu geschlossenem ö\oygen, loiffen; mit Umlaut hoift, lainen „längnen''. Es bleiben jedoch noch zwei weitere Fälle von e-Lauten in Be- tracht zu ziehen. Zunächst e für altes I in offenen Silben. Hier bietet die Hs. dese 93 (wohl dise^ nicht cf^se voraussetzend), hene „hin" 113, I) Hier könnte man allenfalls an eine Art schriftsprachlicher Schreibung oder an orthographischen Einfluss der Formen der, den n. s. w. denken. Weiteres über die Formen von der s. unten beim Pronomen. 298 J. Pranck leden „Glieder'' 181, sedin: geledin 227, meden 299, weder 306. 313, seder „später^ 314. Nur das aus weder zasammengezogene schon angeführte weir und veil, veile „viel" 27. 97. 249. 273 (vele 233) begegnen mit ei Das ist dem sonstigen Verhältnis der Schreibungen ei: e gegenüber auffallend. Bei weir könnte durch die Zusammen- Ziehung und das r der Laut verändert sein; bei veile bestände die Möglichkeit auf *felu statt filu zurückzugehen ; vgl. ags. fela, feola, fries. feto. Die neueren ripuarischen Mundarten weisen freilich, so weit ichs beurteilen kann, auf altfränk. filu, nicht *felu. Doch könnte sich darin schriftsprachlicher Einfluss ausprägen, oder aber man könnte mit noch etwas grösserer Wahrscheinlichkeit altfränk. betontes *felu neben unbetontem filu voraussetzen, von denen letzteres mit der Zeit das erstere verdrängt hätte. Wie dem aber auch sei: sehn wir von den Ausnahmen einmal ab, so scheint das aus 1 entstandene B {= nl. nd. e) im Klang von den andern bisher besprochenen gedehnten und langen e-Lauten nicht unwesentlich verschieden gewesen zu sein, dagegen über- eingestimmt zu haben mit e aus ahd. langem «, denn auch dafür er- scheint bei uns niemals ei. Es liegen vor e „ehe", serCf swene, ere, herc^)^ und auch lewc, ahd. lewo, nicht liwo, gehört dazu. Hierfür tritt schon in unserer Hs. die Entwicklung zu vollem f zu Tage : kirde : irde 237, und in nebentoniger Silbe in droississe^)» Zufall kann doch hier unmöglich obwalten, und das hier massgebende an beiden Kategorieen war doch wohl, dass die Laute dem i möglichst nahe standen. Daraus würde sich dann weiter ergeben, dass damals auch das e, welches Umlaut von ä ist, trotzdem es heute gleichfalls t lautet, wie in k^t ß „jäh'^, drije „drehen" noch nicht eben so geschlossen war wie das e von sere oder wie das von sede „Sitte". Unter diesen Umständen muss man geneigt sein, selbst die vereinzelten Fälle, wo in Gruppe 3 e geschrieben wird, nicht als blosse graphische Varianten anzusehn. Bei zemcn und nemen könnte sich schon die Kürzung durch m ankündigen (jetzt neinme)^ bei weren und sioeren eine ähnliche Kürzung oder etwa eine qualitative Veränderung des Vocals durch r. ^) Etymologisch liegt in diesem Worte auch germ. ai vor, ^hairiso, das vor r zu e monophthongiert wurde. Aher in den Mundarten stimmt es nur zum Teil mit andern -atr-: htt wie lire „lehren", in andern hat gegen Ure. Das beruht entweder auf Einwirkung der Contraction zu herre oder auf Einfluss der Schriftsprache. ') Fraglich ob auch in MirUn 176. Es kommt auch in lat. Texten Mirlinus vor. Aber man darf auch an einen Schreibfehler denken. Sente LütMtt. 299 Ich möchte selbst noch einmal das Problematische der letzten Erörterungen betonen. Aber wenn man von meiner Auffassung des ei absehn und einen wirklichen Diphthongen oder einen 6-Laut mit nach- klingendem f-artigen Element dahinter suchen wollte, warde man auf noch grössere Schwierigkeiten stossen. Jedesfalls wird man wohl zu- geben, dass die Erörterungen nicht massig sind. Es bedarf jedoch noch sehr vieler sammelnder und sondernder Beobachtung aus älteren Texten und aus den Mundarten, wenn wir endlich einmal die Entwick- lung der Sprache in diesem und in vielen andern Punkten klar über- schauen wollen. Bei der letzten Frage lernen wir einen Lautfibergang von t in offener Silbe zu e kennen, der im Nl. und Nd. ganz fest ist, und von dem auch ans dem Ripuarischen und sonstigen Md. zahlreiche Fälle belegt sind, wie seven „sieben^^, si siegen „sie stiegen^^, Ptz. gestegeny w^der „Widder" und „wieder". Parallel ist der Übergang von ü in ö, von ü in Ö (vgl. Weinh. § 56 u. 48. 59. 66. 74 f. und Heinzel, Gesch. der niederfränk. Geschäftssprache passim), wovon hier die Bei- spiele koininc (d. h. könific, mhd. känec)^ logen 5, loigene 7. 82, laigener 158 begegnen. Leider ist die Grenze dieses Lautwandels, der viel weiter nach Süden gereicht haben muss, als es die heutigen Ver- hältnisse vermuten lassen — vgl. z. B. i. J. 1168 Wede, 1230 Älden- tcede = Wied, ferner Heinzel a. a. 0. 353 — noch nirgends bestimmt. So weit ich mich nach gedrucktem oder mündlichem Material orien- tieren konnte, liegt der Stand unseres Textes, gedehnte e, ö, 6, heute nur mehr ganz rudimentär vor: Köln schweg, geschwege, log „Lüge", Kreis Bergheim kreje Ptz. von kr^e „kriegen, bekommen*', vldgely Gelsdorf südlich von Meckenheim jeschtv^en, jestejen *). Etwas häufiger ist wenigstens die Qualität e vorhanden: Köln blew, gebkvve (von „bleiben"), toess, gewese (kurzes e; von „weisen"), /(5/fe „das Füllen", ßergheim dell „Diele", v^ll, verl^dde „erduldet", nedder, wedder^ ich hlefv Partiz. blewe, sevve (die e stark geschlossen). In der Regel jedoch finden wir wieder %, ü, ü mit Verstärkung der Konsonanten, also taidder, nidder, glidder, vill, dill, ^ill, spille, still, hin, wis „Wiese", ivissel, iggel, hliff „blieb", Ptz. bliunve oder blivve, jerivve, jewisse, sivve, stuw, bünn „Bretterboden, Diele", münnich „Mönch", ^) Man möge sich an den Ungleichheiten in der Schreibung nicht stosson. Bei gedruckten Belegen behalte ich der Bequemlichkeit halber die Schreibungen bei. Westd ZeiUchr. f. Gesch. n. Knust. XXI, HI. 21 300 J. Franck lüner „Lügner^^, fl^j^h fni^elidi, üvnel, hüwel „Hügel, Unebenheil", u. s. w. Zar Erklärung dieses Unterschiedes zwischen unserm Text and der heutigen Sprache wären verschiedene Möglichkeiten zu erwägen. Die Verwandlung in e u. s. w. könnte vor dem einen Konsonanten eingetreten, vor einem andern unterblieben sein. Das ist als Erklärung fQr unsem Fall nun höchst unwahrscheinlich, wenn man die Einzel- heiten betrachtet, z. B. im Text toeder gegen mundartlich Widder, Oder im 14. Jh. war die Verwandlung allgemein durchgedrungen, aber in den meisten Fällen hat später eine Rackbildung, in der Regel in Ver- bindung mit einer Verschärfung des Konsonanten stattgefunden: 9ef>en, neder wurden zu sVwen^ nX'dder {i* ein nach e neigendes t). Ander- seits könnte man schliessen wollen, der Verfasser sei eben nicht aus LQftelberg oder der näheren Umgegend gewesen, oder aber seine Sprache zeige fremden Einfluss« Bei der dritten Möglichkeit könnte man ganz wohl voraussetzen, dass er im allgemeinen die Lüftelberger Mda. ange- nommen, aber in Einzelheiten Eigenheiten seiner Heimat, die man dann nördlicher suchen würde, gewahrt gehabt habe. Bei der letztgenannten Möglichkeit hätten wir grundsätzlich nicht etwa bloss an eine „mhd. Schriftsprache^^ oder sonst einen weiter verbreiteten Sprachtypus mhd. Charakters zu denken, was ja bei dem hier vorliegenden besondern Lautfall gar nicht in Betracht kommen könnte, sondern das Vorbild könnte auch die Sprache einer andern Gesellschaftsschicht gewesen sein, oder irgend ein bestimmter Dichter, oder die Sprache einer bestimmten Kanzlei, oder aber eine Schriftsprache, Kanzleisprache oder Gemeinsprache von lokaler Bedeutung, die sich unter politischem oder kirchlichem Ein- fluss von irgend einem Ort aus, in mehr oder weniger Einzelheiten wirkend, über ein bestimmtes Gebiet verbreitet gehabt hätte. Unter diesen verschiedenen Möglichkeiten kommt mir vorläufig die zweite durchaus am wahrscheinlichsten vor, so dass also dann die Sprache des Textes auch in dieser Hinsicht die Mundart darstellen würde. Dies Ergebnis wäre nicht ohne allgemeine Bedeutung. Es wäre auch auf andere Fälle, wie leiven, loiven, heute I^vve, Igvve zu übertragen, und wir sähen, dass die heutigen mundartlichen Formen gar nicht, wie man sonst leicht annehmen könnte, die alten Quantitäten wahren, sondern sich in ihnen secundär erst wieder Kürzen aus gedehnten Lauten ent- wickelt haben. Zwischen dem heutigen l^e und dem alten Üben — bis auf die abgeschliffene Endung und den etwas weniger intensiven Konsonanten gerade so zu sprechen — läge eine gedehnte Form Ihjen, Mit der Mda. stimmen weiter die Formen, die die Verbindungen Sente Lothilt. 301 'Old, "Uld enthalteD. Sie hat si^U, gedöU mit verläDgertem, stark geschlossenem o. Auch die Formen von wollen und sollen lassen für früher die entsprechenden, zum Teil auch heute erhaltenen Formen, ir söU, Praet. tcölde^ Ptz. gewölt, voraussetzen; noch jetzt jewölt, Praet. Bergheim WQt mit Verkürzung und Ausfall des Z, söt. Man darf also annehmen, dass etymolog. old und uld lautlich zusammenfallen. Die Schreibung unserer Hs. ist sehr schwankend, aber alles zusammen ge- nommen kann wenigstens für lauter Formen mit ö und braucht nicht für Verschiedenheit der Formen zu sprechen: schollt „Schuld" 21, verschulde „verschuldete": gedulde 241, gedült 25, mU „ihr sollt' ^ 64. 77. 89, das selbe soilt 150, soild ir 54, suldCy sulde „solte'' 17. 75. 104 u. ö, soidm 324, „wollte'': umlde 2. 13, 255 (:sulde), wolde 18. 45. 46. 250. 316. 322, woüt „wollte es" 22. Wie das Adject. hoU im Reim zu LütfioU 240 lautlich genauer zu beurteilen ist, geht aus der Schreibung nicht hervor. Auch diese Namensform zeigt ausgeprägte ripuarische Eigenart; vgl. Mechtolty SwenoU, mUoldis bei Weinh. S. 50. Dort auch andere, in unserm Denkmal fehlende Beispiele für u und o an Stelle von t. Nörrenberg hat Beiträge zur Gesch. d. d. Sprache und Literatur 9, 417 f. diesen Lautwandel für einzelne ripuarische Gebiete zu lokalisieren gesucht. Unsere Gegend fehlt dabei. Aber die Er- scheinung ist weiter verbreitet, z. B. in Prüm und bei Busch a. a. 0. S. 4, und die Sache wäre noch genauer festzulegen. Vielleicht ist über- haupt zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden. Bei beiden käme die Art der benachbarten Konsonanten in Betracht, aber die eine würde den Lautwandel auf nicht hochtonige Silben und Wörter beschränken. Aus der Gegend von Köln und aus dem Kreis Bergheim ist mir bekannt, dass je nach der Gesellschaftsschicht in dreifacher Form nütf tnöt und mot, bin, bön und bon gesprochen wird; das Wort mist in den zwei Formen mis, mos, wozu in andern Gegenden die dritte, mos, most tritt. Also ist jedesfalls LütöU für Lüftelberg wahrscheinlich genug. Bezeichnend sind weiter koime „kaum" 110 und wände „wohnte', 318. Das erstere zeigt den Übergang von ü zxk 6 unter Wirkung des folgenden m (s. Franck, Mnl. Gramm. § 44 Anm. und v. Helten, Mnl. Spraakkunst S. 72); Weinh. belegt es S. 115 aus Gotfr. Hagen; s. weiter Lexer s. v. kume, Rother Vs. 104 romt (= rümte ,, räumte"), 2540 gero^mot „geräumt". Die Grenzen des Lautwandels sind nicht abgesteckt; aber nach den Belegen ist er weit verbreitet, einerseits bis Holland, Limburg und Brabant, anderseits weit südlich ins mfränk. Gebiet. Für wanen vgl. Lexer s. v. wonen, Bartsch Über Karlm. 218 f., 21* 302 J. Franck Gelsdorf wätien a. s. w. Aach das dreimal in den Nfimk. Psalmen sich findende uuanon (Borgeld De oadoostnederfrank. Ps. S. 6 Anm. 2) ist also wahrsclieinlich nicht in wunan (wonan) zu ändern. In dieser Form ist aber wohl kein Lautwandel, sondern alter Ablant zu erkennen, wie giwan neben giwoHf giwenen „gewöbnen^^ aus gkocayan. — Diphthongierung vor w könnte vorliegen in schauwede (oder sch^tvedef) „scheute'^ 36; vgl. Weinh. § 133. Aber die Grundform des Yerbnms l&sst sich nicht so leicht bestimmen. Wenn nüwe 131 und getrutoede 116 damals in der Mda. entsprechend diphthongiert gewesen wären, so müsste bei diesen Formen für unsem Text entweder ältere Schreibung oder äusserer Einfluss angenommen werden. — Wegen ümmer, nümmer sei auf Lexer s. V. iemer verwiesen. Das germ. ö, ahd. mhd. uo, erscheint als d^), das in der Mda. seinerseits erst wieder aus uo entstanden ist, also nicht als ununterbrochene Fortsetzung des germ. ö angesehen werden darf. Unter besonderen Umständen kann die zum neuen ö führende Entwicklung gestört und uo vielmehr zu u werden. So haben wir zo, zoi 32. 41, gewöhnlich aber zu 15. 67. 126 u. ö. Wir brauchen also jsu nicht als schrift- sprachliche Form aufzufassen, sondern beide Formen können mundartlich sein, und zwar zo eigentlich die der betonten, zu die der unbetonten Satzstellung, die sich zu einander dann verhalten würden wie die oben erwähnten nei und nie, sowie die uns gleich begegnenden dei und die. Verzeichnet seien schliesslich die Pronominalformen, soweit sie nicht schon zur Sprache gekommen sind. Auch sie müssen zu litterarhistorischen und sprachgeschichtlichen Zwecken genauer als bisher beobachtet werden. Der Dativ des Personale er ist stets eme 45. 76. 80. 112 u. ö.; nur 25 em (reflexiv). Diese auf imo beruhenden Formen können zugleich betontes e aus i und schwachen Vocal enthalten, also fma und 9m9 sein. Accus, in oft. Daneben -n9 oder -9nd in voller Inclination : hene „er ihn^^ In weist auf eine ältere einsilbige Form in, woraus betontes und unbetontes in. Vs. 32 gibt Anlass, daneben die Möglich- keit einer Form einen zu erörtern. Diese zweisilbige auf n ausgehende Form, inen und enen s. bei Weinh. S. 520, und ei für e in di&sen Pronominalformen S. 48, wo auch ein paralleler Dat. eifme aus Lacomblet belegt ist. Aber ausser der Vereinzelung der Form fällt nach dem früher erörterten das ei für e aus i in unserer Hs. auf, weshalb mit ') Es ist keinmal mit ö aus au gereimt. Sente Lüthilt. 303 der Möglichkeit eines Schreibfehlers, etwa für ene = incl. 9n9 gerechnet werden moss. Gen. masc. sin 48. 194, neutr. is 258, inclin. s in sijs 241, mans 7. Dat. pl. in 286. Fem. n. s. si 236 n. o., st/s = 81 mit Genit. es von „es" 241; Accus. st(:) 317. Plur. nom. masc. si z. B. 153; fem. 314, Acc. fem. 293. 306, se (= inclin. S9) 283. 284. Betontes si ist neumnndartlich sei Bemerkenswert ist das Fehlen der Form sei ans sie, neumundartlich se, fQr die Pluralformen (u. Acc. sing, fem.) in unserm Text. Dat. s. fem. ir 316; ere 283. 310. Das letztere zn beurteilen wie eme. Das ursprüngliche ira, iro kann sich spalten in Ire, ir; ans dem ersteren fre und auch tonloses 9r9, aus dem andern ir. An Übertragung der Dativform in den Accus, könnte man bei 296 denken, wie sie auch nl. (mnl. hare, nnl. haar) für den Accus, gebraucht wird; vgl. auch Maurmann, Gramm, d. Mda. von Mülheim a. d. Ruhr § 222, Anm. 1. Doch ist wohl eher etwas ausge- lassen (ir herenf)^ oder in duren steckt etwas anders. An „Türen" ist gewiss nicht zu denken. Das gäbe lautliche Bedenken, und es ist ja ausdrücklich gesagt, dass die Scheuer offen steht. Gen. pl., ursprünglich iro : irre 20. 302 mit neuer Endung -rc, wie ähnlich nhd. ihrer mit neuer Endung -er; vgl. Weinh. S. 524, mnl. haerre. Daneben ir 144. 188. Als Possessiv der 3. Pers. haben wir ir 189. 294 u. s. w., dat. s. masc. irme 257, gen. s. fem. irre 301 und acc. s. masc. erin 102. Die letztere Form ist denen mit i gegenüber die stärker betonte, mög- licherweise aber auch die schwächer betonte. Demonstrativ. Nom. s. masc. demonstr. und relativ de, z. B. 138. 141. 192; unbetonter Artikel der z. B. 147. 185. 191. 201, selten de 160. Über diesen Unterschied vgl. Zs. f. deutsches Altert* und d. Litt. 40, 17 f. Genit. demonstr. masc. efes, z. B. 167, neutr. des 145, dis 255 (letzteres könnte auch zu du gehören), dat. neutr. deme betont 184; masc. art. detne z. B. 172. 210, den 204, vgl. eickelichen 226. Fem sg. Artikel die z. B. 245, dat. der z. B. 246, acc. die 217. 219. 285, demonstr. nom. die 256. 292. Plur. masc. artikel die 143. 145, dat. pl. den betont 258, acc. m. demonstr. dei 264, fem. 276. Instr. s. neutr. deiideibas „um so besser" 116. Die Form geht auf früheres die zurück; vgl. Weinh. § 483. Dei und die können, als mehr und weniger betonte Form, beide boden- ständig sein, vgl. nei und nie, wei und wie, zoi und zu. Aus der sonstigen Flexion sei erwähnt der Plural schoin „Schuhe" 131 ; vgl. mnl. schoen, Bartsch, Über Karlm. 229 und Eifelmundart schön; femer der Acc. mlle 251 (Weinh. S. 258), fem. zwa(:) (gegen 304 • J. Franck masc. zwene) 282; Weinh. S. 336, die Adjectivform der graiser ge^ naden 272 ; Weinh. § 525 ; Beitr. z. Gesch. d. d. Spr. u. Lit. XVII 383, Anm. 6, ferner an er jrusser kirech „in einer grossen Kirche" Busch a. a. 0. S. 24 Anm. Im Wortschatz ist besonders eigentümlich das fragende wie sulch 62 q. 189. Ist es verstärktes „wie?^^ oder ist es fragendes „welch^^ (ans *hweo sulth; vgl. ahd hweolth mhd. wielich „welch^^)? Ich vermag das, für die Heimatsbestimmung jedesfalls wichtige, Wort weder ans der älteren noch aus der neueren Zeit nachzuweisen, nur das correlate so selc „solch" in dem mnl. (brab.-limb.) Leven van sinte LtU- gart II 4516. 8841. Sonst sei angemerkt zaüe in der Bedeutung „Rede, Erzählung" 65 u. ö. (s. Lexer s. v.), gamen ,, Scherz", der adverbiale Genit. Indes „unter Gebell". Unter dem Text ist aufmerksam gemacht auf quachen, vermaschechten und die zweifelhaften Wörter vöfz, avestervich. Eine für die Texte . wichtige grundsätzliche Frage betrifft das Verhältnis der mundartlichen zu den aussermundartlichen Formen. Die Thatsache, dass Niemand so schreibt wie er spricht, die wir täglich an uns selber und noch besser an Ungebildeten be- obachten können, hat kürzlich Roethe mit den Worten formuliert, dass es nicht „natürlich" sei, dass der Dichter in der eigenen Mundart dichte, sondern „natürlich ist, war und wird sein für den Durchschnitts- menschen, dass er nicht seine, sondern seiner Vorbilder Sprache schreibt, wenn er sich litterarisch bethätigen will; und wer in der Nähe keine Vorbilder hat, der sucht sie sich in der Ferne". Wie wir vorher be- merkten, können die Quellen, von denen man sich beeinflussen lässt, recht verschiedenartige sein. Diese Einflüsse bleiben öfter unbeachtet; ich glaube aber auch, dass sie heute hier und da überschätzt werden, dass wenigstens manchmal etwas als fremd erklärt wird, was sich auch als mundartliche Entwicklung, insofern sie Doppelformen erzeugte, er- klären kann. Wir haben einiges derartige im vorangehenden kennen gelernt. Auch für diese grundsätzliche Frage sind sehr viele Einzel- untersuchungen nötig. Dabei können uns wieder auch- Nichtfachleote förderlich an die Hand gehn, wenn sie sich bei älteren Texten aof ihre mundartlichen Kenntnisse besinnen und ihre Beobachtungen mit- teilen. Es ist nicht nötig, dass sie gleich tiefgründige Erklärungen versuchen. Dazu gehört fachmännische Schulung und ausgedehnte Er- fahrung, wie sie nicht leicht denen, die sich nur nebenbei mit den Dingen beschäftigen, zu Gebote stehn. Aber interessieren dürfen sie sich darum doch dafür und können feststellen, was für oder gegen eine Mda. zu sprechen scheint. SoDte Lüthilt. 305 Wie wir non bei Betrachtang der Einzelheiten bemerkten, enthält nnser Text ohne Zweifel eine grosse Anzahl rein mundartlicher Ele- mente, und wir dürfen vorläufig voraussetzen, dass der Verfasser wirk- lich in seiner Mda. geschrieben habe. Daneben haben wir nur bei wenigen an die Möglichkeit fremdsprachlichen Einflusses — wir nehmen „fremdsprachlich^^ im weitesten Sinne — gedacht. Ist ein solcher Einfiuss nun weiter mit Bestimmtheit nachzuweisen? Eine ins Auge springende Erscheinung sind die Praeterita nante 14, voirte 128, saidUe, seichte (s. früher), hette 87. 156. 174. 175. 219. 305, Part. tmrgenanten 214 neben dem Praet. hedde 43, hadden 102. 124, Saide, hoirde 4, pinde 6, reide 117, begeinde 129, wainde 132, lach- gede, quachede 135 f., sande 169, elde von elden „zum Alter bringen^^ 213, ende 231 u. a. mit d, das unser Text natürlich auch sonst gegenüber hd. t aufweist, wie in halden, worde, Itide, node „ungem^^ (Casus von not) 40, boiden, vader, moider u. s. w. Es läge ja hier nahe Einfluss des hd. -te anzunehmen. Aber nach den Untersuchungen von Böhme, Zur Kenntnis des Oberfränk. im 13., 14. u. 15. Jahrb., Gablonz 1893, müssen wir einen Übergang des d nach Konsonanten und in der Verdoppelung auch in nnserm Gebiet für möglich halten, der zwar in der Schrift durch hd. Einfluss gefördert sein mai;, aber auch eine autochthone Neigung voraussetzt. Dass das t besonders im Praet. zu Tage tritt, mag abgesehen von der Stellung nach Konso- nant, daran liegen, dass eine ganze Reihe und zwar sehr geläufiger Verba auch nach alten heimischen Lautgesetzen, wie satief brahie, moste, sowieso 'te nicht -de hatten. Auch bei herre, das 224 gegen den Reim, ausserdem 255 gegen sonstiges here geschrieben steht, ist vielleicht Annahme äusseren Einflusses nicht notwendig, indem die Möglichkeit besteht, dass sich ans dem älteren (heriro) herro autochthon beide Formen entwickelten. In der That wüsste ich in keiner Einzelheit unseres Textes den Einfluss mit voller Bestimmtheit nachzuweisen. In einzelnen Formen, wie etwa maget, la „lass !^^ ^), dem nebeneinander der Praet. began und begunde mag man die Herrschaft einer Gemein- sprache, der sich niemand ganz entziehen konnte, verspüren, und wenn man genauer untersucht, mögen mehr solcher Spuren aufzutreiben sein, obwohl sich im einzelnen ja nicht so leicht feststellen lässt, ob eine Form an einem bestimmten Ort nicht gebräuchlich gewesen ist. ^) Auch das Adv. mame „morgen** wird als eiobeimisch bestätigt durch mg9r der Erftmondart, mdr bei Busch a. a. 0. S. 22. 306 J. Fnmck soweit es sich nicht om starke mandartliche Unterschiede handelt. Der erwähnte Reim worde: harde 39 ist zweifellos in der Vocalqualitat mundartlich nicht ganz rein. Aber jedesfalls ist unser Text in dieser Beziehung verhältnismässig sehr rein, und es dürfte geboten sein, soweit nur irgend möglich, alles aus eigener Doppelformigkeit zu erklären. Man vergesse nicht, dass wir es ja wahrscheinlich mit Lokallegenden zu thun haben. Der Wert des bestimmt zu lokalisierenden Textes kann unter diesen Umständen fOr die Sprachgeschichte nur gewinnen ^}. Nur in wenigem weicht der Abdruck von der Hs. ab. Die Inter- punktion ist geregelt, die Eigennamen sind gross geschrieben, die wenigen Abkürzungen aufgelöst. Dass das überflassige tf durch i ersetzt wurde, ist schon gesagt ; ferner sind u und v geregelt, die gleichmässig fOr Vocal und Konsonant geschrieben werden; statt des Zeichens u ist häufig, aber durchaus nicht immer in der Hs. ä gebraucht, z. B. vür 82, lüdis 106, liHe, mUe 181 f. Auch die Schreibung sulg 16. 51. 62 ist durch sulch (so 189 in der Hs.) ersetzt; es genügt hier auf sie auf- merksam zu machen unter Verweisung auf Weinh. § 223. Beibehalten ist das ij das zuweilen in Nebensilben für das schwache e steht, z. B. erdrinckin 89, erin 205, allit 99, lädis 106, werilde 31. Regel ist dies i in der Vorsilbe ivU-, z. B. inteide 85 von intön = entdön „ent- stellen" und intsoif 253 von entsefen „bemerken", in der Ck)njunction inde, selten in „und" und in der Negativpartikel in. Ausserdem habe ich gegen die Hs. die Umlaute der o- und u-Laute bezeichnet und ebenso ü für u^ u = altem iu geschrieben, wenn ich auch in vereinzelten Fällen der Sache nicht sicher war. Vielleicht war Umlaut auch für die Con- junctive wolden 45, moichte (53?). 83. 90, moiste 306 anzunehmen. Auch dem Plur. doide 80 könnte er zustehn. Ich lege Wert darauf, den unmittelbaren Sinn daran zu gewöhnen, dass diese ö- und tü-Laute in der alten Sprache ebenso vorhanden waren, wie in der neueren Schriftsprache oder den heutigen Mundarten. Dagegen ist das Dehnungs- zeichen i beibehalten worden, ohne dass ich aber damit ein Beispiel zur Nachahmung gegeben haben möchte. ^) Nachträglich kommen mir doch Bedenken. Es ist ja nicht ohne weiteres ausgemacht, dass die Legende der Lüftilt den Hauptinhalt der Hs. bildete. Es könnte sich um irgend eine Legenden Sammlung handeln, von der eine Hs. nach Lüftelberg gelangte, weil die Geschichte der Ltlftilt darin auch vorkam. Dann wäre an sich die Entstehung in einem andern Teil des linksrhein. ripuar. Sprachgebiets nicht ausgeschlossen. Sente Lütbilt. 307 Inde so wislich was sine dait, 1' It wulde berichten al den rait, Of it were zu yoUen dagen. It inhoirde neiman dat gesagen, 5 Dat einge Idgen were. Ei doch pinde mans dicke sere, Dat si it löigene deiden sagen. Hei yerscheit also yan den dagen, Dat hei, Merlin, in loig noch in misdeide 10 An in geiner bände steide. Aine was hei kint, hei was yan listen. Hei was lange nncristen. Doi wulde hei gerne cristen sin. Dat deide man eme inde nante in Merlin. 15 Doi hei qnam za sinen dagen, Bi wilen heis in sulch sagen, Wat eme sulde geschein. Hei in woldes sich neit intsein, Hei in seichte ei die warheit. 20 Geschach in dan einich leit, Dat in was neit sin schollt, Want Jesus Gristus de wollt. Ei doch weis mant eme genoich Inde sprach eme manich ungeyoich. 25 In goider gedult hei em allit nam. Als eit sachte dat it reichte quam, Dat boirden si dan veil gerne Inde heildent doch zu scheme. !▼ So wat hei sprach, dat geschach. «30 Die lade hei mai^e gerne sach; Der werilde hei sich ei vort intzo. Zo leste verdrois ir einen so, Dat bei geinc in einen walt Inde leit da warm inde kalt 8ö Inde in as neit wan gecrüde. Alsus schouwede hei die lüde. Doch man in bi wilen sach. Als in eiman aine sprach. Dkl bescheit hei sinre worde, 40 Wer hei si node of gerne horde. 2 alden nusammengeschrieben. 3 vollendagen susammengeschrieben. 9 merlin loM der Deutlichkeit halber unbefitgt zugeseM, 22 iEis xps. 23 mant verwischt und, besonders am Schlussy nicht so gang sicfwr^ vid- leicht auth mans. 26 Die Lesung ist nicht eu beeweifdn. Zu verbessern Als hei eit sachte dat in r. qu. ,,Als er etwas sagte was ihnen passend kam^^ ? 32 Die Hs, ist gant deuüich; s, oben S. 294. 36 oder schouwede gu sdvreiben? 308 J. Franck Zoi leste der könincÜ dit vernam, Wat hei sprach dat it yolquam. Doi hedde hei in gerne gehat Sine man hei dar amme bat, 46 Dat si in eme wolden vain; Hei wolde in zu dme raide hain. Doi reit irre genoich aldare, Da man sin was worden geware. Als in ir einich da vemam» 50 Harde scheire dat hei in intquam. £i doch hei weder sulchen reide. Mit wairheide hei in kunt deide, Dat in neiman in moichte vain. Ein sprach nSoild* ir dan Qmmer alsus gain ?** 55 „„Nein ich neit*^^ sprach Merlin, 2' „„ Ich mois gevangen sin Van einre maget reine, Die nei mannes in wart gemeine.**^ Der droississe dare quam, 60 Da hei Merline vemam. Hei sprach „sage, goide Merlin, Wei sulch sal min ende sin? Sage mir ouch, du sais in allen. ** Merlin sprach „„ir sult ervallen."'' 66 Deme drussissen leide die zaile, It behaide eme mai^e waile. Ei doch hei zu . . otte saichte, Noch me hei it versöiken daichte. Hei wolde it mit listen ane vain ; 70 Hei leis sinen hart stain Inde wandelde sin overcleit. Ein ander pert hei dare reit. Hei soite in, bis hei in vant. Doi vraigede hei in zu haut, 76 Wat künne sin doit sulde sin. Doi Saide eme ein ändert Merlin 67 oder magit. 63 vor du aües sweifeUos, dcu d sienUich versdiiusen in einer kleinen FäUe; der Buchstabe besteht aber aus swei Züffen, die weder weit nach oben noch nach unten gingen; fi ist zweifellos. Auch die beiden äusseren Buchstaben von sais sind genügend sicher, €tuch der Strich über i sicher vorhanden, so dass Ober die Lesung du sais „du sagst^^ htum Zwcifd herrschen kann, 67 das fönfte Wort stark abgeblasst; der erste Buchstabe könnte etwa (b oder eher) s sein; der zweite sieht wie o am; der dritte ist O] die beiden letzten genügend deutlich so wie öfter, e, B. in bette 219, tt geschrieben ist; also ziemlich zweifdlos spotte. Die Construction an der Stelle ist übrigens nicht sonderlich klar. Sente Lüthilt. 309 „Ir 8u1t avester. ich hangen, £ ich werde gevangen.** Deme drussissen dat behaide, 80 Dat hei eme zwene doide saide. Hei reit heim dat künden Vür lOigene sinen vrfinden, 2^ Als it nünimer in moichte geschein. Hei sprach „ich sal morne besein**. 85 Eiver dat hei sich inteide. Hei geinc zu Merline ümme die reide, Als hei in nie inhette gesein. Hei sprach „wat sal mir geschein ?'' „„Ir sult erdrinckin sprach Merlin.*"' 90 Hei Saide „wei moichte dat sin? Merlin, du spreiches wair ei, Du in gelöiges noch nei. Nu hais du mir dese dirde stunt Drier hande doit gekunt. 95 Du luges die zwene, Merlin." Hei sprach „„it mach üch leif sin."'' Der drussisse was veile gemeit, Hei geinc heim, da bevoire hei reit, Inde Saide zu hant allit dat 100 Deme köninge vur ein barat Indem e gesinde alsamen. Doi hadden si is erin gamen. Dar na in kürten zijden Sulde der drussisse riden lOo Zu walde iagen mit den hunden. Doi si ludis loiifen begunden. Hei ilede na, doi sturte sin pert, Der here veil zu dale wert; Eine ho leie veil hei neder; 3^ HO Dat pert quam koime weder; 77 das 3. Wort ist ganz deuüich bis auf die swei Züge, die gwischen r und i auf einer Falte stehen und^ wenigstens der eine, weiter nach oben gegangen su sein scheinen : avesterflich oder avestervich ? Ich vermag das adß. oder ado. im Sinne von ^,8um Tode^* nicht nachzuweisen. Anders könnte man einen Ausdruck für die besondere Art, wie der Mann später hängt, mit dem Kopf nach unten, dahinter vermuten; doch vermag ich einen solchen in passender Form nicht wahrscheinlich mu machen. 81 d(at) nicht so ganz sieher, doch kaum zu bezweifeln 98 „von wo er vorher geritten kommen war^' ? Oder zu interpungieren heim. Da bevoire hei reit Inde saide u. s. w. ? 100 barat „Betrug^^ ; Vs. 190 „Scherz, Vergnügen". In der Begd lautet das Wort barät. 110 weder comen kann auch ohne hinzugefügtes up „wieder- aufkommen% bedeuten. 310 J. Franck Eine Turcke in mit den vöizen veinc, Dat höift eme int wasser heinc. Doi veil hei hene inde yerdranc. De doit was drüyalt gemanc. 115 Dat deme drussissen alsus koimen was, Der köninch getruwede des dei bas Der worde die Merlin reide. Der köninc in doi söicken deide. Wat halp dat man in vant? 120 Hei was in scheire intwant. Ein minsche was in des köninges hoive, De deinde walle zu loive; Den hadde man ve h eicht. De minsche hadde . . . en kneicht, 126 De soite Merlin, bis hene vant. Hei reit up in inde veinc in zu hant, Doi satte hei Merlin up ein pert Inde voirte in zu hoive wert. Da begeinde in ein junc man. 180 Vrölichen hei singen began. 111 vurcke ^fiabd'^. Hier muss ein gabdförmiger Baumast gemeint sein, vgl, DWB. unier furke und die oben angeführte Steile aus der yjVita MeriinC'. 114 gemanc , gemischt j verschiedenartig, aus verschiedenen Bestandteilen be- stehend^^, 116 dat iki Causalconjunction. Vidleicht al&üs und entsprechend sonst; nd, süs; vgß, Köln söns ^^sonst^^ ömmesöns^ aber Prüm ömmeeös, Berg- heim sqs j,80nst**, aber ömmesöns. 116 des ist nicht sichar; stoischen gotniw und dei ein ziemlich breiter Baum, aber gar nicht ea sehn., was gestanden hat 1 17 Vom letsten Worte ist eide so gut wie sicher tu lesen; aber ob der Anlaut r oder s war, ist nicht zu unterscheiden. Für r scheint der Zug verhaUmsmässig hoch zu gehn; s ist möglich^ aber nichts weniger als klar. 118 2m vorletzten Wort eher k a29 h 123 ve ist deutlich, ebenso der Schluss heicht, ziemlich auch noch c davor; hinter ve folgt ein breiter Buchstabe, dann ist ma wieder ziemlich deutlich zu erkennen, und dahinter kann sehr gut ein langes s stehen^ so dass die Lesung vermascheicht, Ableitung von mä^schaft aus mag- oder mägeschait fdavon vermascheften) kaum Zweifd übrig lässt; vgl mnl, vermaegschappen „affinitatc vel consanguinitate lungere'* (Küiaan)^ und wegen des Umlauts mhd. verbot- scheften neben verbotschaften. Der Attsdruck wäre dann prägnant zu deuten, man hatte ihn mit dem König oder andern Geschiecht&m in Verwandtschaft gesetzt und dadurch dem Hofe verbunden. 124 hadde ist nicht zu bezweifeln, das Wort dahinter aber nicht zu lesen bis auf en (oder eu) ; einen passt jedoch allem nach genau ; für ein grösseres Wort ist kein Baum, SachUch ergiebt frei- lich diese Lesung, dass der in 121 genannte minsche nicht derjenige ist, der Merlin fängt, wie man zunächst glauben sollte (v^ß. minsche Vs, 179), sondern der für uns recht überflüssige Herr des Knechtes, der das Erlebnis Ikxt. Minsche war aber für den Verfasser ein ganz allgemeiner Ausdruck. 127 eher eio als sin. Sente Lüthilt. gH De droich zwene nüwe schoin, Die wainde hei an doin, Als die yerslisaen weren genoich, Die hei ain den vöi^en droich. 135 Merlin des mannes lachgede So sere, dat hei alle quachede — 3^ Zu lachene hei seidene plach — . Des gevangen hei was, de sprach „Goide Merlin, wat dadit dat?** 140 Merlin sprach „„möis ich eit barat So wale han als de da geit Inde mome up der bairen steit! Hei weint Blassen die nüwe schoin. Hei in sal ir nQmmer ain gedoin.*'*' 146 Die anderen des wunder namen. Älsus si vür den kdininc quamen. Doi was der köninc harde vro, Dat was Merlin worden so. Hei groite in inde heis in sin gemeit. 150 Hei Saide j^r soilt hain gereit Üren ville sunder bale. Merlin durch dat gehaldet wale! Ir moicht gerne mit mir sin." Dat meiste liden Merlin. 155 Doi wart deme köininge gesaicht, Wei Merlin hette braicht. Doi reiffen si alle „Merlin, Du meist nu ein löigener sin. Dich sulde eine juncyrouwe vain ; 160 Dat heit nu de kneicht gedain. Der vür dinen eigen steit." De in veinc, it was eme leit, Dat man der reiden eit gewoicb. 4r Mit worden hei it ei undersloich. 165 Deme köininge hei sagen began, Wei in begeinde ein junc man, 1 35 in lachgede gunschen ch und g ein unterpunktiertea e. 136 quachede von quachen „schuUdn, schüüem*^, einem m. w, bis jetzt ausserhalb des Engl, nicht nachgewiesenen Verbum; ags. cwacian engl, to quake ^fßittem*^, ags cweccan ^^schwingen, schütteln**. Vgl. noch mnd, quakstert neben quekstert, fd kwikstaart „Bachstdzchen^', 151 bale, wie deutlich in der Hs, steht, kann nicht grade für unmöglich erklärt wtfrden, da im rheinischen Karlmeinet das alte balo als ,yBöses, Unrecht" noch vorkommt. Doch ist die Verbindung sunder bale nicht nachgewiesen^ dagegen sunder vale ^fihne Fehl, sicherlich'^ rheinisch und fd. geläufig. 156 das i von wei ist verwischt und saü wohl absichtlich getilgt sein. 312 J. Franck Wei hei des lachede inde wei hei sprach, ^ Dat hei in leivede nümmer den dach. Doi sande der köininc boiden dare,. 170 Dat man des mannes neime wäre. Den jungen man si doit vunden. Deme köininge si dat künden. Nochtan manlich da reide, Hei hette geloigen in der steide, 175 In hette geTsngen ein kneiebt Mirlin sprach ,yich hain wair, inde ir unreicht. Her küininch dat doit beschouwen, So gelichet hei den juncfrouwen !'^ Den minschen man hcimelich besach; 180 Man vant it als Merlin sprach: An bürsten, leden inde an live Magit; anders gelich einen wive. Sint manlich sich wairs versach An alle deme dat Merlin sprach. 185 Der kuiniac in sint heimeliche Yragede ümme die riche Inde ümme alle sine genoi^en, Of ir einich sulde werden verstoi^^en, Inde wie sulch sulde sin ir doit; 190 Of ir einich sulde liden noit Merlin sprach y.d^r drache van Engelant De is verre intfort inde bekant. Mit groiser macht hei vert, Neiman sich sin erwert. 195 Nu sal in ein geschoz zemen, Vür Limezheim salt eme nemen Sin manechtich leiven; Sint sal man deine up in geiven." Dar na köninc Ritschart 200 Vür Limezheim erschossen wart. Doi vraigede in der köininc vort, Wei der keiser sulde sin intfort. Hei sprach „dat röimsche riche Gewinnet einen den Voifze gelicho. 182 hinter magit in der Hs. ein Punkt. Die Äusdrucksweise m diesen Versen ist nicht recht klar. Vgl Ärthour and Merlin 1403f. He was despuled fram heved to grounde Marked woman and maiden founde. 191 kmter sprach Pavkt in der Hs, 201 koiiinc. 204 den in der Hs., v^. eyke* liehen Vs. 226; die Lesung voyfze ist zufeifeüos. Ich vermute dahinter eine Bezeichnung des Uhus; vgl. nhd. Namen dessdben wie buhu, buhuo, auf, ahd. uuof (= wuof ? wof? oder vuof?) Steinmeyer- Sieoers Qiossen I 340j 17; büf büvo, hüwo Gl. 1342, 54 ff. 347, 64 ff., 355, iö;-huch (buch?) 352, 49; weitere Sente Lathilt. 313 205 De sal des mit erin waldes; Hei sali als ein lewe halden. Dat sal wereQ eine karte stont; De sal erdrinckin als ein hunt." Als Merlin hei ^Or sprach, 210 Deme keiser Heinrich al so geschach. Alsus wurden wair vunden Merlins wort zu allen stunden. Aine löigene elde hei den lijf. Die vOrgenanten beslossene wijf 215 Erstarren in kürten dagen gare. Sint qnamen ander lüde dare Inde besaiten die gereitschaf. 4^ Ich weine Cristas Medine gaf Die genade inde in hette erkoren. 220 Ane sache in wart hei neit geboren, Dat nei minsche in ▼eniam, Wei sin vadftr s« sinre moider quam, Noch neimao in weis, we hei were, Sunder Jesus Cristus, unse herre, 2ib De noch gescheppct wunder An eickelichen minschen snnder, Sine gedeine in sine sedin; Noch in is sin wunder neit geledin. Alle dage noch man sin wunder s^t. 230 Des is eine kurte zgt, Dat Merlin des lives ende Sunder einge miswcnde. Bfan mach vele van Cristo sagen. Hei heit gedain in kürten dagen * 235 Einre juncfrouwen genade, Want si yroi inde spade Ir sinne an Cristum kirde Inde van kinde gerne irde. Dat is van Berge sente Lütholt. handsdmflU^e Formen daselbst hu, uvo (uwo?), wo, vto, vüo. Die Wörter sind zum Teä sicher verlesen, aber der Name muss doch auch thatsächlich recht vidgestaUig gewesen sein. Lat. bubo, bufo. Dabei ist auch ein föf (oder fof.9) nicht undenkbar, wenn nicht etwa v fiir b verlesen ist. Wegen der Weiterbildung auf z vgl. kauz, wofür bei Thodor Storm Buhz begegnet, und spatz. Közefugl mundartlich auch für ,jUhu^^. Nacheuweisen vermag ich das Wort fofz oder bofz flreHich nicht. 213 A t»n Aine sehr verwischt, da- gegen das andere kaum su beweifdn. 216 Sint gleichfalls sehr verwischt, doch genügend deutlich, besonders das S, 218 x^. 220 sache „Ur- sachd",^ 22^ ih's xps. des Bämes wegen ist here eu lesen, wie Vs. 270. 238 xpo. 237 xpm. 314 J. Franck 240 Ir was vader inde moider holt. I>at was reicht, want sgs venchalde Mit wgsbeide inde gedulde. Ir moider van den dagen qoam, Ir vader ein ander wgf nam. 5^ 245 Die joncvroawe deide als si plach. Dat was der vroawen ungemach; Als si eit dorch got gaf, Zn baut was da zom af, Inde ein veil grois vragen. 250 Sente Latholt wolde ei wagen, Dat si deide Cristas wille. Beide offenbair inde stille. Die steifmoider it ei intsoif. Zn leste dat si dat geschoif, 255 Dat dis der herre warden wnlde. Die goide Lütbolt die sulde In irme cleide dragen broit Armen, den is da was noit, Ir vader volgede ir na. 260 Hei sprach „doicbter, wat drait ihr da?" „„Vader, steine.^'" „La dan schouwen!'* Hei intloicb den schois der inncfrouwen. Doi wart dat broit zu bant Zu steinen. Doi hei dei da vant, 265 Doi wart eme sin gemöide heis, Der vrouwen he it zu bant verweis. Doi it die goide den armen boit, Doi wurden dese steine eiver broit. Sente Ltktholt loivede sere 270 Jesum Cristum, unsen here, Want hei ir an der stunde 6' Der greiser genaden gunde. Sente LQtbolde des veile geschacb. Zu einen ziden si sach 275 Up irs vader lande gain Wilde gense, dei wolde si vain. Si geinc zu den gensen dare; Den geboit si allen gare Van irs scheppers gewalt, 280 Dat si geingen in ir bebalt. 248 das o und einigermassen das r von zom nicht deidUeh, 261 zps. 255 das r von warden („beobachten") in der FaHe, dodk kawm mu verkomm. 260 deicht'. 261 Attitor steine Punkt m der Hs. 264 hinter steinen Punkt in der Hs. hinter dei noch doi, durdutridien und unterpunktieri. am a tN>ii da ein r-Haken, 270 Ilim xpm. Sente Lathilt. 315 Der gense was me dan dusent da; Der gelogen ümmer zwa inde zwa Vür ere, dar si se gain heis; In irs vader schüre si se leis. 285 Si leis die schOre offen stain, Sie verboit in vleigen inde gain. Doi bat die juncvroawe sere Dat gesinde durch goides ere, Dat man der gense neit af in deide. 290 Sie geloifdent inde heildent nnsteide; Die kneichte ir eine stalen, Die wart gessen in halen. Si heilt si up den anderen dach, Bis si ir gezide gesprach. 295 Doi geinc si zu der schüren Inde groite ir dQren. Doi geboit si in Gristus namen Inde allen wilden gensen samen, 6^ Dat si ümmer meden dat lant. 300 Doi gaf sie in urlof zu hant, Dat si vöiren irre verde. Irre ingeine danne ingerde. Doi dat sente Lütholt gesach, Zu den kneichten si sprach, 306 Sie hetten der gense ave gedain; Si meiste si weder hain. Da wart loiven inde sweren. Dat meiste eine wile weren. Zu lest die wairheit wart gesaicht. 310 Doi wurden ere die bein braicht. Jesum Cristum si doi des bat, Dat die gans wart up der stat Van den beinen leivende weder. Doi Toiren si in wech. Nummer me seder 315 In quam wilde gans np dat plein. Die genade wolde ir Gristus gein. Noch deide Gristus me durch si. Ein rieh man wände da bi, De was irs vader vurgenois. 286 ver boit. 296 die Dativform ir sUhlf&ir den Accus. „sie'<; düren ist dann Adverb „hoch und teuer, innig, gar sehr". Doch s. oben S. 303. 305 aue oder ane. 307 loiuen, womü loven aus lobön im Sinne von „ver- sichern** gemeint sein kann. Loben und sweren erschemen auch sonst verbun- den. Aber es könnte auch lönen „läugnen^* sein\ s. oben S. 292. Graphisch ist das durchaus nicht eu entscheiden. 311 Ih'm xpm. 314 der Punkt nach wech in der Hs. 316 u. 317 xps. 319 „Furchgenosse, d. h. Flurnachbar". We8td ZeiUcbr. f. 0e8cb. a. Knnst. XXI, ni. 22 316 3- Pohl 320 Des girheit was so grois, Dat hei eme sin lant af eir, Inde in woldes eme neit laisen weir. Zu lest quam dat in clage. Doi solden si komen zu dage. 321 eir Praeteritum van eren ^.pftügen^'. Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. Von Dr. Joseph Pohl, Gymnasialdirector a. D. in Poppeisdorf bei Bonn. Nachstehend folgt der in No. 7 und 8 des Korrespondenzblattes dieser Zeitschrift Jahrgang XXI Sp. 108 f. in Aussicht gestellte Beweis, dass die Sätze bezw. Schlussfolgerungen, welche Gottfried Kenteniefa in der Zeitschrift für Kirchengeschichte XXIII (1902) S. 18—34 in seiner Abhandlung: „Die Handschriften der Imitatio Christi und die Autor- schaft des Thomas ** am Schlüsse zusammengestellt hat, sämtlich verfehlt sind. Diesem Beweise, zu dessen Erbringung mich nicht bloss die a. a. 0. angegebenen Erwägungen, sondern auch die in meinem Artikel „Thomas von Kempen" im Freiburger Kirchenlexikon 'XI Sp. 1673 bis 1689 abgedruckten Erklärungen bestimmen: — es lasse sich näm- lich mit einer jeden vernfinftigen Zweifel ausschliessenden Sicherheit darthun, dass Thomas von Kempen der Verfasser der Imitatio sei, bezw. dass es gegen ihn als solchen überhaupt keinen Einwand gebe, der sich nicht bündig widerlegen Hesse — mögen hier einige Bemerkungen voran- gehen, zu denen die einleitenden Worte Khs. Anlass geben. Wenn Kh. sagt, er könne sich nicht entschliessen, die vielbe- sprochenen Worte des Johannes Busch im Chronicon Windeshemense auf Treu und Glauben hinzunehmen, wenigstens nicht in der Auslegung, welche die Thomisten dem ^^composuif geben, so bedauere ich, dass er mir nicht durch nähere Darlegung seiner Bedenken gegen dieses Zeugnis, dessen Ächtheit und Glaubwürdigkeit in der That als unbedingt einwandsfrei gelten müssen ^), die Möglichkeit ihrer Widerlegung gegeben hat. Ich muss mich daher auf die Bemerkung beschränken, dass mir ^) Vgl. meine Abhandlang: ^Thomas von Kempen ist der Verfasser der Bücher De imitatione Christi** im KP94. t)ie Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 317 ans der mittelalterlichen Latinität für ^compoDere" in dem Sinne von „verfassen" eine grosse Anzahl von Beispielen bekannt ist, dagegen für die von Kh. (S. 33 Anm.), wie es scheint, angenommene Bedeatang von „redigieren" zur Bezeichnung einer Art diaskeuastischer Thätigkeit, d. h. hier ,,eine längst vorhandene und immer wieder erweiterte Samm- lung von Sprttcben ordnen", kein einziges. Leider ist Kh. auf die übrigen Zeugnisse von Zeitgenossen des Thomas a Kempis, die ihn als Verfasser der Imitatio nennen, darunter solche von Männern, die ihn persönlich gekannt haben, ebensowenig eingegangen, als auf die Zeugnisse von mehr als 50 Handschriften, die ihn gleichfalls als Verfasser der Imitatio nennen, die enge Verwandt- schaft seiner Gedanken mit den Ideen des Windesheimer Kreises, die Übereinstimmung der Imitatio mit den anerkannt ächten Werken des Thomas nach Inhalt und Form, insbesondere Reim, Rhythmus und Interpunktion, die vielen Germanismen seines Lateins, alles Momente, deren sorgfältige Beachtung und Prüfung behufs Fällung eines ab- schliessenden Urteils in der Jahrhunderte alten Streitfrage unerlässlich ist. Auch in Bezug auf die Bedeutung der Veröffentlichungen ^) Puyols ') Es sind dies neun umfangreiche in den Jahren 1898 — 1900 im Ver- lage von Victor Retaux zu Paris erschienene Bände, von denen hier vorzugs- weise in Betracht kommen: a) Descriptions bibliographiques des manuscrits et des principales ^ditions du livre De imitatione Christi, b) Hdliotypies des principaux manuscrits du livre De i. C. c) Variantes du livre De i. C. d) Pal^ographie, classement, g^n^alogie du livre De i. C. e) De imitatione Christi libri quatuor. Novis curis edidit et ad fidem codicis Aronensis recognovit Petrus Eduardus Puyol. Die von ihm gebrauchten Bezeichnungen der Imitatio-Handschriften bezw. Incunabeln sind nachstehend beibehalten, also al = Aronensis, b2 = Cavensis, n4 = editio princeps, erschienen bei Zainer in Augsburg wahrscheinlich zwischen 1470 und 1472, jedenfalls vor 1475, sl = Gaesdoncanus, 82 = Kempensis oder Thomasautograph No. 5855—5861 der Bibliothäque royale de Belgique, facsimiliert herausgegeben von Charles Ruelens 1879, s3 = Grammontensis u. s. w. Ausserdem habe ich folgende Ab- kürzungen der von mir benutzten Hülfsmittel angewendet, ohne jedoch durch die Wahl der Buchstaben und Zahlen die Einreihung der von mir ganz oder teilweise verglichenen Hdss. in die betreffenden Kategorieen Puyols andeuten zu wollen : Kh = Kentenich ; KP94 = Programm des Königlichen Gymnasium Thomaeum zu Kempen (Rhein) vom Jahre 1894 ; KP95 = desgl. vom Jahre 1895 ; a3 =r Codex Augustanus (vgl. über a3 sowie über c4, f4, f5, k2, sl, t, tl und w KP94 S. VII f.) ; b3 = Hds. der Bonner Universitätsbibliothek 324 ; b4 = desgl. 376 ; bö = Cod. Buxhemensis (vgl. Zeitschr. für kathol. Theol. XX. Jahrg. 1896 S. 171 f. und 664 f.); c4 = Cod. s. Martini Coloniensis; cö— c7 Hdss. des Histor. Archivs der Stadt Köhi, und zwar cö = GBIU 4^ c6 = GB27 fol., c7 = 58* 22* 318 J. Pohl für die Bearteilnng von s2 kann ich Khs. Ansicht nicht beipflichten. Er sagt, die Kritik dieses Codex sei seit ihnen in ein neaes Stadiam getreten, und erst jetzt lasse sich auf Grund des gesamten bis zum Jahre 1898 unvollständigen Materials die Frage nach seinem Wert für eine recensio der Imitatio mit Sicherheit entscheiden. Hierauf erwidere ich, ohne auf eine Wttrdigung der Arbeiten Puyols im besonderen für jetzt eingehen zu können, hier nur folgendes: 1) Eine richtige Einschätzung des Thomasautographs war mit Benutzung der darQber vorhandenen Literatur, insbesondere des Rnelens- schen Facsimiles, auch schon vor dem Erscheinen der Schriften Puyols möglich •). (Pap. und Perg. 12?)] f3— f5 Hdss. der Fürstlich Öttingen-Wallersteinschen Bibliothek zu Maihingen, und zwar f3 = Cod. I. 2 Lat. i^ 36 (7gl. Revue Bänädictine, X^** annäe, Abbaye de Maredsous, Belgique, 1893 p. 166). f4 = II Lat. 1 fol. 182, f5 = II Lat. 1. 8<» 20; k = Hs. der Gr. Bad. Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe No. 381; kl = desgl. No. 976 (vgl. Amort, Deductio critica, Aug. Vindel. 1761, p. 101); k2 = Cod. Kirchhemianus ; 14 = Cod. Lacensis (vgl. Stimmen aus Maria-Laach XXII (1882) S. 254 f.); m9 = Cod. seminari clericalis Episc. Monaster. Q4. 48 (vgl. KP9ö S. Villi; q3 «» Cod. Quedlinburg. No. 87 (vgl. T. A. Liebner im Pfingstprograrom der üniversitÄt Göttingen 1842 p. 1—6); r5 = Cod. Roolf (vgl. KP94 S. VI No. 82. 88) ; t— 12 Hdss der Trierer Stadtbibliothek, und zwar t = No. 208, tl = No. 621, t2 = No. 667, 8); vS— v5 Hdss. der StadtbibUothek zu Mainz, und zwar v3 = 192, v4 ^ 546, v5 = 616; w = Cod. Wesaliensis; wl nr Ilds. 998 der Herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel (frühere Signatur: 896 Helmstadiensis, beschrieben von K. Hirsche, Prolegomena zu einer neuen Ausgabe der Imitatio Christi nach dem Autograph des Thomas von Kempen, 3 Bände, Berlin 1873, 1883, 1894, I 477 ff.); z = Cod. Zwollensis 481 (vgl. 0. A. Spitzen, Thomas a Kempis als schr^ver der navolging van Christus gehandhaafd, Utrecht 1880, S. 58 ff. Spitzen setzt die Hds. um 1420; sie ist indessen wol nicht vor 1450 geschrieben, eine Ansicht, welche die Herren Archivdirector Prof. Dr. Hansen und Archivar Dr. Keussen, denen ich sie am 3. Februar 1902 auf dem städtischen Archiv in Köln zeigte, mit mir teilen). ') Ich schreibe dies mit Rücksicht auf meinen Zweck, ohne jedoch die Richtigkeit der Worte K. Hirsches (Proleg. II S. XXXIII) zu verkennen: „Aber allerdings zum Ersätze des Originals kann es (d. h. das Facsimile trotz seiner Vorzüglichkeit) nicht dienen . . . Wer eine kritische, bis in das Kleinste und Allerkleinste sich erstreckende Untersuchung des von Thomas selbst geschriebenen Textes anstellen will, darf sich nur an das Original halten^, und (a. a. 0. S. XXXVI): „Dem Kritiker ex professo, der mit völligster Genauigkeit urteilen will, kann eine Reise nach Brüssel nicht er- spart werden.** Ich habe diese Reise am 3. October 1902 angetreten und Die Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 319 2) Puyol hat sich, wie Kh. (S. 20) selbst zugibt, „manche Flüchtigkeiten zu Schulden kommen lassen, und man vermisst bei ihm eine gründliche philologische Schulung". Ich füge hinzu: Er ist über- haupt objectiv unzuverlässig, man muss daher jede seiner Angaben nach 'Möglichkeit kontrollieren, was Kh., wie sich weiter unten herausstellen wird, zu seinem eigenen Schaden unterlassen hat. 3) Puyol hat das vorhandene handschriftliche Material nicht in dem erforderlichen Umfange herangezogen, wie sich gleichfalls im Ver- laufe unserer Besprechung ergeben wird. Von den nach unge&hrer Schätzung noch erhaltenen 500 Hdss. der Imitatio hat er 348^) be- schrieben, die Varianten von 57 *) teils von ihm selbst, teils von anderen verglichenen zusammengestellt und daraufhin die Hdss. klassifiziert. Und das Ergebnis? Etwa ein Stammbaum^), der das genealogische Ver- hältnis der Hdss. klar vor Augen stellt? Mit Nichten. Wir müssen uns damit begnügen, dass er zwei Klassen von Hdss. annimmt, eine italienische (A) und eine transalpine (B) ; erstere zerföUt nach ihm in 3 (F, 6, H), letztere in 2 (I, K) Gattungen, die er in je 9 Arten (F = a, b, c; G ^ d, e; H = f, g, h, i; K = r, s, u, v) zer- legt; ausserdem rechnet er zu A 3 (11, 12, 13), zu B 8 (xl— x5, yl — y3) „Hybriden". Er stellt schliesslich die Behauptung auf, al sei, wenn nicht der Archetypus, so doch eine treue Wiedergabe des- selben und somit diesem fast gleichwertig^), weshalb er ihn auch in seiner Textausgabe fast wörtlich hat abdrucken lassen. Dagegen gehört s2 nach ihm zu einer Gruppe von Codices, die sich als ein verhältnis- mässig junger Ausläufer der Überlieferung darstellt. bin noch eben jetzt (20. October), wo mir diese Abhandlung zur Gorrectur vorliegt, mit der Vergleichang des berühmten Autographs beschäftigt. Das Ergebnis ist: Das Original ist viel leserlicher als das Facsimile, welch letz- teres manches, obwohl manu prima Geschriebene, insbesondere am EUnde stehende Stellen, nicht wiedergibt. *) Puyols Schlussnummer (Descriptions S. 487) lautet 849 ; aber er hat No. 182 (S. 482) übersprungen. *) Vgl. Variantes S. 8 ff. Dazu kommen noch die Lesarten dreier Incunabeln. *j Für mich, der Thomas far den Verfasser der Imitatio und s2 für dessen ursprüngliche Hds. hält und deshalb nach ihr in seiner demnä^hstigen neuen kritischen Ausgabe der Opera omnia desselben den Text der Imitatio zu gestalten gedenkt, hat übrigens die Frage nach der Klassifizierung der Hdss. keine actuell kritische Bedeutung, sondern nur ein allgemein wissen- schaftliches Interesse. *) Vgl. seine Ausgabe der Imitatio, „Avertissemenf S. 1. 320 J. Pohl So sehr Kh. — und zwar mit vollem Recht — die erste Be- hauptung Puyols bestreiten zu mtlssen erklärt — er sieht vielmehr in Übereinstimmung mit Denifle b2 für den besten aller erhaltenen Codices an — ebensosehr erklärt er (S. 20) von der Richtigkeit der zweiten über- zeugt zu sein. Er stellt demnach die Behauptung auf: s2 gehört zu den stark interpolierten, überhaupt in mannigfaltiger Weise entstellten Manuscripten der Imitatio; es sei somit eine Abschrift, und da sich nicht annehmen lasse, dass der Verfasser gedankenlos einen jungem Ableger der Überlieferung des älteren Werkes kopiert habe, so könne Thomas nicht der Verfasser der Imitatio Christi sein. Und der Beweis für diese Behauptung? Kh. schickt ihm das Geständnis voraus, das Studium des Facsimiles von s2 habe auf ihn subjectiv nicht den Eindruck gemacht, den das Original auf die Thomisten mache; nach seiner Meinung manifestiere sich im Gegenteil s2 auf den ersten Blick als eine Abschrift. Mich hat das jahrelange Studium des Facsimiles und neuestens nun auch die Prüfung des Originals auf Grund einer Reihe objeetiver Thatsachen von der Richtigkeit des Gegenteils überzeugt. Bevor wir in die Widerlegung des von Kh. vorgebrachten Be- weises eintreten, sei es gestattet, meine Beobachtungen hier kurz za- sammenzustellen. Die Entscheidung der Frage, ob wir in s2 das ungeschickte, und zwar nach einer interpolierten Vorlage gemachte Erzeugnis eines Ab- schreibers, oder den ursprünglichen Entwurf, das eigentliche handschrift- liche Exemplar des Verfassers vor uns haben, wird uns durch das glückliche, bei einem verhältnismässig so alten Schriftstück seltene Zn- sammentreffen mehrerer Umstände ausserordentlich erleichtert: A) durch bestimmte Zeugnisse über die Art dieser Thätigkeit des Thomas, B) durch das Vorhandensein von ihm eigenhändig geschriebener Hdss. beiderlei Art. Es sind folgende: A. 1. Der Fortsetzer des von Thomas verfassten Chronicon canoni- corum regularium montis s. Agnetis (herausgeg. von Heribert Rosweyd als Anhang zu dem Chronicon Windeshemense des Job. Busch, Ant- verpiae 1621) berichtet p. 137 über Thomas u. A. : „Scripsit autem Bibliam nostram totaliter, et alios multos libros pro domo et pro pretio". Es fehlte also Thomas nicht an Übung im Abschreiben; auch liegt es in der Natur der Sache, dass man zum Abschreiben für Geld nicht einen ungeschickten Abschreiber wird genommen haben. 2. Thomas selbst legt auf den Fleiss und die Geschicklichkeit Die Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 321 im Schreiben so hohen Wert, dass er sie in seinen Schriften oft erwähnt. Zu den von Mooren, Nachrichten über Thomas a Kempis, Krefeld 1855, S. 156 Anm. 4, hierfür angefahrten Stellen lassen sich noch manche hinzufügen, z. B. Thomae Malleoli a Kempis Opera omnia ed. TP). Sommal Antverpiae 1607, p. 192, 5—15; 512, 28; 519, 2, 16; 801, 26 u. s. w. Kettlewell, Thomas ä Kempis and the brothers of common life, London 1882, I 231, nennt deshalb Thomas „the first copyist of bis time^^ Es ist nicht anzunehmen, dass ein solcher Mann eine so unordentliche Abschrift sollte geliefert haben, wie s2 nach Khs. Behauptung ist. B. Wir sind nun aber auch in der glücklichen Lage, s2 mit andern Schriftstücken des Thomas, die er teils als Abschreiber, teils als Verfasser geschrieben hat, vergleichen zu können. Und was stellt sich da heraus? Gerade das Gegenteil von Khs. Behauptung. 1. Betrachten wir zuerst s2. Ich z&fale darin, abgesehen von den aus dem Facsimile nicht ersichtlichen Rasuren, 19 Streichungen (I 11, 12»); 19, 66; 24, 24; II 1, 29; 1, 100; 8, 36; 10, 34; 11 hinter Zeile 20; 12, 82; III 7, 37; 17, 36; 31, 45; 47, 30: 55, 47; mi 2, 47; 10, 38; 11, 99; 11, 104; 14, 6), 48 Wortumstellnngen (I 2, 41: 12, 6; 12, 20; 14, 12: 20, 109; 21, 61; 22, 85; 23, 1 23, 32; II 6, 17; 6, 58; 8, 65; 12, 143; 12, 168; III 3, 52; 7 36; 9, 14; 11, 28; 13, 34; 15, 9; 17, 35; 20. 8; 21, 37; 27 13; 31 Überschrift: 36, 13: 43, 12; 49, 67 (von Hirsche übersehen) 50, 43; 50, 52; 50, 63; 55, 36; 55, 62; 58, 54; IUI 2, 31; 2 36; 3, 33; 7, 65; 9, 7: 11, 38; 11, 58; U, 88; 11, 102; 12, 8 12, 18: 14, 15; 14, 20; 15,24), 25 übergeschriebene (I 1, 31; 25 65; 25, 70; 25, 133; II 6, 8; III 5, 73; 15, 45; 21, 47; 27, 35 30, 79; 36, 34; 49, 68; 58, 80: IUI 1, 17; 1, 19; 1, 75; 1, 128 2, 47; 5, 13; 8, 10; 9, 47; 11, 82; 12, 2; 13, 14; 17, 35), 2 untergeschriebene (II 1, 45; 7, 12), 55 am Rande geschriebene (I 1. 28; 2, 3'«); 4, 18: 18, 67; 19, 17; 20, 38; 20, 43; 20, 70: *) Ich citiere die Opera omnia des Thomas stets nach dieser Ausgabe, der besten von allen. *) Ich citiere die Imitatio stets nach K. Hirsches 2. Ausgabe, Bero- lini 1891. ") Diese Stelle, wie auch I 4, 18 und IUI 4, 86 fehlen im Facsimile gänzlich, wodurch sich die Bemerkungen Schmidt- Reders, Otia Lusatica, p. 75 91 und besonders 94 bezüglich K. Hirsches Verhaltens gegenüber dem Ori- ginal als gegenstandslos erledigen. 322 J. Pohl 23, 44; 23, 69. 70; 23, 77; 23, 111; 25, 8; U 1, 51; 1, 78; 2, 4; 6, 32; 9, 19; 9, 24; 11, 12; 11, 32; 12, 101; 12, 181; III 5, 98; 6, 36; 8, 27; 10, llt 10, 50; 14 (ein Wort der Über- schrift); 18, 27; 24, 19. 20; 30, 70; 40, 43; 41, 10; 49 (ein Wort der Überschrift); 49, 82; 54, 28; 55, 13; 56, 14; 56, 78; 59,41; mi 1, 75; 1, 82; 1, 114; 2 (ein Wort der Überschrift); 2, 17; 2i 59; 4, 86; 9,49; 10, 12; 11 (ein Teil der Überschrift) ; 11, 98; 13 (ein Wort der Überschrift); 17, 23; 18 (Überschrift) Buchstaben, Wörter bezw. Stellen, 1 Dittograpbie (sed UI 25, 5). In gleicher Weise habe ich mir ans dem Brüsseler Thomasaato- graph ") No. 4585 — 4587 im Ganzen 17 Umstellangen, 5 Streichungen und 4 auf dem Rande angebrachte Nachträge notiert; desgleichen aus dem Löwener Thomasantograph ") 13 Umstellungen, 3 Streichungen, 2 über- geschriebene und 17 auf den Rand geschriebene Wörter. Hiernach sind die beiden letzteren Autographa, welche nur von Thomas verfasste Schriften enthalten, in Bezug auf die kalligraphischen Mängel eines primitiven Goncepts dem Imitatio-Autograph völlig gleichartig. Ausser- dem sind in den Sermones ad novicios des Löwener Autographs zweimal Blätter mit den Innenseiten zusammengeklebt (ursprüngliche fol. 26 b und fol. 27a, desgl. fol. 100 b und fol. 101a), ein Blatt und im Ganzen 24 teils kleinere, teils grössere Papierstreifen sind an ver- schiedenen Stellen über das ursprünglich Geschriebene aufgeklebt und ersetzen dasselbe *') durch einen zum Teil geänderten Text. Das Alles weist mit Notwendigkeit auf Brouillons des Verfassers, nicht auf Abschriften eine Gopisten hin. Nur in der Annahme eines solchen Original-Entwurfs kann man dem Lobe beistimmen, welches Hirsche, Proleg. II S. 5, der Hds. s2 mit den Worten zollt: „Der Codex ist mit ausgezeichneter Sorgfalt geschrieben .... Es wird schwer sein, auch nur einen einzigen Schreibfehler zu entdecken. Zwar sind hie und da Rasuren; auch sind einzelne Wörter durchgestrichen; es ist durch Versetzungszeichen die Ordnung der Wörter manchmal g^ndert; anfänglich ausgelassene Wörter sind übergeschrieben oder am Rande nachgetragen : aber durch alle diese Verbesserungen, welche der Gewinn wiederholter sorgfältigster Durchsicht waren, ist nun auch der ganze Codex zu einem wahren Muster von Correctheit geworden". Wäre s2 eine Abschrift, so könnte ich sie kaum anders als nachlässig nennen. ^^) Es ist beschrieben von Hirsche, Proleg. II 89—198. ^') Beschrieben von Hirsche a. a. 0. S. 198 ff. ") Vgl. Hirsche, Proleg. II 203—207. Die HandBchriften and die Autorschaft der Imitatio Christi. 323 2. Aber dieser ev. Tadel wird durch eine Vergleichung der von Thomas eigenhändig geschriebenen BibeP^) ausgeschlossen. Die Gr. Hofbibliothek 211 Darmstadt besitzt diese seit beinahe 100 Jahren in fünf stattlichen, voraaglich erhaltenen Bänden. Auf meine Anfrage betreffs etwaiger Auslassungen, Streichungen, Wortumstellnngen, Nach- träge am Rande oder zwischen den Zeilen hatte Herr Bibliothekar Dr. Adolf Schmidt die GefäUigkeit, d. d. Darmstadt 16. April 1902 mir folgende Auskunft zu erteilen: „Unsere Thomasbibel ist zwar un- gemein sorgfältig geschrieben, aber, was wohl bei mittelalterlichen Handschriften überhaupt nicht vorkommt, nicht duiehaus frei von Korrekturen. Gerade bei solchen Prachthandschriften ist bekanntlich der Text meist am ungenauesten, weil die Schreiber mehr auf Ausser- lichkeiten zu achten hatten. Ein Schreiber, dessen Arbeit so wenig Korrekturen aufweist wie unsere Thomasbibel, darf wohl als ein durch- aus sorgfältiger Abschreiber bezeichnet werden. Zudem fallen bei solchen Handschriften Korrekturen wenig in die Augen, da sie unter den roten Zierraten, durchstrichenen Buchstaben und dergl. verschwinden. An Korrekturen fand ich folgende: flberfltlssige Buchstaben und Worte sind rot ausgestrichen, Umstellungen durch rote Striche angedeutet, aus- gelassene Worte zwischen die Zeilen, ausgelassene Zeilen unten oder neben an den Rand geschrieben. Alles aber kommt nicht häufig vor^^ Die Ursache des Unterschieds zwischen der durchaus sorgfältigen Abschrift der Bibel und den zahlreichen Verbesserungen der eigenen Geisteserzeugnisse, wie sie wol die meisten Schriftstellernden aus per- sönlicher Erfahrung kennen, liegt auf der Hand. Durch diese Vorbemerkungen über Thatsächliches orientiert, haben wir, so denke ich, den richtigen Standpunkt gewonnen, von dem aus die Aufstellungen Khs. einer sachgemässen Würdigung unterzogen wer- den können. I. Zu dem Schlüsse, dass s2 eine Abschrift sei, bestimmte Kh. schon der eine Umstand, dass 119 zwischen Z. 66: „diversa placent exercitia" und Z. 67: „quia alia in festis" in s2 die Worte: „et sanctorum suffragia^ getilgt sind. Da nun auch Z. 73 mit dem Worte „exercitia" schliesst, und Z. 74 mit den Worten: „et sanctorum suf- fragia** beginnt, so nimmt er an, dass Thomas zuerst von dem einen Worte seiner Vorlage zu dem gleichlautenden im Ck)ntexte abgeirrt sei, dann ^«) Adolf Schmidt hat sie in 0. Hartwigs Gentralblatt für Bibliotheks- wesen, Leipzig 1896, S. 379—387, beschrieben. 324 J- Pohl aber nach Erkennung seiner Abirrung „et sanctorum suffragia" getilgt und richtig fortgefahren habe. Die Stelle lautet in Hirsches Ausgabe: 66 Etiam pro temporis congruentia diversa placent exercitia: quia alia in festis, alia feriatis magis sapiunt diebus. Aliis indigemiis tempore tentationis *') : 70 et aliis tempore pacis et quietis. Alia quum*') tristamur Übet cogitarc: et alia quam ^') laeti in Domino fuerimus. Circa principalia festa renovanda sunt bona exercitia: et sanqtorum suffragia ferventius imploranda. Die Erklärung Spitzens *^, Thomas, der Verfasser, habe zuerst den Satz hingeschrieben: „Etiam pro temporis congruentia diversa placent exercitia et sanctorum suffragia", dann sei ihm aber in den Sinn gekommen, den Begriff „pro temporis congruentia" näher auszu- ftihren, und so habe er „et sanctorum suffragia" für den Moment unterdrückt und erst Z. 74 wieder verwendet, lehnt Kh. mit der Be- merkung ab, er halte es für unmöglich, dass jemand sage „pro tem- poris congruentia diversa placent sanctorum suffragia*^, da man nur über die eigene imploratio, aber nicht über die suffragia sanctorum *®), deren Fürbitte, verfügen könne. Ich will nicht mit ihm darüber rechten, ob nicht dennoch „placent sanctorum suffragia*' vielleicht mit einem leichten Zeugma für „placet sanctorum suffragia implorare" ge- sagt werden könne, aber woher weiss er denn, dass Thomas nicht schon ursprünglich bei „sanctorum suffragia^' das erst Z. 74 folgende „imploranda" vorschwebte, aber infolge der angegebenen nähern Ent- wickelung unter Abbrechung des Satzes vorläufig in der F'eder stecken blieb? Indessen wenn auch die Annahme einer Abirrung des Auges von vorneherein nicht schlechthin unmöglich ist, so lassen sie doch die näheren Begleiterscheinungen an unserer Stelle als unannehmbar er- scheinen. 1) Der Fehler, dass von zwei vollständig oder auch nur im An- >*) Das Autograph schreibt, was auch schon im Altertum vorkommt, temptationis. ") Das Autograph schreibt richtig cum. ") Nouvelle defense de Thomas k Kempis, Utrecht 1884, S. 146. >«) Mit welchen Worten Spitzen, wie Kh. behauptet, zugegeben haben soll, dass der Begriff „sanctorum suffragia« Z. 74 in ganz anderem Sinne verwandt sei, als er nach seiner Ansicht Thomas zunächst vorgeschwebt habe, ist mir unerfindlich. Die Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 325 fange oder am Schiasse übereinstimmenden Wörtern das eine nebst allen zwischen beiden stehenden Wörtern ausgefallen ist, kommt in den Hdss. unzählige Male vor. Solcher Fälle zähle ich z. 6. in f 3 51. Dagegen ist in s2 die angebliche Abirrung von dem einen exercitia auf das andere die einzige ihrer Art. 2) Wohl zu beachten ist, dass die den Irrtum veranlassenden ähnlichen Wörter oder Wortteile naturgemäss in der Regel nicht weit von einander getrennt sind. Madvig, Adversaria critica I p. 42, nennt sie „voces aut vocum partes intervallo non ita magno positas'^, und in den von ihm p. 43 — 46 angeführten 10 Beispielen sind übersprungen 4, bezw. 3, 1, 3, 9, 1, 2, 2**, 7 Wörter, ferner ein Pentameter und Hexameter. F. Blass im Handbuch der klassischen Altertumswissen- schaft, herausgeg. von Iw. v. Müller^ 2. Aufl., München 1892, Bd. I 5. 253, schreibt: „Eine andere [seil. Art von Lücken] ist die allbe- kannte, die daraus entsteht, dass beim Abschreiben das Auge auf eine in der Nähe, z. B. eine Zeile weiter, befindliche ähnliche Buchstaben- gruppierung abirrt, und der Schreiber somit das Dazwischenstehende weglässt^S Nun soll aber das Auge des Thomas 37 Wörter über- sprungen haben! 3) Wo möglich noch stärkere Anforderungen werden an unsere Glaubensfähigkeit durch die Zumutung gestellt, anzunehmen, dass das Auge des Thomas, nachdem er bloss die drei Worte „et sanctorum suffragia" verfrüht zu Papier gebracht hatte, seinen Irrtum gemerkt ' und nach Tilgung des Verkehrten zu dem Riciltigen SOfort ZUrQcIc- geicelirt sei. Eine solche Rückkehr wäre unter den angegebenen Um- ständen wol ein Unicum. Hiermit dürfen wir die Abirrungsfrage wol als ausgeräumt ansehen. IL Zum Beweise dafür, dass Thomas, wenn er der Verfasser der Imitatio wäre, s2 aus einer in mannigfaltiger Weise entstellten Vorlage seines eigenen Werkes gedankenlos müsse abgeschrieben haben, beruft sich Kh. auf De imit. 115, 11.12, wo Puyol liest: „Magis siquidem Dens pensat, ex qnanto quis agit, quam quantum qnis facit^^, unter An- gabe folgender Varianten: „ex qua mente quis agit, d3; ex quanto amore quis agit, p3; quis agat, bJ2: quam quantum facit, fl, f2y gly gJ2, h2y il, iJ2, 11, 12, 13, ml, m2, m3, m4, m6, nl, n2, n3, n4, ol, o2, p3y rl, r2, r3, r4, s3, s4, vl^ v2, x2, x3, x5; quam quantum m5; quam opus quod facit, s2, ul, u2, f/3; quamquam opus quod facit, sl] quam post quod facit, ^^". 326 J. Pohl Zu vorsteheDden Varianten bemerke ich ergänzend bezw. berich- tigend: ex fehlt im Gadianus 828 (in Wolfenbattel) ; k stimmt mit Puyol überein; wl mit p3; a3, b3, b4, b5, f3, f4, k2, t, tl und w mit fl u. s. w. ; m9, al^^) und wl mit 8J2; c4 hat „quam qnod facit^% kl „wann got wiget vil me usz wz mynn der mensch wurck wie groß die sy denn wie groß dz werck sy^^, z (fol. 126a) „want god aensiet ende meer weget wt hoe groter mynnen yemant yet doet dan dat werc dat hi doet^S endlich die Übersetzung *<^) aus dem Jahre 1434 (fol. 133a): „Went got vil me wiget ind intfenckt die werke nyt van der groisheit der dait sunder van der groisheit des grundes ind der mynne war vmb sy geschien." Es liegt auf der Hand, dass der in Rede stehende Gedanke aas Gregor. Magn. Homil. XL in Evangelia lib. I homil. V (Migne, Patrolog., Parisiis 1849, tom. LXXVI col. 1093) entlehnt ist: „Cor, et non substantiam. Dominus pensat, nee perpendit, quantum in eins sacrificio, sed ex qnanto proferatur". Nach Gence und Kh. verlangt der zuge- spitzte Gegensatz der ganzen Stelle die Gegenüberstellung „ex quanlo^^ — „quantum", und die Lesart von s2 ist nach Kh. eine „thörichte". Kh. weiss sogar, wie letztere entstanden ist: Für „quantum" sei „quod" eingetreten, und dieses sei dann weiter durch „opus" ergänzt worden. Dann müsste ja c4 oder eine mit c4 verwandte Quelle die Vorlage von s2 gewesen sein, eine Annahme, für die ich keinerlei Anhaltspunkte ' gefunden habe. Die Handhabe zur richtigen Beurteilung des Sach- verhalts bietet uns De imitat. III 31, 56.57, wo es gleichfalls in An- lehnung an die aus Gregor dem Grossen beigebrachte Stelle heisst: „Quantum quis fecerit, quaeritur: sed ex quanta virtute agit, non tarn studiose pensatur". Ich frage: Wenn der Verfasser der Imitatio sich hier erlaubt hat, von der Gegenüberstellung der substantivierten Abstracta „quantum" und „ex quanto" abweichend, für letzteres das concret Gedachte „ex quanta virtute" zu setzen, warum hätte er denn nicht De imitat. 1 15, 12 für ersteres in gleicherweise „opus quod" sollen setzen dürfen ^^)? Und dass er sich das wirklich erlaubt hat, ^') Puyol hat sieb, wie so oft, durch die falsche Angabe Hölschers irre führen lassen, hier freilich unter Übersehung der Gorrigenda in dessen Imitatioausgabe, Monasterü 1887, p. 392. Vgl. KP94 S. V No. 50. ") Vgl. KP94 S. VI No. 67 und S. X, ■*) Ich bemerke, dass „ex quanto** bei Gregor. M. a. a. 0 , wie der Zusammenhang und die von ihm angeführten Beispiele klar beweisen, von der Grösse der Opfergabe im Verhältnis zu dem Besitze des Gebenden zu verstehen ist. Die Hanctochriften und die Aatorschaft der Imitatio Christi. 327 darüber ?rird sich nicht wundem, wer da weiss, wie frei er, wahr- scheinlich ans dem Ged&chtnis citierend, nicht selten selbst Bibelstellen behandelt. So schreibt er De Imitat. I 1, 41 „satiatur^^ statt „satu- ratur^^ (Eccl. 1, 8); 1 1, 42 „impletur aoditu^' statt „anditn impletnr'^ (ibid.); I 3, 10 „oculos habentes non videmus^^ statt „habentes oculos non videtis" (Jerem. 5, 21; Isa. 6, 9.10; Matth. 18, 13^15; Marc. 4, 12; Joan. 12, 40; Act. 28, 26.27); I 8, 1 „reveles cor tuum'' statt „cor tunm manifestes^^ (Sir. 8, 22); I 12, 22 „cum Christo esse^^ statt „esse cum Christo^^ (Phil. 1, 23); I 13, 4 „vita humana^^ statt „vita hominis^^ (Job 7, 1); III 16, 23 „mundicordes^^ statt „mundo corde'' (Psalm. 23, 4; Matth. 5, 8); III 43, 3.4 „Non enim est regnum Dei in.sermone^^ statt „Non enim in sermone est regnam Dei^^ (I Cor. 4, 20). Dass endlich „quam opus, quod facit^' auch ganz vortrefflich zu dem Sinne unserer Stelle passt, ergibt sich daraus, dass das ganze Cap. 15 laut Oberschrift „de operibns ex caritate factis^^ handelt, wobei zunächst (1 — 6) hervorgehoben wird, dass jene opera nur das Gute (opus bonum Z. 3 und 5) bezwecken dürfen, dann, dass nur die aus Liebe hervorgehenden opera fruchtbringend sind (Z. 6 — 10: „Sine caritate opus externum nihil prodest ; quidquid autem ex caritate agitnr, quantumcumque etiam parvum sit et despectum: totum fructuosum efficitur"). Nach allem diesem scheint mir der Schluss berechtigt, dass ,^pns quod'^ nicht als Verschlechterung ein ursprüngliches „quantum^^ ver- drängt, sondern dass umgekehrt letzteres als Schlimmbesserung an Stelle des ersteren, sei es direct aus Gregorius Magnus, sei es aus De imit. III 31, 56, nachträglich in die meisten Hss. eingeschwärzt worden ist. III. Kh. geht nun zur Besprechung einiger vermeintlichen Inter- polationen in s2 über. Zum Ausgangspunkte nimmt er I 7, 10 und bemerkt dazu: „Geben die Thomisten die Behandlung dieser Stelle als richtig zu — und sie müssen es von ihrem Standpunkt thun, da ,viventis^ ja im Kempensis fehlt — so mögen sie auch die Behandlung folgender Stellen billigen ^S Nun steht aber in s2 deutlich „viventis'M! Damit entfällt die ganze Grundlage von Khs. Beweisführung, und wir können uns füglich eine weitere Erörterung der Stelle ersparen. Eine Bemerkung sei indessen * hier noch gestattet. Die. weiter behandelten Stellen I 3, 31, wo sibi**), I 3, 69, wo '*) Von Kh. S. 3 t zu den „thörichten Zusätzen^ gerechnet. .328 J. Pohl (lomini, 1 1, 23, wo Dei *')2 interpoliert sein soll, sind von so unter- geordnetttr Bedeatong, dass, wenn die weriisd&de Steüiiiig besir« das Vorhandensein oder Fehlen"), sowie die mehr oder minder fragliche Notwendigkeit solcher Wörter in den Hdss. als durchschlagende Kenn- zeichen einer Einschiebung gelten sollen, man die Ächtheit sozusagen der halben Imitatio — so oft kommt derlei vor — verdächtigen könnte. Durch eine eingehende Untersuchung, die indessen hier zu weit führen würde, Hesse sich der Nachweis liefern, dass in solchen Kleinigkeiten — teilweise offenbar infolge von Unachtsamkeit oder subjectivem Be- lieben der Abschreiber — die italienischen und die transalpinen Hdss. in bunter Abwechselung bald brüderlich Hand in Hand gehen, bald als widerborstige Störenfriede ins feindliche Lager überlaufjßn. lY. Das Fehlen der beiden folgenden Sentenzen in einer Anzahl Hdss., sowie ihr angeblich unpassender Inhalt, nämlich I 3, 82. 83: „Vere magnus est, qui magnam habet caritatem'^ und I 15, 13. 14: „Multnm facit, qui multnm diligit^'^^) beweist nach Kh., dass in s2 auch ganze Sätze interpoliert sind. Das Fehlen erklärt sich m. £. vielmehr einfach durch das oben unter I besprochene Abirren des Auges, und zwar an der ersten Stelle von „Vere magnus est'^ in Z. 82 auf die nämlichen Worte in Z. 84 und an der zweiten Stelle von „Multuni facit'^ in Z. 13 auf die nämlichen Worte in Z. 15. Diese Erklärung wird dadurch bestätigt, dass in b4 nicht nur Z. 13 und 14, sondern auch die unmittelbar ^folgenden Z. 15 und 16: „Multum facit, qui rem bene facit'' fehlen, und dass letztere Worte auch in hl, ml, x3 fehlen. Wenn Kh. die beiden beanstandeten Sentenzen „lendenlahm^* nennt und versucht ist, ihre Autorschaft demselben „senilen'^ Autor zuzuschreiben, so muss ich nochmals darauf hinweisen, dass Cap. 15 „de öperibus ex caritate factis'^ handelt, dass aber die Liebe neben der Demut bei dem Verfasser der Imitatio durchweg so sehr als die unerlässliche Voraussetzung aller wahren Grösse und alles verdienstlichen Wirkens hervortritt, dass es uns nicht auffällig vorkommen darf, wenn er sie an beiden Stellen mit einer gewissen Überfülle des Ausdrucks **) 83 hat nicht Dei, wie Puyol fälschlich angiebt; vgl. seine H^liotypies. **) F. Blass a. a. 0. S. 254 sagt: „Kleine Wörter, etwa auch noch mit Kompendien geschrieben, werden auch leicht übersehen". Grade sibi, domini und dei werden aber sehr häufig mittels Kompendien geschrieben. s^) Puyols Ausgabe behält die Sentenz bei. Sie fehlt nach ihm in b2, c2, ml. Die Handschriften und die Aatorscbaft der Imitatio Christi. 329 hervorhebt. Er ist nicht der Mann, der durch i)ointierte Gegenüber- stellung der Begriffe (vgl. Kli. S. 23 und 2G) nach rhetorischem Effect hascht, noch in der klaren und scharfen Gegenüberstellung der Begriffe (Kh. S. 27) seine Stärke hat. Er ist vielmehr ein Mann des Gefühls, wie er ja im 1. Capitel des ersten Buches, wo er Z. 17 — 23 von der humilitas und der Caritas Dei, dem Fundamente bezw. der Krönung des Gebäudes christlicher Vollkommenheit ausgehend, ausdrücklich sagt: Z. 18: „Yere alta verba non üiciont sanctum et iustum^' und Z. 20. 21: „Opto magis sentire componctionem, quam scire eins definitionem^\ In gleichem Siane heisst es in der von Malou, Recherches bist, et crit. sur le Y^ritable auteur du livre de Timitation de J^us-Christ, Paris, Toamai 1858, p. 388 aus der Brüsseler Hds. 11841 veröffentlichten Biographie des Thomas a Eempis: „In loquendo vel scribendo magis curabat affectum inflammare quam acuere intellectum^', und ebenso äussert sich K. Hirsche, der das Studium der Imitatio zu seiner Lebens- aufgabe gemacht hatte. Proleg. 1 S. 314 f.: „Thomas ist überhaupt kein Systematiker. . . . Nicht die schneidende Schärfe der Begriffe .... charakterisirt die schriftstellerische Eigentümlichkeit des Thomas. Er ist weit mehr Epiker als Dialektiker. In epischer Breite legt er aus- einander, was ihn innerlich bewegt auch Wiederholungen sind nicht ausgeschlossen die verschiedenen Paragraphen .... sind trotz ihres Innern wohlgeordneten Zusammenhangs und ihrer unver- kennbaren Beziehung auf den Hauptgedanken des Capitels, freier neben - einandergestellt^^ y. Die Behauptung Khs., dass weder s2 aus s3, noch s3 aus s2 geflossen sein kann, ist zwar nicht neu, aber richtig, nicht richtig dagegen die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass beide auf eine ge- meinschaftliche Grundlage zurückgehen. Ich könnte deshalb unter Zurück- stellung der nicht brennenden Frage, in welchem Verhältnis s3 zu s2 steht, diesen Teil (S. 27 — 30) seiner Arbeit mit Stillschweigen über- gehen, wenn nicht der oben in Aussicht gestellte Beweis der Unzuläng- lichkeit der Puyolschen Veröffentlichungen die Besprechung einzelner der von Kh. herangezogenen Stellen, die sich teilweise zu einer über- raschenden Verteidigung der Rechte des Thomas a Kempis gestalten werden, zur Notwendigkeit machte. I 23, 57 findet sich nach Kh. nur in s2 und s3 für „emendantur das schlechtere meliorantur^^ Hierzu bemerke ich : Wenn auch emendare in der Imitatio weit häufiger vorkommt als meliorare, so findet sich doch letzteres, und zwar ohne Varianten, III 27, 35 und IUI 12, 41. 330 J. Pohl Der von Griesbach far das Nene Testament aufgestellte Kanon, dass der schwierigeren Lesart der Vorzug zu geben sei, weil sich ans dieser die leichtere erklären lasse, nicht aber umgekehrt '^, gilt aber ceteris paribus auch in Bezug auf die Selteneres und Ungewöhnlicheres dar- bietenden Lesarten. II 12, 103 lesen nach Kh. s2 nnd s3 allein ,per afflictionem^ gegenüber ,tribulationem^ in s&mtlichen übrigen Codices. Diese Angabe ist falsch; denn „per afflictionem^^ haben ebenfalls a3, b3, bö, c4, f3, f4, k, k2, m9, wl und wohlgemerkt trotz Puyols Schweigen auch n4! II 11, 10 steht nach Kh. „usque^^ allein in s2. Man höre! „usque^' steht in: a3, b3, b4, b5, c4, f3, f4, f5, k, k2, 14, m9, n4(!), sl(!). II 4, 25 „hat der Kemp. allein unter s&mtlichen Cod. ,totam candidum^; der Gramm, wie alle anderen ,totum candens^^ Die von Kh. wieder ohne Prüfung nachgeschriebene Angabe Puyols begreife, wer kann! Auch s2 hat „totum cand«ns^^ III 6, 7 hat auch wl sicut ei in prosperis. III 16, 23 „gehört dem Kempensis allein die Thorheit ,mnndi cordes^; in sämtlichen anderen Cod. sieht das Richtige^^ So Kh. Ein Prachtsatz, — der die Geduld des Papiers beweist! Denn 1) steht in s2 nicht „die Thorheit mundi cordes^^, sondern „mnndi- cordes" (sie). 2) „mundi cordes" (sie) haben: f4, t2"), v3 und v4«^. 3) Auch steht nicht in sämtlichen anderen Hdss., wie Kh. meint, „mundi corde^^ sondern es haben: a) „misericordes" : a3, b5, 66"), f3, n4(!). b) „mundicordes'' (sie): ausser s2 auch c7, r5, sl (!), s3**), V 5, wl. c) „mundi cordis" k. «•) Vgl. Friedr. Blase u. a. 0. S. 287. *^) Die Auskunft Ober cö-~c7, t2 und v3— vö verdanke ich der Ge> fölligkeit der Herren Archivdirector Prof. Dr. Hansen in Köln, bezw. Dom- vikar P. Weber in Trier und Oberbibliothekar Prof. Dr. Velke in Mains. Hr. Weber bemerkt: „mundi cordes, geschrieben in zwei getrennten Wörtern, wobei der letzte Buchstabe s durchstrichen zu sein scheint." **) Am 23. Juni c. gelangte aus Paris folgende gütige Mitteilung des Herrn Administrateur g^n^ral L. Delisle in meine H&nde: ^^Le Codex Gerardi- mont aujourd'bui lat. 13596 de la Bibliothäque nationale porte sur le fol. SB^o la le^on mundicordeB". Die Bandschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 331 d) „mandi*^ (cordes oder cordis bezw. corde fehlt) c5. e) „die geistlichen vnd rein herczigen menschen" kl. 4) „mnndicordes" ist das einzig Richtige. Beweis : Das Wort mundicors, gebildet nach Analogie von miseri- CQfs, malicors**) und pravicors *'*) wird in den lateinischen Wörter- büchern von Du Gange, De Vit-Forcellini, Georges, Klotz u. s. w. nach- gewiesen. Es kommt vor: 1) In S. Aurelii Augustini Hipponensis episcopi Operum tomo X, Coloniae Agrippinae, M. DC. XVI p. 400 : In festo omnium sanctorum in illud Matthaei, JBeati pauperes spiritu etc. etc. Beati mundicordes .... Sermo D. August. XIV. p. 401 cap. VI: JBeati mundicordes: hoc est, qui mundi corde sunt. ibid. und cap. IX: Beati mundicordes .... ibid. cap. VIII: Beati enim mundicordes, also im Ganzen 5 mal, und so steht nach De Vit-Forcellini, Prati 1868, tom. 4 p. 196 auch „in edition. recent.". 2) In s. Bernardi in festo s. Martini episcopi sermone bei Migne, Patrol. tom. 183 col. 497: „ . . . . et non magis pauperes spiritu, mites, lugentes, esurientes et sitientes iustitiam, misericordes, mundicordes . . . ." 3) In den Acta Sanctorum Aprilis, Antverpiae 1676, tom. II p. 168 B: „quod (seil, vinum) a solis mundicordibus in caelestis gratiae promptuario degustatur'^ ibid. tom. III Juni p. 383 B (Antverpiae 1701): „mundicordem illum (seil. s. Verolum) fuisse in hoc constat, quod . . . ." 4) In den Mon. Germ. Histor. Script, tom. XV part. I in der Vita Alcuini ed. W. Arndt p. 188: „ . . . . pervenit ad eam partem, quam soli norunt mente comprehendere mundicordes . . ." Nun hat aber der Verfasser der Imitatio grade die Schriften des h. Augustinus und des h. Bernard '^) verhältnismässig oft benutzt, *') So muss es wol im Nominativ heissen, nicht malicordis (sie), wie in dem Corpus Glossar. Lat. ed. Goetz, Lipsiae 1888, II p. 413, 27 bezw. 29 als Übersetzung von TIovrjQOHaQÖiog bezw. Uovrj^orpvxog angegeben wird. Sed viderint lexicographi. '®) „Pravicordes ergo sunt, id est, qui rectum cor non habent, qui sedent et disputant, quomodo debuit facere Deus, non laudando, quod fecit, sed reprehendendo^ steht bei S. Augustin. Enarratio in Psalmum 124, Migne Patrol. tom. 86 col. 1649. '^) Dies hat F. R. Gruise in seinem Thomas ä Kempis, London 1887, p. 147 und 193 f. nachgewiesen, besonders eingehend und lehrreich in Bezug auf das 1. Cap. des 1. Buches der Imitatio p 314—320. Westd Zeitschr. f. Gesch. n. Kunst. XXI, lU- 23 332 J. Pohl und zwar erstere nach Hirsche an folgenden Stellen: I 2, 3. 4; III 21, 28; 111 21, 30. 31; letztere: I 2, 34; I 7, 31—33; II 1, 86 — 88; II 12, 142. 143; III 5, 68. 69; III 24, 21; III 33, 1 "j, und es liegt deshalb nahe, anzunehmen, dass er sich auch an unserer Stelle eine solche Benutzung gestattet hat. Hätte hier ursprQnglich das all- gemein bekannte biblische mundo corde (Matth. 5, 8) gestanden, so wäre unverständlich, weshalb ein Abschreiber dafür das seltenere mun- dicordes sollte gesetzt haben, und es wird desiialb hier in Anbetracht der oben S. 326 nachgewiesenen freien Behandlung von Bibelstellen der oben S. 330 nebst Anm. 26 far die Handhabung der Kritik auf- gestellte Grundsatz zur Anwendung kommen mOssen. Das so geschätzte mundicordes findet aber in den Varianten misericordes, mundi cordis, dem einfachen mundi und erst recht in dem sinnlosen mundi cordes, das abrigens meines Wissens in keiner Ausgabe steht, seine beste Bestätigung. Was schliesslich Thomas a Kempis anlangt, so war ihm das bib- lische „Beati mundo corde^^ (Matth. 5, 8) selbstverständlich wohl bekannt. Es beweisen dies die wiederholten Anffihrungen desselben in seinen Schriften, z. B. Contiones et Meditat. 16 p. 187 Z. 7 und Z. 11, De elevat. mentis cap. 1 pag. 559, 2, 34 und cap. 2 p. 560, 2, 5. Dass er sich aber nicht durchweg sklavisch an den Buchstaben band, beweist a. a. 0. pag. 187, 2, 49 f.: „0 pulcherrime Jesu, auctor") omnis puritatis, qui mundis corde aetema promisisti gandia^^, dem das in der Imitatio III 16, 23 von einem Gorrektor eingeschmuggelte „mundi corde^^ zugrunde liegt. III 20, 51 „hat Thomas das unverständliche ^sencibus' gegenüber ,sensibus^ oder 'sentibus' in den anderen God. ; der Gramm, hat 'senti- bus'. So Kh. Hierzu ist zu bemerken: c und t sind in den Hdss. überhaupt, insbesondere auch in den Thomasautographen, oft schwer zu unter- scheiden. Jedoch gesetzt, in s2 sei wirklich, wie es scheint, sencibns zu lesen, so kommt dieser Fehler auf Rechnung der Assibilation, die ich einmal im Zusammenhange mit dem Erfolge zu behandeln hoffe, dass sich daraus eine bis zur Gewissheit gesteigerte Verstärkung der '*) Hirsche hat in seiner Ausgabe die entlehnten Stellen am Schlüsse der betr. Capitel im Wortlaut mitgeteilt; ausser ihnen gibt es noch andere von Hirsche übersehene, jedenfalls nicht angeführte. **) Das Thomasautograph 4585—4687 hat hier autor, dagegen p. 192, 11 (ed. Sommal.) auetor. Die Handschriften und die Autorschaft der Imitatio Christi. 333 Spitzenschen Beweise für die dem Jahre 1441 um etwa 20 Jahre vorans- liegende Niederschrift der Imitatio in s2 ergibt. III 27, 40 ,,£indet sich nur im Eemp. des [sie] Solözismus *rei vilis aut pretiosi'". So Kh. Hierzu zunächst einige Berichtigungen ans Hdss. : preciosi haben k, sl (!), s2, pretiosi (nach einer Notiz in Hirsches Nachlass) wl, precioso n4(!); die andern, soviel ich sehe, preciose. Ich frage: Warum sollte nicht Thomas von dem „unveräusser- lichen Menschenrechte^^ des Duselns ebenso gut einmal haben Gebrauch machen dürfen, wie dies im Vorstehenden mit „des** geschehen ist? Dass er das Geschlecht von res kannte, hat er an vielen Stellen bewiesen. III 49, 62 „hat der Eempensis allein *tu ad nihil utile (sie) iu- dicaberis'". So Kh. Ergänze: „utile^^ haben auch b4, c4, k, wl. Ich könnte mich hier abermals auf das eben erwähnte Menschen- recht berufen, indessen sind auch zwei andere Erklärungen denkbar: 1) utile könnte einfach graphische Verschiedenheit für utilis sein, indem in den Hdss. die Schlusssilbe is häufig durch ein dem Buchstaben e ähnliches nach unten etwas geschweiftes Zeiciien wiedergegeben wird. 2) In den lateinischen Schulgrammatiken werden bei der Lehre von dem Genus des adjektivischen Prädikats auch Beispiele wie : Triste Inpus Stabulis, varium et mutabile semper femina u. s. w. erörtert. IUI 12, 22 „schiebt der Kempensis allein *ei' vor Vegratiando' ein. So Eh. Mit s2 stimmen überein sl (!) und wl. I 28, 69. 70 hält Kh. die Worte: „nunc sunt dies salutis, nunc tempus acceptabile'S dienn^s2 am Rande stehen, für interpoliert. Sie fehlen nach Puyols „Variantes'' in 38 Hdss. bezw. Incunabeln, sie stehen nach ihm in 16 Hdss. Zu ersteren kommen noch 17 der von mir verglichenen Hdss., dagegen stehen die Worte in b4, m9, q3, r5; auch sind sie in z übersetzt, und zwar so: „nv sunt dage der salicheit nv ist een bevallike tyt". Noch sei bemerkt, dass die frag- lichen aus 2 Cor. 6, 2 in etwas veränderter Fassung entlehnten Worte bei Thomas a Kempis Cont. et medit. 18 p. 182 genau in der bib- lischen Fassung stehen: „Ecce nunc tempus acceptabile, ecce nunc dies salntis^^ VI. Im Anschluss an die Worte Khs. (S. 31): „Die besten Itali sind meist titellos und begnügen sich mit einem einfachen explicit'oder explicit über primus*' möchte ich hier behufs Anregung zu weiterer 334 J. Pohl Nachforscbang und Prüfung eine von mir in meiner neuen kritischen Ausgabe der Orationes et meditationes de vita Christi des Thomas a Eempis (Friburgi Brisigavorum, Herder, 1902) p. 384 gemachte Be- obachtung wiederholen: Die vier Bücher De imitatione Christi bildeten ursprünglich vier selbständige Tractate und erscheinen deshalb in allen älteren datierten Hdss. ohne Gesamttitel und ohne die jetzt übliche Bezeichnung 1., 2., 3., 4. Buch. Diese letztere Bezeichnung ist mir am frühesten in dem aus Indersdorf stammenden, jetzt in der Hof- und Staatsbibliothek zu München befindlichen Codex Clm 7842 begegnet, der im Jahre 1437 aus dem ein wenig älteren Clm 7830 der näm- lichen Bibliothek abgeschrieben worden ist. Der der Zeit nach diesem zunächst folgende mir bekannte Codex mit der gleichen Zählung ist der in der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek zu Donauescbingen aufbewahrte No. 249, der aus dem Jahre 1445 stammt. Allgemeiner üblich wird diese Zählung erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahr- hunderts. Unter den italienischen von Puyol beschriebenen Hdss. aber ist keine einzige, in welcher nicht eine oder mehrere Incipit's oder Explicit's mit „Liber primus'', „liber secundus'' u. s. w. vorkommen. Es ist das eine für das Alter der Itali, die nach Denifle und Kh. den verhältnismässig reinsten Text haben sollen, bedenkliche Thatsache, mit der übrigens das Ergebnis der Forschungen Denifles'*), der keine der von ihm untersuchten Hdss. al, b2, cl, dl, fl, f2, 13, ml, Romanas vor die zweite Hälfte des 15. Jahrh. zu setzen wagt und sie zum Teil noch später zu setzen geneigt ist, übereinstimmt. VII. Ob I 21, 54 vitae oder vitae tuae gelesen wird, ist an und für sich ziemlich unerheblich, und daher das Schwanken der Hdss. und auch des Verfassers der Imitatio selbst bezüglich der Weglassnng bezw. Hinzufügung des besitzanzeigenden Fürwortes an ähnlichen Stellen ausserordentlich gross. So übersetzt an unserer Stelle auch der Codex kl, obschon er zur Klasse B gehört: „0 gedechteste gewonlicher vnd dicker an diu sterben denn an din längs leben^^ Dergleichen ist für die Güte einer Hds. im allgemeinen nicht entscheidend. VIII. I 13. 9 — 50 ist die Stelle „Nemo tam perfectus est bis sed temptatio aperit quid sumus^^ (also 42 Zeilen) nach Eh. in allen Hdss. interpoliert, desgl. ibid. Z. 52 das Wort „hostis", nur in sl fehlt „hostis''; als Subject werde diabolus in Z. 52 von selbst aus Z. 6 ergänzt. Zur Begründung sagt Kh.: ,,Die meisten Mannskripte haben ") Zeitschr. für kath. Theol. VI. Jahrg. (1882) S. 6%— 706. Die Handscbriften und die Autorschaft der Imitatio Gbristi. 335 die Stellang *facilius hostis', drei Codices die Wortstellung %ostis facilius', in der oben angeführten Inkanabel [n4] lesen wir Bacillus tunc hostis'. So wird das Wort verdächtig, und es fehlt in der That im Gaesdoncker Codex vom Jahre 1427". So springe ein Text von wunderbarer Ein- fachheit hervor, dem Wiederholungen, wie Z. 47.48: ,,Ignis probat ferrum, et tentatio hominem iustum" verglichen mit Z. 81 — 83: ,,In tentationibas et tribulationibus probatar homo, quantum profecit, et malus meritum ibi existit, et virtus melius patescit" fremd seien. Diese These ist die einzige neue in Ehs. Abhandlung; aber sie ist zugleich so ungeheuerlich und sozusagen ohne den Schatten einer haltbaren Begründung aufgestellt, dass es fraglich sein könnte, ob sie überhaupt eine Widerlegung verdiene. Zu seiner Behauptung hat Eh. offenbar hauptsächlich das Fehlen von hostis in sl Anlass gegeben. Das Hesse sich ja hören, wenn sl nach seiner Ansicht auch sonst ein vorzüglicher Codex wäre. Aber weit gefehlt, sl gehört nach ihm zu der Gruppe s, „die sich als ein verhältnismässig junger Ausläufer der Überlieferung darstellt". Wie soll es nun zu erklären sein, dass grade in ihm — und in ihm allein — hostis fehlt? Hätte er allein an dieser Stelle das Ursprüngliche, wie sollte es denn gekommen sein, dass auch er trotzdem die angebliche grosse Interpolation hat? Und böte er allein hier wirklich das Richtige, so müsste das doch wol auch an anderen Stellen der Fall sein. Doch genug! Das Fehlen von hostis in sl stellt sich einfach als eine der Nachlässigkeiten heraus, deren ich in ihm in Buch I nicht weniger als 31 gezählt habe; es fehlt z. B. 3, 27 saepe, 6, 9 terrenis, 18, 62.64 (ganz), 21, 6 cordis, 24, 1 rebus u. s. w. Die übrigen Bedenken Khs. sind gleichfalls unerheblich. Wort- umstellnngen wie hostis facilius statt facilius hostis kommen in einzelnen Hdss. der Imitatio häufig vor, ohne dass'^es deshalb jemanden einfiele, solche Stellen wegen ihrer Ächtheit zu verdächtigen. Die bemängelte Wiederholung in Z. 47.48 und Z. 81 besteht darin, dass an ersterer Stelle Ignis probat ferrum et temptatio hominem, an der zweiten temptationibus probatur homo steht. Schon die Ver- schiedenheit des Numerus, des Genus verbi, der Subjekte, der Bilder und des Zweckes beider Sätze schliesst den Gedanken an eine Inter- polation aus, abgesehen davon, dass man sonst wegen ähnlicher bei der EntWickelung eines Begriffs sich von selbst einstellender Wiederholungen hunderte von Stellen verwerfen müsste (vgl. oben S. 327). Zudem spielt die Temptatio in der Imitatio (vgl. I 20, 45; III 20, 6.31; 336 J. Pohl 35, 24.34; 49, 20) and in den Schriften des Thomas a Eempis eine grosse Rolle (vgl. Serm. ad novic. 5 (p. 47, 30; 48, 3.15; 8 (p. 53, 19 sqq.); De discipl. claustr. 2 (p. 456, 2, 10—18); Hortnl. ros. 14 (p. 405, 29 und 2, 5); Vall. lil. 10 (p. 415 sq.)). Endlich habe ich, um das Ergebnis meiner Untersuchung durch eine Prüfung des Inhalts seitens unbefangener Sachverstän- diger sicher zu stellen, die Herren Kaplan Barth, z. Z. stud. iur. in Bonn, Rector Husten in Grunewald und Pfarrer Unkel in Alfter von einander unabhängig gebeten, De Imitat. I 13 zu disponieren. Alle drei haben meiner Bitte mit dankenswerter Liebenswürdigkeit entsprochen, ohne an dem Inhalt von Z. 9 — 50 Anstoss zu nehmen, denselben viel- mehr ungezwungen dem Plane des Ganzen eingereiht. Zum Schlüsse: Kh. ist ohne hinreichende Vorstudien an die Lösung der schwierigen Frage, die nun seit beinahe 300 Jahren in fast beispielloser Weise den Gegenstand literarhistorischen Streites bildet, herangetreten in dem Glauben, durch formale Anwendung einiger Sätze elementarer Kritik im Tone siegesgewisser Überlegenheit dieselbe wenigstens zu Ungunsten des Thomas endgültig beantworten zu können. Dringt er tiefer in das ausserordentlich weitschichtige Material ein und wendet dann jene Sätze mit Umsicht und Vorsicht unter gebührender Berück- sichtigung sämtlicher in Betracht kommenden Momente an, so zweifle ich nicht, dass auch er schliesslich zu einem der Erkenntnis der Wahr- heit unmittelbar dienenden, d. h. m. E. Thomas a Kempis als Ver- fasser der Bücher De imitatione Christi anerkennenden Ergebnisse gelangen wird. 337 Felix Hettner f. Ganz unerwartet ist in der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober dieses Jahres Herr Prof. Dr. Felix Hettner, der Herausgeber der vorrömischen und römischen Abteilung unserer Zeitschrift, im 62. Lebensjahre durch einen Gehirnschlag mitten aus seiner ausgebreiteten Tätigkeit dahingerafft worden. Es war die Initiative Hettners, sein Wunsch, einen selbständigen Sammel- punkt f&r das weite Gebiet westdeutscher Altertumsforschung über die römische Epoche und die ihr voraufgehenden Zeiten zu schaffen, woraus im Jahre 1882 die ersten zur Gründung der Westdeutschen Zeitschrift fuhrenden Erörterungen entsprungen sind ; auch die Einrichtung des mit ihr verbundenen Korrespondenzblattes und dessen ausgedehnte Verbreitung innerhalb der historisch - antiquarischen Vereine Westdeutschlands werden ihm verdankt. Indem seine Wünsche sich mit dem Plane des damals in Bonn wirkenden Herrn Prof. Dr. Lamprecht verbanden, der seinerseits dem Bedürfnis nach einem das ganze westdeutsche Gebiet berücksichtigenden Organ auch für die mittelalterlichen und neuzeitlichen Studien abzuhelfen beabsichtigte, er- hielt unsere Zeitschrift die Gestalt, in der sie vom J. 1882 ab Hettner zu- nächst zehn Jahre in Gemeinschaft mit K. Lamprecht, dann weitere zehn Jahre zusammen mit mir geleitet hat. Hettners grosse und dauernde Ver- dienste um die Wissenschaft und um das fünfundzwanzig Jahre seiner Leitung unterstehende Provinzialmuseum in Trier werden im nächsten Hefte eine eingehende Darstellung und Würdigung von fachmännischer Seite finden. Unsere Zeitschrift hat durch sein Hinscheiden einen überaus schweren, kaum ersetzlichen Verlust erlitten. Hettners rührige Arbeitskraft, seine unter- nehmende Schaffensfreudigkeit kamen vor allem auch der Zeitschrift zu Gute, der er nicht nur eine hingebende redaktionelle Tätigkeit, sondern auch eigene fruchtbare Mitarbeit in reichem Masse widmete. Seine erfolgreiche Wirksamkeit an dieser Stelle hinterlässt dauernde Spuren in der west- deutschen Altertumsforschung, ihr jäher Abschluss wird von allen Lesern unserer Zeitschrift schmerzlich empfunden werden. Persönlich habe ich den Verlust des hochgeschätzten Kollegen zu beklagen, des trefflichen Mannes, mit dem mich eine durch zehn Jahre fortgesetzte, stets von freundschaft- lichem Geiste getragene gemeinsame Arbeit verbunden hat. Im Namen unserer Zeitschrift rufe ich dem so früh Heimgegangenen trauernden Herzens einen warmen Abschiedsgruss in das frische Grab nach ; sein Wirken wird in unserm Kreise unvergesslich sein. Hettner hatte soeben die Drucklegung der im vorliegenden Hefte ver. einigten Beiträge aus seiner Abteilung zu Ende geleitet, als der Tod seinem Wirken ein Ziel setzte. Herr Dr. Lehner, Direktor des Provinzialmuseums in Bonn, hat es freundlichst übernommen, bis auf Weiteres die Redaktions- geschäfte an seiner Stelle zu führen, so dass eine Unterbrechung im Er- scheinen nnserer Zeitschrift nicht eintreten wird. J. Hansen. Inhalt. Felix Hettner. Von Hans Lehner. (Hierzu Portrait Hettners.) S. 339. Eine Geschichte der Kölner Malerschule. Von Dr. Erwin Hintze in Breslau. S. 362. Nachtrag. Zu der Abhandlung über die territoriale Entwicklung des Fürsten- tums Prüm. Von H. Forst in Zürich. S. 384. Museographie über das Jahr 1901. Redigiert von Dr. Hans Lehner in Bonn. 1. Westdeutschland. (Hierzu Tafel 4—15.) S. 886. 2. Bayrische Sammlungen. S. 453. Alle für die Zeitschrift und das Korrespondenzblatt bestimmten Sendnngeo, welche das Altertum betreffen, wolle man bis auf weiteres an Mnsenmsdirektor Lehner, Bonn, Provinzialmnsenm, richten. Vom Korrespondenzblatt sind ausgegeben die Nrn. 1—12. Erschienen ist ErgäüZUIigsheft X: über den ersten Verbandstag der west- und süddeutschen Vereine für römisch -germanische Ahertumsforschung zu Trier am II. und 12. April 1901. Preis 1 Mk. 60 Pfg. Für Abonnenten der Westd. Zeitschr. 1 Mk. 20 Pfg. Felix Hettner. Von Blum Lehncr. WsB em bedeutender Mensch, der ans niwerer Mitte schied, ans var, dsB Usst sich an der Grösse der LOcke meeseii, die er hinterl&sst, and an dem Wrai seiner Werke fQr die Znkanft. Aber die LQcke, die der Tod geriseen hat, ist knra nachher noch nicht zu Qberseben. Und erst die Nachwelt ist im Stande, die bleibende Bedentong des Dahingeschiedenen gerecht abiawägen, weil sie die FrQchte seines Wirkens si^t, wdl sie ermessen kann, ob es von Bestand war, was er geschaffen hat, oder ob es bald weggeweht sein wird vom Starmwind der nacb- drftngenden Ereignisse. Nicht die Kunst allein, ancb die Wissenschaft zeugt nämlich ephemere Existenzen, Leuchten, deren Licht mit ihnen zugleich erlischt, Geister von zwingender Gewalt der Pers&nlichkeit, die aber nicht die Kraft haben, aber die kurze Spanne ihres Lebens hinaus zu wirken, weil, was unter dem Zauber ihrer aller Schranken baren Subjektivität uns aberredete, sp&ter bei nachtemer Erwägung nicht mehr zu flbereengen vermag. Wenn wir aber auch beute noch nicht im Stande sind, Felix Uettners Bedentang ganz sa ermessen,, so dOrfen wir doch, glaube ich, getrost sagen: er gehörte nicht zn diesen ephemeren Existenzen. Denn wenn einer dem luftigen Reich der blossen Hj'potbese abhold war, wenn einer nur das gelten Hess, was fest begründet and unwiderleglich bewiesen , war, so war es Hettner. Eine absolute Ehrlichkeit, eine unbestechliche Wahrbeitslie^ war der Omndzug seines Wesens. Was er in dem kurzen warmen Nachruf aof Fritz Holler im Westdeutschen Korrespondenzblatt Yn, 131 sagte: „äa zuverlässiger Charakter war er ein zuverlässiger Forscher", das gilt in vollstem Masse von ihm selbst. Seine gesunde Skepsis, mit der er der glänzendsten bestechendsten Kombination, die WmUL Zeltsckr. t. Oucb. n. RmiBt. XXI, IV. 24 340 H- Lebner ihm vorgetragen wurde, ein nüchternes: „das glaube ich nicht !** entgegenstellen konnte, mit der er stets seine Forschungen wie die anderer kontrollierte and regulierte, sie Hess ihn in Verbindung mit der strengen Sachlichkeit so recht eigentlich zum Begründer der west- deutschen Altertumsforschung als Wissenschaft berufen erscheinen. Wohl fehlte es vor 25 Jahren keineswegs an einer regen Forscher- thätigkeit auf dem Gebiet heimatlicher Altertumskunde, sondern im Gegenteil, nur allzu üppig war sie ins Kraut geschossen und wucherte stellenweise in ganz bedenklicher Art. Ein Blick in die Bonner Jahr- bücher der damaligen Zeit oder gar in Picks Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands wird jeden Eingeweihten davon überzeugen. Nur wenige von den bedeutenden Arch&ologen, Philologen und Historikern der damaligen Zeit mochten sich mit heimischen Altertümern befassen, und auch diese wenigen nur gelegentlich nebenher, im allgemeinen war diese Forschung dem b^eisterten Eifer der Dilettanten mit seinen vielen Licht-, aber auch mit all seinen Schattenseiten überlassen. Da wurde denn massenhaft kostbares Material in den Yereinszeitschriften zusammen- getragen, aber es blieb auch meist bei dem engen Rahmen lokal- geschichtlichen Interesses, keiner blickte weit über den Orts- oder Heimatprovinzbezirk hinaus, keiner kümmerte sich viel um das, was der Nachbar that ; die meisten Hessen sich aber dadurch nicht abhalten, auf Grund unvollständig gesammelten und ungenügend verarbeiteten Materials die kühnsten Schlüsse aufzubauen. Da kam Hettner im Juli 1877 nach Trier. Eine vortreffliche Schule hatte er mitgebracht. Sclion vom Vater, dem berühmten Litterar- historiker und Arch&ologen Hermann Hettner in die Liebe zur Antike eingeführt und zu weitgehender Mitarbeit an dem Dresdener Skulpturen- katalog herangezogen, hatte Felix Hettner in Leipzig zu Füssen Overbecks und Ritschis gesessen und war dann nach Bonn gezogen, wo Usener, Bücheier und Kekul^ in dem ungewöhnlich begabten jungen Studenten jenen grosszügigen wissenschaftlichen Sinn weckten, ihm jene gründliche philologische und methodische Schulung gaben, welche sein vornehmstes Rüstzeug in der Arena der Forschung sein Leben lang geblieben ist. Es war ein Glück, dass Bücheier den Studenten zur Ausarbeitung des Katalogs des Museums vaterländischer Altertümer bei d^ Universität Bonn ermunterte, ein Glück nicht nur für dieses Museum sondern für Hettner selbst. An diesen nüchternen Steinen, die dem Auge so gar nichts Erfreuliches bieten, die zu keinerlei Ausbrüchen ästhetischer Begeisterung einladen, sondern denen nur mit strengstem durch eisernen Felix Hettner. 341 Fleiss errungenem Wissen beizukommen ist, stählte Hettner die Schärfe seines Auges und seines Geistes, abte er sich in jener knappen klaren sachlichen Beschreibung und Interpretation, die seine Hauptstärke auf diesem Gebiete blieb. Hatte er schon mit dieser Erstlingsarbeit den Boden westdeutscher Altertumsforschung betreten, um ihn nie wieder zu verlassen, so hatte ihn doch grade diese Erstlingsarbeit auch genötigt, den Blick weit über die Grenzen Westdeutschlands hinausschweifen zu lassen. Inschriften wie die berühmte Nr. 67 des Bonner Katalogs „Divum sodalis consul et vemo die^ etc. oder Nr. 68 die Weihung an Apollo Dysprus, Luna und Sol, die Miihrasdenkm&ler aus Dormagen, die meisten Soldatengrabsteine, da£ Baudokument 126 u. dgl. erfordern zu ihrer Er- klärung eine ganz gründliche Kenntnis der Verhältnisse nicht nur in Germanien, sondern im römischen Kaiserreich überhaupt. Und erst recht vermochte er diese Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern in seiner Doktordissertation: „De Jove Dolicheno'', welche den Denk- mälern eines vom Orient nach dem Westen gewanderten Kultes ge- widmet war, und deren Hauptwert darin besteht, dass hier einmal gezeigt wurde, dass jeder soliden Bearbeitung solcher Probleme erst eine gründliche, möglichst vollständige Sammlung des gesamten bisher bekannten Materials vorauszugehen habe. Im Alter von 26 Jahren war Hettner nicht nur zur Leitung, sondern zunächst zur Gründung des Trierer Provinzialmuseums berufen, kein Wunder, dass Bedenken wegen seines jugendlichen Alters geäussert wurden. Aber das Zeugnis seiner Lehrer, dass er von einer für sein Alter seltenen Reife sei und dass seine bisherigen wissenschaftlichen Leistungen das Beste für die Zukunft hoffen Hessen, beseitigten alsbald die Bedenken bei den massgebenden Stellen, welche über die Besetzung zu bestimmen hatten. Nicht so in Trier. Da begegnete ihm von Seiten der Gesellschaft für nützliche Forschungen eine hartnäckige Opposition ; man betrachtete ihn als Eindringling und verweigerte ihm die Schlüssel der Sammlung. Aber mit der ihm eigenen Festigkeit in Verfolgung seiner Ziele und Geschicklichkeit in der Behandlung der Menschen hatte er bald diese Schwierigkeiten überwunden und konnte nun an die äussere und innere Verschmelzung der vorhandenen Sammlungsbestände der genannten Gesellschaft, der Regierung und der Stadt Trier, die im Gymnasium, der Porta nigra, dem Kaiserpalast und anderen Orten zerstreut lagen, zu einem organischen Ganzen herangehen. Schon 1878 hatte er den schönen Erfolg, dass die kostbare und alte Sammlung des Vereins St. Wendel nach Trier überführt wurde. Unterdessen hatten die Aus- 24* 342 H. Lehner grabangen des Mnseams selbst, vor allen die in Neamagen, unennessliche Sch&tze herbeigefflhrt, so dass diese zum Teil magaziniert nnd in Schuppen untergebracht werden mussten. Erst im Jahre 1889 wurde in dem Neubau an der Ostallee die würdige Aufbewahrungsstätte fertig, mit deren Einrichtung Hettner nunmehr zeigen konnte, was er als Musenms- direktor im engeren Sinne zu leisten im Stande war. Es ist lehrrdch, einmal kurz die Aufstellung des Museums in ihrer jetzigen Gestalt zu betrachten. Sie ist bis ins Einzelnste durchdacht und ausgeklügelt. Nicht ein bestimmtes Prinzip, etwa das topographische oder das chronologische oder das sachliche, ist bis zur Ermüdung und um jeden Preis durchgeführt, sondern in geistreicher Weise schlingen sich die Fftden dieser drei Aufstellungsprinzipe durcheinander. Topographisch zusammen- gehalten sind alle grossen Ausgrabungsgesamtfunde, so vor allen die Neumagener Denkmftler, die Grabhügelfunde, die Villen- und Tempelfunde, chronologisch geordnet ist die römische Keramik, nach Gegenstiknden aufgestellt sind die römischen Bronzen und sonstigen Kleinaltertümer. Ja sogar dem dekorativen Prinzip der Aufstellung hatte Hettner, namentlich in den letzten Jahren, gewisse Konzessionen gemacht: man braucht nur den prunkvoll ausgestatteten und raffiniert aufgestellten Glflsersaal zu betreten, um sofort das Gefühl zu haben, dass dies die eigentliche salle d'honneur sein will. Es h&ngt das wohl eng zusammen mit der bei Hettner im Laufe der Jahre immer stärker sich entwickelnden Überzeugung, dass ein Museum nicht nur ein Magazin zur Aufbewahrung der Altertümer, auch nicht nur eine Studienst&tte für die Handvoll Spezialforscher sein soll, welche sich mit diesen Dingen beschäftigen, sondern dass es eine Stätte geistiger Anregung und Bildung für die weitesten Kreise der Bevölkerung werden muss. Dieser seiner Über- zeugung hat Hettner beredten Ausdruck geliehen in sdner Rede bei der Säkularfeier der Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier am 10. April 1901, indem er sagte: „Uns kommt es darauf an, in den weitesten Kreisen Verständnis für die Monumente und die Geschichte unseres Bezirkes zu erwecken, jede Mutter soll ihren Kindern Auskunft geben können über die Römerbauten und Kirchen, unter denen wir hier täglich wandeln''. — In meisterhafter Weise trägt daher auch das letzte Werk Hettners, sein illustrierter Führer durch das Museum dem Bedürfnis weiterer Kreise Rechnung, indem er mit tiefster wissenschaft- licher Durchdringung des Stoffes vornehmste Popularittt der Darstellung vereinigt. Hohen Wert legte Hettner darum auch auf die Pflege des regen Besuches des Museums nnd der Trierer Monumente; man sah ihm Felix Hettner. 343 80 recht die Freude und Genagthanng an, wenn er wieder mitteilen konnte, wieviel Tansende Besucher mehr das Museum und die Thermen gegen das Vorjahr aufzuweisen hatten. Aher man wOrde Hettner schlecht kennen, wollte man glauben, dass etwa phantastische philanthropische Regungen die Ursache dieser Bemühungen gewesen wären. Sie würden schlecht m seinem nüchternen wissenschaftlichen Sinn passen. Nein, all dies geschah vielmehr auf Grund der ernsten Einsicht, dass ein Museum provinzialer Altertümer, welches mit allen Wurzeln im provinzialen Boden fusst, nur dann erfolgreich arbeiten könne, wenn es eine volks- tümliche Anstalt ist. Der Bauer, dessen Pflug Altertümer auswirft, der Arbeiter, der bei Ausschachtungen, Baggerarbeiten, Rodungen auf Bronzen, Urnen, Münzen u. dgl. stösst, er muss wissen, wo die Stätte ist, die zur Aufbewahrung dieser Dinge dient, und der Besitzer von Antiquitäten wird sich viel lieber seines eigenen Besitzes zu gunsten des Museums entäussem, wenn er dort fühlt, mit welcher Fülle von Anregung und Belehrung er für den Verzicht auf eigenen Besitz belohnt wird, wie sein sorgsam gehütetes Kleinod, in seiner Hand bisher ein stummes totes Fragment, Leben und Sprache gewinnt, wenn es in der richtigen Umgebung mit gleichartigem zusammen wirkungsvoll aufge- stellt und einleuchtend erklärt ist. Aus derselben Einsicht heraus pflegte Hettner auch das Altertums- Vereinswesen. Die ehrwürdige Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier, diese aui französischer Zeit stammende etwas verstaubte Akademie der „24 Unsterblichen**, zu einem grossen regen über den ganzen Trierer Bezirk verbreiteten Altertumsverein zu verjüngen war eine Aufgabe, der Hettner einen Teil seiner besten Lebenskraft gewidmet hat. Launig sagte er in der oben angeführten Rede: „Wenn einer unserer alten Herren vom Anfang des Jahrhunderts uns sehen würde, wie wir abends bei Weine in grosser Zahl, die sich zusammensetzt aus allen, die sich selbst zur Teilnahme an der Gesellschaft bestimmen, unsere Wissenschaft betreiben, oder gar wie wir uns mit Damen vor dem Denkmal in Igel oder am Mosaik in Nennig versammeln, er würde bedenklich sein Haupt schütteln**. Aber wenige Zeilen darauf folgt der Satz, der das Motiv ehrlich enthüllt: „In dieser sich selbst bildenden Menge werden viel leichter diejenigen zu finden sein, die zu ernster wissenschaftlicher Arbeit zusammentreten wollen.** — Einen Stamm zuverlässiger Mitarbeiter und Berichterstatter hatte er sich also in der Gesellschaft gegründet, welcher die eigentliche Forschungsthätigkeit wesentlich erleichterte und förderte. Und eine vortreffliche Bibliothek, 344 H. Lehner die durch den Zeitschriftenanstansch der Gesellschaft für nützliche Forschungen entstand, lieferte ihm das so dringend nötige litterarische Arbeitsmaterial an die Hand. Mit diesem Generalstab, mit diesem Rüstzeug ging Hettner an die archäologische Erforschung des Trierer Bezirks. Es wäre gerade in dieser Zeitschrift überflüssig, ausführlich auf die Bedeutung der einzelnen Ausgrabungen Hettners einzugehen, die 21 Bände, deren Schluss dieses Heft bildet, mit ihren jährlichen museographischen Berichten, mit den längeren oder kürzeren Aufsätzen Hettners über seine Grabungen und Untersuchungen geben darüber beredteren Aufechluss, und was nicht in der westdeutschen Zeitschrift publiziert ist, das findet der I^eser im Einzelnen in der diesen Zeilen angehängten Übersicht über Hettners Veröffentlichungen. Nur einige grundlegende Forschungen seien hier herausgehoben. Hettners erste Grabung in Trier galt den römischen Thermen in St. Barbara, jenem der Eaiserstadt würdigen Badepalast, der an Grossartigkeit der Anlage mit den Garacallathermen wetteifert, an Reichtum lehrreicher Details sie übertrifft. Die endgültige Entdeckung und Aufdeckung di^er Thermen hatte zugleich zur Folge, dass den solange fälschlicher Weise als „römische Bäder ^ bezeichneteten grossen Ruinen an der Ecke der Ost- und Südallee nunmehr nach Hettners einleuchtender Vermutung der wohl richtige Name des römischen Kaiserpalastes beigelegt wurde. Es folgten die römischen Gräberfelder von Trier, der Tempel am Balduinshäuschen; die römischen Bauwerke von Trier wurden wiederholt von ihm eingehenden Nachprüfungen unter- zogen, auch die ersten entscheidenden Funde an der römischen Stadt- befestigung von Trier werden ihm verdankt. Umfassende Sorge hatte er dann endlich für die archäologische Überwachung der Kanalisation von Trier getroffen und der Erfolg davon war, dass, wie Hettner selbst mit Genugthuung im Korrespondenzblatt dieses Jahrgangs Nr. 41 sagte: „das Bild des römischen Trier teilweise auch in seiner geschichtlichen Entwicklung, schon durch die 1 Vajäbrigen Kanalisationsarbeiten uns klarer vor Augen gestellt ist, als das aller anderen rheinischen Römerstädte ^. Aber fast noch epochemachender für die Erkenntnis unserer rheinischen Zustände in frühgeschichtlicher Zeit waren Hettners Aus- grabungen ausserhalb Triers. Nur mit den Erfolgen der Reichsgrabungen in Pergamon und Olympia lässt sich die FüUe der Belehrung vergleichen, welche wir alle aus den glücklichen Ausgrabungen in Neumagen geschöpft haben. Das ganze Leben und Treiben der arbeitsamen, wohlhabenden Civilbevölkerung des Moselthales unter römischer Herrschaft führen uns Felix HettDer. 345 die mit erstaunlicher Frische der Konzeption ausgeführten und beispiellos gat erhaltenen Skulpturen der grossen Grabdenkmäler vor. Und sie eröffnen uns den Einblick in einen Eunstbetrieb im Moselthal, der wirklich eine blühende Oase in der Wüste der spätrömischen Yerfall- kunst darstellt. Je mehr es zu bedauern ist, dass Hettner nicht mehr die Zeit fand, diese ganz einzigartige und erfolgreiche glückliche Aus- grabung durch eine monumentale Edition der Resultate zu krönen, desto freudiger ist es zu begrüssen, dass er wenigstens in seinem letzten Werke, dem illustrierten Führer durch das Museum, nicht nur der Beschreibung und Abbildung der wichtigsten Neumagener Denkmäler einen breiten Raum gegönnt, sondern auch in einigen klaren und wohl- begründeten Sätzen (S. 3) seine kunstgeschichtliche Überzeugung über Ursprung und Herkunft dieser Kunst formuliert hat. Andere Aus- grabungen bei Mohn, Gusenburg, Drohnecken lehrten uns die typische Form und Anlage gallorömischer Tempelbezirke kennen, eine Reihe römischer Gehöfte ^urde ausgegraben und an ihnen zum ersten Mal von Hettner die verschiedenen Typen der Luxusvilla und der Wirt- schaftsvilla demonstriert; die für die spätrömische Zeit charak- teristischen Strassenfestungen mit ihren hohen starken Festungs- mauem und mächtigen Rundtürmen wurden, ausser in Neumagen, auch in Jünkerath und Bitburg einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Aber auch die vorrömischen Epochen und die Völkerwanderungszeit wurden nicht vernachlässigt. Wer die prähistorische Abteilung des Trierer Provinziahnuseums vor 10 Jahren gekannt hat und sie heute betritt, der staunt, welche Riesenfortschritte auch hier gemacht sind; Mehren, Wintersdorf, Osburg, Hüttigweiler, Biewer sind die Hauptpunkte, wo Hettners Grabungen auf diesem Gebiete einsetzten und mit gewohntem Glück und Geschick reiche Schätze zu Tage förderten. Fränkische Grabfunde, vor 20 Jahren im Trierer Bezirk noch so gut wie unbekannt, kamen gerade in den letzten Jahren durch Grabungen in Ehrang, Hüttersdorf, Roden, Rittersdorf und durch kleinere Funde und von Hettner veranlasste Beobachtungen an vielen anderen Orten des Be- zirkes zu Tage. Wenn daher das Provinzialmuseum in Trier ganz gewiss mit vollem Recht eine Musteranstalt genannt wird, so darf auch der Trierer Bezirk als einer der besterforschten gelten. Man kann sich keine wirklich grosse und wichtige archäologische Aufgabe in diesem Bezirke denken, welche von Hettner nicht angeschnitten und fruchtbringend gefördert wäre, viele sind zweifellos von ihm geradezu abschliessend gelöst worden. — 346 H. Lehner So intensiv aber Hettner sich aach der Erforschang seines Bezirkes and dem Ansbaa seines Museums hingab, so blieb er doch nicht in den engen Grenzen des Lokalforschers stecken, sondern gleich von Anfang an richtete er seinen Blick weit aber diese Grenze hinaas, and darin beruht seine führende Bedeatang. Die Grflndang der westdeatschen Zeitschrift fttr Geschichte und Kanst als eines zusammenfassenden Centralorganes der westdeatschen Forschung ist eigentlich Hettners grösste und folgenschwerste That. Am 3. Februar 1880 schrieb der noch nicht Neunundzwanzigj&hrige an Lamprecht in Bonn einen Brief, welcher den Plan der Westdeutschen Zeitschrift schon im Allgemeinen skizziert und Lamprecht die Teilnahme an der Redaktion nahelegt; es heisst in dem Briefe wörtlich: „Gegen die Jahrbücher des Altertums- vereins (in Bonn) würde ich keine feindliche Stellung einnehmen. W&hrend diese mehr auf die Publikation einzelner Monumente und zwar haupt- sächlich der römischen Zeit ihr Augenmerk richteten, würde es mir mehr auf Abhandlungen allgemeinen Inhalts ankommen*'. — Aus dieser Initiative Hettners entstand dann die neae ZiOitschrift, deren erstes, Januar 1882 erschienenes Heft in einem Vorwort nan genauer ausspricht, was Hettners Brief mit den Abhandlungen allgemeinen Inhalts gemeint hatte. Es heisst da: „Gegenüber den vielen provinzial- geschichtlichen Zeitschriften, welche sich mehr mit der Publikation und Einzelbearbeitung lokaler Stoffe beschäftigen, hat sich das neue Unter- nehmen die Aufgabe gestellt, der weitergreifenden wissenschaft- lichen Bearbeitung dieses grade in den letzten Jahrzehnten mit soviel Eifer und Erfolg veröffentlichten Stoffes eine Stätte zu bieten. Ihr erster Zweck wird es daher sein, die westdeutsche Vergangen- heit im Lichte allgemein-geschichtlicher Vorgänge auf- zuhellen, um damit auch die bisher nicht allzu lebhaften Sympathien des grösseren Publikums für die Provinzialgeschichte des eigenen Landes zu wecken. Neben diesem weiteren Ziel wird die neue Zeitschrift das nähere verfolgen, dem Provinzial- und Lokalhistoriker alle für seine Arbeiten notwendigen Notizen aus der Forschung der Gegenwart zu übermitteln und ihn über die neuesten Erscheinungen der Litteratur sowie über die Auffindungen von bisher unbekannten oder nicht ver- werteten Denkmälern zur westdeutschen Geschichte fortlaufend zu unter- richten". — Ein Riesenprogramm in wenige Worte zusammengefasst! Und wie es grade das Richtige traf, wie es dem Bedürfnis grade der Besten entgegenkam, das zeigt die glänzende Reihe der Mitarbeiter, die gldch Felix Hettoer. 347 dem ersten Aafrof folgeleisteten, and deren Namen die dritte Seite des genannten Heftes schmücken. Damit war die westdeutsche Altertomsforschnng, die nns ja im Rahmen dieser Betrachtung allein angeht, als ernste Wissenschaft begründet. Methodische Forschung, weite Gesichtspunkte drangen mit den neuen Mitarbeitern in diese Wissenschaft ein, und der Dilettantismus im guten Sinne des Wortes war darum doch nicht unterbunden, im Gegenteil, er schöpfte aus dem grossen Überblick, den ihm die neue Zeitschrift über das Material gewährte, nur bessere Er&fte und stets neue Nahrung. Den schlimmen Auswüchsen des Dilettantismus dagegen war die Pforte yerschlossen. Ein innig verknüpfendes Band war her- gestellt zwischen allen ernsten Lokalforschem durch die Aufs&tze allgemeinen Inhalts, zwischen den westdeutschen öffentlichen und privaten Sammlungen durch die jährlich erscheinende Museographie, welche die Jahresfortschritte dieser Sammlungen vorführt und so eine Menge der wichtigsten Dinge an die Öffentlichkeit deht, welche sonst mehr oder weniger vergraben zu bleiben pflegten. Weit war der Rahmen dieser Museographie gespannt. Er umfasste ausser Süd- und Westdeutschland auch die Schweiz, Holland und Belgien, so seine Grenzen denen der Provinzen Raetia, Germania^ superior, inferior und Gallia Belgica thunlichst nähernd. Einer der glücklichsten Gedanken war aber die Gründung des Korrespondenzblattes, welches in grosser Auflage all- monatlich wichtige neue Funde rasch zur Kenntnis aller brachte, kleineren Untersuchungen einen weithin sichtbaren Platz bot, über die neueste antiquarische und historische Litteratur Westdeutschlands orientierte. Der Nutzen, den dieses Blatt als Yereinsorgan einer ganzen Reihe von westdeutschen Altertumsvereinen gestiftet hat, ist ganz unübersehbar. Als Redakteur des antiquarischen Teils dieser Zeitschrift waltete Hettner seines Amtes vM aufopfernder Hingabe und peinlichster Strenge, — Strenge vor allem gegen sich selbst, indem er keinen, auch nicht den kleinsten Beitrag dem Satz übergab, ohne sich vorher durch das oft schwer lesbare Manuscript hindurchgearbeitet zu haben. Ich habe in den Jahren, wo ich das Glück hatte, an seiner Seite zu arbeiten, manches Manuscript gesehen, welches unter seinem Blaustift eine ganz neue Grestalt annahm, kaum mehr ähnlich der ursprünglichen, und mancher Verfasser, der dies liest, wird mir im Stillen bestätigen, dass seine Arbeit eigentlich ebensogut unter Hettners Namen hätte erscheinen können. Namentlich im Korrespondenzbl. steckt viel mehr eigenste Arbeit Hettners als die unten aufgezählten mit ,Hr^ signierten Beiträge ahnen lassen. — 348 H. Lehner So war denn durch diese Schöpfung Hettners die westdentsche Archäologie zusammengefasst^ längst bevor Beich oder Staat sich ihrer wirksam annahmen, and auf die starken Fasse gestellt, auf denen sie heute steht. Es war nur die natürliche Folge, dass diese Wissenschaft sich nun auf die grösste Aufgabe besann, die es in ihrem Bereich zu lösen gab, die einheitliche Erforschung des römischen Grenzwalls. Hettner war selbstverständlich der gegebene Mann, wenn man nach einem archäologischen Leiter des ganzen Unternehmens suchte, war er doch, nicht zum geringsten Teil eben durch die Verbindungen, die ihm die westdeutsche Zeitschrift eingebracht hatte, nicht nur mit den Dingen, um die es sich handelte, vertraut, sondern auch vor allem mit den Persönlichkeiten, die heranzuziehen, den Verhältnissen, die zu berfick- sichtigen waren, aufs genaueste bekannt. Aber es kostete schwere Kämpfe, bis Hettner sich entschloss, die angebotene Leitung zu Qber- nehmen. Es mögen manche persönlichen Bedenken mitgespielt haben. Der Entschluss, sich einer vielköpfigen Kommission ein- und zum Teil unterzuordnen, mag für den Mann, der gewohnt war, stets die eigene Initiative als Richtschnur seines Handelns anzusehen, nicht leicht geworden sein; der Entschluss, die Leitung des Museums, seiner Lieblix^^chöpfung, an der er mit ganzem Herzen hing, fremden Händen anzuvertrauen, war ihm, der erst kurz vorher durch die Aufstellang im Neubau diesem Werk die langersehnte Krönung g^eben hatte und nun eben mit dem Abschluss des Kataloges der römischen Steindenkmäler beschäftigt war, gewiss recht schwer. Der Hauptgrund der anfänglichen Weigerung Hettners dürfte aber doch der gewesen sein, dass er befürchtete, durch die Übernahme der in ihrer Dauer gar nicht zu übersehenden Limesaufgabe die Vollendung seiner wichtigsten begonnenen Arbeiten, namentlich der Publikation der Igeler Säule und der Neu- magener Denkmäler, in ganz unsichere Feme^^rückt zu sehen. Mommsens Einfluss ist es, soweit wir wissen, zu danken, dass Hettner sich nicht länger der Einsicht verschloss, dass er der Sache das Opfer der Person bringen müsse. Und als er endlich eingewilligt hatte, da schrieb Mommsen an ihn das schöne Wort: „Sie sind eigentlich ein rechtes Glückskind, denn nach den grossen Trierer Aufgaben stehen Sie jetzt vor der grössten, die es in diesem Kreise überhaupt giebt, der rechte Mann am rechten Platz". — Es liegt mir nichts femer, als über Hettners Thätigkeit und Bedeutung in der Limeskommission ein Urteil abgeben zu wollen, denn da ihr Schwerpunkt, wie ich vermute, in seiner Teilnahme an den Felix Hettner. 349 Beratangen, an der Organisation liegt, so wäre ein Überblick über sie höchstens nach Einsicht des Aktenmaterials möglich. Immerhin wird man ermessen können, wie sehr es all der diplomatischen Grewandtheit and Geschmeidigkeit, all der mit Liebenswürdigkeit gepaarten Bestimmt- heit des Auftretens, die Hettner besass, bedurfte, um die den ver- schiedensten Berufskreisen, den verschiedensten Altersstufen und fünf verschiedenen Bundesstaaten angehörenden Mitarbeiter, die ihre Aufgabe ehrenamtlich verwalteten, zusammenzuhalten, ihnen ohne zuviel Ein- schränkung ihrer individuellen Anschauungen und Grepflogenheiten zu helfen und dabei doch die Autorität des leitenden Führers zu wahren, wenn es die Sache erforderte. Kaum hatten die Streckenkommissare auf der ganzen Linie ihre Arbeit im Dienste des Reichs angefangen, da begann das „Limesblatt" zu erscheinen, die erste Nummer wurde am 15. Dezember 1892 aus- gegeben. Selbst falls diese Veröffentlichung nicht der unmittelbaren oder einzigen Initiative Hettners entsprungen sein sollte, ist sie doch ihrer ganzen äusseren und inneren Anlage nach seine Schöpfung, denn sie wurde ganz nach dem Muster des Westdeutschen Korrespondenz- blattes eingerichtet und erschien vor allem auch unter Hettners Redaktion. Wie wertvoll für den fruchtbaren Fortgang der Arbeit es war, dass jeder Mitarbeiter sich selbst möglichst rasch zur Berichterstattung zwingen und so in sich selbst über die Probleme und die Möglichkeiten ihrer Lösung klar werden musste, dass er aber auch rasch und authentisch über die Resultate der Grabungen seiner näheren und ferneren Nachbarn unterrichtet wurde, das wird nur der ganz empfunden haben, der selbst mit an der Arbeit teilnahm. Vieles, was in dem Limesblatt erschien, hatte eben darum für die Sache selbst nur vor- übergehenden Wert; für den aber, der dem psychologischen Entwicklungs- gang eines grossen wissenschaftlichen Problems aus seinen ersten AnAngen durch Irrungen und Wirrungen hindurch bis zur allmäblichen Klärung nachzugehen liebt, wird gerade das Limesblatt eine wahre Fundgrube für seine Studien sein. Wie alles, was er anfasste, hat Hettner die grossen Limesarbeiten nicht Mos äusserlich geleitet, sondern die einzelnen Probleme, wie z. B. das des „Gräbchens", redlich innerlich miterlebt und durchgekämpft. Deutliche Spuren dieser inneren Kämpfe trägt sein „Bericht über die Erforschung des obergermanisch-rätischen Limes" 1895 (S. 7 ff), aber er gewährt auch gleichzeitig das erhebende Bild, wie der Leiter auf hoher Warte über den Parteien stand, wie er sorgMtig und mit voller 350 H. Lehner Unparteilichkeit die damals mit grosser Sch&rfe aafeinanderplatzen^en entgegengesetzten Meinungen za voller (reltang kommen Hess. Es kann kein Zweifel bestehen, dass diese offenherzige und ehrliche Formuliemng des Problems durch Hettner in jenem anf der Kölner Philologen- Versammlung gehaltenen Yortri^e viel dazu beigetragen hat, dass die Frage an den streitigen Strien immer wieder mit Eifer aufgegriffen und zu befriedigender Lösung geführt wurde. Es offenbart aber zweifellos einen seltenen Grad von Selbstbeherrschung und Weisheit, wenn man, wie damals Hettner, mitten im Streit der Meinungen steht und sich doch davor zu hüten vermag, dass der Blick getrübt, das Urteil befangen wird. Hettners spezieller Direktion waren die Ausgrabungen der Limes- kastelle unterstellt. Man hat es ihm verargt, dass er alle Kastelle aufisuchen und angraben Hess, statt eines oder zwei vollständig ans- zugraben. Wenn dieser Tadel sich darauf gründen sollte, dass die Kastelle alle sich mehr oder minder ähnlich sind, und also ein paar Beispiele für alle genügt hätten, so ist er sehr bequem post eventnm ausgesprochen, denn das konnte man unmöglich vorher sicher wissen, dafür waren die Untersuchungen vor den Reichsgrabungen vielfach zu lückenhaft und zu wenig zuverlässig. Aber Hettner hätte auch seine Aufgabe schlecht verstanden, wenn er sich damit begnügt hätte, die Riesenmittel, die ihm das Reich an die Hand gab, und den stolzen Stab von Arbeitskräften blos für das bescheidene Ziel zu verwenden, die Einrichtung eines Limeskastells bis ins Kleinste festzustellen. Er hat eben auch hier wieder den Blick aufs Ganze gerichtet, die grossen Aufgaben, die es hier zu lösen galt, die Erkenntnis der Dislocation der römischen Grenztruppen, der Topographie und Chronologie ihrer Quartiere und alle die damit zusammenhängenden historisch-geographischen Fragen in den Yordergrund gestellt, und ich möchte vermuten, dass die Nach- welt ihm darin Recht geben wird. Ebenso dürfte erst die Zukunft ganz gerecht urteilen können über die Publikationen der Limeskastelle. Das ist freilich keine fesselnde Leetüre, ich glaube nicht, dass es mehr als ein halbes Dutzend Menschen gibt, welche behaupten können, die siebzehn bisher erschienenen Lieferungen des Limeswerkes mit den darin veröffentlichten 41 Kastellen durchgelesen zu haben. Aber es ist ein Thesaurus, welcher mit entsagungsvollem Fleisse alles zusammenträgt, was über jedes einzelne Kastell sowohl durch frühere Forschungen als durch die Reichsgrabungen bekannt wurde, in wachem jedes Mänerchen, jeder Skulpturstein und Inschriftbrocken und jede Scherbe abgebildet Felix Hettner. 351 und beschrieben ist, die nar irgend von Bedeutung sein konnten. So ist dieses Werk, bei allen ermüdenden Wiederholungen im Einzelnen, ein Archiv für die Erkenntnis des römischen Milit&rwesens im Allgemeinen, für die Oeschichte und Kulturgeschichte (rermaniens und Raetiens im Besonderen, dessen Bedeutung erst erkannt werden wird, wenn seine reichen Sch&tze von kundiger Hand ausgeschöpft werden. — Wir haben versucht, Hettner als Museumsdirektor, als Gründer und Leiter der Westdeutschen Zeitschrift, als Dirigent der Reichs- limesgrabungen zu würdigen, es erübrigt noch, einen Blick zu werfen auf seine Bedeutung als Schriftsteller. Da ist es zunächst merkwürdig, dass er diejenige Seite der litterarischen Th&tigkeit, deren Notwendigkeit für unsere Wissenschaft er von allem Anfang an so klar erkannt hat, dass er sie, wie wir sahen, zur eigentlichen Devise für die Gründung der Westdeutschen Zeitschrift erhob, nftmlich die Abfassung „allgemeiner Abhandlungen *', selbst so selten geübt hat. Wir besitzen streng genommen nur eine einzige solche allgemeine Abhandlung ans seiner Feder, den Aufsatz „Zur Kultur von Germanien und Gallia Belgica*' im 2. Band der Westdeutschen Zeitschrift, eine meisterhafte Darstellung der znst&ndlichen Verhältnisse unserer Gegenden in der Römerzeit, welche zeigt, dass Hettner zu einer solchen Behandlung eines allgemeinen Themas befiüiigt war wie nur irgend einer. Man kann im Zweifel sein, ob man nicht auch den ergebnisreichen Aufsatz: „Römische Münzschatz- funde in den Rheinlanden ^ im 6. und 7. Band derselben Zeitschrift hierhin rechnen soll, der unsere Kenntnis des spätrömischen Münzwesens ganz ausserordentlich bereichert; Thatsache ist jedenfalls, dass der Yerfassar ihn selbst nicht dazu gerechnet hat. Sein Beitrag zur Fest- schrift für Overbeck 1893 „Zur rtoiischen Keramik in Gallien und Grermanien^ ist eine zwar sehr wertvolle, aber zu kurze und auf einen zu engen Komplex von Erscheinungen beschränkte Studie, als dass sie den allgemeinen Abhandlungen im Sinne Hettners einzureihen wäre. Um die den „Drei Tempelbezirken im Trevererlande" 1901 anzu- hängende allgemeine Abhandlung, für welche Hettner rastlos Material gesammelt hatte, hat uns sein früher Tod betrogen wie um so vieles andere. Es fehlte ihm eben leider an der nötigen äusseren Ruhe und infolgedessen an der Möglichkeit der inneren Sammlung, rastlos von Aufgabe zu Aufgabe gehetzt fand er nicht die Müsse, in stiller Studier- stube die allgemeinen Gesichtspunkte, die er nie aus den Augen verlor, zur plastischen Gestaltung ausreifen zu lassen. Der Schwerpunkt seiner litterarischen Thätigkeit liegt vielmehr einmal in kleineren scharfsinnigen 362 H. Lehner Untersnchimgen, wie die Ober die Bonner Wandmalereien (B. J. 62. 1878), „Jappiters&ulen^ (W. Z.IY. 1886), „Zu den römischen AltertOmem von Trier und Umgegend^ (W.Z.X. 1891) n. s. w., besonders aber in der meisterhaft klaren und anschaulichen Darlegung der thats&chüchen Forschungsergebnisse. Auf dem Gebiet der Berichterstattung und der Katalogisierung finden sich daher die Glanzleistungen Hettners als Schriftsteller. Unübertreffliche Muster von Berichterstattung sind seine jährlichen zusammenfassenden Berichte über die Th&tigkeit der Reichs- limeskommission im Archäologischen Anzeiger seit 1892, der schon oben genannte Bericht über die Limesgrabungen auf der Kölner Philologen- versammlung 1896, die museographischen Berichte in der Westdeutschen Zeitschrift und im Archäologischen Anzeiger, von seinen vielen Aus- grabungsbeschreibungen und Fundberichten, die im Einzelnen unten in der Obersicht aufgezählt sind, hier ganz zu schweigen. £ine Meisterleistung vollends, wie den Katalog der römischen Steindenkmäler des Provinzialmuseums in Trier (1893) macht ihm sobald Keiner nach, diese Knappheit und Klarheit der Beschreibung, diese Schärfe der Interpretation sind klassisch. Dieser Katalog gehört denn auch für alle Mitforscher längst zum eisernen Bestand der un- entbehrlichen Hilfsmittel für ihre Arbeiten. Und als eine ebenbürtige Meisterleistung darf man neben ihm getrost den neuen illustrierten Führer durch das Trierer Provinzialmuseum nennen, der zum ersten Mal die reichen Schätze des Trierer Museums voll erschliesst und strengste Wissenschaftlichkeit mit glänzender allgemeinverständlicher Darstellung in unübertrefflicher Weise verbindet. Eine nicht geringe Anzahl der unten verzeichneten kleinen Schriften Hettners sind Be- sprechungen und Anzeigen litterarischer Neuerscheinungen. Selten holte er zu einer längeren Rezension aus, meist sind es knappe Inhalts- angaben, die mit seiner Thätigkeit als Redakteur zusammenhängen, aber fast immer enthalten sie auch eine selbstständige fruchtbare Anregung Hettners, so dass auch sie in der Aufzählung seiner Arbeiten nicht fehlen durften. Er lobte in seinen Besprechungen gern und rückhaltlos, wo er aber zu tadeln hatte, da that er es in der vornehm massvollen Form, die den Grundzug seines Wesens bildete. Nie liess er sich in der Polemik zu Masslosigkeiten hinreissen, auch liebte er es nicht, sich in der Kontroverse zu weit zu exponieren; nicht als ob ihm der Mut der Überzeugung gefehlt hätte, aber er blieb sich eben stets bewusst, wie sehr man der Sache schaden kann, der man nützen will, wenn man sie rücksichtslos durchzukämpfen unternimmt. Felix Hettner. 353 Nicht nur durch das geschriebene, auch durch das gesprochene Wort hat Hettner gewirkt. Ein wie gl&nzender geistreicher Gesell- schafter, ein wie witziger und schlagfertiger Debattierer er war, so war er doch kein geborener öffentlicher Redner; das Wort floss ihm in öffentlicher Eede nicht leicht und mühelos von der Lippe, seine Yortrilge waren sorg<ig und in langer mühsamer Arbeit vorbereitet, gründliche Abhandlungen, keine unmittelbaren Eingebungen, nicht hinreissend, aber zuverlässig. Es war mir oft interessant zu beobachten, wie die Gymnasiallehrer bei den Pfingstferienkursen bei seinen Erklärungen der Thermen oder des Eaiserpalastes, der Igler Säule oder des Nenniger Mosaiks erst ganz allmählich erwärmt wurden, weil Hettner sie zwang, gleichsam erst den ganzen Forschungsprozess nochmals mit ihm durch- zuerleben, weil er sie erst in minutiös kleine, belanglos scheinende Einzelbeobachtungen einzuführen liebte, die sie für ihre Zwecke un- wichtig hielten. Dann freilich, wenn er ihnen zeigte, wie sich nun auf der peinlichsten Beobachtung scheinbar zu^liger Kleinigkeiten auf einmal die Erkenntnis des Ganzen aufbaut, da ging es wie ein Auf- atbmen des Verständnisses durch die Versammlung, dann wurden die Zuhörer für die vorher gehabte Mühe reichlich belohnt. — Ein reicher durchgebildeter Geist, ein vornehmer offener fester Charakter, so steht Felix Hettner in der Erinnerung Aller da, die ihn gekannt haben; so vergegenwärtigt ihn uns auch das Bildnis, welches diesem Hefte beigegeben ist. Aber wer ihn näher kannte, wird in diesem ernsten Bilde auch den Zug der Herzensgüte, des tiefen Ge- fühlslebens nicht vermissen, der den Dahingeschiedenen ausgezeichnet hat. Was er in dieser Hinsicht den Näher- und Nächststehenden war, das gehört nicht vor die Öffentlichkeit, aber ganz darf es nicht ver- schwiegen werden, wo es seine öffentliche Thätigkeit berührte. Wer die glänzende Reihe von Hettners Schriften in dem nachstehenden chronologisch geordneten Verzeichnis überblickt, wo jedes Jahr entweder eine grössere Arbeit oder eine Menge kleinerer Publikationen aufweist, dem wird der auffallend geringe Ertrag der Jahre 1896/7 nicht ent- gehen. Man kann diese Erscheinung nur dann ganz verstehen, wenn man weiss, dass um die Mitte des Jahres 1896 auf dieses von seltenem äusserem und innerem Glück begünstigte Leben ein Schicksalsschlag mederfnhr, so hart und schwer, dass der willensstarke Mann ganz ge- brochen lange Zeit bedurfte, bis er Gleichgewicht und Schaffensfreude wiedergewann: der Vater stand am Grabe seines heissgeliebten Töchterchens. So sicher es ist, dass der furchtbare Schmerz über 354 ' H. Lehner diesen Schicksabschlag seine eigene litterarische Produktion zunächst lahmte, so soll damit natürlich nicht gesagt sein, dass er sich diesem Schmerze in dumpfer Unth&tigkeit überliess; dass er vielmehr in rast- loser Arbeit Trost suchte, dafür ist der beste Beweis, dass in jener selben Zeit nicht weniger als 15 Kastellpublikationen unter seiner Redaktion im Limeswerk (Lieferung lY — Ym) erschienen. Aber die ihm eigene Freude am Leben und damit an eigener schriftstellerischer Th&tigkeit gewann er doch erst wieder im Jahr 1898, wo er sein Museum wieder übernahm, wo er sein kleines Königreich wieder be- herrschte und nun wieder ganz nach seinem Herzen schalten und walt^ durfte. Die traulieh engen, patriarchalisch abgeschlossenen Yerh&Hnisse in Trier, die ihn nach einundzwanzigjAbriger Grewohnheit anheimelten, hielten ihn fest, und man wird seinem Gemüt einen entscheidenden Einfluss einräumen müssen bei dem Entschluss, auf Angebote äusserlich glänzenderer Stellungen zu verzichten. — Und nun hören wir ihn denn zum Schlüsse nochmals selbst vedenj hören wir noch einmal die Worte, mit denen Hettner s^ne mehrfach angeführte Festrede zur Säcularfeier der Gesellschaft für nützliche Forschungen schliesst: „Ein wie viel glücklicherer Jubilar ist eine Gesellschaft als ein einzelnes Individuum. Einen Menschen, der ein hohes Alter erreicht, umstehen die Yerwandten mit banger Sorge. Eine Gesellschaft, die hundert Jahre durchlebt hat, trotz des Zusammensturzes von Staaten und Organisationen, birgt in sich den Kern für das Bestehen auf weitere Jahrhunderte. Der Mensch, der zurücksieht auf ein langes Leben, wie vieles wird er wünschen anders gethan zu haben, aber er kann nichts mehr ändern. Wir aber können aus der Geschichte unserer Gesellschaft lernen: Zielbewusstheit der Arbeit und Zusammen- arbeiten^. — Das Glück, welches hiemach ihm selbst ein zweifelhaftes dünkte, ein greiser Jubilar zu werden, war ihm nicht beschieden. In der Blüte seiner Jahre und in der Yollkraft seines Schaffens feierte er noch am 1. Juli 1902 sein silbernes Direktorjubiläum, uugubelt und sinnig geehrt von seinen zahlreichen Freunden und dankbaren Yerehrern in Trier, be- glückwünscht von Kollegen und Mitarbeitern aus allen Gegenden Deutsch- lands und darüber hinaus. Aber ihm, dem rastlos Yorwärtsstünnenden, lag nichts ferner als ein leidiger Büekblick auf Geleistetes oder Yersäumtes, noch am letzten Tag seines Lebens, am 11. Oktober, arbeitete er mit eisernem Fleiss an seiner Jubiläumsgabe für das Provinzialmuseum, an Felix Hettner. 355 dem iUustrierten Führer, noch am selben Abend beteiligte er sich eifrig im Verein für Volksbildung in Trier an der Debatte über das Winter- programm, — und dann nahm ihn ein sanfter Tod, den er nicht kommen sah, hinweg ans einem reichen and schönen lieben. — Ein „rechtes Glückskind'' hatte ihn Mommsen genannt, und ist es nicht auch ein Glück besonderer Art für den Heimgegangenen, so zn sterben, dass wir Zurückbleibenden uns sagen müssen, er war noch lange nicht fertig, er hatte uns noch lange nicht alles gegeben, was wir von ihm erhoffen durften!? Das beste freilich, was er geben konnte, hat er uns ganz und restlos gegeben: das weithinleuchtende Beispiel; auch wir können von ihm lernen: „Zielbewusstheit der Arbeit und Zusammenarbeiten^. — Verzeichnis der VeröfTentlidiungen Felix Hettners. (Die j&hrliche Museographie in der Wettd. Zeitschr. ist als selbstverständlich weggelassen). i87e. Katalog des königlichen rheinischen Museums vaterländischer Altertümer bei der Universität Bonn. 1877. De Jove Dolicheno. Doktordissertation. 1878. Erwerbungen des Provinsialmuseums in Trier vom 1. 6. bis 31. 12. 1877 im Jahresbericht der Gesellschaft för nützliche Forschungen 1874—77 (1878). S. 57. Eine gemalte römische Wand in Bonn. B(onner)J(ahrbücher). Heft 62. 1878. S. 64. Fundbericbt über Oberweis, ebenda. 8. 185. Übergabe der Sammlung St. Wendel. B. J. 63. 1878. S. 189. Ausgrabungen römischer Altertümer im Regierungsbezirk Trier. B. J. 64. 1878. S. 100. Römische Monumente aus Neumagen. Picks Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands. IV. 1878. S. 530. 1870. Amortorso, gefunden in Trier. B. J. 66. 1879. S. 80. 1880. Das römische Trier. Picks Monatsschrift. VI. 1880. S. 843. Bericht über die im Regierungsbezirk Trier in den Jahren 1879 und 1880 aufgefundenen Altertümer. B. J. 69. 1880. S. 7. Westd. Zeitschr. f. Gesch. a. Kunst. XXI, IV. 25 356 H. Lehner 1881. Führer durch das Provinzialmaseam in Trier. Die Neumagener Monumente. Rhein. Museum für Philologie. XXXVI. S. 436. Römische Falschmünzerformen, gef. in Trier. B. J. 70. 1881. 8. 18. Römisches Orabmonument bei Born an der Sauer. Picks Monatsschrift. VII. S. 1. 1882. Die römischen Thermen in St. Barbara bei Trier. Westd. Zeitschrift. I. S.69. Resension von Qrimm, der römische Brückenkopf in Gastel bei Mains und die dortige Römerbrücke. Wd. Z. I. S. 386. Drei römische VilleS bei Leutersdorf, Mechem und Beckingen in Jahresber. d. G. f. n. F. 1878—81 (1882). S. 52. Das römische Grabmonument gegenüber von Born, ebenda S. 63. Fränkische Grabst&tten bei Pakem a. M. und bei Beuren, ebenda S. 64. Zur Mertener S&ule Wd. Korrbl. I. 60. Aufruf zur Museographie ebenda 61. Grabstein in Mainz ebenda 108. Römische Ringe mit ,,Fidem Gonstantino*', ebenda 109. Trierer Münzfund ebenda 110. Baebiusstein ebenda 111. Jülicher Ringfund ebenda 113. Funde aus Lautenbach ebenda 135. Grabfeld Maar-Paulin ebenda 137. 165. Funde von Asberg ebenda 141. Funde aus Trier ebenda 222. Anzeige von Lindenschmit, Altert, u. heidn. Vorzeit, ebenda 67. „ „ CIL. VIII ebenda 68. „ „ Wiener arch. epigr. Mitteilungen ebenda 100. „ „ Ephemeris epigraphica IV. ebenda 152. „ „ Katalog des Museums von Mainz eben 216. 1888. Führer durch das Provinzialmuseum in Trier. 2. Auflage. Zur Kultur von Germanien und Gallia Belgica. Wd. Z. II. S. 1. Zu römischen Inschriften aus Roermond, Aachen, Mainz und Worms, ebendaS.427. Ringe mit „Fidem Gonstantino", Wd. Korrbl. II. 21. Zu Bonner Inschriften, ebenda 8. Die Wormser Gesichtskrüge, ebenda 83. Funde bei Wasserbillig, ebenda 44. Inschrift aus Roermund, ebenda 50. Mainzer Inschrift, ebenda 67. Mosaik in Trier, ebenda 90. Zu den Trierer Inschriften, ebenda 104, 124. Der Stein wall bei Otzenhausen, ebenda 149. Marmorstatue in Trier, ebenda 197. Zur röm. Villa bei Sigmaringen, ebenda 210. Anzeige von Springers Kunsthandbucfa, ebenda 31. „ „ Mehlis, Studien z. ältesten Gesch. der Rheinl., ebenda 62, Felix Hettner. 357 Ameige von Die Grossfa. bad. Altert-Samml. in Karlsruhe, Bronzen, ebenda 110. „ „ Lindenschmit, Vorzeit, ebenda 177. „ „ Muniery Die Palftographie, ebenda 209. „ „ Reusch, Die r5m. Altertümer im Maseam Altkirch., ebenda 226. 1884. Juppiter mit dem Rad. Wd. Z. III. S. 27. Der Fand im Qrabe des hl. Paulinus, ebenda S. 30. Ein Soldatengrabstein aus Andernach, Wd. Korrbl. III. 142. Ringe mit „Fidem Gonstantino", ebenda 39. Zum Mainzer Militärdiplom, ebenda 84. Ausgrabongen in Nenmagen, ebenda 99. Rom. Inschrift aus Trier, ebenda 137. Monnus-Mosaik in Trier, ebenda 153. Anzeige von Jännicke, Deutsches Steinzeug im Mettlacher Museum, ebenda 127. „ „ Mehlis, Stadien, ebenda 128. „ „ Mehlis, die Heideisburg bei Waldfischbach und ihre Denkmäler, ebenda 141. 1885. Juppiters&ulen. Wd. Z. lY. S. 365. Zur Befestigung und den Steinmonumeqten von Waldfischbach, ebenda S. 364. Aasgrabungen in Neumagen. Wd. Korrbl. lY. 99. Rom. Inschrift aus Seegraben, ebenda 115. Bericht über die XYI. Anthropologenversammlung in Karlsruhe, ebenda 122. Römische Steinmonumente aus Jünkerrath, ebenda 134. Statue eines sitzenden Juppiter, ebenda 146. Rom. Münzfund bei Drohn, ebenda 147. Anzeige von Hang, Der rdm. Grenzwall in Deutschland, ebenda 39. I» » Haupt, n n n n n n 39. „ „ Weckerling, Die römische Abteilung des Paulus -Museums in Worms, ebenda 54. 1888. Die Erbauungszeit des Deutzer Gastrams. Wd. Korrbl. Y. 129. Nochmals Gastell Deutz und die Brücke. Wd. Z. Y. S. 244. Zur Befestigung und den Steinmonumenten von Waldfischbach, ebenda S. 201. Ausgrabungen in Nenmagen. Wd. Korrbl. Y. 80. Tischlers Gliederung der La T^nezeit, ebenda 23. Römische Befestigung in Jünkerrath, ebenda 108, 184. Christliches Gräberfeld in St Mathias, ebenda 52, 140. Anzeige von Donner von Richter und Riese, Heddemheimer Ausgrabungen, ebenda 15. Anzeige von Etudes arch^ologiques^etc. d^di^es ä Leemans, ebenda 16. „ „ von Yeith, das römische Köln, ebenda 54. „ „ Die Ausgrabungen des hist.Yereins der Pfalz, ebenda 144. 1887. Römische Münzschatzfunde in den Rheinlanden. Wd. Z. YI. S. 119. Rom. Quellfassung in Tönnisstein, Wd. Korrbl. YI. 9. 25* 358 H. Lehner Becherchen ans Herrengrund, ebenda 111. Zu den Juppitersäulen, ebenda 159. Römisches Qebftude in Trier, ebenda 120. Römisches Bad und Fortuna in Pölicb, ebenda 146. Römische Funde in Trier, ebenda 147. Anzeige von Siebourg, de Sulevis, Gampestribus, Fatis, ebenda 29. „ „ Fellenberg, Das Grabfeld bei Elisried, ebenda 30. „ „ Portheim, Über den dekorativen Stil in der altchristl. Kunst, ebenda 82. „ „ Tischler, Kurzer Abriss der Gesch. des Emails, ebenda 33. „ „V. Duhn, Verzeichnis der Abgüsse in Heidelberg, ebenda 43. „ „ Schiller, Gesch. der röm. Kaiserseit, ebenda 46. „ „ Babelon, Monnaies consulaires, ebenda 47. „ „ Wieser, Das langobard. F&rstengrab etc., ebenda 70. „ „ Cohen, Mödailles imperiales, ebenda 72. „ „ Weckerling, Die röm. Abteilung des Paulusmuseums in Worms H ebenda 86. „ » K. Bissinger, Funde römischer Münzen, ebenda 122. „ „ Körber, Römische Münzen d. Mainzer Gentralmuseums, ebenda 123. „ „ Ruelle, Bibliographie g^n^rale des Gaules, ebenda 129. „ „ Festgabe der Generalversammlung der Gesch.-Yereine Mainz 1887, ebenda 152. „ y, Winnefeld, Vasensammlung in Karlsruhe, ebenda 175. r, n Vorgeschichtliche Altertümer der Provinz Sachsen, ebenda 176. „ „ Forrer, Verbreitung der Pfahlbauten in Europa, ebenda 177. „ „ Fr. Schneider, Das Parzenbild zu Rüdenau, ebenda 189. „ „ Dewitz, die Extemsteine, ebenda 192. „ „ Zangemeister, Th. Mommsen als Schriftsteller, ebenda 193. Erwiderung auf Düntzer „Köln''. B J. 83. 1887. S. 226. 1688. Römische Münzschatzfunde in den Rheinlanden. Wd. Z. VII S. 117. Römische Mosaiken aus Trier und dessen Umgegend, aus dem Nachlass von von Wilmowsky, Vorwort und Anmerkungen von H. Ausgrabungen bei Mehren, Trier. Ztg. 1888 Nr. 279. Oculistenstempel aus Bitburg, Wd. Korrbl. VIT. 40. Röm. Inschriften aus Köln, ebenda 81. Röm. Felsendenkmal bei Schweinschied, ebenda 94. Zu den Trierer Inschriften, ebenda 108, 126. Bonner römische Inschriften, ebenda 78. Christliche Inschriften aus Trier, ebenda 118. Römische Inschrift aus Trier (L. Caesar), ebenda 119. Nachruf auf F. Möller, ebenda 131. Anzeige von Li^nard, Archäologie de la Meuse, ebenda 15. „ „ ilarster, Katalog des Museums in Speier, ebenda 26. „ » ▼. Wilmowsky, röm. Mosaiken, ebenda 68. „ „ Dahm, Die Hermannsschlacht, ebenda 180. Felix Hettner. 359 Anzeige von Gehäusen, Antiquarisch -technischer Führer durch das Museum Wiesbaden, ebenda 122. n „ Bissinger, Fände römischer M&nzen, ebenda 100. 1889. Bericht über die westdeutschen Sammlungen. Archaeol. Anzeiger. IV. S. 178. Bonner römische Inschriften. Wd. Korrbl. VIII. 141. Römisches Bronzepostament aus Nittel, ebenda 49. Einweihung des Trierer Provinzialmuseums, ebenda 97. Mosaik in Oberweningen, ebenda 100. Zur Juppitersäole aus Schierstein, ebenda 118. Römischer Münzschatzfund aus Metz, ebenda 138. Anzeige von Mehlis, Studien etc., ebenda 7. „ . „ Bissinger, Funde römischer Münzen, ebenda 92. „ „ Terwelp, Beiträge zur Geschichte der Stadt Andernach, ebenda 10. „ „ Gagnat, Gours dVpigraphie, ebenda 94. „ „ Lindenschmit, Gentralmuseum, ebenda 144. „ , Wolf, Gasten Alteburg bei Köln, ebenda 146. „ „ Hofmann, Die Bagaudens&ule von Merten, ebenda 146. 1890. Das Mosaik des Monnus in Antike Denkmäler des arch. Instituts 1. Taf. 47—49 mit Text. Der Cameo auf dem Deckel der Trierer Adahandschrift in: Die Trierer Adahandschrift, bearbeitet und herausgegeben von Menzel, Gorner, Janitschek, Schnütgen, Hettner, Lamprecht Bericht über die westdeutschen Sammlungen. Arch. Anz. V. S. 148. Zu den Trierer Inschriften. Wd. Korrbl. IX. 153, 164. Aus Hetzrods Nachlass, ebenda 10 — 16, 25—27. Zu den Juppitersäulen, ebenda 68. Christliche Inschriften in Trier, ebenda 49. Römische Grabinschrift von Greimerath, ebenda 67. La Tänegräber bei Besseringen, ebenda 99. Römische Inschrift aus Bitburg, ebenda 145. Anzeige von Tröltscb, Altertümer aus unserer Heimat, ebenda 20. „ „ Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit, ebenda 53. „ p Bilder aus dem K. Kunst- und Altertnmskabinet Stuttgart, ebenda 68. „ „ Wolfram, Die Reiterstatnette Karls des Grossen, ebenda 79. „ „ Hofmann, Der Steinsaal des Altertumsmuseums zu Metz, ebenda 101. „ „ Baumann, Römische Denksteine etc. in Mannheim, ebenda 103. „ „ Miller, Reste aus römischer Zeit. Karte der römischen Strassen in Oberschwaben, ebenda 104. 1891. Zu den römischen Altertümern von Trier und Umgegend. Wd. Z. X. 209. Ehranger Reiter und Giganten und Viergötterstein. Wd. Korrbl. X. 26. Icovellaunainschrift aus Trier, ebenda 64. Römische und merovingische Skelettgräbor bei £hrang, ebenda 70, 71. 360 H. Lehner Anzeige von S. Reintch, Antiquit^ nationales, ebenda 31. I n n n Mus^e St. Gormain, ebenda 32. „ „ Bissinger, Bilder aus der Urgeschichte des Badischen Landes, ! ebenda 97. 1892. Bericht über die westdeutschen Sammlangen. Arch. Anz VIL S. 56. I Bericht über die Thätigkeit der Reicbslimeskommission, ebenda S. 147. Römische Anlage auf dem Erzberg bei Hermeskeil. Wd. Korrbl. XL 2. Römische Tempelanlage bei Gasenburg, ebenda 23. Die jüngsten Ausgrabungen im Amphitheater und die römische Stadtmauer von Trier, ebenda 24. 1893. Die römischen Steindenkm&ler des Provinzialmuseums zu Trier mit Ausschluss der Neumagener Monumente. Zur römischen Keramik in Gallien und Germanien in der Festschrift fiir Overbeck S 171 ff. Römisches Bassin mit üermengeländer in Welschbillig. Wd. Z. XII. S. 18. Beriebt über die Thätigkeit des Reichslimeskommission. Arch. Anz. YIII. S. 169. Anzeige von Nestle, Funde antiker Münzen in Württemberg. Wd. Korrbl. XII. 71 „ „ G. Wolff, Die römischen Ziegeleien von Nied bei Höchst, ebenda 72. 1894. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission. Arch. Anz. IX. S. 152. Münzfund aus Trier. Wd. Korrbl. XIII. 70. Ausgrabung des Kastells Rendelstein bei Oehringen. Limesblatt 12, 95. Anzeige von Ohlenschlager, Die Flurnamen der Pfalz. Wd. Korrbl. XIII. 2. „ „ G. A. Müller, Die Reitergruppe auf den römisch -germanischen Gigantensäulen, ebendtf 8. „ „ Fundberichte aus Schwaben, ebenda 48. „ „ Folnesics, Antiker Goldschmuck, ebenda 49 1895. Bericht über die Erforschung des obergermanisch -rätischen Limes. Vortrag auf der Kölner Pbilologenversammlung. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission. Arch. Anz. X. S. 1%. Römische Inschrift aus Speicher. Wd. Korrbl. XIV. 46. Anzeige von Cumont, textes et monuments — de Mithra, ebenda 15. 1896. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission. Arch. Ans. XI. S. 175. 1897. Der römische Limes im Orient. Wd. Korrbl. XVI. 13. Römisches Mosaik in Susa, ebenda 12. 1898. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission. Arch. Anz. XIII. S. 1 ff. Rezension von Jacobi, Das Römerkastell Saalburg. Wd. Z. XVII. 8. 340. Anzeige von Mitteilungen über römische Funde in Heddemheim. Wd. Korrbl. XVII. 86. Anzeige von Willers, römische Silberbarren, ebenda 87. Felix Hettner. 361 1899. Über die vorgescbichtlichen Funde im Kreise Merzig und dessen nächster Umgebung in Jabresber. d. Ges. f. n. F. (1894—1899). S. 24. Der Anscbluss der römischen Stadtmauer an den Ostturm der Porta nigra, ebenda S. 95. Bericht über die westdeutschen Altertumssammlungen. Arch. Anz. XIV. S. 16. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission, ebenda S. 77. Munzschatzfund aus Trier. Wd. Eorrbl. XVIII. 31. Ausgrabungen am Trierer Dom, ebenda 84. Anzeige von Willers, röm. Silberbarren, ebenda 88. „ „ Tewes, Die Steingräber der Provinz Hannover, ebenda 14. „ „ Schumacher, Zur praehistorischen Archäologie Södwestdeutsch- lands, ebenda 86. „ „ Steinmetz, Römisches Grabmonument aus Regensburg, ebenda 87. „ „ Hoffmann, Gymnasium und Museum, ebenda 90. „ „ Fundberichte aus Schwaben, ebenda 101. „ „ Nissen-Eoenen, Urmitzer Ausgrabungen, ebenda 110. 9 „ Forrer, Heidenmauer von St. Odilien, ebenda 111. 1900. Bericht über die westdeutschen Altertumssammlungen. Arch. Anz. XV. S.2ö. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission, ebenda S. 79. Anzeige von Veröffentlichungen der Sammlungen pp. in Karlsruhe. Wd. Korrbl. XIX. 20. Anzeige von Der römische Ldmes in Österreich, ebenda 54. „ „ Lindenschmit, Heidnische Vorzeit IV 12, ebenda 93. 1901. Drei Tempelbezirke im Trevererlande, Festschrift, F. Lintz, mit 14 Tafeln. Festrede zum 100jährigen Bestehen der Gesellsch. f. n. F. in: Die Saecular- feier der G. f. n. F. zu Trier. Selbstverlag der G. S. Xff. Aufdeckung und Wiederherstellung der altchristlichen Grabkammem in St. Mathias. B. J. 106. S. 184. Die Grabkammern von St. Mathias. Wd. Z. XX. S. 99. Bericht über die Thätigkeit der Reichslimeskommission. Arch. Anz. XVI. S. 81. Münzschatzfund von St. Wendel. Wd. Korrbl. XX. 75. Anzeige von Haug-Sizt, Die römischen Inschriften und Bildwerke Württembergs, ebenda 96. 1902. Römisches aus der Eifel in: Sonderheft der Rheinlande, die Eifel in der Kunst. 1902. S. 7 ff. (Villa in Welschbillig.) Die Kastellausgrabungen der Reichslimeskommission, in der Frankf. Zeitung 20. Sept. 1902. Nr. 26 t. Funde bei der Kanalisation in Trier. Wd. Korrbl. XXI. 41. Frühbronzezeitlicher Fund aus Trassem^ ebenda 64. Illustrierter Führer durch das Provinzialmuseum in Trier, F. Lintz (1903). 362 E. Hintze Eine Geschichte der Kölner Malerschule. Von Dr. Erwin Hintse in Breslaa. Nach langjährigen Vorbereitungen liegt ein V\rerk vollendet vor uns, dessen Erscheinen von vielen Seiten b^rOsst werden wird: Die Geschichte der Kölner Malerschule, im Auftrage der Gesellschaft fftr rheinische Geschichtskunde herausgegeben in Form eines Tafelwerkes mit 131 Lichtdrucktafeln und erläuterndem Text von Ludwig Scheibler und Carl Aldenhoven [Lübeck 1902, Verlag von Job. Nöhring]. Der erste flflcbtige Blick auf das Werk erklärt die Länge der Arbeitsdaaer. Mit peinlichster Sorgfalt und unverdrossenem Fleisse ist ein weitver- streutes Material zusammengetragen. Selbst jene unbedeutenden Schnl- bilder, die in einsamen Kirchen und in Privatsammlungen ein wenig beachtetes Dasein fristen, haben in dem historischen Ganzen ihre Ein- ordnung gefunden. Zum ersten Male ist von der gesamten Geschichte der Kölner Malerei auf der Basis eingehender Detailforschungen ein zusammenhängendes Bild entworfen. Vorarbeiten haben allerdings in bedeutendem Umfange zur Verfügung gestanden. Keine deutsche Maler- schule hat so viele Gelehrte und Kunstfreunde angezogen wie die kölnische. Fast ununterbrochen ist seit den Tagen der Romantiker die Kölner Malerei ein Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ge- blieben. Bald haben Meister-, bald Stilfragen im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Wer sich einen Begriff von der Ausdehnung der bereits vorhandenen einschlägigen Litteratur bilden will, braucht nur die Anmerkungen zu durchblättern, die dem erläuternden Texte bei- gegeben sind. Die Meisterfrage musste besonders reizvoll erscheinen. Viele hunderte von Bildern sah man vor sich, von den meisten wusste oder ahnte man, dass sie in Köln entstanden waren, und doch vermochte man zunächst keinem einzigen einen sicheren Automamen zu geben. Ja noch heute erscheint die mühevolle Arbeit, für welche vor allem Scheibler die Bahn gebrochen hat, nur von massigem Erfolge gekrönt Sieht man ab von jenen Meistern nach Barthel Bruyn, so kann eigent- lich nur Stephan Lochner für eine bestimmte Bildergruppe als sicher fixiert gelten. Die ganze Meister Wilhelm-Frage ist noch sehr strittig. Aldenhoven bringt die ersten Malereien der kölnischen Frührenaissance mit einem Meister Wilhelm in Verbindung, den die Limburger Chronik vom Jahre 1380 „nach dem Urteil der Meister'' als den besten Maler in allen deutschen Landen preist, und der möglicherweise identisch ist Eine Geschichte der Kölner Malerscbule. 363 mit jenem Magister Wilhelmos, der 1370 die Miniatur im Eidbuch malte und 1377 gestorben ist. Firmenich-Richartz dagegen sachte vor einigen Jahren den Nachweis zu führen, dass jener geniale Stilneuerer Hermann Wynrich von Wesel gewesen ist. Sehr verdienstlich ist es von Aldenhoven, dass er aufgrund eingehender Quellenstudien für die Meister der Bildergruppen von 1460 bis 1Ö20 Namen in Vorschlag bringt. So wird mit dem Meister der Glorifikation ein Goedart Butgyn von Aachen in Verbindung gebracht. Für den Meister der G^rgs- l^ende hat Aldenhoven einen Johann van Stockem gefunden. Den Meister des Marienlebens möchte er Johann van Düren, den Meister der heiligen Sippe Heinrich von Aachen, den Meister vom Tode Mari& Joofl van der Beeken (=- Joos van Cleef) nennen. Ob solche Gom- binationen, die jedenfalls, wie die beigegebenen Begründungen zeigen, etwas für sich haben, sich späterhin werden rechtfertigen lassen, vermag ich nicht zu entscheiden. Vielleicht erhellt einmal ein glücklicher Zufall das Dunkel, in das bis jetzt die Meistemamen gehüllt sind. Zu sichereren Schlüssen führten die stilistischen Erörterungen. Bei dem Umfange des verfügbaren Materials gelang es dem Verfasser des Textes, ein abgeschlossenes Bild der Entwicklung einzelner Persön- lichkeiten, sowie ganzer Zeitläufe zu entwerfen. Der Folgezeit dürften wohl nur unbedeutende Ergänzungen und Berichtigungen vorbehalten sein. Erfreulich ist, dass neben den rein kunsthistorischen Fragen auch die niederrheinische Kulturgeschichte eingehende Beachtung gefunden hat. Da jeder Eunststil nur der Ausdruck des allgemeinen Geistes- lebens einer Zeit ist, da das Volk in seinen tieferen seelischen Forde- rungen und Regungen die Kunst formt und bestimmt, so ist für das richtige Verständnis und die gerechte Würdigung älterer Kunstwerke die Betrachtung der kulturellen, religiösen und sozialpolitischen Ver- gangenheit unerlässlich. Einen interessanten Einblick in die alten Malerwerkstätten gewähren einige Abschnitte, die uns in kurzen Zügen die Gebräuche der Kölner Schilderzunft vorführen. Dem Texte zur Seite steht ein stattliches Tafelwerk, das in vier Lieferungen eingeteilt die hauptsächlichsten Leistungen der Kölner Malerschule wiedergibt. Der mittelalterlichen Zeit sind mit Recht nur wenige Tafeln gewidmet; eine erschöpfende bildliche Darstellung der- selben würde allein eine umfangreiche Publikation beanspruchen. Von 1370 ab sind dann alle Epochen bis zum Absterben der heimatlichen liehen Kunst in ihren Hauptwerken glänzend und ausreichend vertreten. Als Reproduktionsmittel wurde der Glanzlichtdruck gewählt. Heute 364 £• Hintze gilt allerdings diese Technik als veraltet and unmodern; doch hätte man in dem vorli^enden Falle keine bessere Entscheidung treffen können. Gerade in den Bildern, die für die Publikation in erster Linie in Betracht kamen, liegt ein wesentlicher Reiz in der Combination einer scharf ausgeprägten Zeichnung und einer festen Farbengebung. Der stets etwas hart wirkende Glanzlichtdruck vermag nun in hohem Grade diesem malerischen Charakter nahezukommen. Die Photographie übertrifft der Lichtdruck an Solidit&t und Dauerhaftigkeit. Ein weiterer Vorzug dieses Verfahrens ist die Möglichkeit, die Reproduktionen zu einem aussergewöhnlich wohlfeilen Preise — unaufgezogene Blätter sind für 75 Pfennig erhältlich — den weitesten Kreisen zugänglich zu machen. Denn was nützen alle die teueren Prachtwerke, die nur gut dotierten Museen und Bibliotheken oder reich bemittelten Privatpersonen erreichbar sind, wenn nicht nebenher noch billigere aber gute Aasgaben für die weite Verbreitung von Kunstwerken sorgen? Was die Güte der Ausführung anlangt, so hat die altbewährte Firma Job. Nöhring in Lübeck das in sie gesetzte Vertrauen vollkommen gerechtfertigt. Der aufrichtige Dank aller Kunstforscher und Kunstfreunde gebohrt der genannten Anstalt für die Bereitwilligkeit, mit der sie keine Mühe und keine finanziellen Opfer gescheut hat, ihrerseits alle Kräfte in das (Gelingen der verdienstvollen Publikation einzusetzen. Betrachten wir nun mit Aldenhoven den Werdegang der Kölner Malerschule, wobei es gestattet sein mag, die nach Ansicht des Refe> renten besonders wichtigen Beziehungen zwischen den historischen Ereig- nissen und geistigen Strömungen einerseits, der Entwicklung der Malerei anderseits besonders hervorzuheben. Die kulturvernichtenden Stürme der Völkerwanderung sind ver- rauscht. Wie anderswo, so wird auch in Köln die Kirche die Hüterin und Übermittlerin eines neuen geistigen und künstlerischen Aufschwunges. Im sechsten Jahrhundert geben die Bischöfe Charentinus und EbregisU die Anregung zu grösseren Kirchenbauten und würdiger Innenausstattung der dem Gottesdienst geweihten Räume. Erzbischof Hildebold fördert im neunten Jahrhundert durch Gründung einer Schule und Bibliothek das Gedeihen und Aufblühen der Buchmalerei. Anfangs zeigen die Miniaturen den leblos verschnörkelten Schreibstil irischer Mönche; später erinnert die Mache mehr an das Vorbild byzantinischer Kunst, charakterisiert durch die schematisch starren Formen strenger Stilisie- rung. Daneben aber taucht frühzeitig ein wesentlich kölnisches Element auf. Selbst da, wo der Zeichenstil ganz unselbstÄndig erscheint, macht Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 365 sich zuweilen in der Ornamentik ein fein entwickeltes Gefühl für anmutiges Farbenspiel bemerkbar. Das elfte und zwölfte Jahrhundert sieht eine Reihe grosser Kirchenbauten in und um Köln entstehen. St. Maria im Kapitol, St. Gereon, St. Mauritius zu Köln, St. Heribert zu Dentz, das Münster zu Essen, die kleine Kirche von Schwarzrhein- dorf, das Patroclimünster zu Soest verlangen nach einer Ausschmückung mit Wandgemälden. So wird der Formenkanon des Illuminators auf die monumentale Kunst übertragen. Das gleiche byzantinische Schema, etwas ins romanisch deutsche übersetzt, kehrt in den Freskomalereien wieder. Immer herrscht derselbe ruhig-feierliche Ernst. Ebenbürtig den wuchtigen Quadern und Pfeilern, die sie zu schmücken berufen sind, schauen die Apostel des Heils auf die Menge mit unnahbarem Ernste in hieratisch-statuarischer Haltung von den kalten Steinmauern herab. Schlicht und streng sind die Gew&nder mit den geraden regel- mässigen Parallelfalten. Die Idee des Absolutismus, die Macht und Grösse einer gewaltigen und aristokratischen Kirche schreibt den Bildern ihre Form und Wirkung vor. Der Stil ist hoheitsvoll, imponierend und ehrwürdig. Er nähert sich in seiner Wirkung dem Unisono des Gregorianischen Ghorales, der in ernstem, breitem Flusse die massigen Mauern der Gotteshäuser halb ergreifend, halb erdrückend durchtönt. Eine merkliche Stiländerung tritt uns in der Epoche des soge- nannten Übergangsstiles entgegen. Die Architektur verliert im drei- zehnten Jahrhundert ihre ruhigen, festen Konstruktionen und Bogenlinien. Eine grössere Bewegung und ein freierer Rhythmus bricht sich Bahn. Die dekorative Innenausstattung passt sich organisch dieser Wandlung an. Der reicheren Gliederung in der Architektur entspricht in der Malerei eine kräftigere Formengebung mit lebhafteren Accenten. Auf der Grenze zwischen Altem und Neuem stehen die Wandgemälde der Abtei Brauweiler. Beispiele für die Auflösung des strengen Stiles liefern die bekannten zehn kleinen Apostelbilder von 1224 in St. Ursula, die Johanneskapelle in St. Gereon von 1227, die kleinen Glasfenster in St. Kunibert von 1247, die Wandgemälde von St. Maria Lyskirchen und St. Caecilia. Die Miniatur schliesst sich der Wandlung des künstlerischen Ideales an. Neben Byzanz und Italien spielt jetzt Frank- reich, das Geburtsland der Gotik, eine Rolle. Die Gestalten werden überlang und hager. Der Typus der Gesichtsbildung nähert sich all- mählich der gotischen Form. Augen- und Backenknochen erhalten eine starke Betonung. Der Augapfel wird möglichst in die Ecke gerückt 366 ^' Hintee Die strengen Parallelfalten der Oew&nder beginnen, sich in ein nnrphig knitteriges, scharfzackiges Linienspiel aafznltoen. Als Leitstern für die Entwicklang und YoUendang der gotischen Form dient der Dombaa. 1248 erfolgt die Orondsteinl^nuig. 1322 wird der Chor der neuen Kathedrale eingeweiht. Hier fand nuui reichlich Oelegenheit, sich die Formen der französischen Groäk anzu- eignen and sie za einer heimischen Eanstweise aaszabilden. Gleidi den Architekten arbeiten die Maler mit franztoischen Stilelementen. Die Glasmalereien der Dreikönigskapelle sowie der Galerie des Mittel- schiffes im Dom und der Sakristei von St. Gereon erscheinen als die ersten typischen Vertreter der neuen künstlerischen Aasdracksform. Ihnen reihen sich würdig die Wandmalereien der Chorschranken im Dome an, die wahrscheinlich zwischen 1322 and 1330 entstanden sind. Überall spielt ein fester dekorativer Stil in schönem Flusse mit gronm reichen Linien. Die Körper zeigen eine bald mehr, bald weniger deutlich ausgeprägte Schwingung. Die schmalen Schultern und Hüften sind lang und schlank, die Handgelenke fein und die Finger spitz. Das Gesicht ist in ein breites Oval geformt mit übermässig hoher Stirn und gerader Nase mit starken Flügeln. Die mandelförmigen Augen sind mit geschwungenen Brauen überdacht. Das lockige Haar fiiesst in rhythmischer Wellenlinie an den Wangen herab, unten kurz umge- bogen and über der Stirn gerade abgeschnitten. Die langen Gewänder wallen leicht fallend mit zierlich geringelten Säumen zum Erdboden nieder. Bis zu diesem Zeitpunkte ist uns nirgends in Köln ein Tafelge- mälde entg^engetreten. Erst jetzt, da die gotische Architektur durch die Auflösung jeglicher Wandfläche der Monumentalmalerei immer mehr den Boden entzieht, wird der Maler notgedrungen auf die Holztafel und die Iieinwand hingewiesen. Durch den Wechsel des Bildformates erhält der Künstler ein neues Arbeitsfeld. Dem Linienproblem gesellt sich das Experiment der farbigen Behandlung. An die Stelle des Alfresko in matten, gobelinartigen Tönen tritt die leuchtende Tempera- technik mit geschmeidigen Fimismitteln auf Kreidegrund. Die Palette enthält fast immer in wirksamem Kontraste zu dem goldenen Grunde: Carmin, Feuerrot, Blau, Grün, Gelb, Lila, Grau, Weiss und Schwarz. Proben der frühesten Anfüge kölnischer Tafelmalerei finden sidi auf Schloss Braunfels, im Kölner Museum (ein kleines Triptychon mit einer Kreuzigung, eine Verkündigung, eine Darstellung im Tempel, S. Johannes und S. Paulus), bei Schnütgen in Köln und in der Berliner Galerie. Ihr Stil gleicht im wesentlichen dem eben besprochenen der gleich- Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 367 zeitigen Miniatur-, Glas- nnd Wandmalereien. Nur iii der Modellierung der grossen scharfgebrochenen und stark ausladenden Querfalten, welche der Maler ans der Skulptur entlehnte, bemerken wir etwas Neues. Einen würdigen Abschluss findet die mittelalterliehe Malerei in Köln durch den Wandschmuck des Hansasaales im Rathause. Heute sind davon nur noch sp&rliche Bruchstacke erhalten, die das Kölner Museum bewahrt Dargestellt war Kaiser Karl lY. im Kreise berahmter Ge- setzgeber oder Propheten. Die Formensprache entspricht mit einigen Variationen dem künstlerischen Kanon, der seit siebenzig Jahren üblich ist. Wir sehen an der Hand der Darstellung von Aldenhoven, wie die mittehüterliche Malerei iu Köln zweifellos eine gewisse Stilent- wicklung durchgemacht hat, wie besonders das Eindringen der fran- zösischen Gotik eine sichtliche Umwandlung hervorgerufen hat. Und doch bleibt die Grundidee der Kunst bis 1370 eine gleiche. Sie basiert bis zu einem gewissen Grade immer wieder auf der rein mittelalter- lichen Kirchenanschauung eines unbedingten Universalismus und Abso- lutismus. Wie die gesamte Hierarchie sich auf aristokratischen Ten- denzen aufbaut, so verleugnet auch die Kunst, die in ihrem Dienste steht, nie die gleiche Gesinnung. Als ein natürliches Erzeugnis dieser gebietenden Kirche tri^ sie den Ausdruck des Unnahbaren wie einen Charakter indelebilis an der Stirn. Sie erscheint nicht als das Produkt eines persönlich freien Individualismus, sondern immer herrscht in ihr der Typus. Wie das Mittelalter in seiner ganzen Erscheinung arm an Erfindung, arm an Entwicklung ist, wie es nur Regeln und Tradition in allen Stiknden oder Geistes&usserungen anerkennt, wie der Geist der Kirche keine Selbständigkeit zulässt, so ist auch in der Malerei alles Typus ohne Individualität, so behauptet auch diese in allen ihren Formen die Unbedingtheit. Wucht, Grösse, Erhabenheit, alles Zeichen des mittel- alterlichen Universalismus, sind die hervorstechendsten Merkmale dieses Kunststiles. Der Hansasaalschmuck ist 1370 vollendet. Für dasselbe Jahr verzeichnet Köln in seinen Geschichtsannalen ein grosses sozialpolitisches Ereignis: den siegrmchen Aufstand der Weber, die das R^ment der erbgesessenen Geschlechter für sich fordern. Es folgen jene Jahre, in denen das Volk immer heftiger an den alten Satzungen der privile- gierten herrschenden Geschlechter rüttelt. Alles ist von einem neuen Leben erfüllt. Für das Mittelalter hat in Köln die Todesstunde ge- schlagen, und es folgt die Zeit der erwachenden Renaissance. Yolks- tflmliche Ideen gehen in das politische Leben und in die kirchlichen 368 E. Hiotee Orden über. Die malerische Th&tigkeit erhält die Möglichkeit zu einer neuen freieren AoBgestaltang. Ein aufstrebendes, noch immer jugend- frisches Bflrgertnm wird der Träger nnd Pfleger einer neuen Kunst. Die freie Individualität, die nach einem nationalen Ausleben sucht, findet es bei den M3rstikem, die das Produkt einer rein deutschen selbständigen Geiste^usserung sind. In den Lehren der Mystiker erblickt man jetzt das Ideal fOr die Malerei. Diese stellt sich, von solchem Geiste hervor- gebracht und geleitet, als eine bürgerliche Eirchenkunst in offenen G^ensatz zu der grossen gewaltigen Kunst der letzten Jahrhunderte. Nicht mehr die von einer geistlichen Centralmacht aufgestellten R^eln bestimmen die Kunst, sondern sie ist jetzt das Erzeugnis einer selbständigen Kultur. Es entstehen Werke, die originell aus dem Geistesleben des kölnischen Volkes herauswachsen. Die geistige Anregung zu ihrem Schaffen entnehmen die Kflnstler den Mystikern, die auf rheinischem Boden ihre Lehren vom Reiche jener Welt verkfindigten und als das Spiegelbild echten Deutschtums erscheinen. Infolge dieser Einwirkung erblQht im Gegensatze zu früher eine volkstümliche, rheinische, köl- nische Kunst. Ein Mann des Volkes, magister Wilhelmus, illuminiert 1370 das neue Eidbuch. Leider ist uns dieser kunsthistorisch äusserst wichtige Markstein nicht mehr erhalten. Eine kleine Tafel des Kölner Museums mit Scenen aus dem neuen Testament und sechs Heiligen, sowie die älteren Tafeln des berühmten Claren-Altares im Dom vereinigen in ihrem Stile Tradition und Neuerung. Es ist bemerkenswert, dass diese beiden Bildwerke für die populären Minoriten angefertigt sind, also für eine kirchliche Fraktion, die in ihren Tendenzen die neuen Ideen vertrat. Die rein gotische Formengebung ist zurückgedrängt, doch erinnern die geschwungene Haltung, die geringelten Säume und die stilisierten Haare noch an die alte Schule. Die Köpfe sind mehr gerundet, nur die schwarzen, in die Ecken gesetzten Augäpfel haben sich in der Regel erhalten; bei einigen Heiligen sind sie allerdings schon braun, wie es bald allgemein üblich wird. Die Kleidung der Figuren entspricht zumeist der Tracht, die um 1380 Mode ist. Die neue Entwicklung nimmt ihren Ausgang von der flandrisch-französischen Miniatur. Diese brauchte der Maler nur zweckentsprechend umzuformen, denn hier fand er die äussere Gestaltung seines Zieles am meisten vorgebildet. Ein eigenes Formenideal besitzt der Verfertiger des Mittelstückes des Claren-Altares. Derselbe Maler schuf für die Ciarissen zwei Leinwand- bilder des Kölner Museums, das eine mit einem Crucifixus zwischen Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 369 Heiligen, das andere mit acht Heiligen. Ferner gehören zu dieser Gruppe die heilige Yeronica in München und in London und besonders die vielbewunderten Madonnen mit der Erbsenblate in Köln und in Nürnberg. Der alte Typus ist vollständig umgemodelt und mit indi- viduellen Zfigen belebt. Schwach und dünn, gebrechlich und unentwickelt sind die Körper. Man denkt vor diesen Wesen gern an jenen Spruch, den sich Suso einst in seiner Zelle anbringen liess: ,,Bleiche Farbe und ein verzehrter Leib und demütiger Wandel zieren wohl einen geistlichen Menschen". Als milde wohlwollende Führer zu der „Unio cum Deo** erscheinen die Heiligen mit ihren kraftlos visionären Seelen- leibem. Die weiblichen Wesen sind Jungfrauen im Liebreiz der Jugend, in mädchenhaftem Alter. Die Köpfe mit dem rosig blühenden Incarnat sind in ein feines Oval geformt. Der Mund mit den weichen Winkeln ist zierlich, voll und lieblich, die Stirn ist hoch gewölbt. Früher ver- ursachte das Hervortreten der Augenknochen und der Brauen einen finsteren Eindruck; jetzt lässt man die Brauen fast ganz weg oder deutet sie nur schwach an, um dem vollen Gesichte nichts durch einen dunklen Ton an Lieblichkeit und Anmut zu nehmen. Männliche Charaktere kennt diese Kunst fast gar nicht. Thatkraft und Gedanken- tiefe scheinen diese Wesen zu fürchten. Es gibt in der Darstellung der Geschlechter kaum grosse Unterschiede. Jungfrauen und Jünglinge, Frauen und Männer haben alle etwas Träumerisches, Schüchternes, Mimosenhaftes. Die Mystik sieht in dem irdischen Leben nur ein Übergangsstadium und eine Vorbereitung für ein glücklicheres Dasein in seligen Gefilden. So entkleidet denn auch die bildende Kunst ihre Wesen alles Kraftvollen und Irdischen, bis nur noch ein subtiles Gebilde übrig bleibt, das der Seelenvorstellung möglichst nahe zu kommen scheint. Visionen werden als Erzeugnisse eines reinen Gefühlslebens gern malerisch verwertet. Charakteristisch und neu für die Zeit ist die Darstellung der heiligen Jungfrau im Himmelsgarten. Die ältere Kunst bildete die Krönung Maria als einen feierlichen Akt in den grossen raumlosen Verhältnissen der Wandgemälde. Jetzt zeigen kleinere Tafeln die minnigliche Grottesmagd im traulichen Kreise von Engeln und Heiligen. Auf lieblich zarten Maienwiesen bereitet der Maler der demütigen Himmelskönigin eine Heimstätte. Ein Triptychon in der Berliner Galerie und in der Sammlung Weber in Hamburg, sowie ein miniaturartig feines Bildchen im städtischen Museum zu Frankfurt a. M. sind Beispiele für solche Faradiesgärten. Auffallend gross ist die Zahl der Bilder mit Schilderungen des 370 E. Hintze Leidens Christi. Diese Thatsache ist aaf den Einflnss der mystigchen Lehren zorackzuführen. Wie die Gottesfreonde mit inniger Liebe die Demut nnd Gelassenheit geschildert haben, so haben sie im Gegensatze dazu in den derbsten Zagen Passions- and Marterscenen ihren Hörern ausgemalt und so mit einer religiösen Hysterie einen grausamen Fana- tismus gepaart. Der Weg harter Qualen führt erst zu beschaulicher Ruhe. Wie die idyllischen Andachtsbilder zu hinmüischer Erbauung dienten, so sollten die Marterscenen dem Betrachter eine ewige Mahnung zur Nachfolge des Leidens Christi sdn. Tauler und Suso betonen: „Das ist die Ursache, dass die heilige Kirche uns der Heiligen Bilde und Gem&lde zugebissen hat, wir sollen dadurch gemahnt werden, ihrem heiligen Leben nachzufolgen, dass wir um die Liebe Gottes gerne streiten und leiden und in dem Glauben gest&rkt werden, und dass unser vergessenes Gemüt damit zu Gott erwecket werde". Besonders hebt Tauler das Bild des Gekreuzigten hervor, dessen Anschauen vor allem nützlich und gut ist. Schliesst man zum Beispiel das kleine Triptychon mit der Madonna mit der Erbeenblüte im Kölner Museum, so tritt uns in einem merkwürdigen Kontraste zu der minniglichen Gottesmagd eine solche Scene gemeinster Roheit, eine grausige Domen- krönnng entgegen. Ein Haufen verrohter Bösewichter umringt die röhrende, mitleiderregende Gestalt des Heilandes, der in hilfloser Qual vor sich hinstarrt. Man hat diese beiden Seiten des Tafelwerkes ver- schiedenen Meisterhänden zuschreiben wollen. Gewiss mit Unrecht. Aldenhoven hat durch die Analyse der Technik festgestellt, dass das Aussen- und Innenbild von gleicher Hand stammen; beide zeigen die- selbe eigenartige Krakelierung infolge der Anwendung von Leinöl nnd Fimiss, die sonst nirgend in dieser Art wahrnehmbar ist Der Gegensatz der milden Weichheit des Innenbildes und der Derbheit der Aussenseite erklärt sich zwanglos aus den Lehren der Mystiker. Wie heisst nun der Maler dieser Bilder? Aldenhoven nennt den jüngeren Maler des Claren-Altares und der sich daran anschliessenden Werke Meister Wilhelm, indem er das Lob des Limbnrger Chronisten nur einem aufsehenerregenden Stilneuerer zuerkennen will. Firmenich- Richariz dagegen bringt, wie bereits oben angedeutet, die Angabe der Chronik mit einem in den Jahren 1358 bis 1872 in Köln vielgenannten Wilhelm von Herle in Verbindung, der angeblich die Fresken des Hansasaales gemalt haben soll. Die Bilder des neuen Stiles werden von ihm dem Hermann Wynrich von Wesel, der zwischen 1378 bis 1413 in den Kölner Schreinsbüchern erwähnt wird, zugewiesen. Welche Eine Geschichte der Kölner Malerschale. 371 Hypothese die richtige ist, ist mit dem seither vorliegenden Qnellen- material nicht sicher zn entscheiden. Vorläufig erscheint mir die Beweisfahrang von Firmenich-Richartz wahrscheinlicher, obwohl kein bindender Beleg von ihm beigebracht werden kann, dass der uns in Brucbstflcken erhaltene Hansasaalschmuck von dem Meister Wilhelm gemalt worden ist. Um jedoch nicht zu verwirren, behalte ich hier die von Aldenhoven gewählte Benennung bei. Es konnte nicht ausbleiben, dass sich an den genialen Neuerer Meister Wilhelm zahlreiche Schaler und Nachahmer anschlössen: der Meister der grossen Passion, der Meister der kleinen Passion und der Meister des farbenprächtigen Utrechter Altarwerkes. Diese haben ganz im Sinne ihres Vorbildes, aber ohne dessen Tiefe der Empfindung und den feinen Schönheitssinn gearbeitet. Hier und dort ist eine Ver- besserung der Modellierung, eine grössere Natürlichkeit in der lebhaften Bewegung, eine Raumvertiefung der Composition oder eine Änderung der Farbe angestrebt, doch niemand unter ihnen war imstande, eine wesentlich neue Note dem bereits gegebenen Formenschatze einzufügen. Auch der ältere Sippenmeister bringt trotz seiner Neigung, die heiligen Gestalten dem Beschauer menschlich näher zu bringen, kein ausschlag- gebend neues Moment hinzu. An die Besprechung Meister Wilhelms und seiner Schule schliesst Aldenhoven eine Umschau an, die die übrigen westdeutschen Maler- schulen in den Kreis der Betrachtung zieht. Schon um 1370 bis 1390 ist ausserhalb Kölns in Utrecht, Essen, Soest, Coblenz, Altenberg die Auflösung der gotischen Form zu erkennen. Es wird damit so recht der Beweis geliefert, wie in raschem Siegeslaufe allerwärts neue künst- lerische Ideale unter dem Zeichen der erwachenden. Renaissance, des Mysticismus und der Volksbewegung festen Fuss fassen. Bald selb- ständig, bald unter kölnischem Einflüsse finden wir in Westfalen, Sachsen, Hamburg, Lübeck dieselbe Kunstentwicklung wie am Niederrhein. Man könnte die Ausschau noch viel weiter ausdehnen bis nach Franken, Schwaben, dem Gebiete des Oberrheins, ja nach Schlesien, das stark unter dem Einflüsse von Prag steht. Wir ersehen daraus deutlich, dass die plötzliche Änderung des Stiles in Köln nicht aus dem will- kürlichen Ideal eines Meisters erklärt werden darf, sondern dass eine neue Lebensanschauung nach einer neuen Form der künstlerischen Darstellung verlangte. Der Stil ist ein natürliches Erzeugnis des da- maligen Zeitgeistes, der an die Stelle der universalistischen Hierarchie die Verinnerlichung der Kirche, an die Stelle aristokratischer Ideen Westd. Zeltsctar. f. Gesch. a. Kunst. XXI, IV. 26 372 E. Hintze Yolkstamliche Tendenzen setzte. Wie sehr die ganze Zeit bestrebt war, neue Aasdmcksformen za schaffen, scheint mir auch aus der Umwand- lang von Techniken im Gebiete des Kanstgewerbes hervorzugehen. In der zweiten H&lfte des vierzehnten Jahrhunderts giebt man das musivische Aneinanderreihen bunter Hüttenglasscheiben auf und setzt an die Stelle die eigentliche Glasmalerei mit Halbtinten, Schmelzfarben von Schwefel- silber, Grisaillen auf farblosem Glase und ausgeschliffenen Überfang- gläsern. So vermochte man den Zielen der gleichzeitigen Tafelmalerei durch weichere Modellierung, durch natürlichere Licht- und Schatten- wirkung näher zu kommen. Den Zellen- und Grubenschmelz mit den scharf begrenzten Metallrändern vertauscht man mit dem Tiefschnitt- schmelz, der durch die direkte Aneinandergrenzung des farbigen Emaüs eine Milderung des Ausdruckes zulässt. Um 1415 fertigt ein Maler für den Gerhard von dem Wasser- fasse in Köln eine grosse Kreuzigung. Dieses merkwürdige Bild durch- bricht rücksichtslos die Überlieferungen der Schule Meister Wilhelms. Doch trotz aller Genialität, mit welcher der Versuch gemacht ist, zahl- reiche Gruppen in einer weiten Landschaft zu verteilen, wechselnde Beleuchtungseffekte wiederzugeben, eine neue Zeichnung und Farbe ein- zuführen, wirkt das Bild so bizarr und wunderlich, dass es leicht er- klärlich ist, wenn es keine Schule gemacht hat. Der erste bedeutungsvolle Anstoss zu einer neuen Weiterentwick- lung der Kölner Malerei kommt von auswärts. Ungefähr um 1430 erscheint Stephan Lochner aus Konstanz in Köln. Bei allem Streben nach Individualität konnte sich Meister Wilhelm samt seinen Anhängern nicht gänzlich von einer typischen Ausdrucksform freimachen. Erst dem Konstanzer sollte es gelingen, seiner Kunst ein ausgesprochen individuelles Gepräge zu geben. £r erreichte dieses Ziel, indem er zu der überirdischen Weichheit und träumerischen Sehnsucht mehr Form und Festigkeit und einen belebenden Zug frischer Natürlichkeit hinzufügte. In der Farbengebung tritt der Fortschritt klar zu Tage. Die vorhergehende Generation beschränkte sich im wesentlichen auf die Zusanmienstellung harmonischer Akkorde. Jetzt gewinnt das Kolorit an Freudigkeit, Pracht, Buntheit, Leuchtkraft und Glanz. Golddurch- wirkte Brokate, schillernde Seidendamaste, glänzende Geschmeide und glitzernde Edelsteine werden zu fröhlichen Tonsymphonien vereinigt. Die Schätze, die in der blühenden Handelsstadt reiche Kirchen und Kaufhäuser in sich bargen, sind als würdige Gewänder und Schmuck- stücke für die Himmelskönigin und hochverehrte Heilige in der Malerei Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 373 yerwendet. Za einer anbediDgten Demut gesellt sich Weltfreude und Feierlichkeit. Das Wesenlose schwindet und die einzelnen Figuren zeigen eine eingehendere Charakteristik. Die Zeit der zarten, gebrech- lichen Gestalten Meister Wilhelms, in denen alles zum Zwecke der Darstellung möglichst feiner seeliscll^r Nuancen stilisiert wurde, ist vorüber. Die Heiligen verlieren ihre übertrieben schlanken Leiber mit den schmächtig abfallenden Schultern. Die Körper sind untersetzt, die Finger, bisher lang und dünn, werden kräftig und breit. Die Köpfe mit ihrer vorgebauten Stirn sind runder und voller, die Nase ist kürzer und dicker, das Auge lebendiger. Alles ist dem Leben in natürlicher Vertraulichkeit näher gerückt. Die Bewegungen verlieren das Schwebende. „Die Füsse, die früher kaum den Boden zu berühren wagten, stehen in behaglicher Breite da. Bei den Köpfen der Frauen ist weniger das Magdhafte, Schüchterne als das schalkhaft Anmutige betont**. Aus ätherischen Himmelsgestalten sind Menschen geworden, die dem irdischen Dasein enthoben in einer weihevollen Sphäre leben. So führt Lochner bewusst die Entwicklung der kölnischen Malerei über Meister Wilhelm und dessen Schule hinaus, ohne sich jedoch in einen principiellen Gegensatz zu seinem Vorgänger zu stellen. Das Ziel bleibt das gleiche, auch ihm gilt noch die Wiedergabe der mystischen Zartheit einer übersinnlichen Gotteslehre als höchster Zweck seines Schaffens. Ein idyllischer Zauber femer Weltver]prenheit voll gött- lichen Friedens und himmlischer Glückseligkeit ist über seine Heiligen gebreitet. Seine Martyrien predigen noch einmal, dass man die ewige Seligkeit nicht durch das Bücherstudium in stiller Klosterzelle, sondern allein durch die Verneinung des eigenen Willens und durch die Nach- folge des Leidens Christi erlangen könne. Aldenhoven lässt den jungen Ankömmling als sein erstes Werk in Köln das grosse Triptychon der Laurentiuskirche malen, dessen Mittelstück, das jüngste Gericht, sich jetzt im Kölner Museum, dessen Flügelbilder sich in Frankfurt a. M. und in München befinden. Diese Behauptung steht zu allen bisherigen Forschungen in scharfem Wider- spruch. Entweder Hess man das Triptychon als letztes Werk Lochners gelten, oder man wollte nur in den Flügelbildern, besonders in den Münchner Tafeln mit Heiligenfiguren, die Hand des Meisters wieder- finden und das Mittelstück einem Nachfolger Lochners zuschreiben. Auch ich halte die frühe Datierung für unhaltbar. Der Augenschein lehrt, dass auf dem jüngsten Gericht technisch viel schwierigere Probleme vollkommener gelöst sind als auf den übrigen Bildern des Konstanzers, 26* 374 £• Hintee z. B. auf der Madonna mit dem Veilchen, der Madonna in der Rosen- laube, dem Dombilde und der Darstellung im Tempel. Wenn Alden- hoven annimmt, Meister Stephan hätte aus der Fremde ein grosses Können mitgebracht, das er dann unter der ungünstigen Einwirkung der manierierten Schule Meister Wilhelms eingebüsst habe, so erscheint es doch unglaubwürdig, dass sich ein talentvoller Künstler, wie es Lochner war, durch eine im Absterben begriffene Malerschule auf einem alten und reichen Kulturboden würde rückbildend beeinflussen lassen. Eher hätte Lochner auf einen bleibenden Aufenthalt in KOln verzichtet und anderswo Ruhm und Ansehen geemtet. Die Geschicklichkeit der Komposition und das zeichnerische Vermögen im jüngsten Gericht hat Lochner erst nach und nach erlernt von der einfach monumentalen Gestalt der Madonna mit dem Veilchen aufsteigend zum Dombilde und der Darmstädter Darstellung im Tempel. Den Gipfelpunkt seines Könnens erreicht er schliesslich in dem Triptychon der Laurenüus- kirche. Die Handschrift eines kleinen niederdeutschen Gebetbuches vom Jahre 1451 in der Darmstädter Bibliothek (Mscr. Nr. 70) macht mit fast beweisender Kraft wahrscheinlich, dass das Tafelwerk nicht eine Jugendleistung, weiter, dass es auch nicht lediglich die Arbeit eines Nachfolgers von Lochner sein kann. Der Illuminator der gen. Handschrift hat nämlich fast übereinstimmend einen Teil der Frankfurter Märtyrerscenen, die als innere Flügelbilder des Laurentius-Triptychons dienten, in seinen Miniaturen wiederholt. Warum sollte in dem vor- liegenden Falle ein Copist gerade ein Bild wählen, das vor zwanzig Jahren gemalt worden ist, also stilistisch nicht das Neueste bietet? Dagegen ist es sehr naheliegend, dass die Miniaturen zu gleicher Zeit mit dem Triptychon in der Werkstatt Lochners entstanden sind. Von einem Nachfolger kann das Triptychon nicht gemalt sein, da das Gre- betbuch schon 1451, im Todesjahr Lochners, Nachbildungen der Flügel- bilder enthält. Jeder Maler führt wohl aber erst die Nebenbilder aus, wenn er die Komposition der Haupttafel abgeschlossen hat. Demnach möchte . ich das Altarwerk der Laurentiuskirche als letzte Arbeit Lochners bezeichnen, die eventuell infolge eines vorzeitig er- folgten Todes des Meisters die endgiltige Überarbeitung durch Schüler- band erhalten hat. Stephan Lochner starb 1451 an der Pest. Mit seinem Leben endete die Blüte seiner Kunstideale. Wie einst um Meister Wilhelm so haben sich auch um Lochner zahlreiche Schüler versammelt. Diese setzen noch eine kurze Weile in den Grundzügen die Kunst ihres Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 375 grosen Meisters in abgeschwächtem Glänze fort. Nebenbei sucht man nach neaen malerischen Aasdrucksmitteln. Es ist eine neue Zeit, die nach einer neuen Kunst verlangt. Wohl beherrscht die Kirche noch fürderhin in KOln das Geistesleben. Doch neben einer unbedingten Gl&ubigkeit und dem alleinigen Sehnen nach himmlischen Freuden er- hebt sich als eine zweite Macht ein Drang nach empirischem Wissen und Forschen. Dieses Drängen findet in der kölnischen Kunst Wieder- hall, indem diese ihrer künstlerischen Überlieferung frisches Leben durch die niederländische Malerei zuführt. Die erste grosse That, die der niederländische Einfluss vollzieht, ist die Einführung der Land- schaft. Der Goldgrund wird zurttckgedrängt, und Erdenluft umi^ngt die Heiligen. Schon Lochners Schüler, die sonst ganz im Sinne ihres Meisters arbeiten, geben ihren Darstellungen landschaftliche Hinter- gründe, z. B. die Meister der Ursula- und der Georgslegende. Die klare Linienführung der Niederländer verrät sich namentlich in der Faltengebung der starkbrüchigen Gewänder. Ferner bekundet die läng- liche Form der Gesichter deutlich einen Umschwung des Geschmackes. Die alte Temperatechnik erhält einen stärkeren Zusatz von Öl, durch den die Farbe eine grössere Tiefe erreicht. Speziell der Zusammenhang mit der Schule von Lüttich, die in Auffassung und Ausführung hinter Regier van der Weyden zurücksteht, lässt sich bei dem Meister der Glorifikation nachweisen, der um 1460 bis 1480 in Köln thätig ist. Eine Verherrlichung Maria in Köln, eine zweite beim Freiherrn Heyl zu Herrnsheim in Worms, eine Anbetung der Könige beim Kommerzienrat Beissel in Aachen, eine Christnacht in Berlin und eine Tafel mit Heiligen im Kölner Museum kennt man als seine Werke. Ein wesentliches Element, das er dem Schatze der kölnischen Malerei beifügt, sind seine natürlichen, voll ausgeführten Landschaften mit Städteansichten, zerklüfteten Felsen, burgentragenden Hügeln und engen Flussthälern. Nicht gerade sehr anziehend ist der Gesichtstypus. Gut wirkt er nur da, wo aus den runden Köpfchen altkölnischer Liebreiz und vornehme Anmut spricht. Die Frauen sind auffallend nüchtern und bürgerlich. Die Männer mit ihrem vorgescho- benen Kinn, der dicken Nase und den grossen runden Augen haben etwas treuherzig Derbes, oft flach Prosaisches. Ist die Farbe bei Lochner fröhlich leuchtend, so wirkt hier alles kühl und ernst. Ein milder, bräunlich roter Ton ist dekorativ der übrigen Farbenskala ein- geordnet. Bewundernswürdig ist die Sicherheit der Aneinanderreihung verwandter Farben. Durch die Verbindung von tiefen Tönen mit bunten 376 E. Hintze Schillerfarben ist ein Reichtum im Kolorit erzielt, der entschiedei^ als etwas Neues aber die bisherigen Ausdrucksmittel hinausgeht. Wenn neben diesen Neuerungen der Meister der Verherrlichung Maria dem Typus Lochners recht nahe steht, so hat doch mit ihm die fremde Kunst in Köln festen Fuss gefasst. Auf diesen Anfängen baut der Meister des Marienlebens weiter und verhilft den fortschrittlichen Bestrebungen zu neuen entscheidenden Siegen. Er studiert als erster eingehend jene Anbetung der heiligen drei Könige von Rogier van der Weyden, die damals in. der Kölner Columbakirche hing und heute in der MOnchener Pinakothek bewahrt wird. Ein Crucifixus und eine Beweinung im Kölner Museum, eine Heimsuchung und eine Madonna zwischen S. Catharina und S. Columba bei Crombez in Paris bekunden deutlich dieses Studium. Die knochigen Köpfe, das kühle, zuweilen herbe Kolorit, die Behandlung der Landschaft erinnern an den Ylamen. Neben Rogier finden sich Ankl&nge an Dierick Bouts aus Löwen. Ein Altarwerk mit dem Leben der heiligen Jungfrau — teils in Manchen, teils in I^ondon — enthält wesentliche Zage seiner Formengebung. Die Männer, etwas hart und nachtern im Gesichtsausdruck, haben flache Brust und geraden Racken, danne Arme mit grossen Händen. Die gezierten, anmutig geneigten Köpfe der Frauen sind länglich mit hoher Stirn. Die Schultern fallen schmal ab. Der Leib und die Hüften sind dürftig. Die kleinen Brüste sitzen tief und weitgetrennt. Die Beine und Arme sind übermässig lang. Die technische Ausführung ist echt niederländisch, sorgfältig, minutiös. Nachdem sich der Meister in der kraftvollen Natürlichkeit der Ylamen geübt hat, kehrt er zu der milden Andachtsstimmung und seligen Demut der älteren Kölner zurück; sogar ganz archaische Elemente, wie den Goldgrund, nimmt er fortan in seinen Bildern an. Der Tempelgang und der Tod Maria, die Anbetung der Könige, die Darstellung im Tempel zu Nürnberg, die heiligen drei Könige im Kölner Museum weisen wieder künstlerische Bestandteile der vorhergehenden Generation auf. In seiner Madonna im Rosengarten in der Berliner Galerie sieht der Meister des Marien- lebens rückwärts bis auf die Zeiten Meister Wilhelms. Noch einmal lebt hier, umkleidet von neuen Formen, die alte fromme Paradieses- stimmung auf. Jenen hochfliegenden Mystikern des vierzehnten Jahr- hunderts sind die Brüder vom gemeinsamen Leben gefolgt. Diese neue Religiosität findet ihren schönsten Ausdruck in der Imitatio Christi, in der es heisst: „Auf zwei Schwingen erhebt sich der Mensch von der Erde: durch Herzensreinheit und Einfalt; Einfalt suchet Crott, Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 377 Reinheit ergreift and fühlt Gott^. Das ist im Sinne unseres Meisters gesprochen. Anch der heilige Bernhard mit der Madonna im Kölner Musenm führt in diesen Gedankenkreis. Er war von Gerhard Groot und seinen Nachfolgern hochverehrt, and die Imitatio Christi ist von seinem Geiste erfüllt. Abhängiger von Rogier and Boats als der Meister des Marien- lebens zeigt sich der Meister der Lyversbergschen Passion, so genannt nach einer Folge von acht Bildern im Kölner Maseam. In seiner handgreiflichen Derbheit, in seinen leeren Typen hat er relativ wenig Berührangspunkte mit der zarten Empfindsamkeit der Kölner. Nur selten gelingt es ihm, schlichten Formen einen naiven Reiz zu leihen. Die Körperbildung ist mangelhaft mit grossen Köpfen and schwächlichen Gliedern. Die eigentliche Stärke des Künstlers liegt in der Schilderang farbiger Stoffe und blitzender Waffen. Aldenhoven charakterisiert ihn ganz treffend, wenn er von ihm sagt, er würde zu anderen Zeiten Stillleben und Sittenbilder geschaffen haben. In höherem Grade als der Meister des Marienlebens ist der Meister der heiligen Sippe ein achtes Kind dieser lyrisch gestimmten Zeit. Aldenhoven ist allerdings anderer Meinung. Nach seiner Ansicht kommt die tiefere Bewegung, die damals durch die Herzen der Menschen ging, bei dem Sippenmeister nicht zur Geltung. Ich vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Die Derbheit und Unschönheit, die in der Gesichtsbildung der Männer hier und dort zu Tage tritt, erscheint mir nicht als ein hervorragendes Charakteristikum. Auch auf die vereinzelten Anklänge an Hieronymus Bosch möchte ich keinen allzugrossen Wert legen. Vor den Bildern des Sippenmeisters kommt mir immer unwill- kürlich Hans Memling in den Sinn. Alles erscheint von einer gewissen Sanftmut durchtränkt. Selbst die trivialsten Züge sind mit sentimentaler Weichheit durchflochten. Wie selten hat der Sippenmeister Martyrien und Kreuzesscenen geschaffen? Mit wie wenig Kraft und Wahrschein- lichkeit ist dann das blutige Drama der Passion und des Leidens wiedergegeben? Sein Feld ist himmlischer Friede. Sanftmütig und träumerisch sind die Frauen. In den freundlichen Physiognomieen der Männer wohnt wenig Energie. All das charakterisiert auch Memling. Doch die Gesamtstimmung ist bei beiden Meistern verschieden. Der Niederländer malte in Brügge, in einem toten Ort, der ehemals blühend und reich war. Der Kölner lebte in einer üppigen Stadt voll glänzender Feste, wo das kirchliche Leben in Prozessionen und Heiligendienst eine märchenhafte Pracht entfaltete. So liegt über Memlings Bildern eine 378 ^' Hintze tranrige Einsamkeitspoesie, eine romantische Resignation. Die Werke des Sippenmeisters dagegen wirken feierlich repräsentierend. Farbiger Patz, kostbare Modekleider, schiUernde Stoffe zeagen mit ihrem bunten Kolorit von prunkendem Luxus und Festesglanz. Stilistisch beginnt der Sippenmeister bei dem Meister der Yer- herriichung Maria. Eine Messe des heiligen Gregorius in Utrecht, eine Verkündigung sowie eine Himmelfahrt Christi und Maria in Nürn- berg, eine Anbetung in Schieissheim und eine Beweinung in Edln liefern den Beweis dafür. Eine Darstellung im Tempel bei DoUfus in Paris zeigt, dass auch der alte Stephan Lochner ein Wort mitsprach. Aber bald finden wir ein eigenes Stilgepräge und ein selbständiges Kolorit. Die derbe Form paart sich mit Milde und Weichheit. Die ernste, nüchterne Farbe wird hell und leicht, ja bunt. Eine Kreuzigung in Brüssel eröffnet den Reigen. Ein Aufenthalt in den Niederlanden, wohl in der Nähe von Hans Memling, gibt dem Sippenmeister die Richtung, die er fortan beibehält. Eine Anbetung der Könige in Yelen, ein Fürbittebild in Nürnberg, der Sebastians- und der Sippenaltar, endlich eine Gartenscene im Kölner Museum sind Beispiele für den ausgereiften Stil. Arbeitete der Sippenmeister anfangs mit Variationen feststehender Typen, so schafft er sich unter niederländischem Einflüsse durch Modellstudien eine eigene Formensprache. In der landschaft- lichen Darstellung gewinnt er eine Grosszügigkeit, die zuweilen ganz modern anmutet; ich erinnere hier nur an das Nürnberger Fürbitte- bild. Endlich übertrifft er alle Vorgänger und Zeitgenossen durch seine Geschicklichkeit, an die Hauptgruppe im landschaftlichen Hinter- grunde mehrere bewegte Nebenscenen anzugliedern. In den neunziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts kommt der Meister des Bartholomäasaltares aus Oberdeutschland nach Köln und gibt der Verfeinerung der materiellen und geistigen Kultur den vollendeten Ausdruck. Abstossend und doch wiederum anziehend wirkt seine perverse Kunst, die durch und durch jene weiche Sinnlichkeit atmet, welche damals das Leben am Niederrhein erfüllte. Schon ein Jugendwerk, eine Anbetung der Könige in Sigmaringen, zeigt die Vor- liebe für das Gespreizte. Der Darstellung liegt ein Stich Schongauers zu Grunde, dabei ist alles in den Geschmack dieses seltsamen Meisters übertragen. Die Christnacht bei Hainauer in Berlin, die Hochzeit zn Kana in Brüssel, eine Madonna in Darmstadt und in Köln betonen noch stärker das gewollt Absonderliche. Überall herrscht ein Streben nach affektierter Grazie. Gesucht ist jede Biegung, jede Bew^ping. Eine Geschichte der Kölner Malerschale. 379 Die knochigen Finger, sensibel wie Spinnenbeine, sind spitz und stark artikuliert. Die kngligen Köpfe werden von einer breiten Stirn Ober- wölbt, deren mächtiger Eindruck durch das Zurückschieben der Ohren, durch die grossen gesenkten Augenlider, durch die dünnen, kaum sichtbaren Augenbrauen noch erhöht wird. Die Nase ist fein, lang und schmal. Die gekniffenen Augen heucheln seelische Verzückung. Geziert und etwas schief gezogen ist der winzige Mund mit dem Grübchen und den süsslich lächelnden Zügen. Das war die rechte Kunst für die mystische Religiosität der Karthäuser. Um 1500 finden wir denn auch den Bartholomäusmeister im Dienste des Ordens. Der schwärmerischen Neigung der Karthäusermönche folgend steigert der Maler raffiniert alle jene Bizarrerien auf das äusserste. Im Thomas- und im Kreuzigungsaltar des Kölner Museums wird die beseligende Frömmigkeit der Heiligen mit dem geziert verzückten Mienenspiel förmlich schon zur Grimasse und leeren Affektation. Wunderbar fügt sich dem prunkenden Glänze, der in jener üppigen Zeit in das Schweigen der Karthause eingedrungen ist, die Farbe der Bilder. Gar zu merk- würdig sind die leuchtenden Porzellan- und Blumenfarben mit ihrem emailartigen Aussehen. Von einem Streben nach Natürlichkeit ist dabei keine Rede, alles dient lediglich der Wiedergabe einer überirdisch visionären Farbenharmonie. Juwelen, Edelsteine, Perlen, Damaste, Brokate, Goldstickereien und verwilderte Metallarchitekturen sind in minutiösester Ausführung zu den glänzendsten Farbenbouquets verwoben. In einem seltsamen Kontraste zu der hysterischen Sentimentalität der Figuren und der pikanten Finesse des Kolorits stehen in frischer Nattürlichkeit die graugrünen romantischen Landschaften, die sich im Hintergrunde auf den Flügelbildem hinlagern. Gleiche Qualitäten zeigt der Bartholomäusaltar in München. Den Gipfelpunkt der übertrieben sentimentalen Frömmelei erreicht eine Kreuzabnahme im Besitze der Frau Meynell-Ingram in Temple Newsam bei Leeds. Bei aller ge- künstelten Zierlichkeit aber behält der Bartholomäusmeister eine gewisse monumentale Wirkung, die in seiner Kreuzabnahme im Louvre an die grosse Kreuzabnahme Reglers gemahnt. Auffallend abseits von dem kölnischen Streben nach Anmut und Zierlichkeit steht der Meister von S. Severin, der ostentativ das Unschöne und Hässliche in seinen Darstellungen pflegt. Die Kunstgeschichte lehrt, dass unvermittelte Neuerungen meist in einer fremden Einwirkung ihren Ursprung haben. So liogt denn die Annahme nahe, dass wir in dem Severinsmeister einen Ausländer vor uns haben, der nach Köln einge- 380 E. Hintze wandert ist und hier dann unbeirrt durch die alte Tradition den Kölnern einen neuen (reschmack vorfahrt. Ganz unabweisbar verwandt ist seine Kunst mit der Schule von Leyden. Nur zu häufig tauchen An- klänge an Gornelis Engelbrechtsen und an Geertgen van S. Jans auf. Auch ein Zusammenhang mit dem damals allerdings noch sehr jungen Lukas van Leyden ist unverkennbar. Die Gesichts- und Körperbildung ist ausgesucht hässlich, oft grob und brutal. Die hageren Gestalten sind wenig bewegt, fast steif. Dadurch erhält ihre Erscheinung einen grossen Zug und eine statuarische Monumentalität. Die Schädel sind von einer auffallenden Länge, die bei den Männern durch langsträhnige Kinnbärte noch gesteigert wird. Die Stirn ist hocbgewölbt und schmal mit zwei schrägen Falten Aber den Brauen. Die blöden glasigen Augen sind eingesunken und werden durch dunkle, ringförmige Schatten um- grenzt. Die Backenknochen treten stark hervor. Die Nase mit dickem Knorpel ist lang und überhängend. Die vorgeworfenen Lippen fallen tief herab. Der Hinterkopf scheint zuweilen ganz zu fehlen. Die markante Zeichnung der durchgearbeiteten Physiognomien verleiht den Gesichtern ein verwittert greisenhaftes Aussehen. Die Männer sind knorrig, tiefsinnig und grüblerisch, zuweilen dumm und blödsinnig. Die Frau ist nicht das zarte Mädchen von früher, sondern ein kampf- gestähltes Weib. Selbst die Putten und Engel sind müde und ältlich. Das Kolorit bedeutet etwas vollkommen Neues. Nichts findet man da von der harten Schönfarbigkeit der Primitiven. Der Severinmeister ist ein Ton- und Lichtmaler. Seine Bilder sind auf einheitliche Akkorde gestimmt, aus denen vereinzelt lichte Farben prächtig und freudig auf- leuchten. Trübe, wie vom Kerzenqualm geschwärzte Brokate liefern meist den warmen Gesamtton. Die Haut- und Gesichtsfarbe erscheint dementsprechend harmonisch rötlich und braunrot. Das Grün der Kleider ist nicht hell, sondern moosfarben oder oliv, das Gelb nicht leuchtend, sondern bräunlich, das Blau nicht kräftig, sondern düster, das Rot nicht grell, sondern matt purpurn. Finden sich Figuren in einer Landschaft, so stehen sie nicht kalt im luftleeren Raum. Die Töne der braunen und graugrünen Umgebung kehren in den Figuren wieder. Alles ist darauf angelegt, dem Gesamtbilde in feiner Abstimmung ein- heitlich malerische Tonwerte zu geben. Am deutlichsten ausgesprochen ist die Art des Künstlers in seiner Anbetung der heiligen drei Könige im Kölner Museum, in einem Triptychon mit der Kreuzigung als Mittel- stück in der Sammlung Weber in Hamburg (beide um 1512 entstanden) und auf zwei Tafeln mit Heiligen in der Sakristei von S. Severin in Köln. Eine Geschichte der Kölner Malerschale. 381 Dass diese Kunst, die alle alten Traditionen einer idealen Ge- staltung über den Haufen wirft, in Köln Anklang findet, verdankt der Severinmeister wohl jener umwälzenden geistigen Bewegung, die zur Zeit der Reformation durch ganz Deutschland ging. In einer Zeit, in der die überlieferten Zustände und Anschauungen sich wandelten, schwand auch das Bedürfnis am Festhalten des Alten, und neue künstlerische Ausdrucksformen konnten ungehindert ihren Eingang finden. Mit Recht sondert Aldenhoven eine Gruppe von Bildern ab, die bisher als eigenhändige Arbeiten des Severinmeisters galten. Der Zu- sammenhang mit letzterem ist unverkennbar, doch es herrscht in ihnen eine grössere Weichheit. Die markig knochigen Formen sind gemildert und verallgemeinert. Die kölnische Anmut darf wieder einmal bisweilen zu Worte kommen. Mit viel Geschick werden von der Schule die Licht- und Farbenprobleme des Meisters aufgenommen und weiter ver- arbeitet. Sehr interessant ist im Kölner Museum eine Tafel mit der Stigmatisation des hl. Franziskus. Der Heilige und sein schlafender Gefährte heben sich ganz hell mit bräunlich grauen Kutten und weiss- lich rosagrauen Gesichtern von der weiten blasstrüben Landschaft ab. Damit ist zum ersten Male die Wirkung des Lichtes in freier Luft zielbewusst wiedergegeben. Bemerkenswert ist ferner bei dem Meister der Ursulalegende die Darstellung einer feurigen Vision. Ein Engel ist an das Bett der heiligen Ursula herangetreten. Sein strahlender Lichtschein erhellt das nächtliche Dunkel des Schlafgemaches in den seltsamsten, buntesten Farbenabstufungen. Damit ist ein Anfang für die Helldunkelmalerei des siebzehnten Jahrhunderts gegeben. Von dem Severinmeister, diesem rücksichtslosen Neuerer, ist uns das erste selbständige Portrait der Kölner Malerschule erhalten, das Brustbild eines Mannes im Kölner Museum. Die knorrige Formen- sprache, die wir eben kennen lernten, ist in das Portrait übertragen. Würdig zur Seite stehen diesem Bilde das feine Franenbildnis der Sammlung Peltzer in Köln und das Brustbild einer alten Frau bei Frau Dr. Vimich in Bonn, beide einem Schüler des Severinmeisters zugeschrieben. Der Meister vom Tode Maria darf eigentlich nicht in die Reihe der kölnischen Maler eingeschlossen werden. Ein geborener Nieder- länder, arbeitet er nur wenige Jahre in Köln, um dann wieder in Antwerpen und Italien, speziell in Genua, seine Thätigkeit fortzusetzen. Sein bekanntestes Bild, das er in Köln im Auftrage der Familie Hackeney vollendete, ist ein Triptychon mit der Darstellung des Todes Maria auf der Mitteltafel. Seine Hauptbedeutung für die weitere Ent- 382 E. Hintse wicklang der Malerei in Köln liegt darin, dass er auf den kansüenschen Werdegang des Bartholomaeus de Brnyn entscheidenden Einflnss gewinnt. Bartholomaens de Brnyn ist 1493 za Wesel geboren. In seiner Jagend steht er zu dem Severinmeister im Schalverhältnis, wie ans einem Triptychon der Sammlang des Freiberm von Brenken za Wewer bei Paderborn ersichtlich ist. Das Mittelstack verfertigte der Severin- meister, während die beiden Flügel den Frflhstil Barthel Brayns dar- than. In der Galerie za Darmstadt hängt eine kleine Yerkandigang, welche das Vorbild Rogiers nicht verleagnet. Ungefähr am 1515 folgt die Annäherang an den Meister vom Tode Maria. Bniyn wirft sich von nan an immer nachdrücklicher in die Arme der italienischen Renaissance. Das profane Schönheitsideal der Italiener imponiert ihm fortan mehr als die religiöse Empfindsamheit and die überirdische Zart- heit der alten Kölner. Der Charakter des frommen Andachtsbildes schwindet. Die Themata bleiben kirchlich, doch die biblische (je- schichte and die heilige Legende ist nar Mittel zam Zweck. In dem künstlerischen Grehalt gewinnt die lachende Renaissance mit ihrer antiken Weltfreade Sieg aaf Sieg. Reiche Architektaren, Säalenhallen, Baiastraden, Nischen, Pilaster, Palmetten, nackte Patten and Genien mit Festons halten darch Brnyn ihren feierlichen Einzag in Köln. Der Aaf bau der Gruppen lockert sich and nimmt grosszügige Formen an. Jede Bewegung, jede Falte möchte italienisch sein. Rafael wird der Mentor für den Kölner. Die Kupferstiche Marc Antons und die römischen Studienmappen Jan Scorels übernehmen die Vermittlerrolle. Zwei Tafeln mit dem Leben der heiligen Helena und des heiligen Victor im Kölner Maseum enthalten mehrere Figuren aus den vatikanischen Stanzen. Die Lucretia in dem Besitze des Barons Pabst van Bingerden im Haag giebt eine ziemlich getreue Nachbildung von Rafaels Galathea in der Farnesina. Unter dem Deckmantel moralischer Nutzanwendung sehen wir hier eine fast völlig entblösste weibliche Figur. Rafaels Fornarina des Palazzo Barberini erhält in Köln ihr Seitenstück durch jenes weib- liche Bildnis in Nürnberg, auf dem eine junge Frau mit decolletiertem Oberkörper portraitiert ist. Damit bringt Bruyn der antiken Nacktheit als erster in Köln ein Opfer. Auch die Farbe beugt sich dem römischen Vorbilde. Früher im Sinne der Niederländer lebhaft und bunt, meist nur in der Landschaft zart und dumpf, ist sie jetzt ausgesprochen duftig, aquarellartig. Wenn man von rot, grün, blau, gelb und braun spricht, sagt man schon zu viel; mit den Worten rötlich, grünlich, bläulich, gelblich und bräunlich kommt man der Wirklichkeit bedeutend näher. Eine Geschichte der Kölner Malerschule. 383 Als Portraitist zählt Bmyn zu den grössten Deutschlands. Mit scharfer Beobachtung der Natur, mit schlichter Sachlichkeit ohne viel Poesie sind die Bildnisse heruntergemalt. Unwillkttrlich denkt man vor ihnen an Holbein. Hervorragende Männer der socialen und reli- giösen Kämpfe, wie der Humanist Agrippa von Nettesheim, die Bürger- meister Johann von Rheidt und Arnold von Brauweiler haben dem Maler gesessen. Ausser ihnen malte Bruyn zahlreiche Mitglieder der Aristokratie und des wohlhabenden BOrgerstandes, vielfach nach einer Sitzung. Die Männer sind stattliche Leute mit grossen, etwas leeren Formen. Ein häufig wiederkehrender Zug ist behagliche Jovialität in dem vollen Untergesicht bei kalten hochmatigen Augen. Die grob- knochigen reichgeputzten Frauen erscheinen oft beschränkt und klein- lich, aber voll Lebenskraft und Energie. Der Grund ist durchweg ein- farbig, oft oliv, seltener hellblau. Der Maler hat alle diese Leute gemalt, wie er sie sah, und er sah gut. Anton Woensam mit seinen langen rundköpfigen Gestalten tritt durch seine Tafelmalereien wenig als eine auffallende Persönlichkeit hervor. Die Zeichnung ist sicher und geschickt, die Anordnung klar und übersichtlich, die Farbe etwas trocken und hart. Ein freundlich liebens- würdiger, behäbig hausbackener Zug geht durch Woensams Kunst. Be- sondere psychische Feinheiten lassen sich bei ihm nicht entdecken. Wichtiger ist, dass er als erster in Köln die Buchillustration kultiviert. Von 1518 bis zu seinem Tode im Jahre 1541 arbeitet er im Dienste der grossen Druckereien. Die Kölner Bibelausgaben dieser Zeit sind fast aus- schliesslich von ihm illustriert. Durch seine Anlehnung an Dürer und be- sonders an Holbein gewinnen die neuen Zierformen der italienischen Renaissance und die Gestalten der antiken Mythologie weite Verbrei- tung in Köln. Bartholomaeus de Bruyn den Jüngeren kennt man hauptsächlich als Bildnismaler. Das Kölner Museum bewahrt eine Anzahl seiner Arbeiten. Er folgt dem Vorbilde seines Vaters, doch ohne dessen Kraft und Schärfe zu erreichen. Die Farbe ist blasser und matter, die Zeichnung weicher und dürftiger, der Ausdruck leerer und unbedeu- tender. Am ansprechendsten ist das Portrait des Patriziers Herman von Wedig aus dem Jahre 1581, das durch seine kecke, chevalereske Auffassung eine gewisse Wirkung erzielt. Damit haben wir die Geschichte der Kölner Malerschule an ihr Ende begleitet. Grosse Talente sieht die felix Colonia in der Folgezeit nicht mehr heimisch in ihren Mauern schaffen. Vlamen und Italiener 384 Kachtrag. decken kommenden Generationen den Bedarf an Bildern und Altar- werken. Die Malerei in Köln hat eine fast tausendjährige Entwicklung durchgemacht vom starren Byzantinismus bis zum Siege der weltfreudigen Hochrenaissance. Aber so weit sich auch diese beiden entgegengesetzen Pole nach und nach von einander entfernen, so überdauert doch alle Geschlechter fast ausnahmslos jene göttliche Anmut in Farbe und Linie, die das glückliche Köln vor allen anderen deutschen Malerschulen als alleiniges Eigentum far sich beanspruchen darf. So stark und mannig- fach die Einwirkungen sind, welche der Kölner Kunst im Laufe der Zeit von Aussen kommen, aus Italien und Byzanz, aus Frankreich und Burgund, aus Westfalen und Schwaben, den Niederlanden und Holland, jederzeit bleibt der Genius loci mächtig und, was in Köln entsteht, nimmt seine Züge an. Und das will uns Aldenhoven sagen, wenn er als Motto an die Spitze seiner Arbeit die Worte aus Plutarch setzte: „Soxi Tc 7c6Xi( gy 7cp^Y|ia xai^ouvex^C^) eine Stadt ist eine geschicht- liche Einheit. Nachtrag. Zu der Abhandlung über die territoriale Entwicklung des Fürsten- tums Prüm (Jahrg. XX S. 284). Im „Neuen Archiv der Gesellschaft für Altere deutsche Geschichts- kunde'' Bd. 20, Heft 1, S. 49—59 hat A. Werminghoff das angeblich von Papst Nikolaus I. im Jahre 863 erlassene Dekret ober die Freiheiten der westfr&nkischen Klöster einer gründlichen Prüfung unterzogen. Dieses Dekret ist nur in einer, in den Liber aureus der Abtei Prüm eingetragenen, Ab- schrift überliefert; es bildete den Rechtstitel für die Stellung der Abtei gegenüber den Erzbischöfen von Trier. Leider hatte H. Beyer nur den ersten Teil des Dekretes in das Mittelrheinische Urknndenbuch (Bd. I, S. 112, Nr. 107) aufgenommen, A. Goerz in den Mittelrheinischen Regesten es unbeachtet gelassen. Daher musste ich den bei Beyer fehlenden zweiten Teil meinem Aufsatze über die territoriale Entwickelung des Fürstentums Prüm als Beleg beigeben (Westd. Ztschr. XX, S. 284). Ob das Stück bereits in älteren Werken veröffentlicht sei, konnte ich damals nicht feststellen, da mir dje erforderlichen Hülfsmittel nicht zug&nglich waren. Werminghoff hat zun&chst diese Lücke in dankenswerter Weise ausgefüllt, dann aber nachgewiesen, dass das ganze Dekret eine Fälschung ist. Der Fälscher benutzte für den ersten Teil ein dem Papste Gregor I. zugeschriebenes, in Wirklichkeit eben- falls unechtes Synodalstatut. Diesem setzte er das Wort „fiat*^ bei und gab dem Schriftstück dadurch die Gestalt eines vom Papste genehmigten Ent- wurfes, der in dieser Gestalt, wie das Rubrum besagte, dem Könige Karl Nachtrag. 385 dem Kahlen zur Mitteilung an die Bischöfe seiner Reiche (d. h. Aquitanien und Neustrien) zugesandt worden sei. Dem zweiten Teile liegt ein Privileg zu Grunde, welches Papst Nikolaus thats&chlich i. J. 863 der Abtei St. Galais erteilt hatte. Die einzelnen Bestimmungen dieses Privilegs hat der Fälscher ▼erallgemeinert, auch durch kleine Einschiebungen erweitert und durch Hin- zufugen des Schlusssatzes aus dem pseudogregorianischen Statut in die Form eines Synodalbeschlusses gebracht. W&hrend nun Werminghoff den Thatbe- stand der Fälschung überzeugend nachweist, geht er über die Frage nach der Entstehungszeit kurz hinweg, und doch lässt sich diese Frage unschwer beant- worten. Ein für die Staaten Karls des Kahlen erlassenes Gesetz konnte auf Trier und Prüm nur dann Anwendung finden, wenn ganz Lothringen zum west- fränkischen Reiche gehörte. Dies aber ist zweimal, unter Karl d. Kahlen 869—870 und unter Karl d. Einfältigen 911—925 der Fall gewesen. Nun regierte in dem letztgenannten Zeiträume zu Prüm der Abt Richarius, der (nach Reginos Angaben) sein Amt in nicht tadelfreier Weise erlangt hatte. Richarius war ein Günstling Karls und erwirkte von diesem umfassende Vor- rechte für die Abtei ; in der darüber ausgestellten Urkunde wird betont, dass Prüm von Alters her das Recht der freien Abtswahl besitze (MRh. ÜB. I, S. 226). Immerhin hatte Richarius eine strenge Untersuchung der Vorgänge bei seiner Wahl zu scheuen, so lange Regino lebte. Auffallend ist es nun, dass der Fälscher des angeblichen Papstdekretes einen das freie Wahlrecht der Klöster hervorhebenden Satzteil neu eingeschoben hat, wie Werminghoff (a. a. 0. S. 53) nachweist, ferner, dass nach der Fälschung mindestens 10 Bischöfe zusammentreten sollen, um über einen Abt zu richten, während die Vorlage nur 6 fordert. Da Trier nur drei Suffragane hatte, so war der Abt von Prüm durch jene Bestimmung der erzbischöflichen Gerichtsbarkeit that- sächlich entzogen. Die Fälschung scheint also zunächst im Interesse des Abtes Richarius angefertigt zu sein; um dies zu verhüllen, gab man ihr die Form eines für das ganze Reich Karls des Kahlen erlassenen Gesetzes. Den Fälscher selbst dürfte man unter den Kanzleibeamten Karls des Einfältigen zu suchen haben; ein solcher Beamter konnte sich am leichtesten die Vor- lagen verschaffen und sein Machwerk als einen Auszug aus den Akten dem Abte mitteilen. Zürich. H. Forst. Museographie über das Jahr 1901. Redigiert von Dr. Hwu Lehner in Bonn. I. Westdeutschland. Elaasa-Lotlirinffeu. 5 Hetz, Muaeun dw Stadt I S. $59, U— VI, VIII-XI, XV— XX. Hit dem Jahr 19Üt wurde ein 1899 begoDoener Anbau du seit 1869/72 heBtehenden MuReumsflageli besogen. Der empfindliche Raummangel kann aber nur gehobeo werden durch Fort- getzung dieser ErweiteniDt; und durch den Ausbau lu einem Vieredc, wie er längst geplant und 1886 auch auBdrfick- lich genehmigt worden ist Im Mai 1901 batte das Mnaeum di« Ehre de« Besuches Ibrer Majestät der Kaiserin und im Man 1902 die des Uesucbes Seiner Kaiserl. und Köoigl Hoheit des KroopriDien. Eine Be- sicbtignng des Mnaeams stuid lach auf den Tagesordnungen derSl.Hanpt- versammlnng des Vogesenklubs lu Meti im Juni 1901 und der 33. allgemeinen Versammlung der deutsch en Gesell- schaft für Anthropologie, Ethaologie und Urgeschichte im August 1901, und fanden diese wie andere Füh- rungen unter sehr zahlreicher Betei- ligung statt. An der letztgenannten Versammlung war das Museum natur- gem&ss auch anderweitig, wie mit einer Festgabe'), einer Ausstelinng vorge- I) AbbltdaiiE«! d«r diijinti.tmMauDDBD] im UBHBni m Kl HkUiUtl-ArDband Im Wslb«n»ld b* ay, d«r dorahbroobAatD Bunlldorf antl du gtt- schichtlicher FundstQcke und mit Vof- irl^n*) beleiligt. Insbesondere aber hatte der Mnieumsdirektor d«o Aof- trair, die von der Qeaellschaft for lothringische Geschichte TeranUssten Ausgrabungeo im Briquetage-Oebiet, zu deren Kosten das Museum nam- hafte Beitrftge lüsiete, n leiten. Um diese Orabungen zu einem einstweiligen AbscblnsB zu führen, mnssten sie nach der Anthropologeniagung fortgesetzt werden. Ueber die Ergebnisse der Orabangen wurde nicht blose gelegent lieh der genannten Versammlung, son- dern aucfa später, wie auf der Tagung des Verbandes west- and süddeutscher Altertumsvereine xn Freibnrg i. Br. berichtet'). Auch bei anderen Ge- legenheiten wurde in Vorträgen aof Erwerbungen des Museums wie über- haupt auf die Bedeutung der Samm- lungen und ibre kulturgeschichtliche Wichtigkeit hingewiesen. Demselben Zweck dienten die mit Abbildungen ausgestatteten Uebersichten aber Ent- wicklung und Bestände der knnetge- Bchichtlichen Sammlungen im Jahr- e Tufaln and 1 Abbild« 1) CormpoDdanib' ' Vgl. BmrbDDgu, A Museographie. 387 buch der Gesellschaft für lotbr. Ge- schichte XU, S 346-416, mit 6 Tafeln und 33 TextabbUdangen % und in der Strassburger Monatsschrift „Das Kunst- gewerbe in Elsass- Lothringen" I, Dop- pelheft 10/11 (April-Mai 1901) mit 40 Abbildnngeq. Von letztgenanntem Heft hat die Stadt Mets auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates eine grössere Anzahl zur Verteilung an Behörden, Schulen und Bibliotheken angekauft ^). In der Aufstellung und Anordnung der Sammlungen wurden wesentliche Besserungen Yorgenommen; die Be- schaffung von Holzsockeln fftr die Stein- denkmäler wurde fortgesetzt. Die Aus- stattung der Gegenstände mit Bei- schriften in deutscher und französischer Sprache wurde weitergeführt. Die pho- tographischen Aufnahmen ?on Gegen- ständen der Sammlungen wurden er- gänzt und Mappen mit Abbildungen aus dem Museum Ihrer Majestät der Kaiserin gelegentlich Ihres Besuches, Seiner Excellenz dem Kgl. Pr. Staats- minister Freiherrn von Uammerstein, dem BegrQnder der Gesellschaft für lothr. Geschichte, bei seinem Abschied von Metz und der Gesellschaft für nOtzliche Forschungen zu Trier bei ihrer 100jährigen Jubelfeier überreicht. Eine Auswahl von 26 der Abbildungen des Museums wurde in Kartenform (Lichtdruck) nachgebildet. Die Handbibliothek wurde nicht bloss durch Ankäufe, sondern auch, wie seit ihrer Begründung, durch freundliche und sehr wertvolle Geschenke ver- mehrt. Die den Verwaltungskosten nicht gewachsenen Beträge mehrerer Titel des Haushaltes hat der Gemeinde- rat, wie im Voijahre, durch nachträg- liche Bewilligungen ergänzt und über- haupt mit dem neuen Geschäftsijahr erhöht. Erwerbungen, A. Altertumssamm- lung. Den Zwecken der Sammlung 4) Seittier iet anob ein Jahresboriobt Aber das Getcbiftqjabr 1901 im Jabrbnob XIII, 8. 408-415 YorOffenUiobt 6) Ancb von der mit Unterstati ung des Mosenmsdirektors Ton B. Forrer insam- B engest eilten «Vor- and frttbgesebiobtlicben yondtafel f&r Bisasf-Lotbringen" (Strassburg L Bis. Karl J. Trübner, 19ul), unter deren Abbilanngen ein Teil nacb den auf Kosten dee Mttsenms bergestellten Pbotograpbien wiedergegeben ist, bat die Stadt Mets eine grossere Zabl kinfliob erworben. entsprechend beschränkt sich der Zu- wachs auf den Bezirk Lothringen. Eine Ausnahme bilden: einige ägyptische Statuetten ; einige vorgeschichtliche Thongefässe aus dem Wfdd Hagen bei Allstedt in Sachsen-Weimar; mehrere römische Ziegelstempel aas Carnuntum und ein Modell der Igeler Säule, alles Geschenke, ebenso wie die im folgen- den aufgeföhrten Stacke, welche vor- nehmlich die Gesellschaft ffär lothrin- gische Geschichte Überwiesen hat. I. Vorgeschichtliche Zeit, a) Reste von Mammut (Halswirbel, Schulterstück, Ellenbogen und Rippe), gefunden auf dem Grundstück der Ziegelei bei Jouy-aux- Arches (Kr. Metz). — Aehnliche Knochenreste, gefunden in einem Steinbruch bei Niederrentgen (Kr. Diedenhofen). b) Jüngere Steinzeit:!. Fnnd- stücke von der Höhe oberhalb der Fenne Houdremont, Gemeinde Gou- tures, bei Ghäteau-Salins (vgl. M^m. Soc. d'arch. lorr. 1890, S. 36 f.), da- runter Thonperlen einer Halskette und Feuersteinwaffen. — 2. Steinaxt vom Schirmacker bei Marienhof, Bann von Ewendorf, Gemeinde Kirchnaumen, einer Fondstelle, die schon mehrfach Steinwerkzeuge geliefert hat. — 3. Fundstücke aus Feuerstein, ausser abgesplitterten Bruchstücken : Pfeil- spitzen, Schaber u. a. ; Mahlsteine aus Vogesensandstein ; gefunden auf dem Rud-Mont bei Nov^ant (Er. Metz) Vgl. über die Fundstelle Beaupr^, Bull. Soc. d'arch. lorr., juin 1901, Nancy (mit Abbildungen). c) Bronzezeit: 1. Bronzene Pfeil- spitze (Forrer, Fundtafel Nr. 34), ge- funden mit neolithischen Fundstücken auf dem eben genannten Rud-Mont. — 2. Grabfund von P^pinville bei Reichersberg (gef. 1893). Bei einem Skelett lagen: ein bronzenes Schwert mit Hakengriff, Gesamtlänge 537i cm; ein bronzenes Messer mit zwei Niet- nägeln zur Befestigung eines Stieles, Länge 15 cm; eine bronzene Pincette, lang 6,8 cm; ein bronzenes Zierstück in Gestalt einer Ente; eine Bronze- nadel mit Kugelknopf, Spitze abge- brochen, jetzige Länge fast 13 cm ; eine Bronzenadel, in einer Oese steckend, Bruchstück ; sieben Bronzeperlen einer Kette ;Bruch8tücke von kleinen Bronze- ringen; zwei länglich-runde, gerippte Westd. Zeitscbr. f. Gesch. a. Kunst. XXI, IV. 27 388 Moseograpbie. Bronzestücke, das eine lang 5Vi cm, Durchmesser der Mitte etwa 15 und am Ende 8 mm, (Gewicht 56 gr; das andere lang 3 Vi cm, Durchmesser der Mitte 8—9 und am Ende 6 mm, Ge- wicht 16 gr ; ein rechteckiges Pl&tt- chen aus Potin (?), auf den beiden Breitseiten mit je zwei parallel ein- geritzten Wellenlinien verziert, L&nge 33, Breite 17, Dicke 8 mm. Gewicht 41 gr. ; drei glatte Bronzeplättchen : das erste lang 71, breit in der Mitte 16 und am Ende 9, dick etwa 5 mm, Gewicht 40 gr; das zweite lang 34, breit in der Mitte 6 und am Ende 4, dick etwa 5 mm, Gewicht 8 gr ; das dritte lang 36, breit und dick 7— 8 mm, Gewicht 20 gr. d) Erste Eisenzeit (Hallstatt- Kultur): 1. Zahlreiche Fundstücke aus den Industrie - Resten des soge- nannten Briquetage im oberen Seille- thal, insbesondere von der umfang- reichen Ausgrabungsstelle von Burthe- court, ausserdem auch von Salonnes, Marsal, Moyenvic und Ghatry. S. Kenne, Westd. Zeitschr. XX, S. 227-242 mit 4 Abbildungen (Tafel 10) und ausführ- licher Lothr. Jahrb. Xni, S. 866—394 mit 9 TexUbbildungen und Tafeln IX — XL — 2. Verzierte Topfscherben aus einem Hügelgrab mit Brandbestat- tung im Staatswald südöstlich vom Bahnhof Chambrey bei Grenzstein Nr. 1299 oberhalb der Kapelle S. Roch im Wald Capitaine mont^. e) Jüngere Eisenzeit (La Täne- Kultur): 1 . Fundstücke (zugerichtete Balken, Sohlenleder, Topfscherben, Schminke u. a.) aus einem durch die Ausgrabung als Wohnstätte erwiesenen Mar (einer Mardelle^ bei Leyweiler, Kr. Forbach. Vgl. Wichmann im Corr.- Bl. d. dtsch. Ges. f. Anthropol. XXXII, 5. 78. — 2. Topfscherben, auf Gut Zu- fall bei Lörchingen in einer Tiefe von über 2 m mit einer kleinen gallischen Münze (Nachbildung einer griechischen Münze von Marseille) und unterhalb der später als II, 2 erwähnten rö- mischen Gegenstände gefunden. IL Zeit der römischen Herr- schaft. 1. Skulptur reste eines Weih- denkmals des sogen. Gigantenreiters, nämlich Kopf des Reiters, Bruchstücke des Pferdes und des Schlangenleibes des Giganten, ferner zwei Reliefdar- stellungeo, nämlich Juppiter mit Blitz in der erhobenen Rechten und (zer- stückelt) vielleichtBacchus mitThyrsos- Scepter; ausserdem ein nicht zuge- höriger Kopf eines grossen Reliefs, wohl von einem Grabstein herrührend. Gefunden mit Münzen des Hadrian, Antoninus Pins und M. Aurel im Distrikt Zwei-Kreuzen (Kanton Lörch- ingen). — 2. Zahlreiche Kleinfonde aus Eisen, Bronze, Thon u. s. w. von Gut Zufall (Laneuveviile) bei Lörchin- gen, d. h. von der vermutlicben Stelle des vicus Saravus'), darunter anch Münzen der Salonina, des Constantius Caesar und des Constantius Augustas*}. — 3. Fundstücke vom Grabfeld Drei- heiligen'j, wie Grabumen aas Thon mit Füllung, die im Museum zusam- mengesetzten Bruchstücke eines kleinen Henkelgefässes in Gestalt eines lagern- den Hirsches mit Ein- und Ausgoss- röhre zwischen den Ohren an Stelle des Geweihes *), ein Eisenmesser a. a. — 4. Nachträgliche Funde vom Grab- feld im Wald Neu-Scheuer (Neuve- Grange) bei St. Quirin >•). — 5. Fand- stücke aus einem röm. Bau an der Strasse von Cbäteau-Salins nach Delme, n. von Forme Houdremont (Gemeinde Coutures), darunter Hals eines Thon- kruges, dessen Ausguss mit einem Stier- schädel abgedeckt ist (Nachahmung von Bronzegefässen), und Münzen des 2., 3. und 4. Jhdts. n. Chr., z. B. Denar des Antoninus Pius aus dem J. 160, Rs.: Felic. saec. — 6. Ein aus 11 Ziegel- platten zusammengesetztes Skelettgrab eines Kindes, ausgegraben an der als ergiebige Fundstätte des südlichen Gräberfeldes von Metz aus früherer und jüngster Zeit bekannten Lunette d'Ar^on beim Hauptbahnhof zu Metz; ein Ziegel (tegula) hat den Stempel APRIO; das Grab lag in der Rich- tung West-Ost"). III. Merovingische Zeit. 1. 6) Vgl, Loihr. Jabrbuoh IX, 8. 171, and Zangemeister, Wettd. Zeitschrift XX, 8. 116-119 7) Uaber frtther dAielbst gofondene MtLn- zen Q. a. Tgl. Lothr. Jahrb. XII, 8. 384, 1 and Weitd. Zttittohr. XX, 806, 7. 8) Corresp -Bl d. dtsch. Ges. f. AnthropoL XXXU, 1901, 8. 14S ff 9) Gorresp.-BL d dtsch Ges. f. AnthropoL XXXIII, 1902, 8. 85. 10) Vgl. ttber diesen Friedhof: Lothr. Jahrb. IX, SfiSff.; Westd Ztechr XTII, 860 f. 11) Ueber andere an gleicher 8telle ontar- sachte 8kelett-Griber s. Lothr. Jahrb. Xm, 8. 868—806 nnd 8. 409 Anm. S. Moseographie. 389 Waffen aas einem Friedhof bei Dies- dorf (Er. Diedenhofen) in den Stein- brüchen des Herrn Johannes: 1 Spatha^ 1 Scramasax und 1 Langsax, 1 Streit- axt, 1 Ango, 4 Lanzenspitsen ver- schiedener Länge. — 2. Fondstücke ans Mftnnergr&bem in Ldrchingen, unterhalb des Hallen- und Amtsge- richtsgeb&ndes : eine Francisca, Lan- senspitzen, Spathae, Scramasaxi, Mes- ser, Feuerschl&ger mit zugehörigen Feuersteinen, QQrtelplatten, Schnallen, Scheere, Kamm, Tbongef&sse. — 3. Zwei Steins&rge mit gewölbten Deckeln und Steinsarg eines Kindes; Sch&del und andere Skelett -Teile; Beigaben, nämlich ein Scramasax oder Langsax, mehrere Messer, eiserne GQrtelschalle, Haarkamm, zwei Bartz&ngchen, eine grosse eiserne Haarscheere (I. 28 cm), rösche, Amuletkapsel, Glas- und be- miüte Thon- Perlen von einer Hals- kette. Aus einem sp&t-merovingischen Friedhof bei Gross-MoyeuTre. S. Kenne, Lothr. Jahrb. XIH, S. 855—360. — 4. Kopfstück eines gewölbten Sai^g- deckels aus Stein ' mit eingeritzten Verzierungen, und zwar die Kopfflftche mit geometrischen Zeichnuogeo, die Seitenflächen mit Schlangenmuster. Aus dem Kirchhof von Moyenvic (Kr. Chäteau - Salins). Ygl. Lothr. Jahrbuch XIII, S. 871, Anm. 2. IV. Mittelalter und Neuzeit. 1. Romanische Architekturstücke ans dem Hotel S. Livier zu Metz. ~ 2. Ampulla aus Blei mit bildlichen Dar- stellungen und Aufschriften, gefunden zu Metz. — 3. Rote und blaue gotische Thon- Fliesen, gefunden beim Abbruch der evangelischen Kirche zu Saarburg i. Loüir., von welcher Stelle bereits im J. 1863 entsprechende Fliesen be- kannt geworden waren (Bull. Soc. d'hist. et d'arch. de la Moselle VI, 5. 83 mit Tafel) : abgesehen von zwei vereinzelt vertretenen Mustern wieder- holen sich vier Darstellungen, näm- lich ein Adler, ein Drache, ein Leo- pard und ein Oroament. — 4. Zahl- reiche gusseiseme Kamin- und Ofen- platten >*), darunter besonders be- 1?) YgL J«tst die im Enoheinen begriffene Abhandlung ron Dr. Kastei in der lllutrier- ten Bletttitohen Bandiohtn (Nnmmer I, Des. 190S, B St— 14, Fortoetinng folgt). — Ueber die Sammlung des Metaer Museums Tgl. Lothr. Jabrb XU, 890 f.; XIII, 410 f. und Kunstgewerbe in Bis.- Lothr. I, VS9 ff. achtenswert das letzte Gericht mit Unterschrift in gotischen Schriftzeichen : „Christus rieht über bös und gutt | Hat dich vor der Hellen Qlnt«' (hoch 74, breit 82 cm), ein Turnier mit Bei- schrift (h. 0,80, br. 1,06 m), Tanz in spanischer Tracht (60X60 cm) und kartographische Darstellung von Ame- rika aus dem J. 1786 (h. 68, br. 48 cm). Mit diesem Zuwachs beträgt die Samm- lung ohne Dubletten Ober 80 Stück. — 5. Pläne und Ansichten von Metz, Diedenhofen, Vic, Moyenvic, Marsal n. a. B. Münzsammlung. Eine gal- lische Münze aus Gold oder Elektron, übereinstimmend mit der bei Lelewel, Type gaulois ou celtique, Atlas, Tafel Ili, 23, und bei Maxe-Werly, Etudes sur les monnaies antiques recueillies au Chätel de BovioUes, S. 29 und 73, abgebildeten Goldmünze, die zu der Gruppe gehört, welche jetzt dem Stamm um Verdun (Verodunum) zugesprochen wird^')', vgl. die in der Ausstattung des Münzbildes der Rückseite ab- weichende, auch im Metzer Museum vorhandene Nr. 9000 der Biblioth^que nationale zu Paris, abgebildet bei H. de la Tour, Atlas de monnaies gauloises, Paris 1892, Tafel XXXVII. Fundstelle : Gegend von Kürzel (Kr. Metz). — Goldmünze (Florenas) der Stadt Metz, 16./ 17. Jhdt., gefunden zu Seeburg bei Erdebom (Bez. Halle). — In Bonn ge- prägte Goldmünze des Erzbischofs Friedrich III von Cöln (1370—1414), gefunden am Abhang des Rud-Mont bei Nov^ant. — Medaillon von Seb. Le Clerc, ausgeführt durch E. Hannaux zu Paris (geb. Metz). ~ Ueber den sonstigen Zuwachs an Münzen und Medaillen s. Lothr. Jahrb. XIII, S. 412. G. Gemäldesammlung. Kein An- kauf. — Aus der von Migette der Stadt Metz zum Eigentum vermachten Sammlung zu Longe vi) le '^) wurden 18) Ueber die frühere Zu wei sang dieser Mfin- lengrappe »n yeriohiedene andere Sttmme Tgl. Monnaies Oanloisei, Desoriptlon rai- •onn6e de la Colleotion de M. P. Charles Robert (Eztralt de TAannaire de la Sooletö fraoQ. de NnmismatiqQe et d'Arohöologie ponr 1878) Paris IS80, S. 70/71. — Innerhalb des einstigen Gebietes der Mediomatriker sind MQnien dieser Qmppe Öfters gefunden, I. B. anoh anf dem Herapel (Lothr. Jahrb. XI, S. 815/816). Die FnndsUtte Mont ChUel ist eine HOhe swisohen BorioUes nnd Naiz (Na- sinm) an der rOmisohen Strasse Toni - Reims. 14) Vgl. Ad. Bellevoye, Notioe blographlqne sur Aagaste Migette, Mets 1886, 8. 66 ff. ; 27* 390 Maseographie. anter anderem die Mappen mit Stichen ins Maseam überführt. D. Naturgeschichtliche Samm- lang. S. Lothr. Jahrb. XIII, 418. 415 ; vgl. oben A, I, a. Sonderausstellangen. Aasge- stellt worden: 1. mehrere yorgetchicht- liehe Privataammlangen and zwar vor- nehmlich eme Auslese aus der her- vorragenden Sammlung des Herrn Emil Huber su SaargemQnd, teilweise Funde aus den von Herrn Huber ausgegra- benen lothringischen Hügelgräbern in den Wäldern bei Kadenbronn und Qrossblittersdorf (vgl. Lothr. Jahrb. XIII, S. 388 Anm. 2), teilweise aus der von ihm erworbenen Sammlung Dufresne zu Mets (Westd. Zeitschr. I, S. 260), and die kleine Sammlung des Bischöflichen Priesterseminars und sei- nes Direktors des Herrn Professors Abb^ Dorvanx, darunter Stücke aus dem Depotfund der Bronzezeit von Pouilly (Bull. Mos. X[, 1868, S. 10 und 70) >*). ~ 2. eine reiche ethno- graphische Sammlung , Gegenstände der Digaks, von Herrn Topograph Bier ans Metz im inneren Borneo zusam- mengebracht. — 3. Aquarelle und Oel- gemälde des Malers Herrn A. Birck (geboren zu Metz), hauptsächlich mit Vorwürfen aus der Sahara. (Kenn e.) ^ÄTUrttemberg. 31 Rottenburg, Sttlchgauer Altertunis- verein II S. 204, XX S. 311. Ehrenvorstand Baron v. Ow-Stutt- gart, Präsident der landwirtsch. Gentral- stelle, Vorstand Domkapitular Stiegele- Rottenburg, Yicevorstand Prof. Nägele- Tübingen. Zuwachs. Bewachung von Bauar- beiten und anschliessende Kritik an die Funde. Im Mai 1902 wurden am hinteren Thor des Kgl. Landesgefäng- nisses, da, wo ein Fahrweg zum Weg- genthaler-Weg hinunter fuhrt, folgende Funde gemacht : 1. Brustbild der Juno, 58 cm in der Höhe und 49 cm in der Breite. Der Kopf war vom Brusthals- stück getrennt und später gefunden; auch trägt der Kopf, bez. die phrygische Kr»ns, Knast nnd Alt«rftixm in Els.-Loihr. III, B. 871—873. 16) D»nk dem Entgegenkommen der Eigen- tamer sind die Sammlungen inr Zeit nooh »ntgettellt Haube desselben einen kleinen Defekt. Das Bild ist eine künstlerische Leistung und hat feine Linien. 2. Der Kopf einer Minerva oder Pallas Athene, ziemlich stark defekt, der „Helm" aber sehr deutlich erhalten, wie überhaupt Kopf, Haare, Gesicht und Hals die Feinheit der Linien auch noch ganz deutlich erkennen lassen. Der Kopf mit Hals misst in der geraden Linie in der Höhe 38,6 und der geradlinigen Breite 2ö,5 cm. 3. Ein Kopf, männ- licher Natur (Bacchus?), dazu ein abge- schlagener Halsteil, einen Brustbaueb- teil und das Stück von einem Oberarm, alles nackt. Die Figur scheint eine liegende Haltung gehabt zu haben. 4. Weiter sind folgende Stücke von In- teresse. Eine Hand mit Vorderarm- teil, welche 8 Finger „zum Schwor*^ emporhält, dürfte wohl „als Seltenheit" zum Kopfe der Minerva (Pallas Athene) gehören. Der grobe Sandstein — aas dem alle Figuren gemacht sind — ist nämlich in der Farbe der gleiche, wie der Kopf def Minerva, nämlich dunkelgran. Dazu ist zu bemerken, dass die ursprüngl. Farbe des Steins der Figuren bald mehr hell, bald mehr dunkel, bald mehr rötlich ist, was wohl der Grund war, warum sie alle einen weissen Kalkstrich hatten. Die Hälfte des Umfanges des allerdings verletzten Handgelenkes misst rund 9 cm, der ganze Umfang somit 18 cm. Hierzu verglichen der Umfang des Halses der Minerva, auch über eine verletzte Stelle gemessen, misst rund 86 cm. Und wie der Kopf der Minerva in Relief gehauen ist, so ist es auch die Hand. 5. Drei weitere Bruchteile gehören zweifellos zu einer Bildergruppe für sich. Einmal ein starkes Bruchstück einer unteren Ex- tremität, Knie und Kniekehle in leichter Streckung und Neigung nach vorwärts. Zweitens eine nach vorwärts auage- streckte Hand, die wohl die Lenden- gegend eines Gegners erfasst. Das Vorhandensein eines solchen verrät sich aus dem 3. Stück, dem starken Bruchstück einer unteren Extremität, das zum ersten Unterextremitätenbruch- stück und zu der nach vorwärts grei- fenden Hand in Ringkampfstellung ge- dacht werden muss. Das eine Extre- mitätenbruchstück, ebenfalls mit dem Steine reliefartig verbunden gewesen, misst über der Kniescheibe 66,6 cm, Museographie. 391 das andere nur 52 cm. Auch die Ver- schiedenheit der grossen Masse weist aaf eine Verschiedenheit von kräftigen m&nnl. Figuren hin, auf Ringkämpfer. 6. Ein weiterer Fund besteht in einem dreieckigen Gesimse mit reichlicher Akanthusblätterverzierung, Löwenkopf in der Mitte, erhaben und künstle- rischer Durchfuhrung. Die Basis des Dreieckes ist 1 m lang, die Schenkel sind 74 cm lang. Dazu wurde noch ein Bruchstück von einem zweiten Ge- simse mit gleicher Verzierung gefun- den. 7. Ein Stein mit seitl. Flächen, 27 cm hoch und 32 cm breit; die Flächen vereinigen sich in einem spitzen Winkel, die Basis des Winkels ist 18 cm. Auf der einen Seitenfläche ist ein schöner Widderkopf, auf der anderen eine schlangenartig gewundene Figur (Schlange ?). 8. Zwei grosse Kapitale, eines mit schöner Eierstabverzierung, beide reichlich verziert entsprechend den Gesimsen und ein grosser ovaler Stein mit einem Laubkranz umgeben als Abschluss einer Säule. Viele Bruch- stücke, auch von Tierfiguren (Hals, .Hinterteil mit Schwanz — Schwein ?), brachte der Fund ein. Der ganze Fund lag bei 3 mächtigen Quadern (einer 1,23 m lang, 75 cm breit), die im Senkel standen und teils mit Kalk- steinen unterlegt waren; sie lagen in der Längsrichtung des heutigen Weges, ihre Fortsetzung hörte aber auf; man ist aut dieselbe wohl einmal bei der Anlegung des alten „Stadtgrabens'' ge- stossen. Ein Situationsplan ist aufge- nommen. Die Figuren lagen, wie über- haupt oft die röm. Kulturüberreste hier auch im schwarzen Schlamme rund 366 m über d. M. (Rottenburg 349 ü. M.) und unter hellgelbem Mergel, der mit Kies vermischt ist. Und wie manche „Decke über den Römer sc hieb ten** enthielt diese Mergel-Kiesschicht Attribute der röm. bez. allemannisch • röm. Zeit, nämlich Kohlenteilchen (von der Heizung mit Kohlen herrührend) und Teile von Ziegeln. — Ueber die Bedeutung die- ser Beimischungen in diesen Decken „über Römerschieb ten^ andern Ortes. Wegen des unbestrittenen Götter- bildes im Funde, nämlich der Minerva (Pallas Athene), wegen des Widder- kopfes in jenem Steine, welch ersterer an Altären vorkommt, wegen der über- aus reichlichen Verzierung des Ge- simses und auch der reichlichen Or- namentik der 2 Kapitale hat man es hier mit dem altröm. Tempel von Su- melocenne zu thun. Die Abbildungen einzelner Teile des Tempels kommen in den Reutlinger Gescbichtsblättem Jahrg. XIII, 3 und 4 und photogra- phische Abzüge von mehreren Teilen sind durch Photograph Klöss in Rot- tenburg a. N. zu beziehen. Um die gleiche Zeit der Auffindung des Tempels, etwas vorher, wurde hinter dem jetzigen Pensionat der Schwestern von Siessen ein stattliches altröm. Bauwerk aufgedeckt mit Fagad- gemäuer (vgl. Reutlinger GeschbL XIII Jahrg. Nr. 3 und 4), dabei Turm. Die nach S. verlaufende Längsmauer wurde auf eine Entfernung von 67 m, die nach N. gehende auf 22,20 m festgestellt. Die Breite der Mauer ist 1.26 m; sie hat Strebepfeiler von 1,20 m Breite und 0,80 m tief. Die Strebepfeiler sind aussen an der Mauer. Da, wo sich N.- und S.-Mauer in stumpfem Winkel vereinigen, ist der Turm mit 2,86 m Durchmesser. Innerhalb des Bauwerkes sind keinerlei Anzeichen gefunden worden, die auf eine Woh- nung, ein Haus, hingewiesen hätten (Wandverpntz, Betonboden, Ziegelplat- ten u. 8. w.). Deshalb war die Anlage auch kein Gebäude, aber eine Umfas- sungsmauer. Man glaubte zuerst ein Kastell zu haben und 0. Müller-Stutt- gart machte zur näheren Orientierung in dieser Richtung Grabungen, ebenso Ndgele-Tübingen im Auftrag der R.- Limeskommission neben dem S. A.- Verein; Nägele konnte davor keinen Graben finden, wenn auch das Bau- werk gegen den Berg hinein in einer Vertiefung, die einen 4 m breiten freien Raum gewährte, gestanden hatte. Spä- ter, als das Bauwerk seine ursprüng- liche Bestimmung verloren hatte — durch Uebergang in alemannischen Be- sitz — wurde an dasselbe angebaut ; in der Entfernung von 4,50 und 7 m vom Turme des Fa^adgemäuers kamen näm- lich zwei kleinere, auch im Plan auf- genommene Mauern. Ueber das ganze Bauwerk ist von Kataster - Geometer Schieting ein Situationsplan gefertigt ; übrigens ist das Bauwerk teils unter, teils über der Erde erhalten und mög- lichst konserviert. Die Bauart der 2 klei- 392 MuBoographie. nen Mauern war das opus spicatum, das Bindemittel aber Lehm (es waren die über der Erde stehenden Mauern); dabei lag Wandverputz, weiss mit schwarzen Strichen und Scherben der Art, wie sie hier immer gefunden werden, terra sigillata, der grauen und gelben Thonerde ; ebenso einige Falz- ziegel. Links am Turm lag wieder im schwarzen Schlamme die Muschelschale. - Die Umfassungsmauer, als solides Bauwerk muss nach der Katastrophe noch als Ruine gestanden haben ; denn viele Steine der Umfassungsmauer lagen über dem tiefen schwarzen Schlamme. Auffallend ist, dass beim Graben des Brunnens in des früheren Aktuars Hof- meisters' Garten, jetzigem Anwesen des Paul Bader, genau in der Richtung der Südmauer, 47,20 m vom Turme entfernt, in der gleichen Mauer der Stein mit der Widmungsschrift des Ordo (der Verwaltungsbehörde) des Saltus Sumelocennensis (Marktgenos- senschaft von Sumelocenne) zu Ehren des Kaiserhauses gefunden wurde und zwar in der ganz auffallenden Lage mit der Schriftseite über einer sonst leeren, nur Schlamm ent- haltenden, aber ausgemauerten Höhlung (Oberamtsbeschreibung von Rottenburg Seite 481). Sieht das nicht aus, wie wenn ein unter den Ale- mannen zurückgebliebener Römer der einstigen Römerherrschaft hier in sym- bolischer Weise ein Grab errichtet hätte. Auch ist anzunehmen, dass die Alemannen, als sie sich im 3. und 4. Jahrhundert auf dem r. Rheinufer in den Besitz der röm Gebiete setzten, die Anzeichen einstiger römischer Herr- schaft möglichst entfernten und un- sichtbar machten; denn Symmachus sagt schon „urebant consciam latro- cinii nationem quondam Romanae co- loniae antiqua vestigia**, es brannten, beunruhigten sie (aus schlechtem Ge- wissen) die alten Spuren einer röm. Kolonie und thatsächlich findet man nicht nur hier in Rottenburg, sondern auch andern Orts „die Äusse- ren Zeichen einstiger röm. Herrschaft*' in den Mauerwerken mehr „versteckt^ anffebracht, z. B, in Mainz waren auf- gemndene Quader mit der Verzierun- gen und Konstruktionen enthaltenden Seite immer nach unten, nach der Seite oder nach innen angebracht (Museographie 1900 Seite 386). Die Alemannen benutzten demnach ur- sprünglich röm. Bauwerke öfters zu eigenen Zwecken, wie auch jener An- bau an ein solches hinter dem Pen- sionat beweist Auch das bei der Gas- fabrik ausgegrabene Römerbad, das innerlich „tiefgehende Verftnderunsen' aufweist (vgl. ßadbeschreibung v. Rnd. Herzog, I^utl Geschbl. Jahrg. XI Nr. 1); und die zweite Grabung im Römerbade ergab in einem westlich gelegenen Räume den Befund, dass die dortigen Heizpfeiler (pilae) nicht mehr aus soliden quadratischen Ziegeln eben- massig aufgebaut waren, sondern aus „FalzziegelteUen'^ d. i. Dachplatten. Und 4 grosse schöne Heizpfeiler aus Sandstein trugen entschieden in über- triebener und unnötiger Anzahl den Be- tonboden eines kleinen Raumes. Dieses Römerbad mit seinen vielen in unsrer Sammlung aufbewahrten Stempeln der Leg. VIII aug. in den Heizpfeüem wurde ebenÜBills von den Alemannen benutzt, als sie Herr der Gegend waren ; denn es fanden sich ganz unten in der Tiefe des Schuttes dunkelgraue y,kwi'. tige" Scherben, die hinter die fräniasche Zeit zurück in die alemannische Pe- riode hineinreichen. Wo der Befund des oben genannten „versteckten Angebrachtseins" von dekorativen und inschrifUichen Steinen vorkommt, finden sich neben der terra sigillata (namentlich der schlechteren, innen mehr weichen, nicht glasharten Qualität) sicher solche dan- kelgraue bis ganz schwarze Scherben mit ganz scharfen Kanten an den Mündungen der Gefasse ; auch kommt eine gelbe Sorte der gleichen Art vor. An diesen dnnkelgrauen bis schwar- zen und gelben Scherben bez. Gelassen kommen auch Verzierungen, s. B. an den Henkeln in Form von Vertiefungen vor, wie wenn sie mit Fingerspitzen gemacht worden wären, vgL ein Exem- plar in „Golonia Sumelocenne" von Jaumann 1840, Taf. XXH Nr. 6, das echt ist Bei jenem Befunde des ver- steckten Angebrachtseins von genann- ten Steinen finden sich auch die gelben, gelbrötlichen Scherben mit einem „rot- braunen Ueberstrich*S namentlich der Reibschalen. Diese zwei GeßU»- arten, die mit Kanten und die mit diesem Ueberstrich, die oft neben den typisch Museograpbie. 393 römischen glasharten Sigillata-Scherben torkommen, nehmen ihren ersten An- fang im 3. nnd 4. Jahrhundert, in der Zeit der Alemannenherrschaft wo Ale- mannen und Römer neben einander wohnten und das ausschliessliche Ver- legen des Ursprungs dieser Scherben und Gefässe in die fr&hmittelalterliche, fränkische Zeit ist falsch. Ein sicheres Kriterium des Alters der Scherben und Gefässe bildet hier immer der in der Erde sich vorfindende „Schlamm" jener Ueberschwemmungs- katastrophe vom Jahre 366 n. Chr. (bez. zwischen 364 und 36S n. Chr.), durch die Sumelocenne zerstört und in „Sumpf^^ gebettet wurde, woher dann der übrig gebliebene Best von Sumelocenne So- licinium, das ist Sumpfstadt, Stadt am Sumpfe — von solic, sulic = Sumpf — genannt wurde und woher auch villa Sulichi, Sulchen undSulichgeuva, Sulch- gau abzuleiten ist. Vgl. Aufsatz in imStaatsanz. v. Württbg. Nr. 278, 1902. Soweit die Orte der Umgebung Sülchens (Rottenburg) in den alten Urkunden des 8. Jahrhunderts (auch Sulchen wird für das 8. Jahrhundert angeführt, O.-A.- Beschreibung von Rot- tenhurg 1899. I. 318) nicht im Sülch- gau d. i. „Sumpfgau'', sondern in anderen Gauen (Hattenhuntare z. B.) angeführt sind, liegen sie auch nicht im Bereiche der in der Höhe bis un- gefähr zu 430 m sich vorfindenden, von derUeberschwemmung zurückgebHebe- nen bis zu 3 m unter der Erde bez. oft unter dem Lehme sich vorfindenden Schlammschichten, sondern viel höher ! Und die im „Sülchgau^ angeführten Orte liegen wirklich im Ueberschwem- mungsgebiete. Dieser „Schlamm'^ ist nach dem Ausdruck der Geologen „lei- tend*' für die Bestimmung von Funden in ihm, also für die Keramik oin'Kovum und eine Wichtigkeit. Dieser „leitende*, Schlamm in alemanisch-römischen Kul- turschichten muss sich auch am Rheine, z. B. in Mainz (Mogontiacum) finden; denn die genau geschriebene Mainzer Museograpbie von 19Q0 (Westd. Zeit- schrift) weist in auffallend vielen Punk- ten, namentlich dem Funde von Haufen von ganzen Amphoren in der Rheinallee auf die gleiche Ueberschwemmung hin, wie sie in Sumelocenne war. Linden- schmit sagt dort Seite 343 z. B. : „Die Gef&sse (Amphoren) waren unordentlich zusammengehäuft, einige standen auf spitzem Fusse, andere lagen auf der Seite, so dass der Eindruck hervorge- rufen wurde, als seien sie durch Wasser in einer Mulde zusam- mengehäuft! Gerade so, wie bei der neuen Turnhalle in Rottenburg (Sume- locenne), vgl. Museograpbie 19(X) Seite 315 u. s. w. Und, wieder in Mainz, die Kiste, die im „Moore** lag, gefüllt mit „Schlamm** und terra sigillata- Scherben, die zu ganzen Gefässen er- gänzt werden konnten I (S. 343). Diese Gefässe waren sicher ursprünglich in diese Kiste verpackt bei der Katastrophe anno 366 n. Chr. zerstört und im zer- störten Zustande angeschwemmt wor- den. Wenn in Rottenburg und sei- ner weiten Umgebung die schwarzen Schlammschichten zum Teil mehr ober- flächlich, zum Teil 60- 80 cm, ja 2—3 m unter der Erde, bez. dem Lehme (Hirr- lingen) und ca. 80 m über dem Neckar- spiegel, das ist in der Höhenkurve von über 4(X) bis ungefähr 430 m bei den Punkten Kalkweil, östl. und westl. von der Heuberger- Warte, Oberndorf O.-A. Herrenberg, bei der Strasse nach Jet- tenberg O.-O. Tübingen, bei Frommen- hausen und Hirrlingen O.-A. Rotten- burg zum Teil „über** röm. Kultur- überresten und mit immer thalwärts gerichteter schwacher Neigung gefun- den wurden (Rottenburg 349 m ü. M.), so dürften diese Sumpfschichten (oder diesen aequivalciite Bildungen) auch in der Rheingegend in „höheren**, für die Ablagerung von Schlamm aber günstigen Lagen zu suchen sein, da man dort für damals eine gleich schlimme Wit- terung annehmen muss. Diese kolos- sale Ueberschwemmung der tiefer ge- legenen Gebiete des Flnssgebietes des Neckars in der Höhe von über 80 m in historischer Zeit, anno 366 n Chr., kann man sich sehr wohl „ohne Thal- verstopfung als erste Ursache'* denken, nämlich bei einer allgemeinen, auch an- dere Länder betreffenden Regenperiode (Landregenperiode) von längerer Dauer und intensiverem Grade, wie die des Jahres 886 war (Staats- anzeiger No. 78). Gerade wegen des Fehlens der Spuren einer „Thalver- stopfung** (Staatsanz. von Württemberg No. 290, F. H. Korresp.) und wegen der archäologischen Befunde in Mainz, Mo- guntiacum, die mit denen von Sumelo. 394 Museographie. cenne ganz identisch sind (Staatsanz. No. 290) ist die Annahme einer der- artigen Regenperiode notwendig. Aach andere Städte am Rhein weisen später zu kritisierende übereinstimmende Er- scheinungen auf. Und die vielen Schneckennester in den Verstecken Ton ri^m. Geb&uden z. B. in „Heiz- kacheln ** (Tubuli) weisen darauf hin, dass das Wasser Dicht durch eine ThaWerstopfung, etwa durch Erdbeben entstanden, sondern durch Regennie- derschläge von der höher gelegenen Umgebung samt den Schnecken her- gekommen ist (Reutling. Gesch -Blätter 1900 Xo. 1). — Hier möchte ich nur noch kurz bemerken, dass auch ge- schichtliche und archäologische Er- scheinungen in Basel = Äugst am Rheine, dem einstigen Augusta Raura- corum, auf diese allgemeine Ueber- schwemmnngskatastrophe von 366 n. Chr. hinweisen. Wenn nämlich Au- gusta Rauracorum anno 365 n. Chr. von den Alemannen nur «teilweise" zerstört und nachher „bald"* wieder- hergestellt wurde (vgl. bes. Beilage des Staatsanz. v. Württbg. 1902 Xo. 25 und 26 Seite 411, Th. P.), warum ist diese Stadt am Rheine, die Ammianus Marcellinus anno 365 (also ein Jahr „vor" der Katastrophe) noch als eine „der grössten und mächstigsten Städte" gesehen und bezeichnet hat, warum ist sie eigentlich trotz dieser ihrer baldigen Wiederherstel- lung und Grösse doch so rasch politisch verschwunden — zu Gunsten des ebenso rasch em- porkommenden nachbarlichen, vorher aber wenig bedeutenden „Robur", alsbald Basilia (Basel) genannt und anno 374 n. Chr. von Yalentinianus gegen die Ale- mannen schon befestigt, trotz- dem Augusta Rauracorum nicht durch eine Zerstörung der Ale- mannen in Zerfall gekommen sein soll? (Vgl. ebenda 412). Und warum sind unter anderem so wertvolle, grosse kupferne stark übergoldete Platten, „die die Bedachung eines Hauses aus- machten", dort in Augusta Rau- racorum bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts (ebenda 412) un- vermerkt und unverwendet lie- gen geblieben? Finden diese ge- schichtlich und archäologisch rätsel- haften Erscheinungen nicht wieder eine Erklärung in der allgemeinen Uebet- schwemmungskatastrophe vom Jahre 366 n. Chr. — Dabei umfassen all die Münzen, die bei Augusta Rauracorum gefunden wurden, die Zeit von Kaiser Augustus bis Theodosius, der 340 — 395 n. Chr, also auch zur Zeit der Ka- tastrophe lebte. Demnach können sämt- liche Münzen aus der Erde von Augusta Rauracorm „vor" 366 n. Chr. geprägt und mit den vergoldeten Tafeln aurch die Katastrophe anno 366 n. Chr. be- graben worden sein. Man suche wach dort in den Trümmern von Augusta Rauracorum nach den Spuren der Katastrophe; Erinnerungszeichen aa sie sind sicher dort vergraben, wie in Moguntiacum, weil das Wasser in Sumelocenne „ohne Thal Verstopfung* infolge einer viele Länder betreffen- den Regenperiode von längerer Dauer und intensiverem Grade, wie die von 886 n. Chr. (Staatsanzeiger Kr. 278) über 80 Meter hoch gestiegen ist^). Den Sommer über wurde bei der Bewachung der Bauarbeiten an der Villa Planck ein röm. Brunnen zu Tage gefördert. Der Brunnen wurde in einer Tiefe von etwas über 11 m bis in das Gebiet des Grundwasserstaades hinein ausgegraben. Der letzte Rest der Ausfüllung des Brunnens von vielleicht noch schwach einem Meter Tiefe konnte wegen der Baufälligkeit und GefHiir- lichkeit des lückenhaften Aufbaues in der Tiefe nicht mehr gehoben werden. In der ausgegrabenen Tiefe hat der Brunnen 65 cm Weite, während er oben 90 cm schöne runde Lichtweite hat. Der Aufbau besteht in der Haupt- sache aus den Steinen der Umgebung, dem Muschelkalk, auch sind einige grobe Sandsteine darunter. Ausser einer zum Ziehbrunnen gehörigen Säule wurde die Hälfte einer kopfgrossen Kugel gefunden, welche am Seile das Gegengewicht zum Wassereimer bil- dete. Ferner wurde in ca. 10 m Tiefe ein Teil einer zur Zngsvorrichtung ge- hörigen Kette gefunden; sie war au 1) Wenn wir nnt »noh dl«Mn AntAh* rangen keineawegt snsohliesien, so glnnbten wir dooh, sie im Wetentltohen wied«rg«b«B in darfen, d» ne immerhin sa genauerer Be»ohtang der VenehattnngtgeeoUohte t^ mitoher Knltariohichten anregen können. D. Bed. Museographie. 395 Holz and Kisen derart gefertigt, dass zwei starke eiserne Platten von Fin- gersläoge und ca. 8Vt Fingersbreite je die breite Seite eines kleinen Holz- klotzes umgaben; der Zusammenhalt wurde durch NSgel hergestellt und die so beschaffenen Kettenglieder durch Haken miteinander zur Kette verbun- den. Das Eisen ist noch ziemlich gut erhalten; das Holz ist meistens ver- kohlt und weggebrochen. Die Ausfül- lung des Brunnens war frei von mo- dernen oder mittelalterlivJien Beigaben; man fand Scherben der gelben Thon- erde auch mit ,,rotbräunUchem lieber- strich^ der Terra sigillata^ Falzziegel- teile, Stucke von Heizkacheln, Heizpfei- ler (pilae) aus Sandstein. Dann wurden viele Tierknochen gefunden, wie immer in Römerschichten. Dieses auch an- deren Beobachtern aufgefallene und in den Museographieen erwähnte auf- fallend häufige Vorkommen von Tier- knochen in Bömerschichten weist auf ein massenhaftes Zugrundegehen von Tieren durch die Katastrophe anno 366 n. Chr. hin; im „Römerbade^ bei der Glasfabrik fanden sich neben vielen sonstigen Tierknochen 8 Rinderköpfe, einer schön erhalten mit Hörnern und „ohne Schlsg" auf der Stirne. Die Hauptmasse der Ausfüllung des Brun- nens bestand in grossen, ungeformten Steinbrocken aus Muschelkalk und gro- bem Sandstein, auch Tuffsteinen. Alles war locker gelagert, mit viel Lücken, was darauf schliessen lässt, dass der Brunnen nicht allmählich, sondern auf einmal verschüttet wurde. Der Schlamm, der das Ausfullungsmaterial umgab, war reich an Kohlenpartikelchen. Aus un- gefähr 5 m Tiefe wurde das Bruch- stück einer Muschelschale zu tage ge- fördert. Ueberall von oben bis unten fand man eine unzählige Menge von Schnecken und Schneckennestem. Eine Muschelschale wurde bekanntlich in allernächster Nähe von diesem Römer- brunnen d. i. bei der neuen Turnhalle „unter demLehme imSchlamme'' neben einer ganz erhaltenen, dick- bäuchigen Amphora und bei vielen blät- terförmig zusammengeballten Scherben der römischen, bez. alemannisch-röm. Zeit gefunden. (Museographie t900, Seite 315). Es ist nicht anzunehmen, dass der Brunnen zur Zeit der üeber- schwemmung durch das Wasser mit den vielen grossen Steinen „auf einmal '^ zu- gedeckt worden ist; die Steine hätten wohl schwerlich alle die nur 90 cm be- tragende obere Oeffnung des Brunnens gefunden, wenn man auch annehmen wollte, sie wären als ca. 2öpfundige Steine für die Fortbewegung durch das Wasser gar nicht zu schwer gewesen. Der Brunnen ist demnach nach der üeberschwemmungskatastrophe nach Ablauf der Gewässer „auf einmal" durch Menschenhand zugedeckt worden mit all den Attributen der Katastrophe, dem Schlamm, den Schneckennestern und der Muschelschale. Die zum Zieh- brunnen gehörige ca. 1 m hohe und U/t Schenkel dicke Säule (oben mit einem ausgehauenen Zapfen zur Be- festigung des Querbalkens versehen) stellt der Besitzer in seinem Garten auf; die als Gegengewicht zum Wasser- eimer dienende Hälfte der steinernen Kugel, sowie der Ueberrest der Kette gehören der Sammlung an. Der röm. Brunnen blieb, wie das Bauwerk hinter dem Pensionat erhalten ; er ist gefasst und funktioniert jetzt als Senkloch. Die Sammlung wird fortwährend durch neue keramische und andere Funde ergänzt Die gefundenen Mün- zen sind noch nicht vollständig be- stimmt. (Dr. Paradeis.) Stuttgart, Staatssammlung vaterl. 33 Altertümer I S. 254, H— X, XVU-XX. Aus einer neolithischen Nieder- lassung bei Ruith (Stuttgart) : 2 Steine einer Handmühle, Gefässscherben, 2 durchlochte Steinbeile , Feuerstein- splitter. Funde aus bronzezeit- lichen Grabhügeln von Hundersingen, Bichishausen, Apfelstetten, Ehestetten (O.-A. Münsingen). In einem bronze- zeitlichen Grabhflgel bei Wilsingen (O.-A. Münsingen) fand sich eine ale- mannische Kachbestattung mit 4 sil- bernen Armringen und 1 römischen Münze. In Balingen Fund von Urnen der ältesten Hallstattzeit, aus der jüngsten Hallstattzeit Bronzeringe von Oberiflingen (O.-A. Feudenstadt). Bei Dottingen (O.-A. Münsingen) wurden 34 Grabhügel geöffnet, welche der Bronze- und der Hallstattzeit ange- hören mit Uebergängen in die La T^ne- zeit. Von den bronzezeitlichen Fun- den ist hauptsächlich ein Schwert mit Ortband hervorzuheben. Bei Murr (O.-A. Marbach) Funde der La T^ne- 396 Museographie. zeit: 2 Fibeln; aus derselben Zeit Funde von Qrafeneck (0. A. Münsin- gen): ein zusammengebogenes Eisen- schwert, Lanzenspitse, Scheere, Ra- sirmesser von Eisen. Aus römischer Zeit : Gräberfunde vom Altenburger Feld bei Gannstatt: Wagenbeschlä|(e, ein bauchiges Glas- gefiUs. Aus einem Brunnen bei Donn- stetten (O.-A. Urach): Reste von Le- derschuhen (Sohlen) und ein Leder- gewand, Bmchst&cke von terra sigiUata. — Dem Lapidarium wuchsen zu: die Fragmente von 4 Hochreliefs des Mer- cur aus einem kleinen Heiligtum des Gottes bei Neuhausen auf den Fildern, ein Mercurkopf aus Moeckmühl, ein ebensolcher aus einem alemannischen Hügelgrab bei Derdingen (O.-A. Maul- brau), ein Mercurtorso aus den Hardt- walde bei Eleinaspach (0 -A. Marbach). Vom Begräbnisplatz auf dem Alten- burger Feld bei Gannstatt: Reste von Grabdenkmälern (s. Sixt, Führern. Aufl. nr. 323—324). Alemannisch-Fränkische Zeit: Aus dem Reihengräberfeld von Gült- lingen (O.-A. Nagold) grosse Adler- fibel, bronzevergoldet, Riemenzunge mit Purpurgias verziert, Schnalle von Agat mit silbernem Dorn und Purpur- glaseinlage, Bronzeschüssel. Von Hun- dersingen (O.-A. Münsingen): Spatha, Schildbuckel, 2 Bronzesporen. (G. Sixt.) 34 HeHbroim, Museum des nistorischen Vereins I S. 256, V, VI, XVII, XIX, XX. Im Vordergrund der Bodenforschung stand auch im Jahr 1901/02 die wei- tere Ausgrabung des steinzeitlichen Dorfs Grossgartach, hauptsächlich zu dem Zweck, den Zusammenhang und die Beziehungen der verschiede- nen Arten von Hausuntergeschossen zu einander eingehender klarzulagen. Es konnten zu einer Reihe von Gehöften die dazu gehörigen Wirtschaftsanlagen durch tiefschwarzen speckigen Boden, Scherbenarmut und Fehlen der Grund- risseinteilung kenntlich , festgestellt werden. Weiter zeigte eine kleine beinahe nur verzierte Gefässe im Cha- rakter der Linearkeramik enthaltende Wohngrube ohne Grundrisseinteilung, dass die neolithische Keramik nur teilweise Hausindustrie der einzelnen Wohnstätten war und wohl ein grosser Teil der immer wiederkehrenden Typen in Werkstätten angefertigt wurde. In der Peripherie der Dorfanlage wurde eine Wohnstätte ausgegraben, welche, offenbar für einen einzelnen Mann eingerichtet, sämtUche von den grossen Wohnstätten her bekannte Grundriss- teile in reduzierten Massen enthielt Von besonderem Interesse waren Ver- zierungen in schweren plastisch her- vorgehobendn Spiralen, wie wir sie von den unteren Donauländem kennen und in Mustern bemalte Scherben. Die hier überall auftretende Mischung von Linearkeramik und Stich- und Strichverzierung in denselben Wohn- stätten veranlasste die Ausgrabung der kleinen Niederlassung bei Fran- kenbach, welche hierin die gleichen Verhältnisse wie Grossgartach, ausser- dem aber eine Wohnstätte mit reinem Hinkelsteintypus, die erste dieser Art bei uns, aufwies. Auch den Wohnstätten aus der La T^ne- und Bronzezeit konnte weitere Aufmerksamkeit geschenkt wer- den. Ein La T^negchöfte beim Hipfel- hof erwies sich als viereckiges Wohn- gebäude aus Fachwerk mit sorgflütig hergerichtetem Estrichboden mit da- nebenliegender massiv gebauter Werk- statt, welche der grossen Menge von Gusstiegeln nach för Eisenarbeit ein- gerichtet war. Eine bronzezeitliche Rundhütte beim Massenbacher Wald zeigte den üblichen leichten Bau der im Weideland zerstreuten Hütten dieser Zeit. Der Fund zweier Flachgr&ber der La Tänezeit mitten in dem fran- kischen Reihengräberfeld von Hork- heim veranlasste den Aushub einiger Gräber, welche keine weitere La Täne- funde ergaben. Die La Tönegräber lagen wohl für sich, aber der gleiche Fund vom Reihengräberfeld BöcUngen deutet auf Fortlaufen der Tradition dieser Begräbnisplätze durch verschie- dene Epochen. Der ZttuHidu zu der Sammlung des Museums ist daher in der Hauptsache prähistorischer Herkunft. 1) Aus der Steinzeit: Neben ei- nem sehr grossen Material verzierter Gef ässbruchstücke der verschiedensten neolithischen Typen der Bandkeranuk, Feuersteinwerkzeugen, Steinbeilen, be- malten Scherben in Winkel- und Bogen- mustern, 8 reichverzierte Gefässe der Stich- und Strichreihengruppen, dar- Museographie. 397 anter 2 typische Hinkelsteingefässe, 2, welche als üebergang des Hinkel- steiotypus zum Grossgartacher aafge- fasst werden können und ein sticbver- zierter Spitsbecher mit Wulst, den Michelsberger Tulpenbechern in der Form ähnlich, 6 linearverzierte Ge- Asse aus der oben erwähnten Töpfer- werkstatt, teilweise mit Standfläche versehen und 4 anverzierte Krüge und Schüsseln. 2) Die bronzezeitlichen Wohn- stätten ergaben eine zierliche mit Stichkranz verzierte Vase, eine mit Graphitstreifen ornamentierte Kugel- schale, Spinnwirf el, Webergewichte and 1 Salzgefäss. Ausserdem wurden Pfähle aas einem Pfahlbau des Boden- sees geschenkt und konserviert. 3) Der La T^nezeit entstammen 2 vollständige Grabausrüstnngen zweier Krieger, die eine aus Langschwert, Lanze, eisernem Schwertgehänge, ei- ner frühen Bronzefibel und einer eben- solchen aus Eisen, 2 grossen eisernen Mittel-La Tänefibeln, die andere aus Langschwert mit Kette, Stoss- und Wurflanze, Früh- und Mittel-La T^ne- fibel bestehend. Die Gräber lagen zwischen denen des Reihengräberfeldes Horkheim. Von Flachgräbom im Böddnger Grabfeld stammen 2 Buckel- fussringe mit stempeiförmigen Enden, 1 Arm- und 1 Halsring. Die La T^ne- gehöfte vom Hipfelhof lieferten 1 grosse Vase, 2 hohe Töpfe, 1 sehr grosse Schale, 1 Henkeltasse, zierliche Spinnwirtel und eine Menge teilweise zerstörter Gasstiegel. 4) Der Römerzeit gehören ein schön verziertes, aus Bronze vollge- gossenes Messer aus Grinario-Köngen und ein verzierter Schreibegriffel von Hall an. 5) Das fränkische Reihengräber- feld Kochendorf lieferte einen wohler- haltenen Schädel, Lanze und Gürtel- schnalle, das Gräberfeld Horkheim 2 Schädel, 1 Messer und einen stempel- verzierten weiten Topf, das Gräber- feld Sontheim einen zierlichen Krug and eine Gürtelschalle aus Bronze. 6) Dem Frühmittelalter sind 2 bauchige henkellose Töpfe mit Kreuz- verzierung der äusseren Bodenfläche und eine Anzahl grosser durchbohrter Thonkugeln, als Netzsenker oder We- bergewichte zu deuten, zu erwähnen. Sie entstammen einer verbrannten Wohnstätte in Grossgartach. Von Heilbronn stammt ein bei der alten Stadtmauer gefundener eiserner Dolch, ein Sammelfund von Halbbractoaten, deren Hauptmenge nach Stuttgart kam, Sporen mit feststehendem Rad und eine Anzahl Schädel. (Dr. Schliz.) Konstanz, Rosgartea - Muteum I S. 37 266, H— XX. Die praehlstorische und rö- mische Sammlung erhielt im Jahre 1901 keinen Zuwachs. Jedoch kamen einzelne Gegenstände aus neuerer Zeit in das Museum: a) Plastik: 2 romanische Säulen und einige Renaissance -Bauteile aus einem abgebrochenen Haus in der Salmansweilergasse. Ein Konstanzer Bischofswappen in Gips (18. Jahr- hundert). Eine geschnitzte Holzsta- tuette (hl. Johannes) aus dem 16. Jhd. Grosses in Holz geschnitztes Modell des Epitaphiums Bischof Franz Joha- nnes von Konstanz (f 1689). b) Malerei: Der grössere Teil eines Renaissance - Wandgemäldes in Holbein'scher Manier, das sich an der Aussenseite des nun abgebrochenen Beinhauses von St. Jodoc befand, wurde abgenommen und in den Rosgarten übergeführt. Ein Holztafelgemälde von 1609 (Verkündigung Mariae). Ein Oelbild (hl. Caecilie) und 3 Kreide- zeichnungen der Konstanzer Malerin Ellenrieder. Einige kleinere Oelge- mälde, Aquarelle, Lithographieen und Emaillegemälde. c) Waffen: Eine grössere GoUec- tion militärischer Kopfbedeckungen, Bewaffnungs- und üniformstüciie, so- wie 4 vollständige Uniformen, haupt- sächlich von der Konstanzer Bürger- wehr aus der 1. Hälfte des 19. Jahr- hunderts stammend, ging in den Besitz des Museums über. d) Haushaltungsgegenstände: Ein Holzfässchen und einiee Holzbe- cher. Ein zinnernes Giessfass. Eine Uhr mit Gemälde der St. Stefanskirche. e) Münzen: Eine römische Münze, auf Schloss Gasten gefunden. Alt- griechische Münzen. Moderne Schützen- medaillen. (0. Lein er.) 398 Museographie. 38 UeberliRgeii, Kulturhitiorisebet und Naturaiiea-Kabiiiet I S. 256, IV— VIII, X-XX. Die Ertoerbunffen für unsere Samm- lang waren im abgelaufenen Jahr sehr spärlich. Es wurden angeschafft ein altertumlicher Kachelofen von Maurach, zwei Pläne des Schlossguts Spetsgart, ein Ueberlinger Reisekoffer, der Stamm- baum der ueberlinger Patrizierfamilie von Pflummern, einige alte Münzen, ein Feuersteingewehr, eine Kollektion von deutschen Waffen und Montirungs- gegenständen der Jetztzeit. rLachmann.) 42 Karltrttbe, Qrossh. Sammlungea für Altertums- und Völkerkunde 1 S. 255, II— XX. Auch im Lauf des Jahres 1901 tra- ten die antiquarischen Unternehmungen und Erwerbungen zurück, teils wegen immer empfindlicheren Raummangels, teils weil das Interesse in besonders ausgedehmtem Masse der Ordnung der Sammlung für Völkerkunde zugewendet werden musste. Die Untersuchung einer grösseren Grabhügelgruppe der Hallstatt- Periode im Gemeindewald von Wahl- wies, A. Stockach, wurde begonnen, aber erst 1902 zu Ende geführt, so dass zusammenhängender Bericht vor- behalten bleiben kann. Römische Baureste einer ländlichen Ansiede- lung im Walde „Diebsbrunnen** von Bauschiott, A. Pforzheim, wurden im Juli 1901 biosgelegt (s. über die- selben die Veröffentlichungen der Gr. Sammlungen und des Karlsr. Alter- tums-Vereins III, 1902, p. 7 ff.). Die Ausgrabung einiger alemannischen Gräber bei Sasbach am Kaiserstuhl ergab Eisenwaffen und Schmuckstücke. Verschiedene Einzelerwerbungen sind nicht von Belang. Das Badische Bil- derarchiv erwarb 180 Blatt Zeichnun- gen und Photographieen. (E. Wagner.) 45 Maniheim, Vereinigte Sammlungen des Qrossherzogl. Antlquariums und des Altertumsvereins I S. 258, II— XX. Die archäologischen Unternehmungen beschränkten sich auf die Ausgrabung eines frühgermanischen Gräberfeldes bei Feudenheim (vgl. Museogr. XI und XX), die im letzten Frühjahr vorge- nommen, aber wegen der Felderbestel- lung abgebrochen wurden ; sie können wegen der Bodeaverhältiiisse erst im kommenden Frülgahr zu Ende gelahrt werden. Bericht folgt nach ihrem Ab- schlnss. ZuuHuhe: Nach dem in den »Mann- heimer Geschichtsblättem" allmonat- lich erscheinenden Verzeichnis der Neuerwerbungen beläuft sich der Zu- wachs an Gegenständen aus dem Alter- tum auf 43 Nummern, daronter La T^ne- und römische Grabfunde aus Ladenbarg, Bruchstück (obere Hälfte) eines Merkurreliefs aus rotem Sand- stein, gef. bei Reilingen (A. Schwetz- ingen) unweit der vermuteten Bömer- strasse Speier- Wiesloch (weitere Nach- grabungen an der Fundstelle sind in Aussicht genommen), zwei Sandstein- reliefs, Fortuna und Vulkan, von einem Viergdtterstein aus Neckarau (Mann- heim), vgl. Wd. Z. XXI, Korrbl. 62, mehrere röm. Giasge&sse ungenann- ten vaterländischen Fundorts und eine römische Ascbenkiste von Tuflbtein ans Sevilla. Aus Mittelalter und Neaseit 158 Nummern, darunter Archit^rtor- stücke, Grabsteine, Thongefitese (ein Creussener Kurfürstenkrug v. J. 1602). Porzellan (Frankenthal), Hausrat, Klei- dungsstücke a. d. 18. Jahrb., Waffen, alte badische Briefmarken, alte Ge- wichte und Wissenschaf tl. Instrumente, Uhren. Münzsammlung 28 Stuck, darun- ter : Aureus des Geta fCohen 1 1), gef. bei Hockenheim, und Denar des Do- mitian (Cohen 264) von Altrip, femer Mittelbronze des Germanicus undGross- bronse der Faustina j., beide von La- doDburg, Pfälzer Münzen. Ethnographische Sammlung 57 Nummern, meist Photographieen aus Mexiko, Bildersammlung 111 Nummern, teils Portraits, teils Städtebilder, Pläne und Landkarten. Archiv 10 Nummern und Biblio- thek 228 Werke. Unter den sonstigen Veranstaltungen des Vereins ist zu nennen die zur Feier des 50jährigen Regierungsjubi- läums des Grossherzogs veranstaltete und von diesem persönlich eröi&iete Ausstellung aus der Zeit Karl Theodors in der ehemaligen Schnl- kirche (Augustinerinnenkloster) hier. Sie enthielt Kunst- und kunstgewerb- Museograpbie. 399 liehe Gegenstände aas dem hiesigen Theater, ans Kirchen- and Privatbe- sitz and gab ein anschauliches und stimmuDgSToIles Bild aas Mannheims Blfiteseit am die Mitte des 18. Jahr- hunderts. Sie dauerte vom 6.-22. Joni und war von rond 5000 Personen besucht, ausserdem von 900 Schülern und Schülerinnen gegen erm&ssigten Eintrittspreis. ~ Der Besuch der ver- einigten Sammlungen belief sich im Qesch&ftigahr 1901;Ü2 auf 2861 Per- sonen, wobei zu berücksichtigen, dass die Sammlungsräame wegen mangeln- der Reizbarkeit während fünf Winter- monaten Ar den allgemeinen Besuch leider nicht geöffnet werden können. (K. Baumann.) Mittelrhein. ^ DarmsMt, Grotsherzoilicbes ■uteun I S. 263, III, XVII— XX. Erwerbungen der Kunst- und Alter- tums-Sammlungen im Jahre 1901. A. Archäologische Sammlung. I. Praehistorische Altertümer: 1 gerade Bronzenadel mit fehlender Spitze, 12,5 cm lang, gef. zusammen mit einem Menschenzahn in der Sand- grube von G. und L. Nagel (OffSen- bacb) in der Nähe des jüdischen Fried- hofes bei Bürsel a. M. Geschenk der gen. Herren Nagel. Bruchstück eines grossen Gefässes der Bronzezeit mit Fingereindrücken, gef. im botan. Gar- ten zu Darmstadt, überwiesen von Herrn Prof. Dr. Schenck, 1 durch- bohrte Axt von grauschwarzem Stein mit unregelmässiger Bohrung, gef. im Main bei Oberrad, und 1 Lappencelt von Bronze, gef. im Lahnbett bei Heuchelheim, überwiesen vom Gr. Was- serbauamt Mainz. Eine Kollektion, 47 Steingeräte, teils wohlerhalten, teils fragmentiert, gef. an verschiedenen Orten des Grossherzogtums. 1 neo- lithisches Hockergrab mit schönem Ge- fUss, gefunden im Distrikt Brömster des Gemeindewaldes Eberstadt bei Darmstadt, ausgehoben und überwie- sen von Hofrat Kofi er. Scherben eines grossen Gefässes, gef. beim Strassen* bau Rauuheim-Kelsterbacb, überwiesen von Gr. Oberförsterei Raunheim; 3 La T^ne-Thonschalon, eine beschädigt, aus Leeheim. 1 Kiste mit Schlacken und Scherben von der Glauburg, über- wiesen durch Hofrat Kofler. 2. Rumische Altertümer: Frag- ment eines Schmuckziegels, gef. in Gr. - Bieberau, Geschenk des Herrn Brauereibesitzers G. Schöoberger jun. daselbst. Ziegel verschiedener Art und Fragmente von Gewissen aus gewöhn- lichem Thon und aus terra sigillata, gefunden bei Wiederherstellungsarbei- ten in und bei der Stiftskirche zu Wimpfen i. Th. 1 etwas fragmen- tierter künstlicher Stein, gef. in der Feuerstelle einer römischen Villa am Hemsberg bei Bensheim. Fragmente von Ziegeln, Wandplättchen, Gefäs- sen etc., gef. zu Dieburg 1899 bei Fundamentierangsarbeiten gegenüber dem evangelischen Pfarrhaus, Geschenk des Besitzers der Baustelle, Architekt Völker. Fragmente von Geftssen, Reste von Wandverputz, Ziegel etc., gef. bei Ausgrabungen der Reichs-Limes-Kom- mission auf den Sonnäckern bei Eber- stadt, 1900. Viergötterstein (Taf. 4), gef. auf der Baustelle des neuen Kreis- amtsgebäudes in Bingen, überwiesen von Gr. Bürgermeisterei Bingen, vgl. Quartalbl. d. bist. Ver. f. d. Gr. Hessen N. F. II Nr. 20 S. 861 ff. 3 Kisten voll gestempelter Ziegel von der Kapers- burg und 4 Kisten mit Scherben aus dem Töpferofen bzw. seinen Abfall- gruben in Heldenbergen, überwiesen von Herrn Prof. Dr. Wolff, Frankfurt a. M. 1 Aschenkiste ans Sandstein, rund, mit Deckel 58,5 cm hoch, Dm. 52cm, roh behauen; Inhalt: Unterteil einer viereckigen Glasflasche, 2 röm. Mittelbronzen, deren eine nur halb er- halten und unbestimmbar, die andere eine Prägung Domitians ist, einergrauen und einer gelben Urne, gef. anlässlich des Bahnbaus Gau- Algesheim-Münster am Stein bei Verlegung des Wiesbach- bettes in der Gemarkung Gensingen, überwiesen von der Kgl. pr. und Gr. hess. Eisenbabndirektion Mainz. Zwei Kisten mit Funden aus Okarben, ge- macht bei den Arbeiten der Reichs- Limes-Kommission. 3. Fränkische Altertümer: Gräberfunde aus Pfungstadt, ausggra- ben vom Gr. Museum: Reste zweier Knochenkämme, von denen der eine sehr charakteristisches Ornament zeigt, 1 eiserne Lanzenspitze, 1 Schere desgl., 1 Scramasax, 1 wohlerhaltene kleine Urne, eine grosse Glasperle. 1 be- schädigte Streitaxt (Francisca) gef. in 400 Museographie. Biebesheim, Kreis Büdingen, Geschenk von Gebr. Vey, Darmstadt. 1 üme mit Henkel, ca 15 cm hoch, 1 Messer, 15Vi cm lang, und 2 Stückchen silber- plattierten und -tauschierten Eisens, ffef. auf Esch bei Berkach, Geschenk des Landwirts Burk in Berkach bei Gross-Geran. Grabfund aus Kim a. d. N., Geschenk des Herrn Wilhelm Simon jr. daselbst, bestehend aus: 1 Scramasax, 2 Lansenspitzen, 2 Mes- sern, 1 halben Hufeisen, Reste eines Knochenkammes, Gürtelbeschlag mit bronzenen Backeln&geln, Iteste eines Schildbuckels, einer grossen Schnalle und anderer Eisengorftte, einigen Frittperlen und Fragmenten verschie- dener Gef&sse mit und ohne Ornament. Grabfunde, gemacht bei den von Gr. Museumsdirektion veranstalteten Aos- Srabungen fränkischer Gräber in Nie- er-Florstadt, Kreis Friedberg, u. a.: Schwerter, Lanzenspitzen verschiede- ner Form, Messer, 2 Schildbuckel, von denen einer versilberte und orna- mentierte , flacbköpfige Bronzenägel hat, Ortband und Schwertscheidenbe- schlag von versilberter Bronze, Bronze- schnallen und Riemenzungen, teilweise versilberte Bronzebeschläge vomPferde- geschirr, tauschierte Eisenbeschläge, ßronze-Zierscheibe, durchbrochen, mit Bronze- und genietetem Knochenring umgeben, Glas- nndThonperlen, frag- mentierte Glasbecher, ornamentierte und schlichte Gefässe verschiedener Form und Grösse u. s. w. B. Münzsammlung: Sehr ab- genutzte Mittelbronze der älteren Faustina (?), gef. bei den Restaura- tionsarbeiten an der Stiftskirche zu Wimpfen i. Th., überwiesen vom Gr. Ministerium der Finanzen ; Gatenberg- Medaille von R. Bosselt, Bronze; Fünf- und Zweimarkstücke, geschlagen auf das 200jährige Jubiläum Preussens als Königreich; kleine Medaille aus ver- silbertem Messing auf Ludwig XV. von Frankreich, gef. im Mossauer Thal, überwiesen vom Gr. Kreisamt Erbach i. 0. Bronzemedaille auf die 330jäh- rige Jubelfeier des Gymnasiums zu Büdingen; Aluminium- und Neusilber- Medaille auf das 200jährige Bestehen derWaldenserkolonie Waldensberg, Ge- schenke des Hrn. Pfarrers Ziegler dort- selbst; Porträtplakette des Generals Frhr. v. Hilgers von R. Bosselt, Bronze. C. Kunstgewerbliche Samm- lung: Fragmente zweier Grabdenk- mäler, gef. beim Abbrach der kathol. Kirche zu Heppenheim a. d. B. Ge- schenk des dortigen Kirchenvorstaades ; eine Anzahl Siegelhüllen aas dem Kloster Eberbach, bestehend aas Lei- nen oder anderen Stoffen mit aafge- malten oder eingewirkten Mastern, überwiesen von Gr. Haas- and Staats- archiv; eine Renaissance-Zimmertäfe- lung mit Decke, reich geschnitzt and mit Intarsien versehen, aas einem Hause der Familie Pestalozzi in Chiavenna iCasa Moro) ; ein einfaches Renaissance- Itetäfel aus Nürnberg ; ein Renaissance- Getäfel, Erkerzimmer, aas demHaose der Familie Casura in Laax (Schweiz); ein Renaissance-Portal mit geschnitz- ten und vergoldeten Säulen, aas Tos- cana ; geschnitzte gotische Balkendecke aus dem Hause des Jakob Äusserer, Eppan, Südturol; grosses geschnitztes Renaissance-Portal, blaa mit Gold, aus Toscana; zwei weitere geschnitzte italienische Portale; eine Thflmmrah- mung in Brescia-Marmor, von einem Hause in Verona, 15. Jahrb.; 2 ge- schliffene Gläser und ein Fächer mit Kupferstichen, Vermächtnis des weiland Migors a. D. Karl Hallwachs, Ihurm- stadt; Fragmente gotischer Wand- malereien aus der Kirche zu Hohoi- stadt bei Wimpfen; grosser romani- scher Taufetein aus Echzell i. d. W.; Alabaster-Altar aus Schloss Heusen- stamm; Maria mit dem Kind, HoLz- skulptur aus Münster bei Dieburg; Holzfigar Papst Gregors d. Gr. aus Heppenheim und eine Anzahl weiterer kirchlicher Skulptarwerke in Holz ond Stein aus Hessen ; eisenbeschlagene gotische Truhe aus Schinkel bei C^na- brück; geschnitzte und vergoldete Brauttruhe des 15. Jahrh. ans Tos- cana, ausserdem eine Reihe weiterer alter Möbel aus Deutschland, Tirol und Italien für die Neueinrichtung des Museums. D. Sammlung hess. Landes- gegenstände. 1 grosses Messer mit 2 kleinen Messern und einem Pfriem in einer geschnittenen Leder- scheide mit silbernen Beschlägen, ge- funden im Rhein bei Ginsheim, über- wiesen vom Gr. Wasserbauamt Mainz ; 7 Stück kleiner Odenwälder Elfen- beinschnitzereien ; zinnerne Abend- Maseographie. 401 mahlsgerftte aus der evaogeliscben Kirche su Bemburg ; Hand- und Fuss- scbellen, überwiesen vom Gr. Kreis- amt Heppenbeim a. d. B.; gotiscber Tisch aus Wallernhaosen ; mittelalter- liche Thongeftsse Terschiedener Form and Grosse, gefanden in Dieburg, über- wiesen von der Eisenbahndirektion in Mains; mittelalterliche Thongeftsse, gefunden bei Grundarbeiten zum Neu- baa des Gr. Museams, überwiesen von der Bauleitung ; 2 leinene Kopfkissen- bezüge mit Stickerei und Spitzen und eine leinene Tischdecke mit einge- webten landschaftlichen und figürlichen Darstellungen, Geschenke des Herrn Dr. Walter Nie. Clemm in Darmstadt; ca. 30 Nummern Möbel und £inrich- tungsgegenst&nde verschiedener Art für die hessischen Bauemzimmer. £. Ethnographische Samm- lung: 84 Nummern Gegenst&nde von der Goldkflste, überwiesen vom evange- lischen Verein zu Darmstadt ; 38 Num- mern Altertümer etc. aus Peru, Mexiko etc., Geschenk des Herrn Generalkon- suls £. von Hesse- Wartegg in Lnzern F. KabinetderKupferstiche und Handzeichnungen: Max Klinger, Exlibris Elsa Asen^jeff und Exlibris Dr. Julius Vogel ; Paul Bürck, 10 Handzeichnungen und farbige Ent- würfe; Steinhausen, ,Mutter und Kind^ und «Weihnachten*, Original - Litho- graphieen; Heinz Heim, Strickende Bäuerin und zwei Bauern an einem Wirtshaustisch , Rötelzeichnung; Al- bert Krüger, Farbenholzschnitt nach Leonardo da Vincis Bildnis einer Prin- zessin von Este; ausserdem verschie- dene grosse Publikationen, kunsthisto- rische Lieferungswerke und Photo- graphieen nach Kunstwerken (I. A.: Dr. Müller.) 50a Darmstadt, Kabinetsmuseum XIX. Steinzeit: Aus einer Wobnst&tte bei Biblis: ein Hammer aus Hirsch- horn und ein sphärisches Tbongcföss mit rundem Loch im Boden, dessen Zweck unbekannt. Aus einem Grabe der jüngsten Stein- zeit im Ried : 1 Schädel, einige Bem- steinstückchen und Knochenreste, eine sog. Säbelnadel mit Schleife. Aus einem anderen Grabe der späten Steinzeit im Ried: Tbongefäss mit charakteristischen Verzierungen an der Bauchlinie und von dieser abwärts zum Boden, ferner : unterer Teil eines schön verzierten Bechers und Griffeines Stein- werkzeugs, gefertigt aus der Sprosse eines Hirschgeweihs. (Kofi er.) Hanau, Mueeum des Qesohiohtever- 52 eins I S. 262, H-XI, XIH^-XX. Das für die Sammlungen von der Stadt kostenlos überwiesene Altstäd- ter Rathaus steht nunmehr ganz zur Verfügung des Geschichtsvereins. Wir hoffen im Laufe des kommenden Jahres, sobald das II. Obergeschoss des Hauses sowie die Halle gleicher Erde umgebaut sind, unsere sämtlichen Bestände, auch die Hanoviensien, deren Zahl in letzter Zeit beträchtlich ge- wachsen ist, und lüle Steindenkmäler in das neue Heim überführen zu kön- nen. Die Neuordnung und Katalogi- siening der Sammlungen ist im ver- gangenen Jahr weitergeführt worden. Die Fundstücke aus Gross - Krotzen- borg werden gegenwärtig von Prof. Dr. Wolff-Frankfurt und Dr. Jacobs- Trier für das Limeswerk bearbeitet. I. Cn(0rtieftifiuti^en;a) Dezember 1901: Ausgrabung auf dem Acker des Gast- wirts Stein in Eichen, Kr. Hanau, Feldlage „Am Treppches Weg^. Fest- stellung eines römischen Gebäudes von 12 X U m Umfang ; Stärke der Um- fassungsmauer 70—80 cm. b) Januar und Februar 1902: Aus- grabung auf dem Grundstück der Wör- nerschen Erben in Eichen, Feldlage „am Heidenberg". Festgestellt wurden fünf einzelne Gebäude, die zu einer grossen Vil'a rustica gehören. Um- fassungsmauer der ganzen Anlage 150 zu 90 m. Die Grabungen ergaben ein umfangreiches Hauptgebäude der Villa mit wohlerhaltenem mit Marmor aus- gekleidetem Frigidarium and einem Hypokaustum von 42 qm Fläche. Letz- teres war vollständig intakt erhalten. Die steinernen Pfosten (auch der obere Thürsturz) eines Eingangsthors an der Nordwestecke des Hauptgebäudes stan- den unverletzt ungefähr 2 m unter Terrain. Zahlreiche Kleinfunde gaben Zeugnis von der Grösse der Anlage und der Wohlhabenheit der Besitzer. Eine vollständige Durchforschung der ganzen Anlage würde ein typisches Bild der grösseren Villae rnsticae un- serer Gegend ergeben. Leider hat der Gesch.- Verein seine Ausgrabungen bis jetzt nicht zu Ende führen können. 402 Maseographie. Dio Übermässig hohen Forderungen der Besitzer (1000 Mark Jahrespacht 1), die auf ihrem Grundstück eine vergrabene Kriegskasse vermuteten, zwangen uns die Arbeit vorläufig einzustellen. Gegen- wärtig sind auf Veranlassung des Yer^ eins Verhandlungen über einen Ge- ländetausch im Gange, die den ,,Heiden- berg" in die Hand des Fiskus bringen sollen. Hoffentlich gelingt der Tausch, und wir können im nächsten Jahre die Arbeiten, für die uns auch das Kaiser!, archäologische Institut seine dankens- werte Unterstützung zugesagt hat, be- endigen. c) August 1902: Ausgrabung auf dem Grundstück des Phil. Emmel II. in Mittelbuchen, Feldlage «auf der Städter Hohl", ergab eine römische Ansiedlung, deren Umfassungsmauer (16X31 m) mehrere praehistorische Wohngruben durchschnitt d) August 1908: Bereitwilliges Ent- gegenkommen des Landwirts Jakob Toussaint in Butterstadt, Kr. Hanau, ermöglichte es die Grabungen nach Ueberresten der auf dem „Bösen-Feld** in Butterstadt gefundenen Hanauer Gigantensäule, die wegen der Attribute des Reiters eine besondere Beachtung verdient, wieder aufm nehmen und zu Ende zu fähren. Die Arbeiten ergaben wertvolle Ergänzungen der Säule ; vor allem wurde das Vorhandensein einer grösseren römischen Ansiedlung in der Nähe des Standorts der Säule kon- statiert. Einen genauen Fundbericht sowie eine Beschreibung der einzelnen Teile der Säule wird der Unterzeich- nete im Frülgahr 1901 in der Westd. Zeitschr. geben. Der Gesch. - Verein hat, einer Anregung des verstorbenen Prof. Dr. Hettner folgend, einen Gips- abguss des Gigantenreiters herstellen lassen, den bis jetzt 7 Museen bestellt haben. Interessant ist es, dass sich auf demselben Gelände, ungefähr 600 m von dem Standort der Säule entfernt, zahlreiche neolithische Wohngruben befinden. Die Freilegung von zwei Gruben ergab eine reiche Ausbeute von sehr schön ornamentierten Gefäss- resten des sog. Niersteiner Typus. — Sämtliche Arbeiten (ausgenommen I, c) wurden von dem Brunnenmacher G. Bausch in Windecken mit anerkennens- wertem Geschick ausgeführt. II. Erwerbungen: A. Von den Fund- stücken, die unsere Ausgrabungen er- gaben, hebe ich folgende hervor : Eine grosse doppelhenklige Amphora aus rötlichem Thon, vollständig zusanuneii- gesetzt, eine eiserne Gürtelschnalle, Bruchstück eines Bronzeringes, eiserne Gerätebruchstücke (vgl. I, a). — Ein Sesterz des Hadrian, eine kleine recht- eckige, emaillierte Broche, zwei Siili aus Elfenbein, eine dünne Bronaeachale, ein Henkel eines Glasgefitases (durch- brochene Arbeit), eine in zwei Bmch- stücken erhaltene Geniusstatuette ans dunkelgrauem Basalt, eine Qewichts- kugel aus Blei, mehrere groaro Reib- schalen und Amphoren, mehrere I^n- zenspitzen, Messer und sonstige eiserne Werkzeuge in Bruchstücken, Radreifen, Schlossteile, Wandverputz in verschie- denen Farben, Marmorplatten mit v^- schiedenen Ornamenten (Blattomament und Rautenornament), Heizkacheln, eine Bleiplatte, ein Bleirohr (Abzugsrohr des Frigidariums) etc. — 6 qm des oben erwähnten Hypokaustums sollen in der Halle des Museums im Laufe des k. Jahres aufgebaut werden (vgl. I, b). — Ein Salbentöpfchen aus Thon, eine Bronzebuckelscheibe von einem Schild, römische und praehistorische Glefäss- scherben ohne Ornament (vgl. I, c). — Römischer Wandverputz, Sigillata- Scherben ohne Stempel, Fragmente dee Viergöttersteins und des Wochengötter- steins der Gigantensäule, zahlreiche praehistorische Geftssscherben mitsehr schönen Stichomamenten (vgl. I, d). B. Von den gelegentlichen Erwer- bungen sind besonders 4 Bronsearm- spangen erwähnenswert Es sind zwei Paar schwere Spangen, von denen jedes Paar ein sehr schönes Ornament zeigt. Die Patina ist vorzüglich erhalt^. Sie entstammen wahrscheinlich einem Grabe, sind vor 2 Jahren beim Sand- graben am Nordbahnhofe in Hanau gefunden und gehören der Uebergange- zeit von Spät- Hallstatt zu Früh -La T^ne an. (Dr W. Küster.) Frankfurt a. M., Hlsiorlachea Museirn m I S. 266, II— Vn. XIV— XVHI, XX. Aeltere Hallstatt-Periode: Die Lehmgruben bei Niederursel, über welche unser Bericht für das vergangene Jahr 1900 ausfuhr liehe Mitteilungen brachte, auf welche hier verwiesen werden kann, haben von Neuem Funde durchaus gleichen Cha- MuBeograpbie. 403 raktera wie jene ergeben. (Vgl. Wd. Z. XX S. 327). Die ersten Mitteilan- gen über dieselben verdankten wir wiederum der regen Aufmerksamkeit von Herrn Pfarrer Lommel in Nie* derursel auf solcbe Funde, bezw. sei- nen Mitteilungen vom 12., 22., 23. und 31. Oktober 1901 an die Museums- Verwaltung, welcbe die betreffenden Funde — leider immer nur Scherben, die erst tusammengesetst werden müs- sen — bergen Hess. Eine, der im vorigen Jahresbericht geschilderten grossen Graburne von 65 cm Durch- messer (an der weitesten Ausbauchung) durchaus in der Hauptform ähnliche, fand sich in den Lehmgruben in der Nähe von Eschersheim auf der öst- lichen Seite der von Frankfurt dahin fährenden Landstrasse am 5. Dezem- ber 1901 ; ihr Durchmesser beträgt ca. 60 cm an der weitesten Stelle des Bauches, dessen untere Hälfte mit ge- rieftem, sogenanntem „Festons - Orna- ment' verziert ist. Eigentlich sind diese festonsartig geführten Riefen die von in Kupferblech gehämmerten Ge- fässen herstammt nden, hier nachge- ahmten Nietlappen des unteren Ge- fässteiles, in welchen der Oberteil ein- gelassen und angenietet ist. Dies sehen wir auf das Deutlichste an den schö- nen, schwarzen La T^ne-Gefässen aus den Nauheimer Gräberfunden, woselbst an dem je zwischen zwei Festonsaua- scbnitten sich bildenden Lappen der Kopf der Niete iuThon nachgeahmt ist. Einige La Täne-Funde, bestehend in zerdrückten Gefässen, wurden am 2. Dezember an der gleichen eben be- zeichneten Stelle an der Eschersheimer Landstrasse gemacht, von weicher wir schon vorzügliche Bronzen dieser Pe- riode besitzen. Herr Professor Wolff erwarb für das Museum Fragmente einer sehr grossen Graburne aus schwarzgrauem , mit Kieselsplittern durchsetztem Thon mit umlaufendem Leistenwulst auf der Schulter und Bruchstücke einer ähnlichen kleineren Urne, die von aussen mit Kiesel split- tern beworfen, nicht aber mit solchen durchsetzt war. Zwei sogenannte Eisonmasseln, d. h. Roheisen in längliche, an beiden Enden zugespitzte Stücke gegossen, gefunden in der Aar, kamen durch Herrn Lahmeyer an das Senckenberg-Museum und wurden von diesem an das städtische Museum gegeben^ Auch Herrn Stadtrat Hein- rich Flinsch verdanken wir das Ge- schenk einiger La Täne-Gefässe von jedoch nicht genau zu ermitteln- der Provenienz. Römisches. Herr Architekt Tho- mas hat nach Abbruch der östlichen Häuserreihe der Höllgasse das freige- wordene Terrain nach Spuren des rö- mischen Kastells oder solchen von Privatbauten gründlich untersucht, da- bei zwar zahlreiche Stücke von rö- mischen Heizkacheln, Yerputzstücken u. dgL gffunden, welche das ehemalige Vorbandensein römischer Bauten an dieser Stelle abermals bezeugten, aber nur ein minimales Stück des unter- suchten Erdreiches fand sich, welches seit der römischen Epoche in den nachfolgenden Bauperioden nicht durch- wühlt worden war : der Bau des ältesten Rathauses, der nach dessen Abbruch aufgeführte Bau des Pfarrturmes und seiner Eingangshalle vom Domplatze her, wie die Erbauung der Häuser der östlichen Seite der Höllgasse hatten die Beseitigung aller vorhandenen Reste römischer Bauten veranlasst. Im Keller des Hauses Markt Nr. 3 und Ecke der Ostseite der Höllgasse fand Herr Tho- mas in einer Kellemische einen Ziegel mit dem Stempel der Legio XIV ge- mina martia victrix eingemauert, wo- durch festgestellt ist, dass jene rö- mischen Bauten unter Kaiser Domitian in den Jahren 70—89 nach Chr. ent- standen sein müssen Auch vor dem Haus zum Fraasskeller, südliche Ecke der Höllgasse und des alten Domkirch- hofes, wurden römische Ziegel ge- funden. Bei diesen Untersuchungen konnte Herr Thomas die Funda- mente des alten Rathauses nach- weisen) und sehen wir noch einem ge- nauen Bericht über diesen Teil seiner Forschungen entgegen, wie auch über jene, welche er nach Abbruch des Hausos Frauenrode auf dessen Grund- fläche im April 1901 unternahm. Unter der ehemaligen „unteren Ratsstube'', die vor ihrem Abbruch als Rechnei-Bureau verwendet war, fanden sich im Bau- schutt römischeBruchstücke ver- mischt mit merovingisch-frän- kischen, ein Beweis dafür, dass sich die römische Ansiedelung vom Dom- hügel aus nach diesem Punkte hin Westd. Zeitschr. f. Gesch. a. Kunst. XXI, IV. 28 404 Museographie. ausdehnte and dass die den Römern nachdrängenden Franken auch deren Wobnstätten für sich ansnatzten. Die Kosten für diese üntersachan- gen bestritt die städtische Kommis- sion, nnd alle von denselben herrüh- renden Fandstücke werden als wichtige Dokumente für die Entstehnngsge- schichte unserer Stadt in dem Museum aufbewahrt. Als Geschenke verdankt das Museum Herrn Thomas den in Heddernheim gefundenen Boden einer Terra- sigillata-Schale mit dem Stempel of, ffidfuij Virüis und Scherbenfunde aus seinen Untersuchungen und Aus- grabungen an der Goldgrube bei Homburg, die er dort zur Erforschung der Ringwälle - Befestigungen unter- nahm; desgl. Herrn Georg Lang ein römisches Mittelerz des Augustus nnd der Agrippina, gefunden auf der linken Mainseite zwischen dem Kohlen hafen und dem städtischen Krankenhaus. Durch die Kommission erwor- ben wurde eine bei Praunheim gefun- dene silbervergoldete römische Fibula in Form eines glatten Ovales mit erhöhtem Rand, in der Mitte ge- schmückt mit einem hellgrauen, kegel- förmigem Halbedelstein. Hier sei noch erwähnt, dass im De- zember 1901 der Besitzer eines Ackers in Praunheim unmittelbar westlich vor den letzten Häusern des Ortes, auf welchem schon vor einigen Jah- ren Gräber gefunden worden waren, wiederum auf eine Anzahl römi- scher Gräber stiess und Meldung davon an das Museum gelangen Hess. Die Wichtigkeit dieses Fundes erken- nend, bemühte sich Herr Dr. Quilling mit Erfolg, von Freunden des Alter- tums Beiträge zur systematischen Aus- grabung dieser und der anstossenden Aecker zu erhalten, welche unter sei- ner Leitung und bereitwilligster Mit- wirkung des Herrn Professors Dr. Riese, des Herrn Pfarrers Lommel, der Herren Franz Moldenhauer, Renner und einiger anderer Herren zu dem interessanten Ergebnis führten, dass unter jenen Aeckern ein ausgedehn- ter Begräbnisplatz der alten Römerstadt lag, auf welchem, wie es bis jetzt aus der Beschaffenheit der Gräber und ihrer Beigaben hervor- geht, der unbemittelte Teil der Be- völkerung bestattet worden zu sein scheint, während längs der aus dem westlichen Thore der Stadt hinaus- führenden Strasse rechts und links opulentere Gräber mit Steiocisten und Steinsarkophagen , auch Skulpturen und Inschriften gefunden worden sind, welche unser Museum zum Teil be- sitzt. Da die Ausgrabungen noch wei- ter fortgeführt werden, so wird erst im nächstjährigen Bericht Näheres über das Gesamtresultat mitzuteilen sein. Eines merkwürdigen Fundes, der auf dem Speicher des von der Stadt erworbenen „steinernen Hauses^ auf dem Markt gemacht wurde, ist hier noch zu gedenken, nämlich eines altrömischen männlichen Per- traitkopfes in Lebensgrösse aus weissem Marmor, dessen Hinterkopf jedoch glatt abgemeisselt war, und welcher auch an der Nase und an einigen anderen Stellen Beschädigungen hatte. Wie er sich zwischen das Bal- kenwerk verirrt hat, bleibt unaufge- klärt; die Abmeisselung zeigt, dass er zu einem bestimmten Zweck ver- wendet worden war; hoch 0,31 m. Die merovingisch-fränkische Periode ergab keine hervorragenden Funde, wenn auch die schon erwähn- ten auf Grund und Boden des abgebrochenen Hauses Frauen- rode von geschichtlichem Wert sind; doch verdankt das Museum Herrn Franz Moldenhauer aus dem me- rovingisch-f ränkischen Gräberfeld zwi- schen Niederursel und Praunheim die beiden halbkugelförmigen Hälf- ten einer kleinen Bulle (Anhänger) aus Bronze, welche beide fein durch- löchert sind und daher mutmasslich zur Aufnahme eines Parfüms bestimmt waren, femer einige Halsbandperlen und Spinnwirtel aus Thon, Gegenstände, welche auf ein Krauengrab hinweisen. Aus dem Mittelalter konnten den Sammlungen einige höchst wertvolle Gegenstände hinzugefügt werden. Und zwar durch den Verein: eine kupfervergoldete Monstranz aus dem 14 Jahrh. in Gestalt eines Turmes mit hohem, spitzem Dach auf einem Glascylinder, welcher den Kör- per des Turmes darstellt, mit zier- licher Krönung und Basis, gestützt von Museographie. 405 vorspringenden Pfeilern mit Fialen, dieser ganze Oberteil auf hohem, schön gegliedertem Fusse ruhend; eine ein- fache, aber höchst styWolle und gra- siöse Arbeit; — durch'^je Kommis- sion: frühgotisches grosses Vor- tragskreaz aus dem £nde des 13. Jahrhunderts. — Desgl. grosses Vor- tragskrenz, eine italienische Arbeit ungefähr ans der Mitte des 15. Jahr- hunderts; — gotischer Altarkelch aus dem 15. Jahrhundert, kupfer- vergoldet, der Becher in £iform, der Stamm sechsseitig, ebenso der Nodus in der Mitte desselben ; auf den sechs quadratischen Fl&cben des Nodus sind die Buchstaben I. H. £. S. V. S. an- gebracht; der sich im Sechspass stark fächerartig ausbreitende Fuss ist auf einer seiner Abteilungen mit einem in Relief aufgelegten stehenden Biscbofs- figärchen verziert; — schmiedeei- sern er Thar kl Opfer auf einer durch- brochen umränderten oblongen Platte, der nach unten die Gestalt eines sich windenden Drachens mit geöffnetem Rachen und gespaltener Zunge an- nimmt; — gefunden unter der ehe- maligen Eingangshalle vom Markt zu dem Pfarrturm: die Sandsteinfiguren von St. Peter und Paul in ca. '/« Lebensgrösse, mit Resten von Bemalung und Ver- goldung, letztere namentlich in den Qewandsäumen ; Arbeiten von ca. 1480 von mittlerer Gute; — einige Ofen- kacheln und Thongefässe. Unter den Erwerbungen der Neu- zeit sind hervorzuheben: eine Anzahl irdener Waren, darunter : ein beson- ders schöner Raerener Krug in hellgrauer Masse mit blauer Bemalung ; Bauch eiförmig, Hals walzenförmig, verziert mit drei Köpfen in Medaillons, der Bauch mit sieben Medaillons da- mals lebender Potentaten; das eine derselben ^Kunninck in Sweden" ist mit dem Monogramm I. E. bezeichnet, d. h. Jan Emmens (man kennt von ihmKröge von 15.8—1092); Teil des Bauches kannelliert, hoch 0,295 m; sowie Fragmente aus Porzellan ver schiedener Fabriken. (Aus dem 25. Jahresbericht.) 55 Homburg v. d. H., Saalburgmuseum I S. 523, II-IV, VI— X, XVII— XX. Die Wiederherstellnngsarbeiten des Praetoriums und seiner Umgebung er- möglichten auch im ablaufenden Jahre Nachgrabungen innerhalb des Kastells, die sich vornehmlich auf die Unter- suchung einiger tiefer gelegenen älte- ren Anlagen erstreckten. So bedingte ein Abzugskanal die vollständige Aus- grabung des sog. „Amphitheaters'^ hinter dem Sacellum, unter dem ein älteres einräumiges Bad mit Treppen- eingang und das dazugehörige Wasser- bassin mit Abflusskanal, beide mit üolzboblen verschalt, zum Vorschein kamen. Westlich vom Praetorium fand sich auch zum ersten Male ein holzver- schalter Keller im Kastell mit einer Eingangsrampe wie sie die gemauerten Ganabae haben. Daneben liessen sich die Teilungsgräbchen der Lagergassen des letzten wie des Erdkastells zum Teil mit Versteinuog und einzelnen Feuerstellen nachweisen. Sehr wichtig waren bisher die Er- gebnisse, die sich beim Wiederaufbau der Porta sinistra boten. Hier sind unter dem Wehrgange die Reste der Kasematten des 2. Kastells noch teil- weise gut erhalten, dessen Erbauungs- zeit durch Münzen immer genauer festgelegt werden kann. Hoffentlich lassen sich diese Einzelheiten noch näher aufklären, ebenso wie die Kon- struktion des Erdkastells, das an sei- ner südwestlichen Eckabrundung in diesem Jahre angeschnitten wurde und dessen westlicher Spitzgraben mit dem linken Seitenthor im Laufe des nächsten Frühjahrs ausgegraben werden soll. In der Bürgerlichen Niederlas- sung wurden die systematischen Aus- grabungen aus den geschenkten Mit- teln fortgesetzt Zunächst sind dort sämtliche Keller, welche in der Usiuger Chaussee liegen, mit den anschliessen- den auf der Nordseite ausgegraben, und erstere in ihren Grundrissen durch Pflasterung in der Chaussee bezeichnet, letztere über Terrain wieder aufge- setzt. Bei dieser Gelegenheit ist auch das dahinter liegende Gebiet gründ- lich untersucht und dabei ein kleiner Bau, eine Heizung, ein kleiner Keller und vor allem eine grosse Hofraithe biosgelegt worden. Es giebt uns diese Grabung, welche noch nicht beendet ist, wabrscheiolich den Typus der Behau- sungen des Lagerdorfes : vorne mehrere Räume, z. Teil geheizt, dahinter ein 28* 406 Museographie. gepflasterter Hof mit Wirtschaftskeller, Branneo und Gartenland. Das gaose dem Bewohner zugewiesene Grundstück ist rings versteint wie unsere moder- nen Aecker und mit einem Zaun um- schlossen gewesen. Jede Canaba hat jetzt ihren Brunnen, gewöhnlich einen hölzernen und einen jüngeren ge- mauerten, nachdem noch im Herbste der fehlende unmittelbar neben der Eingangsrampe von Keller 16 ausge- graben werden konnte. Untersucht sind bis jetzt im Ganzen 61 Stück, davon 8 im Kastell, immer wieder abgesehen von kleineren nach unten spitz verlau- fenden, oder holz verschalten Wasser- löchern und grösseren unregelmftssigcn Gruben. Was die Funde anlangt, so sind auch in diesem Jahre mit Ausnahme der Brunnen die wichtigsten aus dem Kastell zu verzeichnen, die aber fast alle älteren Schichten angehören. Die GefAssfunde waren besonders zahlreich, namentlich in den mit Scher- ben aller Art angefüllten Wasserlöcbern, sodass in den letzten 3 Jahren allein mehr wie 200 Gefässe in Sigillata und gewöhnlichem Thon der Sammlung zu- geführt werden konnten. Mehrfach sind wieder in der untersten Schicht Stücke von rot gefärbten und marmo- rierten, dünnen, oft leicht gebrannten Sigillataimitationen gefunden — meist Teller uod Tassen mit geschwungenem Rande ohne angesetzten Boden. Merk- würdig waren 23 kleine, leicht ge- brannte Schälchen von einem mittle- ren Durchmesser von 7 cm aus dem holzverschalten Keller No. 16 in der nördlichen Canabaereibe, in Form von Blumenuntersätzen, deren Zweck nicht bekannt ist. Die übrigen Typen ver- teilen sich auf Reliefschüsseln, Teller, Tassen und Reibscbalen in Sigillata, anderseits Kochtöpfe, Teller, Falt- becher, Krüge und viele Reibschüsseln in jeder Grösse aus Thon. Entsprechend ist die Zahl der Töpferstempel einschl. Bruchstücke um 370 gestiegen. Ich nenne die wichtigsten neuen Funde mit Angabe der Corpusnummer aus Band XHI. lOOlO: AI+ (jltiü, 2H8) OF.L.COSVIRIL (666-57) CRACAF (686), = OrCRES =n (698). CRICIRO (702) CVXVS (734) DIVICI.M (789), ELViSS AF (844), florevitiv[v2f (914), IVLLIMVS» (1083), IV.NI.VS.F (1089), IVVENISFECT (1094), LV?ClkIA (1183), MKkVRO (1249), MARCEL- LI.M (1266), MARCV8F (1270), MIN LVRO.F (1336). PVPVeF (1592), ROP- PVSFEA (1631), RVFFI.MA (1657), R VFINIFAT (1660), eABlIINVS( 1680), SECvrDANVSP (1761), STABILISF (1841), S VLPICI, (1854), VACRI (1955), VIDVCVS (2040), VINDVS (2047). Bisher nicht im XIII. Bande des Cor- pus vertreten sind: TRANVSAF (an- scheinend derselbe wie Suchaer, Fest- gabe lb85. Taf. m NW. 2 vom Kastell Neuwirtshaus) NVTVSF, den Bohn mit NOTVSF (1443) zusammenhält und die Varianten: ani8atv (zu 130), CRACV\A (zu 689), AVGVSTIOE (rückläufig, zu 234) und \ttajv {ülaUi of zu 2072), letzterer mit besonders grossen Buchstaben. Bemerkenswert ist, dsss ein Boden mit dem Stempel: M.CER.F (540) auf der Rückseite vor dem Brennen in den Thon eingeritzt die Buchstaben MA trägt. Hiernach dürfte Tielleidit Bokns Vermutung, in dem Stempel Mcuxr zu lesen, bestätigt werden. Die Formerstempel ge- hören wieder meist dem Fabrikanten Comitialia an, der einmal zusammen mit Latinni genannt ist, daneben kom- men vor: 'at8od « Constaeni, CRI- CIRO (rückläufig) und VICTORIN VSF (rückläufig). Zahlreich sind auch wieder Kritzelschriften; auf Sigillata: ABCDII, ATTILLI, AVGVSTVS, DE- KAN^, FORTIS, lANVARI, IVLIVS, IVLLINVS, MAGIO, O.SENECIONIS und abgekürzt: GAM, MAIA, MAT, RE und SE ; auf Thon : SALLVSTI. Entsprechend der Bedeutung der Ca- nabae fanden sich dahinter viele Am- phorenhenkel, von denen leider nur ein Bruchteil gestempelt ist, darunter kommen erstmalig folgende Stempel vor: Q.C.GE (XIII. 10002.139; G hier sehr deutlich), DFF (219). SNR (366), und )CLODIR////rr, der mit XV 2787 zusammenzustellen ist. Nach Bohn sind bisher nicht bekannt: CAESM, das er liest : CAe( ) S( ) M( ), sowie von den beiden Stempeln (L)PCRO und LPC////FI////; die zweite Hälfte, welche den Namen des Sklaven oder der Fa- brikstelle bezeichnet. Bezüglich der tria nomina verweist er auf XV. 3065 LPCALL = L( )Pr JCaUCi3U), XV. 3063a: oo-q-J und 3068b: L. Maseographie. 407 PC. X. Wertvoll, weil f^egenuber den Exemplaren ron Rom (XV. 2998 ab) und von Neumagen (XIII 316) deut- licher, ist der zweimal vorhandene MMGSNo, ohne dass aber im Einzel- nen die Namen angegeben werden können; N könnte dabei mit I ligiert seiB. Von Stempeln auf Lampen, die auf der Saalburg auffallend wenig vertreten sind, ist nur einer zu er- wähnen auf einer Thonlampe grösse- ren Formats: VICT. F, der unter XIII 10001 nicht verzeichnet ist. Bronze funde: Hier stehen an erster Stelle zwei sehr schön gearbei- tete zierliche Bronze figürchen, leider beide an der Basis abgebrochen Das eine stellt J u p p i t e r vor (9 cm hoch) mit ausgestreckter Rechten und hoch erhobener durchbohrten Linken, das andere M er cur (7Vt cm). Seine Rechte h< den Geldbeutel nach oben, seine Linke ist lang ausgestreckt, die Flügel wachsen ihm aus dem Vorder- kopfe, der Hut fehlt. Bronzeleuch- ter aus einem Keller des Erdkastells, wie Scuüburgwerk Taf. LVIII, 7; ein L&mpchen in der Form der Thon- l&mpchen; ein 6 cm langer Knopf, vielleicht vom Stocke eines Beamten; eine Spadelsonde (= SW. Taf. LXII, 2) ; zwei Löffel aus Weissmetoll (= S W. Fig. 7L 10/11), ein Kesseldeckel aus Brunnen 57 mit Ausguss wie W. Z., I. (1882) S. 469 f. von Rheinza- bern, Mainz, Bonn u. a ; mehrere Ringschlüssel; einSchlossriegel für 10 Stifte; viele Fibeln, darunter mehrere mit Schildkrötenköpfen und Email; ein Spiegel- oder Messer- griff mit Emaileinlage; eine Menge kleiner Bronzeringe, Knöpfe und Be- schlagteile. Eisen: Schiebeschlüssel in allen Grössen, sowie grosse Thorschlüssel für Holzschlösser, Riegel, Kreuzhaken (allein 40 grosse in einem Loche ge- funden), Nägel, Schreibgriffe], Lanzen- spitzen, Messer, Ketten, 3 Jätehacken (= SW. XXXV. 10), Werkzeuge, da- runter Hacken aus vorzüglichem po- lterbarem Stahl, Beschläge, zwei Feuer- schippen (SW. Fig. 36. 4), 2 Kuh- schdlen, eine innen mit Bronzeblech beschlagen, 1 Ze]t(?)spitze (= SW. Taf. XXXX 4-6), 2 grosse Sichel- messer (= SW. Fig. 28, 24). Besonderes Interesse bieten folgende auf der Taf. 5 wiedergegebenen Fnnd- stücke: No. 9. Wohlerhaltenes kleines run- des Vorhängschloss (= SW. Fig. 76. 13—17) aus dem südlichen Turm der Sinistra mit rechteckigen Ketten - gleichen (No. 9a.) No. 10. Feuerbock, der hier zum erstenmale — in Brunnen No. 56 — gefunden ist. Er entspricht genau den mittelalterlichen und modernen von Herden und Kaminen, kommt aber auch im Altertum unter den Namen craticulum (Dareniberg und SaglioJ und vara (Rieh) vor. Er dient, neben ei- nem zweiten auf dem gemauerten Herde stehend, als Auflager für die Holzscheite. No. 11. Kleiner vierbeiniger Leuch- ter für Wachslichter. No. 12. Unerklärte Spitze mit Tülle als Bekrönung eines Stieles mit nach vorne vor dem letzteren abge- bogenen Haken zur Aufnahme eines Gegenstandes (Schiides ?). No« 13. Ankerförmiges Eisen, dürfte zur Verbindung der beiden Pflughälf- ten gedient haben, wie wir Aehnliches heute noch kennen. Dasselbe Stück ist veröffentlicht von Winkelmann ORL. Taf. XVII No. 24/25 aus dem Kastell Pfünz. No. 14. Doppeltes gebogenes Eisen, das am Magazin gefunden ist, ein Sattelbogen zur Aufnahme der Gurte, wie sie heute noch in den Dooauländern vorkommen sollen. Aehn- liche Exemplare stammen von den Limeskastelieu Gapersburg und Zug- mantel, andere sind in den Museen zu Wiesbaden und Stuttgart. No. 15. Ein kleiner geschweifter äusserst praktischer »Nagelzieher**, ähnlich wie SW. Fig. 29. No 1 aus Stahl, an einem Ende gespalten, am anderen abgeplattet, den wir heute noch in unseren patentierten Kisten- öffnern wiederfinden. Glas. Auffallend viel Bruchstücke von Fensterscheiben, westlich vom Praetorium, Boden und Hälse von Gläsern, kleines ganzes kugeliges Fläschchen mit 2 Henkeln ; aus Keller No. 8 ein Bergkristall und Quarz- kristall ; in einem eisernen Ring blauer Intaglio (falscher Onyx) mit der Dar- stellung eines Stieres im Kampfe (?) mit einem Skorpion (?) ; der Halbmond darüber kennzeichnet die Beziehung 408 Maseographie. zum Mitbras, wie Gumont Myst. d. Mithra 11 S 447 ff.; ein Carneol mit einem Mercur, ohne Fassung; blaue Perlen und scbwarze Knöpfe aus Qiasfluss. T h 0 n : Zwei Fortunafigürchen, eins mit Kind, eins mit Hund auf dem Schosse, wie SW. Fig. 5Ö| ein Hahn aus Steinzeug; Wirtel, durchbohrte Thonstäcke und abgeschliffene Gefäss- böden als Spielzeug. Leder, vornehmlich aus Brunnen 57, mehrere benagelte Sohlen und ein mit den Riemen ganz erhaltener hoher Schnürschuh. Holz. Im Brunnen 57 sehr viel Stücke von unbearbeitetem Holz; Eichen, Rotbuche, Hainbuche, Birke, Nussbaum, Masholder (?), Hasel, sowie Haselnüsse , Welschnüsse , Kirsch-, Pflaumpn- und Pfirsichkerne, und zum ersten Male: Getreidekömer. Taf. 5 No. 1. Teil eines Rahmens mit überblatteten Kopfbändern, von einer Thür(?), konstruktiv besonders wichtig, weil die Holz Verbindung genau der modernen entspricht. No. 2. Rechen wie SW. Fig. 69, No. 1 mit seitlicher Versteifung des Stieles, aus Rüstemholz. No. 3. Eimer in der Form wie SW. Fig. 23, No. 7, 4 Stück in Brunnen 56. No. 4. Keulenartiges Holz von unbekannter Bestimmung aus Eichen- holz. No. 5. Eigenartiger, sauber gedreh- ter G rif f(?) aus Buchsbaum, die Kon- struktion im Innern ist unverstäudlich. No. 6. 2 Doppelknöpfe aus Buchs- baura wie SW. Fig. 66, No. 7, wahr- scheinlich Zeltknöpfe. No. 7. Kleine elliptische Büchse ohne Deckel. No. 8. Zwei Holzsohlen, eine aus Buchen-, eine aus Rüsternholz, die letztere mit erhaltenem Oberleder in Gestalt moderner Pantinen. Stein. Auch in diesem Jahre keine Inschrift, nur kleine Bruchstücke von Altären; kleine roh gearbeitete For- tuna aus Vilbeler Sandstein. Mühl- steine aus dem Gebiete der Canabae sehr zahlreich, Wärmsteine aus Basalt zur Aufnahme von Gefässen beim Kochen, wie SW. 36 No. 5, 9, Schleif- steine, flache Bachkiesel in allen Grössen aus der Ebene (?weck ?), 2 Steinbeile von der Porta sinistra; ein Salbentäfelchen aus Kieselschiefer wie SW. Fig. 71, No. 12 und eins aus aegyptischem Porphyr. Okulistenstempel aus Porphyr (vom Donnersberg ?)y ebenfalls in den Canabae gefunden wie derjenige des Lepidus (SW. S. 349). Die Aufscbnft ist besprochen von Eaperandieu in sei- ner Bevue epigrajMque, Avril, Mai, Juin 1902 anter No. 1496. 2 * 9 » 1. Cfaii) XanthipemciUe at imp(etumj 2. ClaiiJ Xanthi diamisus ad asp(ri' tudinemj, Esperandieu betont dabei als auffal- lend das Fehlen des Gentilicium und be- handelt eingehend die Bedeutung von penicüle C=peniciUumJ. Auf Grund der Bearbeitung von 223 bisher gefundenen Stempeln kommt er zu der Ansicht, dass hierunter nicht ein „Schwämm- chen'*, sondern ebenfalls ein Heilmittel zu verstehen ist und zwar eine „Salbe aus verkohltem Schwamm". Die ein- zelnen Buchstaben auf No. 3 nnd 4 sind unerklärt Münzen. Die Gesamtzahl wurde vermehrt um 180 Stück Bronze- and Silbermünzen, meist der Zeit der An- toninen angebörig, ohne solche von besonderem numismatischen Wert, ei- nige dagegen für die Chronologie von Bedeutung. Mit das wichtigste Ergebnis des laufenden Jahres war die Aoffindang Museographie. 409 praehistorischer Altert&mer anter den Bauten der bürgerlichen Nieder- lassang hinter der nördlichen Ganabae- reihe. Sie bestehen aus 3 verschiede- nen rohen Gefässen, das eine mit Nägeleindrückeo, einem Steinbeile und einem Schaftkelte aus Bronze. Wir dürfen also die dort unter den Mauern liegenden Qräbchen und Gruben, we- nigstens zum Teil, als Reste der vor- römischen Ansiedlung ansehen, die sich an den naheliegenden Ringwall der „Gickelsburg" anschloss, eine ähn- liche Verbindung, wie sie Thomas zwi- schen den Ringw&lleo des Altkönigs und dem kleinen Feldberg (Korrbl. XXI N. 14) festgestellt hat. Hierdurch werden nunmehr nicht nur verschiedene prae- historische Fundstücke, als deren Fund- ort die Saalburg zwar angegeben, aber nicht sicher beglaubigt war, der Saal- burg wieder zugewiesen werden können, sondern anderseits gewinnen auch die früher im Saalburggebiete gefundenen Steinwerkzeuge und Waffen (SW. Taf. XXXIl) und vor allem die dort liegen- den älteren baulichen Reste wie das gewaltige Cvkiopenmauerwerk mit den starken Holzpfosten zu beiden Seiten der Usinger Chaussee zwischen dem 13. und 14 Keller, ein gemauertes Grab u. a. eine erhöhte Bedeutung. Hier dürften für die nächste Zeit noch weitere wichtige Aufschlüsse zu er- warten sein. (Jacobi). 56 Wiesbaden, Landeamuseum naaaaui- scher Altertümer I S. 267, II-XX. Die Erwerbungen von Oktober 1901 bis Ende Oktober 1902 betragen im Ganzen etwa 500 Nummern. Vgl. im Einzelnen dieBerichte in den „Mitteil, des Nass. Altertumsvereins'' 1901 Nr. 4 Sp. 102 ff, 1902 Nr. 1, 2, 3). A. Vorrömische Zeit. Aus einem Hockergrabe der Steinzeit bei Biebrich, dem ersten, welches seit langer Zeit in unserem Gebiete beobachtet worden ist, ein kleines sauber gearbeitetes Steinbeilchen, ein anderer als Werk- zeug benutzter Stein, sowie die Haupt- teile des Skeletts (15604/05). £in wohlerhaltener Schädel (15628), der nahe dem „Hasenbackofen'' bei Steeden a. d. Lahn gefunden wurde, dürfte ebenfalls einem neolithischen Begräb- nisse entstammen. Eine Anzahl Perlen und Geräte von Stein gefunden im Rhein bei Schierstein (15924 ff.). Ein prachtvolles 19 cm langes Beil aus Nephrit (15930) mit messerscharf er- haltener Schneide fand sich bei Lim- burg. Aus einem grossen Hügel bei Wallmerod im Westerwalde £e Be- standteile eines Grabes der jüngeren Bronzezeit (15656—61), eine grosse bauchige Urne, ein kleineres gehen- keltes Töpfchen, zwei flache mit Wi- derhaken versehene bronzene Pfeil- spitzen und ein Schleifstein. Aus dem Walde bei Laufenseiden stammen vor längerer Zeit gefundene Teile eines Kessels aus Bronzeblech (15881), der nach mitgefundenen Thongefässscher- ben der Hallstattzeit angehört. Aus Gräbern der Hallstattzeit in der Nähe der Hühnerkirche (Untertaunuskreis) stammen ein grosser geschlossener Halsring, zwei massive Unterarm- und zwei ebensolche Fussringe, sowie eine grosse Anzahl von aus den Scherben wiederzusammengesetzter Thongefässe (15784—815); bemerkenswert ist auch die Beigabe mehrerer aus schwarzem Thon gebildeten hohlen sog. Klapper- kugeln, sowie einer flachen eisernen, den oben erwähnten bronzenen ganz ähnlich gestalteten Pfeilspitze. Die bei den Untersuchungen des Herrn Soldan in der Hallstattniederlassung bei Neu- häusel gewonnenen Fundstücke wurden dem Museum einverleibt (15606 bis 15619), sie sind inzwischen in dem ausführlichen Fundbericht (Nass. Annal. 82 S. 145/89) veröffentlicht und abge- bildet worden. Aus einer Sandgrube bei Flörsheim a. M. mehrere Thon- gefässe, die z. T. der La Töne-, z. T. vielleicht der ältesten Bronze-Zeit an- gehören können (15556/61). Ein bei Simmern im Westerwalde angetroffe- nes zerstörtes Hügelgrab lieferte eine schwarzglänzende flaschenförmigeUme, eine braune flache Schale, einen ver- zierten über eisernen Kern gegossenen Bronzearmring und Teile eines kleinen eisernen Messers (15600/603). Die Bei- gaben mehrerer Gräber aus dem La Tönefriedhofe von Braubach : das eine, offenbar ein Frauengrab, enthielt einen hohle» Halsring, dessen drei vorn an- gebrachte Schmuckscheiben mit Edel- koralle eingelegt waren, ein paar Oberarm-, ein paar Unterarm- und ein paar massiv gegossener Beinringe, eine ebenfalls mit Koralleneinlage verzierte Fibel, einen eigentümlich gebildeten 410 Maseographie. Gürtelhakon mit Ring und ein kleines eisernes Messer ^15564/74); aus einem zweiten stammt ein langes eisernes Fruh- LaT^neschwert mit teilweise erhaltener eiserner Scheide und zwei eisernen Koppelringen, sowie eine blattförmige Lanzenspitze mit starker Rippe (16984 bis 86) ; aus einem dritten endlich eine grosse und eine kleine ilaschenförmige auf Schulter und Hais reich verzierte Urne, zwei braune ebenfalls reich ver- zierte Schalen und ein interessantes 53 cm langes Messer aus Eisen mit ringförmigem Bronzegriff, an welchem kleine Bronzestiftchen hängen (15978 bis 83^. Ein Grab der gleichen Zeit von aer Adolfshöhe bei Wiesbaden lieferte ausser zwei schönen Bronze- fibeln ein paar massiver geknöpfeltcr Fussringe, eine grosse und eine kleine Thonflasche und ein flaches Schälchen (15935/41). Ans den Untersuchungen der keltischen Ansiedelungen bei Ober- lahnstein und bei Flörsheim stammen ebenfalls eine Anzahl Fundstöcke (15989-98). B. Römische Zeit. Sehr zahl- reich und teilweise interessant waren die Funde, welche in der Stadt Wies- baden im Zusammenhange mit Erd- arbeiten für einen Strassendurchbruch auf dem alten Friedhofe und beim Abbruch eines Teiles der Heidenmauer erhoben wurden. An Inschriften fan- den sich : ein kleiner Altar aus Sand- stein, dem Juppiter geweiht von Flavius Gallicus (15621); in einem aufgedeck- ten Mithräum mehrere Altäre, dem D(eu8) i(nvictus) M(ithras) und D(eus) i(nvictu8) Sol geweiht, (15650 — 52, 15677), einer derselben ist aus d. J. 218 n. Chr. datiert (vgl. Korrbl. 1902 Sp. 60). Eine weisse Marmorplatte enthält Teile einer Inschrift, deren Inhalt sich freilich nur annähernd er- kennen lässt (15653 u. 15690). Eine grössere Anzahl Säulenbasen und ver- zierte Kapitale korinthischer Ordnung, sowie andere Arcbitekturteile (15891 bis 905) fanden sich in dem Kern der Heidenmauer. Unter den Fundstücken aus Metall ragt hervor ein grosses Bruchstück eines reich verzierten Bronzedreifusses : erhalten ist der obere Teil des einen der drei Füsse, welcher an der Stange eine schwe- bende Perseusfigur, oben auf einem hohen Blätterkapitäle eine grössten- teils unbekleidete nach vom geneigte weibliche Figur (Andromeda?) zeigt, welche von mehreren Geräten umge- ben ist (15657). Weiter sind noch zu nennen: ein schwerer Henkel aus Bronze, wohl von einer Truhe (1Ö779), eine bronzene Haarnadel mit hammer- förmigem Kopfe (15844), mehrere Fi- beln (15660. 15716. 15719. 15778) u. a.; aus Eisen ein „lakonischer*" Schiassel ri571), Messer, Kloben, Haken und Beschläge. Ziegelstempel fanden sich von der leg. XIIll, XXI und XXII, von letzterer 4 Stück auf Bruchstücken, die in die Heidenmaaer vermauert waren (15840/843), eine Anzahl an- dere Stempel gehören Truppenteilen des 4. Jahrhunderts an (15640—43. 647. 679). Von Stempeln auf Sigillata- gefässen seien erwähnt : cottaI I' s • (= CoUalus) DIV?, FIRMIN VS, LAITILOFE, MARtlAK FE, MACCONO, REC • NVS F, OF VIRIL, • ors •, sowie auf der Aussen- seite reliefverzierter Näpfe ausser den gewöhnlichen {ComüialiSf LatinnivLAw,) ein linksläufiger in cursiven Buchsta- ben in die Form eingeschnittener TORDiLO (15634), femer in grossen auf dem Kopfe stehenden Buchstaben CERiAK (15780). Sonstige keramische Fundstücke wurden ebenfalls eine ganze Anzahl gewonnen: ein grosser ovaler Topf aus rötlichgelbem, im Bruch blaugrauem Thon (15639), ein rauhwandiger roher Henkelkrug (ähn- lich Koenen XIII 8 und 10) aus der Zeit nach 300 (15673), mehrere flache Teller (15674/75), zwei Sigillatateller (Typus Drag. 31) mit dem Stempel cocys F und PETRVLLVS F (15781/782), ein schlanker Faltenbecher ans rotem schwarzgefimisstem Thon (15918) eine weissgraue Urne (15917) und eine kleine Reibschale aus rotgelbem Thon mit Ausguss (15920). Münzen fanden sich von Kadrian (Denar), Salonina, Diocletian, Maximian, Galerins, Con- stantin und Valens. — Andere Bau- stellen Wiesbadens (Kanalisierung der Marktstrasse und Neubau Marktstrasse 34) lieferten ebenfalls eine Menge rö- mischer Kulturreste, meist Thonge- fässscherben, so an Sigillatastempeln : APREE, CRACVNA, FVSCI, lARILLVS', MARtAL FE , MONTANVS , NERTVS, ROPR?, SECCOF, SECVND, TERtlV^, T^CCAF, vaiECvrov^ (15741), sowie auf Museographie. 411 reliefvenierten Kampen die linksl&u- figen in yertiefter Schrift: lvpvsfc, PBRPETVS, und >ffRBCVN,dt« (15742). Ferner celsinvsf lossafec, mar- cellin', nasso f, riistvtvs f, sa- BEkkVS, OF SECVNDi (15872) n. a. m. £in Qrosserz Domitians (M.-Inv. 921). sowie eine wohlerhaltene Bronzesonde (15740). Ein schönes Bronzel&mpchen mit swei Dochtöffuangen und horizon- tal stehender Palmette an Stelle des Griffes ist bei Wiesbaden gefanden r 15839). Ein spätrömisches Qrab in der Moritzstrasse zu Wiesbaden ent- hielt ausser drei kleinen Sigillatascbäl- chen (Typus etwa Koenen XVIII, 21a), eine kleine rotthonige Urne mit schwar- zem Firniss überzogen und mit zwei Zonen schachbrettartiger Verzierungen geschmückt (15763/66). Zwischen Flörsheim und Eddersheim fand sich über den Resten keltischer Wohngru- ben und H&ttser ein frührömisches Grab (1. Hälfte des 1. Jahrhunderts), bestehend aus einer bauchigen glänzend schwarzen Urne, welche die verbrann- ten Gebeine und einen im Iieichen- brand geschmolzenen Armring aus blauem Glase enthielt, ferner aus ei- nem eisernen Schildbuckel nebst Schild- beschlägen, einer eisernen Scheere, einem kleinen eisernen Messer und einer Menge Bronzeblechstücke, wohl von einem Gefäss herrührend (15734/38. Die Ausgrabungen in dem Erdlager bei Hof heim lieferten eine sehr grosse Menge von Fundstücken, die grossen- teils aber noch der Ordnung und In- ventarisierung harren. Zu nennen sind etwa 50 Münzen aus der Zeit der Republik bis Nero, einige dreissig Fibeln, sehr viel eiserne Werkzeuge, Geräte und Beschläge, eine grosse Anzahl aus Scherben zu restaurierender Sigillata- nnd anderer Thongefässe, namentlich Krüge, viele Stempel auf Sigillataböden, Bruchstücke feiner bun- ter Glasgefässe u. a. m. C. Fränkisch-alamannische Zeit: Einige wenige Fundstücke (Orne. Waffen, Schädel) entstammen dem bekannten Gräberfelde bei Winkel im Rheingau (15776. 15816'817). D. Mittelalter und Neuzeit: Ein eigentümlicher Fries von rötlichem Thon mit Guirlanden verziert stammt ans dem alten Kloster Marienthal im Rheingau; auf der Rückseite in den weichen Thon eingeritzt 1511 (15689). Zwei polychrome Holzfiguren, Jung- frau Mana und Johannes darstellend, von guter Arbeit (15377/78; der Teil eines cemalten Glasfensters aus der evangelischen Kirche zu Eppstein (15631) scheint noch dem 15. Jahrh. anzugehören. Eine Anzahl Grabdenk- mäler mit Inschriften von dem alten Friedhofe zu Wiesbaden gehören meist dem 18. Jahrh. an ; der Zeit um 1700 ein gut gearbeiteter Grucifixus aus rotweiss gestreiftem Sandstein (15729). Abgüsse der Steinmetzzeichen auf Quadern des Bergfried der kurmainz- ischen Burg zu Ettville schenkte Herr Dr. Milani (15883). Mehrere Sieg- burger Krüglein mit Reliefschmnck wurden zu Wiesbaden gefunden (15624. 15890), ein schwarzglasierter Krug mit durchbohrtem und eigentümlich gestaltetem Henkel zu Nordenstadt ( 15859}, ein sog. Pfingstkrüglein (15778) zu Henrich. Sehr reich ist der Zu- wachs an Erzeugnissen der Wester- wälder Steinzeugindustrie, meist Kan- nen und Krüge mit blauer und vio- letter Bemalung (15578—81. 783. 828. 853. 856. 887.862.869-71.913-14), auch mehrere schöne Stücke des sog. Marburg6rSteingutes(15761/62. 767/67. 774. 915/916), sowie zwei feine weiss- glasierte Steingutkännchen mit Gnir- landenbemalung und der Jahreszahl 1797 (Flörsheim?) (15770/771). Die Sammlung nassauischer Volks- trachten und Hausgeräte vermehrte sich durch Ankauf einer Anzahl von Häubchen, namentlich aus dem „blauen Ländchen** , seidener buntgestickter Umhängetücher (15819/863), einer sei- denen, ebenfalls reichgestickten Män- ner- und einer desgleichen Franen- weste (15745/852), einer hirschledernen Kniehose (15838) u. m. a. Eine wert- volle Sammlung Photographieen nassau- ischer Volkstrachten wurde mit zahl- reichen anderen Gegenständen aus dem Nachlasse des verstorbenen Amtsge- richtsrates Düsseli dem Museum über- wiesen. Mehrere reichgeschnitzte höl- zerne Stühle stammen von Wallau (15732), Bremthal (15758) und Ober- roth (15906/7), ebendaher ein altes Spinnrad von Buchenholz (15908). Viele Kannen, Gefässe und Geräte aus Zinn (15597). 412 Museographie. Die Münzsammlung erhielt eine An- zahl Originalstempel herzoglich-nass- anischer and nassau-oranischer Mün- zen; ferner sind hervorzuheben: eine silberne Medaille für den landwirt- scbaftl. Verein (Isenbeck 231b), M.-Inv. 903) eine Turnose des Grafen Walram von Nassau, die bei Isenbeck fehlt (M.-Inv. 924), ein Thaler Wilhelm's von Oranien aus dem Jahre 1650 (M.- Inv. 925), eine silberne Medaille auf den Tod der Christiane Ludovica, Prinzessin von Nassau 1723 (M.-Inv. 8*7). ünterehmungen: Abgesehen von ver- schiedenen nur kürzere Zeit bean- spruchenden Beobachtunf^en gelegent- lich gemachter Funde wurden folgende systematischen Untersuchungen vom Museum ausgeführt: 1) Bei Flörsheim a. M. wurde im November und Dezember 1901 dis Vorhandensein einer Ansiedlung aus der La T^nozeit festgestellt. Die Wohn- pl&tze, ziemlich hart am Bette eines ehemaligen Mainarmes gelegen, sind ziemlich zerstreut, z. Teil Gruben und Vorratsr&ume , z. Teil Gebäude zu ebener Erde. Auch östlich von Flörs- heim nach Eddersheim zu wurde Ok- tober 1902 durch eine vorläufige Gra- bung das Vorhandensein keltischer Be- siedelung nachgewiesen, die Ausdeh- nung derselben konnte noch nicht fest- gestellt worden. 2) Von einer grossen Hügelgruppe in aer Nähe der sog. „Hübnerkirche'' bei Idstein wurden drei Hügel Ende April und Anfang Mai d. J. unter- sucht. Sie bargen Gräber der Hall- stattzeit, z. Teil Bestattungen, z. Teil Aschenbeisetzungen in demselben Hü- gel. Der .eine Hügel zeichnete sich dadurch aus, dass auf einem engen Räume über 20 Thongefösse verschie- dener Grösse beisammen beigesetzt wa- ren, von denen eine Anzahl aus Scher- ben sich zusammensetzen Hess. Eine mit Knochenresten gefüllte, mit einer grossen Schüssel überdeckte Urne zeigt auf der Schulter deutliche Reste einer roten Bemalung, die so häufig in Süddeutschland, in unserer Gegend bisher sehr selten beobachtet worden ist. In einem der Hügel schien die Bestattung an der Stelle der Hütte des Verstorbenen erfolgt zu sein. 3) In einem langgestreckten Aachen Hügel von unregelmässiger Form bei Wallmerod im Westerwald wurde eine Brandbestattung der jüngeren Bronzezeit festgestellt. Weitere im September vorgenommene Untersuch- ungen des Hügels ergaben eine Reihe scharf abgegrenzter kastenartiger Stein - Setzungen aus Basaltblöcken, doch wohl von Bestattungen herrührend. Beigaben fanden sich keine, nur einige Gefässscherben in der Hügel erde zer- streut. Die vollständige Untersuchung des grossen Hügels ist ins Auge gefasst 4) Bei Singhofen (Unterlahnkreis) wurde die Aufdeckung einer grösseren Hügelgruppe, deren Bestand durch Umwandlung des Waldes zu Acker- land gefährdet ist, während des Mai und Juni in Angriff genommen. Grössere und kleinere Hügel liegen gemischt und ist es durch die Untersuchungen, die sich auf 5 Hügel erstreckten, wahr- scheinlich geworden, dass auch hier, wie so oft, Wohnst&tten und Gräber dicht beieinander liegen. Die sicher als Gräber anzusprechenden Hügel zeigten Leichen bestattung, aber gar keine Beigaben ausser einigen wenig charakteristischen Bronzeringen , so dass es ngch zweifelhaft ist, ob wir es mit der Hallstatt- oder La Tänezeit zu thnn haben. 5) Die schon im vorigen Jahre be- gonnene Untersuchung der dorfartigen Ansiedlung bei Braubach wurde fort- gesetzt und durch eine weitere bei Oberlahnstein ergänzt; Hr. Dr. Bode- wig, welcher beide Grabungen leitete, wird in einer ausführlichen Darstel- lung des vorgeschichtlichen Braubach und Oberlahnstein (Nass. Annal. 33) eingehend darüber berichten. 6) Für die Topographie und Ge- schichte des römischen Wiesbaden waren von hoher Bedeutung -IV, VI —XX. Von April 1901 bis April 1902. Die Sammlungen umfassten bei Ab- schluss des Rechnungsjahres 21032 Gegenstände. Die Vermehrung wäh- rend des genannten Zeitraumes betrug also 817 Nummern, eine Zahl, die sich aus 617 in den Werkstätten des Mu- seums hergestellten Kopieen und 146 durch Kauf oder im Austausch ge- wonnenen Originalen zusammensetzt. Diese Vermehrungsziffer gewinnt an Bedeutung bei Berücksichtigung des Umstandes, dass meist langwierige und mühsame Arbeiten der Reinigung und Herstellung dem Nachbilden der Funde vorausgehen müssen, und dass auch die zur Abformung nicht geeigneten I Altertümer, sofern dies durch ihren 30* 438 Museograpbie. Wert gerechtfertigt erscheiat, einer koDsenrierenden Behandlung unterzo- gen werden. In seinem Bestreben eine Uebersicht der kolturellen Entwickelung Deutsch- lands EU schaffen, wurde das Museum durch 26 Staats- und Vereinssamm- lungen, sowie durch eine Reihe von Privatsammlem unterstütat Die verschiedenen Abteilungen des Museums konnten in ziemlich gleich- m&ssiger Weise gefördert werden. Von den neuen Erwerbungen seien die wichtigsten nachstehend genannt. Aus der Gruppe neolithischer Alter- tümer sind die Grabfunde aus Flom- bom mit ihren eigenartigen Leistenkei- len und dem reichen Muschelschmuck, femer die Wohnst&ttenfunde ausGross- Sartach bei Heilbronn, durch welche ie verschiedenen Entwickelnngsstufen der neolithischen Keramik Westdeutsch- lands in vollständigerer Weise als seit- her zur Anschauung gebracht werden konnte, hervorzuheben. Auch Funde aus Nordwestdeutschland, wie die im Kieler Museum aufbewahrten Gef&sse band- und schnurverzierter Art, ausd em Steingrab von Bornhörd und den Qang- gr&bem von Obeijersdal, Bordesholm, Kaidcs etc. verdienen besondere Er- wähnung. . Von den der ältesten Stufe der Bronzezeit angehangen Gegenständen seien Gräbei%inde aus Thüringen (Burgscheidungen, Tröbsdorf, Heideis- berg, Kirchscheidungen etc) genannt, die neben den Resten der steinzeit- lichen Kultur, aus Stein, Knochen, Hom und Muschel, kleine flache, trianguläre Dolche aus Kupfer oder zinnarmer Bronze, Pfriemen, Säbel- nadeln und Rollennadeln, Spiralringe aus Draht etc. aufweisen. Die folgende Stufe der Bronzezeit ist vor allem durch ein rappierartiges Bronzeschwert mit Goldeinlagen auf der Klinge, gefunden in der Gegend von Boizenburg in Mecklenburg, auf- bewahrt im Museum zu Schwerin, ver- treten, während ein mittlerer Abschnitt dieser Periode hauptsächlich durch die Grabhügelfunde von Bayerseich bei Langen,Provinz Starkenburg, bestehend in Dolchen, Absatzkelten, Radnadeln und interessanten Thongefässen Be- reicherung fand. Am nmfllnglichsten ist die Vermeh- rang aus der jüngeren Bronzezeit, deren jüngster Abschnitt in die Utere Hallstattperiode übergeht. Es sind hier zu nennen die Depotfunde von Osterburken in Baden (Lanzen, Sicheln, Ringe , Spiralscheiben , Gussbrocken etc.) und von Lentförden in Holland (Armbänder, Stimschmuck, Tutali, Plattenfibeln, Kelt und Sichel), Brand- gräberfunde von Hessheim und der bayerischen Pfalz, Ehingen in Würt- temberg, Dillingen in Bayern und von mehreren Orten in Mecklenbarg. Die ältere Hallstattieit ist durch Gräberfunde aus der Koberstadt bei Langen, in der Provinz Starkenbnrg, vertreten. Die Abteilung der Altertümer aus der Früh-La Tänezeit hat neben einer Anzahl von Einzelfunden aus Braa- bach bei Oberlahnstein, namentlich durch die Funde ans dem Umenfelde von Bülstringen, Prov. Sachsen, auf- bewahrt in dem Museum von Neuhai- densleben, wertvollen Zuwachs erhal- ten. Aus den Funden der späten La T6ne- Periode sind nur Gräberfunde von Zeippem in Schlesien hervorzuheben. Aus der römischen Epoche wurden viele der für chronologische Bestim- mungen wichtige Funde augusteischer Zeit von Haltern in Westfalen, früh- römische Gefässe aus Bingen, eine Gruppe von Fibeln aus dem Ende des ersten Jahrb. von Kirchheim bei Hei- delberg, eine Anzahl interessanter Waffenstücke aus den deutschen lä- meskastellen, sowie aus Garnuntum (Deutsch -Altenburg bei Wien) nach- gebildet. Von Funden der römischen Kaiser- zeit auf germanischem Boden ist na- mentlich der wichtige Fund von WichuUa in Schlesien (Museum in Bres- lau) zu erwähnen mit seinen Bronze- eimem, einem schönen Silbereimer, Seiher, Kelle, Pfanne etc. Die Uebergangsperiode von der rö- mischen zur merovingischen Zeit er- hielt eine wertvolle Bereicherung durch geschlossene Grabfunde von Nieder- ursel bei Frankfurt a. M. nnd Stock- stadt bei Aschaffenburg, während die Altertümer der merovinnschen Periode durch Reihengräberfunde aus verschie- denen Orten Bayerns, aas Heilbronn und aus Elsdorf bei Düren vermehrt werden konnte. (L. Lindenschmit.) Maseographie. 439 Rhelnprovinz» 76 Kreunaob, Antlqiiaritch-Historlecher Verein I S. 268, V, VIII, XI -XV. XVII -XX. Enterbungen Herbst 1901 bis Herbst 1902. 1) Tongeftsse der La T^oezeit, fref. im Pomologischeu Garten des Hm. Dr. Veiten. 2) Römisches. BracbstQck eines Rei- ters mit Pferd aas Sandstein, get im ehrten des Hm. Joh. M&ller, nnd einige Stempel. 3) Clever und Xantener Urkunden des 17. and 18. Jhdts. 4) Pläne, Bilder and Drucksachen, welche die Geschichte Krenznachs be- treffen. 5) Geschnitzte Holzstfihle mit dem Sächsisch-Polnischen Wappen. (0. Kohl.) 80 Trier, Previulalaiiseuiii I S. 269, n-xx. Der 25. Jahrgang des Provinzial- maseums war vom GlQcke im hohen Grade begünstigt. Die Kanalisations- arbeiten in Trier brachten viele lang ersehnte Aufschlüsse über die Topo- graphie der Stadt, viele Kleinfunde und einige ganz hervorragende Statuen und Mosaiken. Der grossartige bronze- zeitliche Depotfund von Trassem, die Ausgrabungen der an ungewöhnlich geformten Urnen reichen La T^ne- gräber bei Osburg, die römischen Meilensteine von der Pöltcher Halt, die reichen Ergebnisse derFrankengrä- ber bei Rittet sdorf, die Schenkung eines herrlichen Frübrenaissancedenk- mals durch die Familie Rautenstrauch, die Erwerbung einer hervorragend schönen Tischplatte vom Jahre 1546 aas Niederweis werden diesen Jahr- gang als einen der besten kennzeichnen. Für die archäologische Beanfsich- tignng der Kanalisation hatte die Pro- vinzial Verwaltung schon seit November 1900 einen besonderen Techniker an- gestellt. Jedoch zeigte sich bald, dass dieser allein die an vielen verschiede- nen Punkten gleichzeitig in Betrieb befindlichen Arbeiten nicht überwachen könnte. Es wurde deshalb die Ar- beitskraft eines zweiten Technikers zumeist der Kanalisation zugewiesen and es wurden überdies zwei Aufseber angestellt. Diese weiteren erheblichen Kosten übemahm die Provinzialver- waltung für das Jahr 1901, während sie für die Jahre 1902 und 1903 vom Herrn Kultusminister getragen werden. Vor allem sehr wertvoll sind die An- haltspunkte, welchefürdie Topographie gewonnen werden konnten. Das rö- mische Trier hatte ein durchaus recht- winkliges Strassennetz. Sechs paraJlele Strassen, welche von Norden nach Süden ziehen, und neun westöstliche parallele Strassen sind bis jetzt nach- gewiesen, nur zwei von diesen decken sich mit den heutigen, bei allen üb- rigen hat das heutige Trier eine wesent- lich andere Richtung eingeschlagen. Die Geschichte der Stadt spiegelt sich wieder in den übereinander liegenden Schichten der Strassen und der Ge- bäude. Bei den Strassen, die fast alle ausschliesslich aus Kies bestehen, lassen sich 4— 5 Schichten sehr deut- lich verfolgen. Die Strassen der ältesten Stadt hatten eine Breite von 10 m, während in der späteren Zeit die Breite des Dammes nur noch 4 bis 5 m beträgt. Da die Strassen- fluchten nicht verändert sind, wird man dies Verhältnis durch die An- nahme zu erklären haben, dass auf beiden Seiten des Dammes in späterer Zeit Trottoirs vorhanden waren, die anfänglich fehlten. Im Mittelalter sind dann die Trottoirplatten als bequemes Material entfernt worden. Von sämt- lichen bis jetzt gefundenen Strassen waren nur zwei mit Kanälen versehen. Ebenso sind in den Häusern vielfach drei bis vier Bauperioden übereinander gefunden worden, indem die Römer, selbst bei gründlicher Umänderung eines Gebäudes, dasselbe nicht ab- rissen und einen neuen Baa neu fun- damentierten, sondern mit Benutzung der alten Mauern in die Höhe bauten und neue Estrichböden einzogen. So liegen oft vier bis fünf Estrichböden übereinander. Die älteste Schicht, die der augustischen Begründung der Stadt angehört, liegt 3Vi— 4 m unter dem heutigen Strassendamm, die oberste meist nur 1,50—1,80 m. Die Anzahl der vorhandenen Strassen nnd Häuser- schichten und ihre Höhenlage im Ver- hältnis zum heutigen Niveau geben uns die Möglichkeit zu beurteilen, wie früh die einzelnen Teile der Stadt in Bebauung genommen worden sind. Nach Süden erstreckte sich die au- gnstische Stadt noch bis über die 440 Maseographie. Qilbertfltrasse hinaas, sodasi die Mosel- brücke jedenfalls viel mehr in der Mitte der alten Stadt lag, als man Sßwöhnlich bisher annahm Wieweit er Anbau in der Flacht der Simeons- Strasse in der augustischen Zeit nach Norden reichte, ist soch nicht festge- stellt. Oestlich und westlich von dieser Strasse blieb das Terrain der jetzigen Strafanstalt, wie das in der Gegend des Pferdemarktes und der Sag gänzlich unbebaut; hier haben die KanalisatioDsarbeiten nicht die geringsten H&userreste, auch nicht solche Yon Fachwerksbauten zu Tage gefördert. Das Bild der römischen Stadt, teilweise auch in seiner ge- schichtlichen Entwicklung, ist schon durch die IVijährige Kanalisations- campagne uns klarer vor Augen ge- stellt, als f&r alle anderen Römer- städte diesseits der Alpen. Die Gewinnung von Häusergrund- rissen oder auch die Bestimmung, welcher Art die Häuser gewesen sind, wird bei den schmalen Kanalisstions- gräben nur sehr selten gelingen. In einem Falle, auf der Fleischstrasse vor den Häusern Nr. 17 und 18, glau- ben wir aus den aufgefundenen Sculp- taren und Inschriften auf ein öffent- liches Gebäude, vielleicht das Gapitol von Trier, schliessen zu dürfen. Die Funde bestehen aus folgenden Stücken : 39 cm hohes Hochrelief aus weissem Marmor mit Spuren roter Bemalung, welches in der flotten Arbeit des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Gapito- linische Trias, Juppiter zwischen Juno und Minerva darstellt. — Ueberlebens- grosse sitzende matronale Göttin aus Muschelkalk, zu der vermutlich ein Fuss und ein Gesicht aus weissem Marmor gehören; auch diese Figor könnte zu einer grossen Gruppe der Gapitolinischen Trias gehören. — Von geringeren Dimensionen, aber feiner und frischer in der Arbeit ist ein jugendlich weibliches Marmorköpfcheo, welches ehedem in eine Statue ein- gelassen war. — Aus Muschelkalk bestehen die Statuette eines Priap, eine weibliche Togastatuette und der Oberkörper eines nackten Knäbchens. Von derselben Stelle stammen eine Ära und ein Sockelstein mit Wasser- durchlass, beide mit rohen Palmetten geziert und sicher dem ersten Jahr- hundert angehörend. Ausserdem wurde jüngst ebenda noch eine Ära mit der Inschrift j^Deae Bdianas aram Jusia ex imperio p(oeuü) Ifibensj^erüoJ* ge- funden. Aus den 1729 Nummern der in diesem Jahre bei der Kanalisation gemachten Funde seien noch folgende hervorgehoben : 1) Fortuna aus Kalk- stein, 45 cm hoch. Die Göttin ist stark entblösst und hat das rechte Bein über das linke geworfen, ge- funden am Antoniusbrunnen. 2) Mäch- tiges Hochrelief, sehr gute Arbeit des 1. Jahrhunderts, mehrere Männer mit der Toga bekleidet darstellend, und wahrscheinlich von einem Grabmonu- ment herrührend. Gefunden auf der Friedrich- Wilhelmstrasse. 3) Lebens- grosser männlicher nnbärtiger Portrait- kopf aus weissem Marmor, das Haupt- haar ist kurz geschoren. Deutung und zeitlicher Ansatz noch nicht ge- wonnen. Gefunden auf der Feldstrasse. 4) Mosaik von 4,60 m Länge and Breite; die Mitte nimmt ein Achteck mit der Darstellung zweier Gladia- toren ein. Die darüber liegende Fläche ist in ausgeschweifte Vierecke and Ovale geteilt, welche mit Ornamenten und Tierkämpfern dekoriert waren. Das Mosaik wurde nur teilweise aus- gehoben. Gefunden am Antoniusbrnn- neu. 5) Hervorragendes Mosaik von 8,21 m Länge und etwas geringerer Breite. In der Mitte Bacchus auf seinem von Panthern gezogenen und von einem Satyr geleiteten Wagen; in den vier, die Ecken einnehmenden Ovalen die Jahreszeiten als Einzel- figuren und in den vier dazwischen befindlichen Trapezen je ein Wagen, gezogen von wilden Schweinen, Pan- thern, Löwen und Hirschen und zu- meist mit je einer grossen tragischen Maske beladen. Ein schöner Eier- stab rahrot das Mosaik ein und an zwei Seiten befindet sich noch über- dies je ein aus ineinandergeringelten Delphinen gebildetes, sehr wirkongs- volles Band. Das Mosaik ist in einer ungewöhnlich reichen Farbenscala, zu der Glas sehr stark verwendet worden ist, hergestellt. Es wird sicher aoa dem 4. Jahrhundert stammen. Es ist von vorzüglicher Erhaltung und seine Aushebung ist sehr gut gelungen. Ge- funden in der Wallramsneustrasse. 6) Bruchstück eines in der Form ge- Museograpbie. 441 pressten blauen Olasbechers mit der Darstellung von Gladiatoren und Auf- scbriften. 7) Elfenbeinb&cbschen in Form eines orientalischen, wahrschein- lich egyptischen Kopfes, fast genau entsprechend dem Heidenheimer Büchs- chen, abgebildet Obergermanisch-rftti- scher Limes Taf. III Fig. 33). 8) Trink- horn (Rhyton) in einen Hundekopf aus- laufend, von 7 cm Länge, aus Bronze; vermutlich von der Statuette eines Laren. 9) Bronzebüste eines Knäbchens von sehr guter Arbeit und ausgezeichneter Erhaltung, von einem Oer&t herrührend. Auf einem Berge bei Trassem (Kreis Saarburg) wurde im Januar neben einem Felsblock ein hochinter- essanter Depotfund aus Bronzewaffen und goldenen Schmucksachen beim Steinbrechen gefunden, welcher der ältesten Bronzezeit angehörend zu den ältesten Stücken zählt, die bis jetzt im Regierungsbezirk zu Tage gefördert worden sind; er besteht aus vier un- gefähr gleichen, doch keineswegs ganz übereinstimmenden Randkelten , die oben mit einem runden Ausschnitt, unten mit einer stark geschweiften Schneide versehen sind; ferner aus einem langgestreckten spateiförmigen Kelt, einem spateiförmigem Kelt mit breiter runder Schneide und einem Dolch von 32 cm langer, etwas ge- schweifter Klinge und langem Griff. Die Schmuckgegenstände sind 103 Gramm schwer und sind aus reinem hellem Gold angefertigt; es sind ein tordierter Ring von 65 mm Durch- messer, ein Haarpfeil mit fünf dis- knsförmigen Spiralscheiben und vier Lockenhalter aus doppeltem Draht (Wd. Korrbl. XXI Nr. 64). Bei Osburg (Land kr. Trier) wur- den vom 14.— 24. Januar und vom 5. bis 22. März 32 Tumuli der La Täne- zeit in den Distrikten auf Klob in der Haide, hinter der Kieselkaul und im Bruch ausgegraben, die zum Teil schon früher durchwühlt waren. Sie ergaben im Ganzen 34 Gefllsse, einige Fibeln — darunter eine Tierkopfflbel •— eiserne Waffen und zwei Glasringe. Die Gefässe haben sehr mannigfache Formen und zum Teil tief und scharf eingedrückte Ornamente, doch lassen sie sich zur Zeit, weil sie noch nicht vollkommen repariert sind, nicht näher beschreiben. Bei Gelegenheit des Baues der Bahn Trier— Bullay wurde an der P ö 1 i c h e r Halt, gegenüber dem Dorfe Pölich, die Römerstrasse Trier — Neumagen auf eine längere Strecke freigelegt, wobei man am 7. März auf die unteren Stümpfe von acht römischen Meilen- steinen stiess, die noch an ihrem ur- sprünglichen Platz nebeneinander stan- den. Von den meisten Meilensteinen war das obere, die Inschrift tragende Stück vollständig oder fast vollständig abgebrochen und wahrscheinlich in die Mosel hinabgerollt, die im kommen- den Sommer daraufhin durchsucht werden soll Zwei Meilensteine be- wahrten die Inschrift nahezu voll- ständig. Die eine ist dem Kaiser Garacalla im Jahre 212 gesetzt wor- den, die andere dem Kaiser Gonstantin dem Grossen. Bei der ersteren ist die Entfernung von Trier in galliBchem Wegemass auf 9 Leugen angegeben, wozu die Entfernung des etwa 2Vs Kilometer von dem Fundplatz gelege- nen Dorfes Dezem, welches nach dem zehnten Meilenstein seinen Namen führt, gut passt. Am Arnulfsberge bei Stroheich (Kreis Dann) wurde ein grösseres rö- misches Gebäude, wahrscheinlich eine Villa, in dem von den Feldeigentümem Eisen- und Bronzegegenstände ausge- graben wurden, konstatiert. Im Dorfe Noviand (Kreis Bem- kastel) stiess man auf einige Räume eines römischen Hauses, welches eine grosse Anzahl fein zugeschnittener, zu einer Intarsiadekorierung gehöriger Marmorstücke enthielt. Das Terrain des römischen Tempels bei Dhronecken (Kreis Bernkastei) wurde bis auf eine Ecke, in der spä- ter noch eine Nachgrabung vorgenom- men werden soll, wieder eingeebnet. BeiGrügelborn (Kreis St. Wendel) wurden einige frührömische Gräber unter Aufsicht ausgegraben. In der römischen Niederlassung im Gemeindewald von Borg (Kreis Saar- burg) nahm Herr Lehrer Schneider aus Oberleuken wieder einige Unter- suchungen vor. In Trier selbst wurde, abgesehen von den bei der Kanalisation gemach- ten Feststellungen, römisches Mauer- werk grösseren Umfanges beobachtet und aufgenommen beim Neubau Hof- 442 Mu860graphie. scheuer, Südalle 73, beim Neubau Mendgen an der Ecke der Saamtrasse und Gerberstrasse, und vor allem auf der Dampfschiffahrtsstrasse westlich vom Hause 1, femer io Pallien swi- scben den Kalköfen und der Chaussee beim Bau des Eiskellers f&r Herrn Simon in Bitburg. Bei Ritters dorf (Kreis Bitbnrg) .war schon im vergangenen Jahre auf der vordersten Spitze des „Kopp**, eines Bergrückens, der an der Mün- dung des Eblenzbaches in die Nims liegt, unweit der Rittermühle, ein frän- kisches Gräberfeld entdeckt worden. Dasselbe wurde in diesem Jahre von Mitte Oktober bis Mitte Dezember einer systematischen Ausgrabung un- terzogen, bei deren Leitung sich auch Herr Pastor Lind freundlichst betei- ligte. Es wurden im Ganzen 63 mit Kalksteinplatten umstellte Gräber auf- gedeckt, die, trotsdem sie durch Nach- suchen nach Kalksteinplatten zumeist teilweise zerstört waren, 308 Gegen- stände ergaben ; am zahlreichsten wa- ren Krüge, Näpfe und Schalen, gläserne und thönerne Perlen, Schnallen und Fibeln; von besonderm Werte waren einige verzierte Bronzefibeln, silberne mit Almandinen auf Goldfolien gezierte Rundbroschen, eine grosse polygen geschliffene Perle aus BergkrysUll, ein silberner Ring mit Inschrift und neun hölzerne Eimer mit reichen Eisen- beschlägen. Der bei weitem grösste Teil der in diesem Jahre dem Museum zugeflosse- nen Einzelfunde entstammt den oben angeführten Ausgrabungen. Von den übrigen seien noch erwähnt : An Praehistorischen: eine 11 cm langp, ausgezeichnet erhaltene Feuer- steinspitze, gefunden bei Wadgassen, Geschenk des Herrn Direktor Scheid t. An Römischen Altertümern: Funde von Enscheid (Kreis Prüm), die verschiedenen Gräbern entstammen, vom Finder jedoch nicht gesondert gehalten wurden. Sie gehören, wofür auch die Münzen sprechen, dem Ende des 1. Jahrhunderts an. Wichtig sind zwei mit abwechselnd rotem und grü- nem Email versehene Fibeln, blaue und grüne Glasperlen und ein gelb- lichgrün glasiertes Henkelkrügelchen. — Gräber in Matthias bei Trier er- gaben gleichfalls ein glasiertes Hen- kelkrügelchen, Terracotten, den Stiel eines Tiegels aus weissem Thon, zwei emaillierte Fibeln in Form von springen- den Pferdchen und eine Schale aus dünnem Bronzeblech in Form einer Muschel. Stein: Linkes Händchen mit dem Rest eines Füllhorns ans weissem Mar- mor (1), gefunden in Trier im Mutter- haus. Weisse Marmorplatte mit der christlichen Inschrift: Süvanus ne- gfAiaJbof hie paiusat in pace, gefunden in der Aul, ausserhalb, aber in nächster Nähe der Kirchhofsmauer von Matthias. Bronze: Statuette eines opfernden Römers, der die Toga über den Hin- terkopf gezogen hat, gefunden in den Lehmgruben bei Euren. Statuette eines nackten Mars mit einem grossen Helm, der in der durchbohrten Rech- ten eine Lanze hielt, übergeben von Hrn. Regierungspräsidenten zur Nedden. Ro- sette aus Bronze, mit einem schönen Medusenhaupt geziert, Rest eines Käst- chens, gefunden in Trier im Mutter- haus (2) Röhrenförmiger Beschlag, geziert mit einem Greifenkopf, gefun- den in Trier (84). Ganz dünnes Bronze- plättchen, darauf in getriebener Arbeit im Stil des 4. Jahrhunderts die drei Männlein im feurigen Ofen, gefunden in Trier, angeblich auf der Gilbert- strasse. 32 Kleinerze der Gonstantinischen Zeit, meist mit trefflichem Silbersud versehen, herrührend von einem Munz- schatzfund vom Stenzhornerhof (vgl. Westd, Korrbl. 1901 Nr. 75). Eine grosse Anzahl Gefässscherben aus Pergamon, gesammelt und ge- schenkt von Professor Gonze; sie stammen aus der Pergamenischen Kö- nigszeit und zeigen die Ursprünge eines Teiles der rheinischen Keramik. Mittelalter: Schöne Bronze- schnalle mit Tierköpfchen, gefunden in Trier im Mutterhaus. Rundbrosche aus Bronze mit Darstellung eines menschlichen Oberkörpers in EmaU, gefunden in Trier auf der Dampf- schiffahrtsstrasse. Denkmal aus Metzer Kalkstein, welches bis zum Jahre 1862 in der Liebfrauenkirche als Baldachin der noch dort befindlichen Grablegungs- gruppe diente. Es hat die Form ei- nes römischen Triumphbogens, der sich auf rechteckigem Grundriss von Museographie. 443 4,60 m Breite zu 8,50 m Tiefe bis su einer Höhe von 4,75 m erhebt. Die Pilaster and ontersten Teile der S&u- len und die dorch Triglyphen geteil- ten Friese sind mit fein komponiertem und sartest modelliertem Rankenwerk aberzogen. Auf den Zwickeln aber den Bögen sind Engel, R&ucherfltoser schwingend, and anf den Flächen der Schmakeiten Amoretten zwischen Ran- ken dargestellt Das Denkmal stammt laut Inschrift aus dem Jahre 1531 and gehört zu den schönsten Schöpf- ungen der Frührenaissance. Geschenk von Frau Kommerzienrat Lilla Raaten- strauch, geb. Deichmann, im Anden- ken an ihren verstorbenen Qemahl Herrn Valentin Rautenstrauch. Das Denkmal war ehemals bekrönt von einer Ghristusfigur und vier Qrabes- w&chtem; zwei der letzteren, bisher im Besitze der Frau Dombaumeister Wirtz, wurden von derselben dem Moseum geschenkt. Das Denkmal wio. die zwei Wächter wurden bis zur Vollendung des Museumsanbaaes, dank dem Entgegenkommen des Domkapi- tels, in einer Kapelle neben dem Dom- kreuzgang untergebracht. Tischplatte aus Niederweis, vom Jahre 1546, mit der Darstell ang des trunkenen Loth im Mittelbild; um dasselbe Ranken und Jagddarstellun- gen; Flachrelief von hervorragender Schönheit aus rotem Sandstein ; erwor- ben aus dem Fonds für Denkmalspflege. Das Museum wurde an den freien Tagen von 9502 Personen, an den Tagen mit Eintrittsgeld von 1941 Per- sonen (im Jahre 1898: 1804, 1899: 1872, 1900: 1759) besucht. Die Ther- men, zu denen der Eintritt niemals unentgeltlich ist, hatten 5543 Besucher. Der Qesamterlös einschliesslich des Verkaufs an Katalogen beträgt im Moseum 1275,65 Mk., in den Thermen 1548,80 Mk. Der archäologische Ferienkursus für deutsche Gymnasial- lehrer fand in den Tagen vom 3. bis 5. Juni statt. Im Februar und Mftrz hielt der Direktor in Trier zwei Vor- träge über die Ruinen Triers unter Vorzeigung von Sciopticonsbildern, an denen gegen 2000 Zuhörer teilnahmen. (Hettner.) 83 Bonn, Previnziaiffluaeun I S. 273, IV, y, XI-XX. Die Ausgrabungen bei Urmitz, ^ welche bereits die Thätigkeit während ' drei Wintern vorwiegend in Anspruch genommen hatten, wurden im ver- gangenen Winter noch durch einige Nachprüfungen ergänzt. Vor allem wurde die in den Bonner Jahrbüchern Heft 104 S. 47 beschriebene Stelle, wo ein verkohlter Balken in deutlichen Sparen im Palissadengraben der grossen Erdfestung eriialten war, nochmals auf- gegraben. Es stellte sich heraus, dass die Stelle dicht an einer Qrabenunter- brechung lag, wo stets auch an ande- ren Stellen der Pfahlgraben zu einer grossen kesselartigen Grube erweitert gefunden worden war. Die verkohl- ten Reste des Balkens fanden sich in der a. a. 0. beschriebenen Weise, da- neben stak ein messerartiges Feuer- steininstrument. Ausser einer Menge kleiner, verstreuter, verbrannter Kno* chenstücke fanden sich auch einige Scherben, von welchen aber keiner römischen Charakter hat, sondern welche sämtlich von aus der Hand geformten rohen Gefässen stammen. Einer ist der Keramik von Untergrom- bach aufs deutlichste verwandt Im übrigen wurde ein noch fehlendes kurzes Stück der grossen Festungs- linien abgedeckt und aufgemessen, so dass jetzt der ganze grosse Festuogs- halbkreis, soweit er noch erhalten war, untersucht ist. Ein in dem oberen Füllgrund des Palissadengraben 55 cm unter Niveau gefundenes Eisenstück und ein ebenda 45 cm unter Niveau gefundener ganz moderner glasierter Scherben zeigten neuerdings deutlich, wie wenig die oberen Partieen des FüUgmndes der Gräben zu deren chronologischer Beurteilung herange- zogen werden dürfen. Die Gräben sind offenbar grösstenteils sehr all- mählich erst zugeschwemmt worden, andererseits hat der moderne Pflug die lockerere Füllerde stellenweise tiefer durchfurcht und mit späteren Einschlüssen angefüllt, als es für ge- wöhnlich der Fall ist. Eine Anzahl ausgehobener Wohngruben ergab zwar interessante praehistorische Funde, kommt aber für die Datierung der Festungswerke nicht in Frage. Auch diese neuen Nachprüfungen haben also lediglich Resultate ergeben, welche mit der im vorigen Jahresbericht und in den Ausgrabangsberichten Bonner 444 Museographie. Jahrbach lOT 8. 204 von mir aasge- sprochenen Datierang des grossen Erd- werks in eine der Steinzeit nahe- stehende vorgeschichtliche Periode durchaas im Einklang stehen. Unter den vielen, teils bei dieser Ausgrabung, teils zaflillig gemachten Einzelfanden aas Urmitzer Gebiet ragt ein 63 cm hohes ausgezeichnet erhal- tenes Thongei&ss von eiförmiger Ge- stalt mit ziemlich enger ausgebogener Mündung hervor, welches mit 4 grossen Schnurösen um die Mitte und 10 klei- nen um den oberen Teil des Bauches versehen ist. Dieses geradezu impo- sante Gefta war bedeckt mit einem tulpen- oder helmförmigem Kumpen mit 4 Griffwarzen und ist wohl als Vorratsgeftss der jüngeren Stein- oder älteren Bronzezeit anzusehen (No. 14 165 a u. b). Aus derselben Periode ist zu nennen eine Thonschüssel mit Zonenverzierung (14333), einige merk- würdig verzierte Scherben (14823), sowie verschiedene Steinger&te. Ein reichausgestattetes Grab der Hallstatt- zeit mit einem grossen gewundenen Bronzehalsreif, einem Armreif aus Lignit, sowie mehreren gewundenen und glatten Bronzearmreifen und klei- nen Bronzeringen (14 332) stammt eben- falls aus Urmitz ; ebenso ein La T^ne- grab, bestehend aus einer verzierten Urne und einem Bronzearmreif (14331). Ein Thongeftss mit 2 Henkeln aus jüngster gallischer Zeit von der Kapelle zum guten Mann wurde aus Privat- besitz erworben (14178), eine ebenda schon früher gefundene griechische, rottigurige Vasenscherbe (14472) durch Umtausch aus dem akademischen Kunst- museum in das Provinzialmuseum überführt Von praehistorischen Erwer- bungen aus anderen Gegenden sind hervorzuheben : linksrheinisch zwei Steinbeile aus Bonn (14736 u. 14747) und eine Urne aus Dransdorf (14369), rechtsrheinisch zwei sehr schöne, reich mit feinverzierten Geissen ausgestat- tete bronzezeitliche Gr&ber aus Nieder- bieber (14470/1), drei Grabfunde aus Altenrath (14733-5) und eine ver- zierte Urne aus Duisburg (14185), ein Geschenk des Herrn Provinzialkonser- vators Prof. Giemen. Von sämtlichen Resten des berühm- ten Neanderthaler Menschen wurden durch Herrn Gipsgiesser Wil- bers in Bonn neue Abgüsse gemacht, welche nach dem Urteil der Sachver- ständigen sehr gut gelungen sind und bereits von verschiedenen in- und aus- ländischen anatomischen Sammlungen erworben wurden. Auf dem Gebiet der römischen Forschung stand im vergangenen Jahre die Untersuchung wichtiger Teile des Bonner Legionslagers im Vor- dergrunde. Aeussere Veranlassung zur Wiederaufnahme dieser vor achtzig Jahren bereits begonnenen Unter- suchungen boten städtische und pri- vate Bauuntemehmungen auf dem Ge- biet des römischen Lagers, bei deren Inangriffnahme wichtige Teile des Lagers auf immer beseitigt werden mussten. Ueber den Beginn dieser Grabungen und verschiedene Einzel- ergebnisse ist schon vom Direktor im Westd. Korrespondenzblatt 1901 No. 64 und in den Bonner Jahrb. 107 S. 213 ff. vorläufig berichtet worden, hier sei nur kurz erwähnt, dass es zunächst gelang, endlich die Lage des Prae- toriums festzustellen und damit die richtige Orientierung des Lagers zu gewinnen. Die Front des Lagen wies hiernach nach Osten dem Rheine zu und nicht, wie früher behauptet wurde, nach Norden. Die Untersuchung des Praetoriums ist übrigens noch nicht beendet und soll im nächsten Jahre fortgesetzt werden. Von grosser Wich- tigkeit waren dann die Beobachtungen und Grabungen, welche mit Unter- stützung des Herrn Stadtbaurats Schnitze und unter ständiger Örtlicher Aufsicht des Museumsassistenten Herrn Koenen im Nordwestteil des Lagers bei einem städtischen Schulhausbau und bei Anlage der neuen Ring- strasse veranstaltet wurden. Auf bei- den Plätzen wurde mit voller Sicher- heit festgestellt, dass die früher fälsch- licherweise als Mauertürme bezeichne- ten Bauten dicht an der Umfassungs- mauer vielmehr Wallkasematten waren. Wenn also die früher in den Plan eingezeichneten Türme in Wegfall kommen, so wurde festgestellt, dass in der abgerundeten Nordwestecke des Lagers ein trapezförmiger Eck- turm gestanden hat, von dem freilich nur noch das unterste Fundament vorhanden war. Den nördlichsten Teil Museographie. 445 des Lagers, soweit er von der dies- jährigen Qrabong berührt wurde» nahm nun von Westen angefangen hinter dem grossen Wasserabflusskanal zu- nächst eine lange Centurienkaseme ein, welche ganz nach dem aus dem Neusser Lager bekannteu Schema er- baut war. Sie war aber in einer späteren Bauperiode abgerissen und darüber ganz anders disponierte Bau- ten errichtet worden. Ob ihr, wie in Novaesium, ursprünglich eine Paral- lelkaserne entsprochen hat, bedarf noch der Nachprüfung, doch ist es wahr- scheinlich. Oestlich von dieser Kaserne wurde eine Flucht von zusammen- hängenden Zimmern gefunden, welche sich mit einem schon in früheren Jah- ren gefundenen Qebäude zusammen- gehörig erwies. Es ergiebt sich hier ein Bauwerk, welches einen nach Süden gegen eine Lagergasse offenen, grossen, rechteckigen Hof auf den drei übrigen Seiten umfasst, dessen rückwärtiger neugefundener Teil neun, dessen beide Flügel je 12 Stuben um- fassen. Von weiter östlich anschliessen- den Bauten wurden zunächst nur ein- zelne Mauerzüge durch einen langen Versuchsgraben festgestellt, so dass hier später leicht Ergänzungsgrabun- gen vorgenommen werden können. Von hohem Interesse war endlich die Un- tersuchung des Nordthores, welchem der Name porta principalis sinistra zukommt Es zeigton sich hier deut- lich zwei Bauperioden mit zum Teil sehr verschiedenen Grundrissen. Doch ist diese Untersuchung zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Ausser dem Hauptwasserabflusskanal wurden ver- schiedene Nebenkanäle und endlich zwei quadratische gemauerte Wasser- reservoire gefunden, welche dicht hinter dem Lagerwall, das eine bei dem nord- westlichen Eckturm ^ das andere neben dem Nordthor lag. Ueber eine Grabung in Endenich bei Bonn, von deren Beginn bereits in den Bonner Jahrb. 107 S. 222 gehan- delt wurde, und welche in diesem Jahre fortgesetzt worden ist, wird am besten erst nach ihrem Abschluss weiter be- richtot werden. In Xanten hat das Provinzialmu- seum eine sehr ergebnisreiche Ausgra- bung des dortigen Altertumsvereins durch Herstellung der Aufnahmen und Nivellements unterstützt. Es fand sich dort eine Legionsziegelei und zwar ein Ziegelofen der XXX. Legion von ge- waltigen Dimensionen sowie mehrere hundert Stempel der VI., XV., XXII. und XXX. Legion und der cohors I Brit. Näheres hierüber ist in den Bonner Jahrbüchern 107 S. 289 ff. mit- geteilt. Unter den Neuerwerbungen des Museums, deren Gesamtzahl in diesem Jahr 838 Nummern beträgt, seien von den römischen Altertümern als besonders wichtig folgende hervorge- hoben : Von Stein denkmälern sind für das Bonner Lager bedeutungsvoll ein Altar des SUvanus (14322, s. Bonner Jahrb. 107 S. 213 ff.), der uns unter anderem den Standort der cohors VIII der Legio I Minervia im Nordwest- teil des Lagers, und ein Baustein, der uns den Standort der cohors II der- selben Legion im südlichen Teil des Lagers östlich der via principalis ken- nen lehrt ; nicht minder wichtig ist ein grosser als Pfeilerstütze bestimmter Tuffsteinblock mit dem Zeichen LT, welches offenbar auf die legio I (Ger- manica) hindeutet (B. J. 107 S. 219). Ebenfalls aus Bonn stammt auch ein Grabinschriftrest und mehrere inschrift- lose Altäre. Aus Remagen erhielten wir einen Grabsteiarest von einem Angehörigen der cohors II Varcianorum (s. B. J. 107 S. 209 ff.), aus Niederdollen- dorf, den durch seinen rechtsrhei- nischen Fundort interessanten Rest eines römischen Grabsteins (B. J. 107 S. 223), aus Uellekoven bei Wal- dorf drei Matronenaltäre (B. J. 107 S. 230 ff.). Ein Merkuraltar aus See h- tem wurde uns freundlichst von Herrn Rittmeister von Bredau in Ehrenbreit- stein überlassen. — Die Abgusssamm- lung rheinischer Steindenkmäler wurde vermehrt durch den Abffuss des Grenz- altars vom Vinxtbach, der sich im Mu- seum in Brüssel befindet (Brambach 649), so dass jetzt die beiden berühm- ten Altäre im Abguss wieder im Rhein- land vereint sind; ferner durch den Abguss des Reliefs mit Esus und Tar- vos trigaranus aus Trier, sechs Ab- güsse aus Xanten, darunter das Sil- vanusdenkmal (Brambach 211), und der Mithrasaltar Gumont 463, vor allem 446 Maseographie. aber durch die - Abgüsse der Skulp- turen der Weydener Grabkammer, n&m- lich des reichskulpierteu SarkophageS) der drei BQsten und des einen Stein- sessels. Von geschlossenen Grabfunden sind solche aus Bonn von der Kölner Chaussee, einer aus Wesseling, vor allem aber die reichausgestatteten Grä- ber aus Meschenich bei Brühl zu nen- nen, welche schöne, in Steinkisten ge- borgene Glasurnen und Bronzegegen- BtAnde enthielten. Sie sind B. J. 107 8. 233 f. beschrieben, woselbst auch eine mitgefnndene Ziegelplatte mit Graffito abgebildet ist. Die Sammlung römischer Kera- mik wurde vor allem dnrch eine be- sonders kunstreiche Gesichtsurne aus grauem Thon, gefunden in Bonn, Yik- toriastrasse, bereichert. Für die Ge- schichte von Bonn bedeutsam sind 17 arretinische Sigillatastempel, die zum Teil am Belderberg, sicher aber alle in Bonn gefunden sind und dessen römische Besiedlung in augusteischer Zeit beweisen. AU eine frühe ein- heimische Nachbildung von Sigillata darf ein flacher, gelblich bemalter Teller mit dem Stempel |T0CA'F| be- zeichnet werden, der im Prätorlum des Bonner Lagers gefunden wurde. Aus Privatbesitz wurde eine grosse Masse in Bonn gefundener Sigillatastempel er- worben. — VonTerracotten ist das Bruchstück einer Statuette 'der Venus zu nennen, die sich das Brustband an- legt und neben welcher ein kleiner Priapus steht, gefunden in der Kölner Gegend. Sehr reich ist infolge der Bonner Ausgrabung die Ausbeute an gestem- pelten Ziegeln. Bemerkenswert ist ein Stempel der frühen legio I (Ger- manica), drei der legio XXI rapax, ferner neben hunderten von gewöhn- lichen Stempeln der l(egio) I M(iner- via) fünf Stück, welche statt des Zahl- zeichens I den Buchstaben p == prima zeigen, also LPM lauten. Weiter fan- den sich wieder mehrere Exemplare des schon B. J. 107 S. 219 besproche- nen Stempels Yextri und ein ganz neues Exemplar mit der Lesung : vex. 1. tr., offenbar zu lesen: vexillatio le- gionis tricesimae. Die Sammlung römischer Gl&ser wurde vermehrt durch einen Becher aus dunkelgrünem Glat und ein kug- liges Flftecbchen aus der ehemaligen Sammlung Forst, eine grosse Henkel- kanne, einen Becher und eine Schde aus dem Landkreis Köln. Unter den römischen Metallar- beiten ragt an Kostbarkeit und Schön- heit hervor ein schwerer goldener Fingerring aus dem Kastell Nieder- bieber, dessen breite Schmuckfl&che in reicher durchbrochener Arbeit mit Weinlaubranken, vier Delphinen und Palmetten und einem Onyxintaglio mit Darstellung eines Eichhörnchens ge- ziert ist. — Ein silberner Fingerring stammt aus der Gegend zwischen Köln und Neuss aus dem Rhein. Er zeigt auf der Schmuckfl&che in durchbroche- ner Arbeit die Inschrift INC | TORI in vergoldeten Buchstaben, darüber einen frei als Aufsatz gearbeiteten ver- goldeten Dreizack zwischen zwei Del- phinen. Sonst ist von Silbersachen zu nennen ein Löffel, eine Fibel und ein silberverzierter Messergriff aus einem Grab aus Bachern (14490—2). Reich sind auch die Neuerwerbun- gen römischer Bronzen. Das wert- vollste Stück ist eine wundervolle Sta- tuette des Herkules aus Dransdorf. Ein mit menschlichem Kopf verzier- ter Bronzehenkel (14346), ein email- lierter Bronzegriff, reich verzierte Bronzenadeln, eine mit einem Hähn- chen als Kopf, Reste eines Dodekae- ders, eine Fibel mit Stempel Aucissa, ein verzierter Bronzefingerring (14484), eine Zange und viele andere kleine Bronzegegenstände stammen aus Bonn, ein phallischos Anhängsel aus Remagen, ein Messergriff mit Minervabüste (wie Schumacher, Karlsruher Bronzen Tat XVI Fig. 16) aus Grau-Rheindorf. Ab- güsse wurden erworben von einer klei- nen, ein sitzendes Mädchen mit Vogel darstellenden Bronzefigur aus Bonn im Privatbesitz und einer schönen Mer- kurstatuette aus Xanten. Reste eines Bernsteinschmuckes stammen aus Bonn. Vor allem wich- tig ist aber ein grosser Gesamtfund von reichgeschnitzten Fingerringen und einer Statuette aus Gagat, welche, südlich vom Bonner Lager gefunden, offenbar auf eine Fabrik solcher Ge- genstände hindeuten. Ausser etwa 40 ganz oder teilweise erhaltenen Gagat- Museographie. 447 gegenständen wurden an derselben Stelle zwölf geschnittene Glaspasten und eine weisse dnrchsichtige Gemme gefunden, welche u. a. die Darstellung des thronenden Jupiter, des Bellero- phon mit der Chimaera, Amor auf dem Ddphin, eine Ziegenherde, einen Löwen, der eine Gazelle erwürgt, ze^en ; fer- ner 17 Glasringe sowie zwei silberne Fingerringe mit den eingravierten In- schriften Dig I na und Yini | vita, und endlich noch allerlei kleine Bronze- gegenstände. — Ein schöner Onyx- intaglio mit Darstellung des Helios auf dem Viergespann wurde aus dem Kastell Niederbieber erworben. unter den römischen Münzen sind zwei Bonner Funde erwähnens- wert, nämlich ein Grosserz des Nero (Cohen Nr. 68), gefunden am Konvikt und eine Goldmünze Domitians (Cohen Nr. 46), gef. nördlich von Bonn. Für Unterrichts- und Studienzwecke im Besonderen, aber auch zur Bele- bung der Anschauung römischen Le- bens in den Rheinlanden im Allgemei- nen wurde für Beschaffung geeigneter Modelle Sorge getragen. So wurden in diesem Jahr zunächst die bekannten Modelle römischer Waffen- und Aus- rüstungsstücke eines Legionars, die im Mainzer Museum hergestellt werden, beschafft. Es folgte dann das Modell eines römischen Wohnhauses in Trier (B. J. 103 S. 234 ff. mit Fig. 28), und endlich wurde ein Modell des neuge- fundenen Ziegelofens der XXX. Legion aus Xanten erworben. Die Sammlung von Altertümern der Völkerwanderungszeit ist dies- mal nicht durch zahlreiche Stücke er- weitert worden, weist aber eine Er- werbung auf, welche an Eigenartigkeit und wissenschaftlicher Wichti^eit die gewöhnlichen Massenfunde weit über- trifft. Es ist dies ein reichskulpierter Grabstein, welcher, gefunden in einem fränkischen Plattengrab bei Nieder- doUendorf, durch das freundliche Ent- gegenkommen des Herrn Fabrikbe- sitzers E. Zürbig daselbst dem Museum zugeführt wurde. Zum ersten Mal wird uns auf diesem Grabstein die Darstel- lung eines fränkischen Kriegers im Grab- schmuck vorgeführt, während die Rück- seite die Darstellung eines lanzenbe- webrten Mannes mit Strablennimbns, dessen Deutung noch unsicher ist, giebt. Der ornamentale Schmuck der anderen Seite zeigt ebenso wie die figürlichen Darstellungen unverkenn- bar merovingischen Stil. Das kultur- wie kunst geschichtlich gleich wichtige Denkmal wird unter den Vorstufen der frühmittelalteriichen Steinplastik einen hervorragenden Platz beanspru- chen dürfen. Es ist besprochen und abgebildet B. J. 107 S. 228 ff. und Taf. X. Für die mittelalterliche und neuere Abteilung wurden wieder einige gute rheinische Holaschnitsarbei- ten erworben. So eine polychrome gotische Madonna mit Kind, eine Gruppe des Jakobus, der den Pilgern Kronen aufsetzt, aus dem 15. Jhdt, eine Anna selbdritt der kölnischen Schule um 1600 und als Geschenk der Stadt Bonn eine Reiterstatue des hl. Martin aus dem 17. Jhdt. Aach die mittelalterliche keramische Abtei- lung erhielt wieder einigen Zuwachs, vor allem einen frühen Siegburger Stein- zeugbecher mit aufgelegter Schlange. Mit Genehmigung der Provinzialver- waltung wurde der dramatischen Ge- sellschaft Bonn ein Saal des Museums für Kunstausstellungen zeitweilig zur Verfügung gestellt. Während dieses Jahres fanden neun Ausstellungen statt, welche teils in Originalen, teils in künstlerischen Reproduktionen die Werke bedeutender moderner Meister, wie Boecklin, Lenbach, Stuck, Thoma, Klinger, des Karlsruher Künstlerbun- des, der englischen Präraphaeliten etc. vorführten. Den Besuchern dieser Ausstellungen wurde auch der unge- hinderte Zutritt zu allen Sammlungen des Provinzialmuseums gestattet, was wesentlich dazu beitrug, dass die reichen Altertums- und Kunstschätze des Provinzialmuseums weiteren Krei- sen in und ausserhalb Bonns bekann- ter wurden. Der Direktor veröffentlichte in den Bonner Jahrbüchern Heft 107 die Re- sultate der vorjährigen Ausgrabungen in Andernach ausführlich unter dem Titel „Antunnacum'', ferner „Ausgra- bungs- und Fundberichte vom 16. Juli 1900 bis 31. Juli 1901*". Es ist dies der dritte Museumsbericht, welcher wie die früheren an die kgL Verwal- tungsbehörden des Museumsbezirkes verteilt wurde. — Ausserdem gab der 448 Museographie. Direktor einen kurzen „Führer durch duProTinzialmuseum" heraus, welcher als Yorl&ufiger Ersatz für den ver- griffenen Museamsführer den Besucher kun über den Inhalt des Museums und seine Bedeutung orientiert. — Der Direktor hielt archäologische Vor- träge im Verein von Altertumsfreunden im Rheinland, auf dem Verbandstage west- und süddeutscher Altertumsver- eine in Trier, bei dem archäologischen Pfingstferienkursus für Gymnasialleh- rer in Bonn, sowie im Kunst- und Gewerbeverein in Erfurt. Ausserdem erklärte er mehreren Vereinen und höheren Schulklassen die Altertümer des Provinzialmuseums und die Aus- grabungen im Bonner Legionslager. Der Gesamtbesuch des Provinzial- museums betrug während dieses Jahres 22 526 Personen. Die Einnahmen aus Eintrittsgeldern und dem Verkauf von Führern, Dubletten undPhotographieen beliefen sich auf 942,40 Mark. (Lehn er.) 85 Köln, Museum Wallraf-Rlohartz. Ka- lendeijahr 1902. Der Gemäldegalerie schenkte der Museums - Verein das „Konzert^ von Uhde, gemalt im Jahre 1881. Dem Kupferstichkabinot gingen durch Geschenk des Herrn Photographen Meynen in Philadelphia eine Por- traitskizze Leibls und Bleistiftskizzen Schwerdgeburths zu Fausts „Osterspa- ziergang" zu. Durch Kauf erworben wurden mehrere Handzeichnungen von Gehrts und das Schadowalbum, eine Folge von Zeichnungen, welche Wilh. Schadow im Jahre 1851 zum 25jäh- rigen Jubiläum als Akademiedirektor von seinen Schülern gewidmet wurde. Durch Kauf gingen dem Kabinet ferner 101 Blatt von Ghodowiecki zu. Die Sammlung der Gipsabgüsse wurde vermehrt durch : die gefesselten Sklaven von Michel- Angelo, die Skulp- turen des Römer -Grabs in Weiden, den Ganymed nach Leochares, den Kopf des Vatikanischen Triton, das Grabdenkmal eines Tubicen, stammend aus Köln, im Museum zu St. Germain, und — durch Geschenk des Herrn Kunsthändler Steinmeyer «— die Alle- gorie der Schiffahrt von Goujon. Gelegentlich eines Wegebaus auf stadtkölnischem Terrain in Hermülheim wurden einige römische Gräber auf- gedeckt, darunter eine Skelettbestat- tung in Bleisarg, bei welcher sich Gold- ohrringe — einfache Kastenfassung mit Stein — , verschiedene Gläser, darunter das Bruchstück einer Rippenschale in Buntglas, ein geschnitzter Messergriff in Gladiatorengestalt aus Bein, 20 Stl- bermünzen des Postumus und 1 des Volusianns fanden. Im Sommer wurde die Aachener-Strasse ausserhalb der Fortifikation kanalisiert. Die Mu- seumsbeamten führten die Aufsicht mit und konnten neben einer Reihe zer- strfUter Funde 16 geschlossene Grab- funde hervorholen. Hervorzuheben sind an Einzelfunden: ein Kelchglas mit dem Fadenornament, ein versil- bertes Broozefragment mit Niello, ein Bemsteinring mit schlafendem Amor, ein an Ketten hängendes Bronzegefftss, das luftdicht zugerostet war und das nach chemischer Untersuchung Tusche enthielt. Käuflich erworben aus Pri- vatbesitz ein bereits im Jahre 1866 gemachter Grabfund, bestehend aus einem schönen grossen Glaspokal und mehreren Gläsern weniger seltener Form. Beim „Kastell'^ Alteburg wurden bei Erdarbeiten mehrere Inschriftenbnich- stücke gefunden, darunter mehrere Bruchstücke von Grabinschriften, so wie von einer Rauinschriit, nach v. Do- maszewskis Lesung: ■) Tut ^E L Ae toeil M I L I T E S] Itiwwu oder cdhorti» eim»- DEMAEDEI7 AERECOLL A^l' o commodo VI 7* • S E P T l (ßtiamo) r n c) .) Der Name des Gommodus ist ausge- meisselt. Die Inschrift stammt aus dem Jahre 190. Von Einzelankäufen aus dem Kunst- handel sind zu erwähnen ein Stachel- becher aus Knochenglas, eine Bronze- statnette des Attis, ein Messergriff aus Gagat mit Goldfassung, keulenförmiger Anhänger in Gold, eine Kette aus rhom- boiden vergoldeten Bronzeblechen mit Glaseinlageh. Im Laufe des Bericht^ahres erschien der Katalog der . Gemäldegalerie so- Mnseographie. 449 wie der FQhrer darch das Mnseam. Die Aasgrabnngeii vom „Kastell^ Alte- borg gelangten sur geschlossenen Auf- stelTong. Das Enpferstichkabinet wurde durch wechselnde Ausstellungen dem Publikum sug&nglich gemacht (Poppelreuter.) 85a K9ln, Historisches üuseun !■ der HahBenthorburg VIU, X, XV1- 4. ET mAria PARENT- IS AVR 6. VICTORIANO FILIO DVL 6. CllSSIM Q.V I VIXIT AM 7. n\os vn DIES VTTT pare 8. m (E MORIA POSVERVN Publiziert im CIL. Bd. III Suppl. 1902, pag. 2328'** mit kleinen Abweichungen. Z. 3 steht IS anstatt I. Derselbe fehlerhafte Genitivus kommt auch auf einer anderen Inschrift hier vor. Das Zeichen am Schluss der Zeile bedeutet vielleiht: Cmturio, Z. 6 AM verschrieben fUr AN. Z. 8. Der obere Teil zeigt allerdings die Rundung des P ; doch, da der Fnss des Zeichens ge- rundet ist, soll es wohl heissen : carae memaria(e). In Z. 2 ist ein P, in 8 das schliessende T weggeblieben. Z. 1 hiess vermutlich ursprünglich: in me- moriam und wurde sp&ter überarbeitet und zwar doppelt. b) Ebendaher einige Urnen und Lampen, worunter eine den Stempel imie c) Ein profiliertes Gesimsstück und ein Sftulensockel, aus der Gegend, wo einst die porta decumana von Castra Regina stand. Der Merkwürdigkeit halber sei erw&hnt, dass an der glei- chen Stelle beim Abbruch einer Garten- mauer am Petersthor gegen 40 grosse Steine von der römischen Festungs- mauer zu Tage kamen, welche im Mittelalter zum Bau des 1. J. 983 ge- gründeten Stiftes MittelmOnster, spä- ter St. Paul verwendet und nach der Zerstörung jenes Stadtteils 1809 zur Errichtung jener Gartenmauer benfitzt worden waren. Jetzt dienen sie der neuen Töchterschule als willkovmenes Fundament. d) Aus Brand- und Bauschutt in trägt. der ObeimOiutaratrmue 1902: Ziegel mit Stempeln der Leg. in IUI., Hypo- l»iutenre«te mit itarkenBrendapiiTeDl Swikread die im Torigen Jahre anfge- eckte BAnanlage auf dem Moltkeplätx (Uiueogr. XX 8. 377) mit ihren tadel- los Hoberen Tuben fQr Krella An- nahme einfacher CDterkellenug Zeag- nii ablegten], 1 iog. ,Portemannaia*- Änabana aiu Bronce, 1 profilierte Haarnadel aua Broue, eine tehr gnt erhaltene Nfthaadel aaa Broaie mit luigem Oehr, 1 Eiwnschwert, t Bronze- Fibel in La T^ne Uinlicher Fonn, eine kleine Bronieetatuette des Hercolei, Hflnien von Auguatoi bis Valeu and TaJentinianoa. AuHordem Eaiaermünien des S, 3., i. Jahrb. am veracfaiedenen Teilen der Stadt m. Germanisch -Mlttelaltar- licheB. 1 Skramaiai, gef. nahe der Omftkapelle TOn St. Emmeran. 2 Thonkrüge, welche mit der llün- dang nach aoMen liegend, eingenanert gefnnden vorden bei dem Abbrach des aoa dem 13. oder 14. Jahrhundert «tammuden Betnngerbaiuei neben dem bekannten QoliMh. (Steinmeti.) ®aim»toat, gio»fi. 9tl«5. Wc!,a. %Xaaal'(>tita. W&otd. ^c4^. XXI Sixf. 5, • ''JO JACOBl. 1902. ■svi^. srioi. «ifwia Xfocdt. XXI s>{. 6. 9Kmo. 9KaWs. W^M. Zfocf^t. XXI Jaf 1. 9K«t!.. 9Kai«üi. ■WiM. %)kAz. XXI Saf. 8. 1 Q]L\K>. STtainÄ. W^otd. Etocfit. XXI g^af 9. •Saim^tadt, gtooo-fi. STtu». WeM %txht. XX\ Sif, 4. öaai^v.zq. öiC^eotS. Zt^okz. XXI Saf. 5. JACOBI. 1902. m-uo. m.ain^. ■WiM. Ztxht. XXI Saf 6. ■--5 Tir- a 9K,uo. SKotMj,. WtM. Ztc Abonnementspreis 15 Mark für die Zeitschrift mit Korrespondeniblatt, fOr letiteres allein 5 ICark. i^^ Beitr&ge für die TOrrOmisohe o. römische Abteilung sind an Prof. Hettner (Trier, Proy.-Museum), für Mittelalter und Keuseit an Prof. HtnMn (Köln, StadtarohiT) lu senden. Neue Funde. 1. Bei Gross-Moyeuvre (Kr. Diedenhofen) wurde kürzlich auf dem Berghang süd- westlich des Dorfes in einem Wald, wel- cher Eigentum der Montan - Gesellschaft Lothringen-Saar ist, einmerovingisches G r a b f e 1 d entdeckt. Auf Anregung der Gesellschaft für lotliringische Geschichte und unter Mitwirkung verschiedener Mit- glieder dieser Gesellschaft sind bisher von • der Grubendirektion Gross-Moyeuvre etwa 2 Dutzend der Gräber geöfifnet. Die Kosten der Grabungen hat Herr- General- direktor der Montangesellschaft Müller zu Metz in dankenswertester Weise über- nommen. Die meisten der geöffneten Grä- ber sind von sauber ausgeführten Mauern trocken versetzter Hausteine eingefasst, und ihr Boden ist mit Steinplatten aus- gelegt; als Deckel waren schwere Stein- platten über die Gräber gewälzt*). Eine Ausnahme machen ausser einem roh ge- arbeiteten steinernen Kindersarg, der aber gleichfalls mit einer Steinplatte verschlossen gewesen, drei nebeneinander gestellte, an- nähernd 1,90 m lange, ordentlich gearbei- tete Steinsärge, die nich ihrem Fussende zu schmäler werden. Während der eine dieser drei Särge, gleich den anderen (iräbern, mit schweren Steinplatten gedeckt war, lagen über den beiden anderen eigens dafür gearbj^jtete gewölbte Deckel. Einer 1) Vgl. Lindenechmit, Han Ibucb der deutschen AUe;tnmskunde I, 117 f. dieser beiden Deckel ist samt dem Ober- teil des zugehörigen Sarges in einfachster Weise aussen mit rings herumlaufenden parallelen Linien verziert. Der Boden dieser Särge ist mit einem Abflussloch ausgestattet. Die in allen diesen Gräbern in ihrer ursprünglichen Lage vorgefundenen Toten waren orientiert, d. h. ihre Fasse waren gegen Osten gerichtet'); doch schauten — soweit beobachtet — einigemal ihre Ge- sichter nicht regelrecht nach Osten, son- dern nach Norden, wohl weil der Kopt* später auf die linke Seite gesunken war. In einem Teil der Gräber lagen aber ausserdem in unordentlicher Weise die Gebeine anderer Leichen. Diese Gebeine rühren — wie auch sonst in Gräbern frän- kischer Zeit beobachtet worden ist') — von früheren Beisetzungen her ; sie waren durch das spätere Begräbnis in Unordnung ge- bracht. Die Mehrzahl der ummauerten Gräber entbehrte der Beigaben; andere Gräber, so auch die drei grossen Stein- särge, enthielten dagegen Beigaben. Bei- gegeben war mehrfach ein Messer (sctx), welches einmal mit dem einschneidigen Kurzschwert (scramasaxj gepaart war, fer- ner in den grossen Steinsärgen eine 28 * cm lange eiserne Scheere, am Köpfende des Sarges gefunden, also eine Haar- 2) Vgl. Lindenöchmit a. a. O. I, 129/130. S) Vgl. Lindenaohmit a. a 0 1, 130. — 3 — - 4 — Bcheere *), und zwei zum Bartscheeren ge- brauchte Haarzängchen *) mit Anhänge- ringen, das eine vereint mit einem beiner- nen Kamm, schliesslich in einem ummauerten Frauengrab eine Halskette von bunten Thon- und Glasperlen, eine Brosche mit Silberfiligran uod eingelegten Steinen, so- wie eine mit eingeritztem verschlungenem Band -Ornament verzierte, zum Öffiien ein- gerichtete Bronze - Kapsel (lateinisch: bulla) mit Anhängering. Die beiden Deckelsärge und der Kin- dersarg haben im Museum der Stadt Metz Aufstellung gefunden, dem auch die Bei- gaben überwiesen sind ; eine genauere Be- schreibung des Grabfeldes und der Funde wird das „Jahrbuch der Gesellschaft für lothr. Geschichte'' bringen. Kenne. 2. Heidelberg. Durch die Ausgrabungen, die der Unterzeichnete mit städtischen Mit- teln auf dem Boden des einstigen Cement- werkplatzes, jetzt städtischen Baugeländes, und zwar am damaligen Westende der Vange- rowstrasse, unmittelbar westlich der Kirch- strasse, unternommen, waren 1899—1900 die Grundmauern bez. die Fundamentgrube der Kirche des 1392 aufgehobenen d. h. der Stadt Heidelberg einverleibten Dorfes Bergheim entdeckt und längs der West- seite des Langhauses eine Anzahl christ- licher Plattengräber — ohne Bild oder Schrift, abgesehen von einem roh ein- gebauenen Kreuz — aufgedeckt worden. Als im Mai 1901 die Fortführung der Vange- rowstrasse von der Kirchstrasse bis zur Mittermaierstrasse erfolgte, stiess ein Jahr zuvor bei genannten Ausgrabungen be- schäftigter Arbeiter am 21. Mai beim Erd- abbub auf eine skulpierte Platte. Dank sofortiger Meldung konnte U. feststellen, dass ein römisches Grabdenkmal vorliege und dass es die Deckplatte eines christlichen Plattengrabes bilden müsse. Augenblickliche Grabung brachte Bestä- tigung : Es kam ein Plattengrab zum Vor- schein, das ein wohl erhaltenes Skelett ohne irgend welche Beigaben barg; die Seitenwände der Grabkammer wurden aber durch zwei weitere römische Grab- mäler, die östliche Querwand (zu Füssen) 4) Vgl. Lindenschmit a. a. O. I, 321. 5) Vgl. Lindenschmit, a. a. O. I, 321- 322. durch das Bruchstück eines vierten röm. Grabsteine/s gebildet. Die 3 Grabmäler (Deckplatte und Längs wände des christU Plattengrabes) wurden alsbald am Fundort photographisch aufgenommen und dann mit dem Bruchstück des 4. Grabmales in daa Lapidarium der städt. Kunst- und Alter- tümersammlung auf dem Schlosse hier verbracht. Die Fundstelle ward durch deo städtischen Georoeter eingemessen. Die Erhaltung der Grabsteine ist i. A. gut. Nr. 2 und 3 scheinen fast keinerlei mechanische Beschädigungen erlitten zu haben. Bei Nr. 1 sind einige Buchstaben der 2. und 3. Zeile der Inschrift abge- brochen oder abgeschlagen, auch die Re- liefs wohl ebenfalls gewaltsam beschädigt. Das Material aller vier ist roter Sandstein. In der Deutung von Bild und Schrift folgt U. wesentlich den Herren von Do- maszewski und Zangemeister, die ihn in entgegenkommendster Weise beraten haben. Das erste Denkmal (die Deckplatte, Abbildung Nr. 1), 2,15 m hoch, 0,88 breit und 0,20 tief, zeigt in vier Feldern drei bildliche Darstellungen und die Inschrift. Das Giebelfeld (0,2ö lichte Höhe) wird durch das Flachrelief einer sitzenden Sphinx ausgefüllt. Das Mittelfeld (0,75) stellt in stark verstümmeltem, besonders am rechten Rande beschädigtem Hochrelief eine Familienscene, ein Gastmahl, dar: In muschelartig überwölbter Nische sitzen auf einem Sopha, dessen geschweifte Ruck- und eine Seitenlehne erkennbar, eine weib- liche und zwei männliche Gestalten. Die Frau, deren Gewand in malerischen Falten herabfällt, hält wohl einen Korb mit Früchten auf ihrem Schoss, die zwei Män- ner hielten Becher in der Rechten. Vor dem in der Mitte sitzenden Mann, der wohl jünger als der rechts von ihm sichtbare, steht ein Speisetischchen mit geschweiften Füssen. Den älteren Mann umschmeichelt ein Hündchen. Gesang und Tanz, die die Freuden des Mahles erhöhten, sind durch das dritte Relief, ein Flachrelief (0,38), versinnbildlicht. In reizvoller Anordnung und Ausführung zeigt es zwei musizierende Satyrn als Mittelgruppe (Cymbel und Dop- pelflöte), diesen zur Seite je eine Mänade,. in wirbelndem Tanze begriffen. Obs ud- I Inschrift, deren ' Charakter das Denkmitl ferste, 0,39 hohe Feld enthält folgende in die Mitte des. 2. Jahrh. n. Chr. weist: TEHTIO ■ ■£ ■ C A CONIVG1-SV FAClEND-C-1 ■tSVE ■ C -PISS Der Sion der ungeacLickt aligefasston In- schrift ist nach Zangemeister folgender: MonnuB, des Blandus Sohn, errichtete dies Grabmal meinem im Alter von IT Jahren rer- Btorbencn Sohne Vigelliiis (das dieser noch bei Lebzeiteo aus eigenen Mitteln sich bestimmt hatte), ausserdem dem JuliuB TertiuB, wohl seinem zweiten Sohne, und seiner (oder des Julius Tertius) Gemahlin, die beide bei der Errichtung des Denk- mals noch am Leben waren. Der zweite Grabstein (Abbildung Nr. 2), 2.30 m hoch, 0,78 breit und 0,lf tief,'zeigt in ziemlich tiefer, stark in dai Giebelfeld ei nttcli neidender Nische einen Reiter. Er sitzt nach vom genendet auf einem langsam nach rechts ausschreitenden, gesattelten und gezftumten Rosse und ist mit Reiterbelm, Kettenpanzer und HoseD bekleidet. Die erhobene Linke hält einen kleinen ßundschild, die auf dem Sattel- knopf ruhende Rechte die Zügel und 2 Speere, deren Spitzen den Schild berühren. Das Gesicht ist abgewittert. Die das Giebelfeld ausfüllenden Skulpturen, zwei Rosetten und ein durch einen Halbmond gesteckter Pfeil (?) sind wohl nur orna- mental zu deuten. Die Grabschrift lautet: D ■ M ■ RESPECTO ■ B E Dasi DIDVS ■ BER I ■ FRAT ■ PROG ichträglich vom Steinmetzen i klei- ■em MaBBBtabe über C. S. eingegrabene N ist stark beschädigt und abgewittert, aber unzweifelhaft vorhanden, nie Herr I Zangemeister dem U. beatfttigt hat. Ueber ] die Bedeutung dieses Grabsteines giebt die I S. 9 folgende Darlegung des Hrn. von j Domaszewski Aufschluss. \ Der dritte Grabstein, 2,11 m hoch, 0,79 breit und 0,20 tief, mit Doppelgiebel bekrönt , zeigt keinerlei bildneriBcbeo Schmuck, sondern lediglich in zwei durch einen Steg getrennten, 0,89 m hoben nnd 0,35 breiten Feldern folgende (über den Steg hin weglaufende) Grabschrift: D M 'ACV ■ BERV F R A TR 1 B V ; m O N 1 m E 1 TV M p o s n iE CV N D O B i R V 1 E T m A i yETlNCECO^ V G [ ET M A 1 r lOETPIACI J E N E PTl A E : [ 1 1 E S 1 C V N D 1 D • 5 P • T .O C V Hl D ED Die Bedeutung dieses Grabmales be- ruht auf den auf ihm auftretenden Eigen- men Beruus, Hattius, Ungario, Paca und Masuetinca, die, wie der Eigenname — 9 — — 10 - des „Neckarschwaben'^ Berns des zweiten Grabsteines, wohl als germanisch an- zusprechen sind. Ueber die an diese Xamen sich knüpfenden' Fragen wird sich dem- nächst ein hiezu Berufener äussern.l Hier mag nur noch auf den neuen iRS( hriftlichen Beleg der Form neptia hingewiesen werden. (Die Formen PIAtIDE, FlllE u. SICUNDI für PLACIDAE, FJLIAE ucd- SECUNDI sind nur durch Versehen des Steinmetzen zu erklären.) Die Buchstaben der j. Inschrift sind 0,04—0,07, die der 2. 0,07, die der 3. 0,C6--0,08 m hoch. Das Bruchstück des vierten Grab- steins, das zu Füssen des Toten eingelassen war, ist 0,80 m breit (also ungefähr ebenso breit wie die drei ganz erhaltenen Grab- steine), 0,60 hoch und 0,22 tief. Es zeigt auf der linken Hälfte der Vorderseite das Fragment eines Figurenreliefs, von der Mitte des Leibes bis zu den Füssen; die Gestalt trägt ein in 3 grossen Falten herabfallendes , kuttenartiges, gegürtetes Gewand; die auf dem Leib ruhende rechte Hand hält einen Eimer. Zum Schluss-sei daran erinneit, dass früher schon nahe unserer Fundstelle, dem Bergheimer Friedhof, ein römischer Grab- stein gefunden worden, Brambach Nr. 1709, dass nur 5 Minuten südlicher, unweit des Güterbahnhofes, an der Speyererstrasse, i. J. 1822 das Grabmal des Volcius mer- cator zu Tage getreten, Brambach 1710, und dass an derselben Römerstrasse i. J. 1900 von dem U. das Skelettgrab einer römischen Provinzialin, 5 Minuten nördlich unserer Fundstelle, südlich der Irrenklinik, an der Bergheimerstrasse, i. J. 1894 rö- mische Brandgräber aufgedeckt worden sind. (Wd. Z. 1894 Korr.Bl. S. 17—19.) Karl Pfaff. 3^ [Zu Nr. 2] Der P^xploratorstein hat für die Geschichte der Grer zverteidigung in der letzten Peiiode römischer Herrschaft am Rheine ein hervorragendes Interesse. Als die Besatzungen aus dem Gebiete im Osten des Rheines zurückgezogen wurden, traten dieselben Verhältnisse ein, wie sie in den ersten Zeiten der Okkupation bestanden hatten. Der Rhein wurde wieder die Ver- theidigungslinie Galliens. Die alten Waffen- plätze am westlichen Rhoinufer erhielten wieder Garnisonen. Wie in der ersten Periode Alae und Cohortes in Worms ein Standlager hatten >), so treten auch an der Wende des dritten Jahrhunderts in Worms Reitertruppen auf, die nach ihrer Benennung die späte Entstehung erkennen lassen^). Aber für die wirksame Verthei- digung des Flusses war es unerlässlich, einen militärisch so entscheidenden Punkt, wie den Ausgang des Neckarthaies, zu siebern. Auch in der ersten Periode» die im Wesentlichen die Flussgrenze festhielt, waren nach Neuenheim Truppen vorge- schoben'). Ebecso standen, wie dieser Grabstein beweist, in der letzten Zeit in Neuenheim Exploratores. Die Bestim- mung dieser Truppen, die schon im Namen ausgesprochen ist, das Vorland aufzuklären, wird auch durch die Garnisonen der Ex- ploratores in der älteren Zeit gesichert» die alle am äusseren Limes lagen. Die Suebi Nicretes, deren Vorort Lopodunum ist, wohnten nach Zangemeisters schönen Nachweis^) zwischen Worms und dem Ausgang des Neckarthaies. Aus unserer Inschrift erkennt man, dass der vorge- schobene Posten in Neuenheim, von den Milizen der civitas selbst gehalten wurde. Auch die in Worms stehenden Truppen, wenn sie auch als numerus bezeichnet werden, sind schwerlich viel mehr gewesen als Lokalmilizen. Dass auf allen drei Grabsteinen die Brüder den Grabstein setzen, lässt sich kaum anders deuten, als dass die gesamte junge Mannschaft im Heeresdienst steht. Als Scheinrömer führen denn auch der Explorator und sein Bruder römische Namen, während der Vater auf gut schwäbisch Berns heisst. Für die Bewaffnung der Exploratores 1) Bramb. 8?9 ff Westd. Korrbl. 1885, 8. 108 ; 1899, S. 145. 2) Westd. Korrbl. I88i, S. 110 VaUerins) Maxantiut eq(u0») ez namer(o) kftta(frftctariorain) Tix. annlt XXXII mes. V^I VaKerius) Dacas fr(ater) feoit. S. 109 Aar(elio) Vapioo circitori Aur(elius) Flavinus contabernali pro fratre posBu[it]. 3) Ein eben von Pfaff za Neuenheim ge- fundener Grabstein eines Soldaten der cohors XXIIII Voluntariorum (vgl. Br. 1700) gehört nach den Formen der Bachstaben sicher der vorflavi- schen Zeit an. 4) X. Heidelb. Jahrb. 8, 1 ff. — 11 - ist dieser Grabstein das einzige Zeugnis *). Das Ornament im Giebel könnte vielleicht die Andeutung eines spätrömischen Ordens sein*). Der Grabstein ist besser gearbei- tet als die weit roheren Wormser Steine ') und beweist, dafts' die Suebi Nicretes in diesen Zeiten barbarischer Verwüstung der Grenzlande sich auf dem lachenden Boden Alt-Heidelbergs noch eines gewissen Wohl- standes erfreuten v. Domaszewski. 5) Der £zplor*torateln C. III 4876 (T*ta) iit Tollkommen roh and liist nur die Aosaeren Um* riete eines BeUer« erkennen. Sein Wert besteht nur darin, desi er bestfttigt, de», wie die« die dienftliche Bestimmung der Truppe fordert, die Exploratores alle beritten waren, ebenso wie die berahmten Kitsohener scouls. 6) C. III 8S44 Aurelias lovinus TOter. leg. XUI Gem. mil. tgrqaatus et duplaris, vgl. Veg. 2, 8 7) Vgl. auch Weckerliog, Paulusmuseum IT, Tafel III. 4. Friedberg (Hessen). An der Kloster- kaserne, im Osten der Stadt, wurden bei der Kanalisierung im Jahre 1900 einige mit einer römischen Inschrift bedeckte Steine gefunden, die auf einen römischen — 12 — Meilenstein schliessen Hessen. Bei der Fortsetzung der Kanalarbeiten im Sep- tember 190L fanden sich noch soviel er- gänsende Stücke vor, dass über den Stein und die Lesung der Schrift kein Zweifel mehr herrscht. Trotz gewissenhaften Suchens wurden die fehlenden Stücke nicht ge- funden. Der Stein stand dicht neben einer von der Stadt nach Osten führenden rö- mischen Strasse und ruhte auf einem mit Dübelloch versehenen Postament; da der Meilenstein an seiner Unterseite keinen Zapfen hat und auch schräg abgebrochen ist, so muss ein Zwischenstück fehlen. Das Material ist Naumburger Sandstein von sehr rauher 'Struktur, Höhe und Umfang des Steines können nicht angegeben wer- den, da er noch nicht zusammengesetzt ist. Herr Professor von Domaszewski in Heidelberg hatte die Liebenswürdigkeit, bei der Lesung des Steins den Unterzeich- neten gütigst zu unterstützen, dem auch Herr Lehramtspraktikant Hirsch in Mann- heim mit Rat zur Seite stand. Lesung: ■LP. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. lU rOu»-v.,IO'TRAI IN O • PloF - • NG • P- P'PRO'COS-3'-QJ» I tTRVSCO•^ «"SIO'DEC - -rr- I T HOST» 1 • / O • Nb * S • V-» N OBILI«^SiMIS-CAI SARIBVS-C-T-A'l4c < X . Die Inschrift lautet: Jc^rgänzung: 1. IMP'CAES-C-MESSIO 2. QVINTO-DECIO'TRAI 8. ANO'PIOFEL»NG"P'M-TR' 4. P'P'P'PRO'COS-3"-QjHERENNIO 5. ETRVSCO-MESSIO-DECIO 6. ET- C • VALENTI'HOSTILl 7. ANO • JVESSI O • QVINTO 8. NOBILISSIMIS'CAE 9. S A R I BVS-C -T» A-hJDA(oderhlDR-) 10. L X . Der Stein ist also dem Kaiser Decius und seinen beiden Sühnen Herennius Etrus- cus und Valens Hostilianus gesetzt und ge- hört in das Jahr 249 oder 250. Leider fehlt auch hier, wie auf dem Friedberger Herku- lesaltar (cf. Korrespondenzbl. Jahrg. 18 Nr. 66) der Name von Friedberg. — Ungefähr in der Mitte der Zeilen 7 bis 10 ist der Stein stark abgeschliffen; das B der 9. Zeile war vom Steinhauer zuerst dicht neben dem I angefangen und dann weiter nach rechts gesetzt worden; auch der Abstand des nachfolgenden V ist sehr gross. — In der Nähe der Fundstelle zeigten sich starke Mengen Brandschutt, hier soll in dem laufenden Jahre gegraben werden. Eine Silbermünze des Maximinus Thrax fand sich ebenfalls. — Der Meilenstein, der erste römische, der in Oberhessen gefunden wurde, ist im Besitze des Geschichts- und Altertumsvereins Friedberg. Oberlehrer Helmke. — 13 — — 14 - Chronik. 5.E. Vo«t, DI 3 Relohtpelltlk dtt Erzbltohoft Balduin von Trior In dM JthrM 1328—1334, Gotha, Fr. A. Perthes. 1901, 112 S. Vor 40 JahreD veröffentlichte der Kob- lenzer Gymnasialdirektor Dominicas seine sehr fleissige, wenn auch in den ursäch- lichen Zusammenhang der Thatsachen wenig eindringende Arbeit über den oben- genannten Erzbischof, der sicherlich in der langen Reihe der Trierer Kirchenfürsten die bedeutendste Persönlichkeit ist. Seit jener Zeit ist nun aber über diesen Mann und dessen Wirken so viel neues geschicht- liches Material zu Tage gefördert worden, dass es sich leicht begreift, wenn er neuer- dings mehrfach der Gegenstand der Einzel- forschung geworden ist, und wenn diese zu Urteilen über denselben gelangt ist, die von der allzu optimistischen Auffiissung Dominicus (und Feltens) erheblich ab- weichen. Insbesondere ist dann Priesack vor wenigen Jahren (1894) in seiner Schrift über „Die Beichspolitik des Erzbischofs Baldewin von Trier während der Jahre 1314—1328" zu einem recht ungünstigen Urteile über Balduins Reichspolitik gelangt und hat dort den Beweis versucht, dass Balduin, dessen vortrefBiche Thätigkeit für die Sonderinteressen seines Kurstiftes and der drei rheinischen Kurstifte über- haupt sowie für diejenigen seines luxem- burgischen Fürstenhauses er zwar aner- kennt, doch für die Interessen des Beiches gar zu gleichgiltig sich gezeigt habe. Zu einer viel günstigem und meines Er- achtens auch wohl zutreffendem Auffassung über Balduin gelangt Vogt in seiner neue- etens erschienenen, in der Aufschrift ge- nannten Arbeit. Nach ihm „ist Balduin, zumal nach Aussen bin, in erster Linie der Kurfürst, der eifersüchtig über die Rechte des Reiches wacht, sicherlich zu- nächst aus dem Grunde, weil er damit seine eigenen kurfürstlichen Rechte ver- teidigte, dann aber in einer auch dem Ganzen dienenden Weise." (S. 3.) Diesen Grundgedanken hat Verf. in drei Abschnitten und zwar, wie mir scheint, mit Erfolg als richtig nachzuweisen ge- sucht. Von diesen dreien handelt der erste über die Zeit von der Wahl Balduins zum Verweser von Mainz bis zur Expedition König Johanns nach Italien (1328^80), der zweite über die Zeit von der Unter- nehmung König Johanns nach Italien bis zu den Verträgen in Nürnberg (1330—32) und der dritte über Balduins Verhalten in der Frage der Thronbesteigung Kaiser Ludwigs (1332—34). Zu Ausstellungen an Vogts Darlegung finde ich keine Veranlassung. Nur wäre es wünschenswert gewesen, wenn Verf. seine Darlegung um vier Jahre weiter fort- geführt hätte, nämlich bis zu dem Zeit- punkte, wo Baldewin der Verwaltung des Mainzer Erzstiftes endgiltig und völlig entsagte und so in dieser Sache ein leid- lich friedliches Verhältnis zwischen ihm und der Kurie herstellte. Ergänzen möchte ich des Verfassers Darlegung noch in einem wohl nicht un- wichtigen Punkte. Derselbe entwickelt S. 7 — 9 ganz richtig die Gründe, welche Balduin zu Ende 1828 veranlasst haben, die Verwaltung des Mainzer Erzstiftes zu übernehmen und dem vom Papste dafür providierten Jüngern Heinrich von Virne- burg mit aller Macht und Energie ent- gegenzutreten. Nun glaube ich aber auf Grund urkundlichen Materials den Erweis erbringen zu können, dass die beiden gleichnamigen Virneburger, Erzbischof Heinrich von Köln und Propst Heinrich von Bonn, schon vor dem Tode des Mainzer Erzbischofs Mathias (10. Sept. 1328) an der Kurie in Avignon planmässig darauf hinarbeiteten, dem Bonner Propste und Neffen des Kölners die Nachfolgerschaft des Mathias zu ergattern. Bei Balduins Klugheit und Umsicht wäre es sehr auf- fallend, wenn er von diesen Plänen und Bemühungen der Virneburger keine zeitige Kunde gehabt hätte. Und somit scheint mir geboten, anzunehmen, dass auf Grund dieser Kenntnis Balduin und das Mainzer Dom- kapitel sich schon gleich nach dem Tode des Mathias, ja vielleicht schon vorher über die Verwaltung des Kurstiftes durch Balduin und über den Widerstand gegen den Virneburger einigten. Sd. Der Psalter Erzblsohof Egberts von Trier. (Codex 5, Gertrndianus in Cividale). HistoriBch-kri- tiache Untersuchung von H. T. Sauerland; - 15 - — 16 — kuDithiatoriiche UntereachuDg von A. H»te- loff. Festichrift der Geier lob&rt fttr nflts- liehe Forachnogen su Trier aar Feier ihres hnnderl^fthrlgen BeBlehens. Trier. Selbtt- verlftg der Oeielliohaft. 1901. 816 S. uod 62 Tafeln, fol. Mk. 75. Die obeogenannte Handschrift ist wohl sicher das wertvollste Stück unter den Beständen des königlichen Museums zu Cividale, in welches sie vor 40 Jahren aus der Bibliothek des dortigen Domkapitels gelangt ist. Dieselbe ist denn auch schon seit langen Jahren vielfach Gegenstand der Erwähnung und Besprechung in historischen und kunsthistorischen Werken gewesen. £ine eingehende Untersuchung und eine abschliessende Beurteilung war derselben ndes noch nicht zuteil geworden, bis sich die obengenannte Gesellschaft entschloss. damit die beiden Forscher zu betrauen und die Ergebnisse der Forschungen beider als Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Gesellschaft zu veröffentlichen. In Sauerlands Abhandlung ist der Inhalt der Handschrift zunächst in seine 4 Hanpt- teile zerlegt. Es sind das 1) das Psal- terium mit den kleineren zum liturgischen Chorgebet gehörenden Stücken, ausgestattet mit 4 Widmungsbildem, dem Bilde des königlichen Sängers David, 14 Bildern trierischer Erzbischöfe, 15 grossen, je eine Folioseite füllenden Initialen und einer Menge mittlerer und kleinerer Initialen, 2) eine Allerheiligenlitanei mit sich an- schliessenden kirchlichen Gebeten ohne Bilderschmuck, 3) die auf ursprünglich leer gelassenen Seiten eingetragenen soge- nannten Gertrudianischen Gebete mit ö dazwischen angebrachten Bildern und 4) ein diesen 3 Stücken nachträglich vorn angefügtes Kalendarium mit nekrologischen Zusätzen. — In derselben Abhandlung ist dann nachgewiesen, dass der erste Teil von einem Mönche namens Ruodprecht im Auftrage des Trierer Erzbischofs Egbert für die Trierer Domkirche um das Jahr 984 zum liturgischen Chorgebet hergestellt worden ist, aber nicht in der Trierer Stadt oder Diöcese, sondern ausserhalb derselben und zwar wahrscheinlich in der Abtei Reichenau, dass der zweite Teil um dieselbe Zeit zu demselben Zwecke angefertigt worden und vielleicht von vornherein mit dem ersten Teile planmässig vereint ge- wesen ist, dass dann dief e beiden Teile als einheitliches Ganze aus Trier nach Polen in die Hände und den Besitz der polnischen Herzogstochter Gertrud gelangt sind und zwar wahrscheinlich durch deren Matter Ricbeza (Richenza), Tochter des an der Mosel reichbegüterten rheinischen Pfalz- grafen Erenfrid und Stifterin der Abtei Brauweiler. Dadurch dass Gertrud sich mit dem in Kiew residirenden russischen GrossflQrsten Demetrius Jojaslaw vermählte, gelangten jene beiden ersten Teile als Gebetbuch der (römisch-katbolischen)Gross- fürsten nach Südrussland. Jojaslaw hatte im Jahre 1075, als er zum zweiten Male aus seinem Reiche vertrieben war, seinen Sohn Petros Jaropolk nach Rom zu Gregor Vit, gesandt, wo dieser Sohn — laut Zeugnis eines Briefes Gregors an den Vater und wohl sicher nicht ohne Wissen und wider Willen des Vaters — dem Papste Huldigung geleistet und von diesem das russische Reich als Lehen empfangen, worauf denn eben- dieser an Jojaslaw eine Gesandtschaft mit zwar nicht genannten, aber ihrem Ziele nach leicht zu erratenden, wichtigen Aufträgen abgeschickt hat. Nachdem dann der in sein Reich wieder zurückgekehrte Vater schon im Jahre 1078 in einer Schlacht gefallen war, hatte sein Sohn Jaropolk im Laufe der nächsten Jahre manche Kämpfe mit seinen Verwandten zu bestehen, bis er im Jahre 1087 durch Meuchelmord sein Ende fand und dann zu Kiew in der von ihm im Bau begonnenen Peterskirche feier- lichst bestattet wurde. Während dieser Zeit 1078—1087 hat dann Jojaslaws Witwe Gertrud den oben bezeichneten dritten Teil in die bis dabin leer gebliebenen Seiten des aus der Heimat ihrer Mutter stammenden Psalters einzeichnen lassen. In den Ger- trudianischen Gebeten spricht sich die innige Frömmigkeit der Witwe, die besondere Verehrung der römisch-katholischen Polin zum hl. Petrus und die bange, unheil- ahnende Sorge, ja Angst der Mutter um ihren von so vielen Gefahren bedrohten und von so manchen argen Schwächen be- hafteten Sohn deutlich aus. Diese drei vereinigten Teile sind nach Jaropolks Tode, und zwar nach oder vielleicht auch schon — 17 — — 18 — vor seiner Mutter Tode (1108), in deren polnische Heimat zurückgebracht und darauf von Salome, einer Tochter des schwäbi- schen Grafen Heinrich I von Berg, bald nach dem Tode ihres Gemahls, des Polen- herzogs Boleslaw HT. (1138) an ihr heimat- liches Familienkloster Zwiefalten geschenkt worden. In Zwiefalten sind dann um Mitte desselben Jahrhunderts die dem Kaien- darium eingefügten nekrologischen Notizen geschrieben worden, welche meist Ange- hörige der drei benachbarten Grafenfami- lien von Berg, von Giengen- Vohburg und von Andechs betreffen. Ob aber das Ka- lendarium selbst in Zwiefalten angefertigt und dem Psalter vorangestellt worden sei oder schon früher in nordöstlichem slavi- schem Lande, ist zweifelhaft und wird es wohl bleiben. Sauerland tritt für ersteres ein, der Verfasser der kunsthistorischen Abhandlung für letzteres. Aus dem Be- sitze des Klosters Zwiefalten ist die Handschrift schon bald in den der Grafen- familie von Andechs übergegangen. Durch die Königin Getrud von Ungarn, eine Tochter dieser Familie, oder viel wahr- scheinlicher durch deren Schwester, die hl. Hedwig, Herzogin von Schlesien und Polen, ist sie darauf Eigentum der hl. Elisabeth, der Tochter Gertruds and Land- gräiin von Thüringen geworden, und diese bat dieselbe dann endlich im Jahre 1229 auf Bitten ihres Oheims, des Patriarchen Berthold von Aquileja, seiner Domkirche in Cividale geschenkt. Haseloffs Abhandlung zerlegt sich in zwei Teile. Der erstere grössere bespricht in 5 Kapiteln ausführlichst und gründlichst die Ausstattung des Psalteriums Egberts, die Bilderhandschriften Egberts, den Eg- bertpsalter in seinem Verhältnis zu dem Evangelistar der Abtei Poussay in der Pariser Nationalbibliothek, den Egbert- psalter in seinem Verhältnisse zur karo- lingischen Kunst und den Ursprungsort des Egbertspsalters. Im letzten Kapitel gelangt er zu dem Ergebnisse, dass nicht Trier, sondern Reichenau dessen Ursprungs- ort ist. Nach ihm erweist sich der Egbertpsalter in der Geschichte der mit- telalterlichen Buchmalerei als das Mittel- glied zwischen den älteren Handschriften in karolfngischer Tradition und den jünge- ren der Ottonischen Renaissance, und ist Reichenau mit seiner Malerschule als Vor- ort der deutschen Malerei der Ottonenzeit anzuerkencen. — Im zweiten kurzem Teile der Abhandlung Haseloffs werden die in die Gertrudianischen Gebete ein- gefügten fünf russischen Bilder besprochen und wird deren Verhältnis zur byzantini- schen Kunst, sowie deren Bedeutung für die russische Kunstgeschichte gewürdigt. Mit vollem Recht erkennt Haseloff diesen fünf Bildern die grösste -historische Be- deutung zu und stellt sie in die erste Reihe unter den äusserst seltenen Denk- mälern russischer Malerei der Frühzeit des 11. Jahrhunderts. Beigegeben ist der Festschrift als zwei- ter Band eine Mappe mit 62 Lichtdruck- tafeln, welche sämtliche Bilder des Psalters, sämtliche grosse Prachtinitialen und eine ausgiebige Zahl der mittleren und kleine- ren Initialen desselben, dann auch Schrift- proben der verschiedenen Bestandteile der Handschrift, ferner die fünf russischen Bilder und endlich noch eine reiche Zahl von Bildern aus den nächstverwandten mit Buchmalereien ausgestatteten Hand- schriften dem Auge vorfuhren. Durch Heransgabe der schönen Fest- schrift hat die Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen ihren opfermutigen Eifer für Kunst und Wissenschaft recht glänzend bekundet und so an der Schwelle ihres zweiten Jahrhunderts sich selber ein schönes Denkmal gesetzt. Wünschens- wert wäre es freilich gewesen, dass dem zweiten Bande auch die Abbildung eines Bischofsbildes und einer Prachtinitiale des Psalters, sowie die des russischen Krönungsbildes in Farbendruck beige- geben worden wäre. Denn gerade wie der Accent die Seele des Wortes ist, so ist auch die Farbe die Seele des Bildes. Aber die Herstellung dieser Abbildungen würde Kosten verursacht haben, welche für die Mittel, die der Gesellschaft durch ihre eigene Kasse und durch hochherzige Spen- den einzelner Mitglieder zur Verfugung standen, allzu hoch gewesen wären. Nach- dem nun aber einmal die Gelehrtenkreise in der russischen Reichshauptstadt an der - 19 - — 20 — Newa von der fernen Mosel aus darauf hingewiesen worden sind, dass in den fünf Oertrudianischen Bildern des Egbertpsal- ters hochwichtige Denkmäler der russi- schen Reichs-, Kirchen- und Kunstge- schichte vorliegen, steht zu hoffen, dass in nicht ferner Zeit die kaiserliche Aka- demie der Wissenschaften zu St. Peters- burg sich zu einer Veröffentlichung der fünf russischen Bilder in Farbendruck samt Beigabe des vollständigen Textes der dazu gehörenden und sie umschliessenden Oertrudianischen Gebete entschliessen wird. X. 7. Die Entwicklang de« weatfäliaclien Wappens behandelt eine sehr interessante Untersuchung von F. Philip pi in der Festschrift zur Einweihung des neuen Lan- deshauses der Provinz Westfalen zu Mün- ster (1901). Seit dem 16. Jahrhundert führen die Erzbischöfe von Köln bekanntlich statt des schwarzen Stiftskreuzes in Silber einen vierfeldigen Schild, der im ersten Felde dieses Kreuz, im zweiten das springende Ross von Westfalen, im dritten drei goldene Schrötterhömer oder Seeblätter (später Herzen) in Rot für Engern, im vierten einen silbernen Adler in Blau für Arnsberg zeigt. Dieser Schild erscheint als Siegel und Druckerzeichen zuerst unter Hermann von Wied (1515—46), auf Münzen zuerst 154^ unter seinem Nachfolger Adolf von Schaumburg. Das Ross von Westfalen ist nach Phi- lippi nicht früher nachweisbar, als auf den i" Werl ausgemünzten Groschen^) des Erzbischofs Hermann IV. (1480 — 1508). Es findet sich aber bereits auf den heute allerdings sehr seltenen Goldgulden und Weisspfennigen, die Hermanns Vorgänger Erzbischof Ruprecht (1463—80) in Rhein- berg hat prägen lassen. Der Sage nach stammt es von Herzog Widukind, der seit seiner Bekehrung zum Christentum statt des bisherigen schwarzen einen weissen Hengst im Wappen geführt haben soll. Natürlich ist das gelehrte Konstruktion einer späteren, antiquarisch interessierten ^) Albui ist die Bezeiohaung fUr eine speEiell niederrheiniiohe Münze, die in Westfalen nicht geprftgt worden ist. Zeit; Wappen sind ja in Deutschland be- kanntlich erst im Laufe des 12. Jahrhun- derts aufgekommen. In der That läast sich das Ross als westfälisches Wappen auch in der Litteratur nicht über das 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Die älteste Nachricht darüber findet sich bei dem Chronisten Gobelinus Persona. Er bringt den Umstand, dass einige Herzöge Ton Sachsen das Ross im Schilde führen, mit den sagenhaften Führern der angelsftchs- sischen Inyasion Britanniens im 5. Jahr- hundert, Hengist und Horsa, in Znsammen- hang, quorum nominum quodlibet sonat lingua vulgari equum regium egregii roboris et decoris. Nun haben zwar weder die Lanenburger noch die Askanier, wohl aber die Herzöge von Braunschweig, die Weifen, die ja den sächsischen Herzögen gleichfalls zuzuzählen sind, seit dem 14. Jahrhundert neben dem Löwen das Pferd geführt. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie damit ihren An- spruch auf das seit Heinrich dem Löwen ihnen entrissene sächsische Herzogtum haben zur Schau tragen wollen. Die Grafschaft Arnsberg hat Gott- fried IV., der letzte seines Geschlechts, 1368 an das Kölner Erzstift verkauft. Den Amsberger Adler zu führen, der als Siegel- zeichen der Amsberger Grafen schon im 12. Jahrhundert nachweisbar ist, waren die Erzbischöfe also vollauf berechtigt. Philippi vermutet aber, dass nicht sowohl das unbestrittene Recht auf die Graf- schaft Arnsberg, wie das beanspruchte Recht auf einen Anteil am sächsischen Herzogtum angedeutet werden sollte, als erst Erzbischof Hermann V. den Adler gleichzeitig mit den Schrötterhörnem in seinen Schild aufnahm. Diese entstammen nämlich dem. Schild der Herzöge von Sachsen-Lauenburg und sind ursprünglich das Wappen der 1290 ausgestorbenen Grafen von Brehna. Als den Lauenburgem in einem Wappenstreit mit den sächsischen Herzögen aus dem Hause Weltin nachge- wiesen wurde, dass sie das Wappen von Brehna zu führen kein Recht hätten, gaben sie es, um es beibehalten zu können, als 'Wappen des Herzogtums Engem aus. Von ihnen übernahm es Erzbischof Her- 21 — — 22 — snann Y., jedoch in veränderter Tingie- rung, wahrscheinlich um nicht gleichfalls -wegen unberechtigter Führung des Wappens von Brehna angesprochen zu werden. Ausser diesem war nun auch ein gold- ner Adler in Blau, der die Pfalzgrafschaft Sachsen bedeutete, von den Lauenburgem ia ihren Schild aufgenommen worden, und auch diese Vermehrung wurde ihnen von den Wettinern streitig gemacht. Da liegt es, wie Philippi ausfährt, nahe anzunehmen, dass dies auf die Gestaltung des west- nilischen Gesamtwappens mindestens inso- fern eingewirkt habe, als hier der gleich- zeitig mit den Schrötterhörnem aufgenom- mene (silberne) Arnsberger Adler gleichfalls in Blau, nicht wie ursprünglich als Wappen der Arnsberger Grafen in Rot erscheint. Köln. Dr. 0. Oppermann. ^ Misceiianea. 3^ Die Principia et armamentaria des Lagers von Lambaesis. Der Umsicht Cagnats dankt man die Kenntnis der neuen Aus- grabungen in den Principia von Lambaesis ') Die Funde sind auch für das Verständnis der germanischen Limescastelle von grosser i) Comptes rendus derAoad. des Inscr. et Beiles- Lettr. 1901 p. 626,ff. 3^--^ Eini tmiiB 1^ ^\,^-^x=^ RCHILLC u »o 'm ^C^, rcz—A tcSr^ EIL FoudUs S7Mrt«ures k 1901. tiea dahlayies en 1901. Ch Errtontsjhl — 23 — Bedeutung. Südlich des sogenanDten Prae- toriums — wie jetzt ganz deutlich hervor- tritt nichts als eine grosse Eingangshalle — liegt vor dem heiligen Hofe*), der mittlere Hof unserer Limescastelle. Wie in diesen, so lagen auch in Lambaesis an diesem Hof die armamentaria. Die Bestim- mung der Zimmer an diesem Hofe ft&r die Aufnahme der Waffen zu dienen, ist klar durch das Heiligthum der armorum custodes, das in dem mit No. 4 bezeichneten Zimmer gefunden wurde ^. (Q Hier standen auf einer Basis von 2,35 m Länge und 0,70 m Höhe die Statuen des Sep- timius Severus, seiner Söhne Caracalla und Geta und der Julia Domna*). Imp. Caess. L. Septimio Severo Pio Pertinaci Arab. Adiab. et M. Aurelio Antonino Britannico maximo*) Augg o[sic] et luliae Aug. matri Aug. n. et cajBtr. Dedic. Q. Anicio Fausto consulari armorum custodes ob sollemnitatem decreverunt ex arca sua reteranis qai de eodem collegio dimitterentur annulari n(omine) singulis (denarios) millenos et quingenos et qui ad uberiorem') locum se transtulerunt singulis (denarios) millenos. Es folgen 62 Namen. Auf der entgegen- gesetzten Seite des Hofes ist in dem ver- schütteten Theile die Basis C. VIII 2663 gefunden worden : Domnus divinae Auggg. L. Caecilius Urbanus opt(io) val(etudinarii) cur(ator) operiarm(amentarii) posuit. Dem- nach war auch die andere Seite des Hofes, wie schon der congruente Bau lehrt, gleich- falls mit Waffenkammem besetzt. In demselben Raum No. 4 ist auch *) über den heiligan Hof, wo um das Fabnen- beiligthnm die Scholae und TabaUria lioh grup- pieren, habe ich gehandelt, Nene Heidelberg. Jahrb. 9 (1899) 141 ff. *) Das iit keineswegs die schola der armorum custodes. Diese lag wie die anderen scbolae am heiligen Hofe. *) Eine Basis ganz gleicher Art ist die der Cen- tnrionen in Mainz. Vgl. Westd. Zeitscbr. XIV S. 69. Das neu gefundene Fragment Koerber cat. n. 25 bat meine Ergänzungen bestätigt. *) steht wie Cagnat bemerkt auf Rasur von Getes Namen. *) Ist sehr bezeichnend für den neuen Oeist des Heeres; ans dem ebrenvolloren (honoratior) Grad des alten Heeres ist der einträglichere geworden. Vgl. Neue Heidelb. Jahrb. 10, 280 f. Auch diese Sätze bestätigen, dass der Sold von Septimius Severus auf 500 Denare erhöht wurde. — 24 — ein Altar gefunden worden. Minervae Aug. pro Salute imp. Cae. Ma. Aurell. Severi Alexandri Pii Felicis Aug. [et luliae Mameae Aug. matris Aug. et castrorum] armorum cu8tod(es) leg(ionip) HI Aug. Auf den Xebenseiten standen ursprüng- lich 32 Namen und wie Cagnat zeigt, wur- den später noch weitere Namen nach- getragen, und zwar wieder 32. Da die Legion unter Gordian aufgelöst wurde, dann von Valerian wiederhergestellt, so nennt jene 2. Seite die armorum custodes bei der Wiederherstellung der Legion^. Demnach hatte die Legion unter Severus Alexander 32 armorum custodes und ebenso unter Valerianus. Dagegen zählte sie unter Septimius Severus 62. Die Zahl dieser Principales ist also auf die Hälfte reduciert worden. Die jüngere Zahl lässt sich einfiQich erklären. Ebensoviele comicines peditum zählte die Legion unter Septimius Severus^. Demnach hatte seit Severus Alexander jede Centurie der 1. Cohorte 1 armorum custos und ebenso jeder der 27 Manipuli der neun andern Cohorten. Dagegen unter Septimius Severus halte jede Centurie*) einen armorum custos, also 59. Wenn die Inschrift 62 nennt, so erklärt sich dies aus der verschiedenen Stärke der Centurien der 1. Cohorte. Nach Vegetius 2, 8 zahlte die 1. Centurie 400, die 2. 2(0, die 3. und 4. 150, die 5. 100 Mann. Demnach wird man der 1. Centurie 3 armorum custodes, der zweiten 2 armorum custodes zutheilen dürfen. Die Ursache, warum die Zahl der Prin- cipales reduciert wurde, liegt in den wahnsinnigen Soldverhältnissen der Zeit; die höheren Donative für die Principales waren nicht mehr zu erschwingen. Dass der innere Hof des Centralbaues der Lager die Principia sind, lässt sich nicht mehr bezweifeln, denn der Bauplan von Lam- baesis ist nur eine Illustration der früher <) Genau ebenso hat man bei der Wiederher. Stellung des tabularium Piincipis die Kamen d«r optlones ans der Zeit Valerians eingetragen. Westd. Zeitschr. XIV S. 102. B) Dass 3 oornicinrs equites sind, hat die Auf- deckung der schola equitum bestätigt. Neu» Heidelb. Jahrb 9, 150. 9) Ich hatte dies bereits geseigt, Westd. Ztscbr XIV, 104. — 25 — — 26 — schon von mir richtig gedeuteten Inschrift €. YII446Imp. Caes. M.Antonius Gordianus p. f. Aug. principia et armamentaria con- lapsa restituit. In Mainz wurden die Inschriften, die ursprünglich in den Principia standen, alle in der alten Stadtbefestigung zu bei- den Seiten des Gauthores eingemauert gefunden *^). Nach Zangemeisters Ansicht «tammt die Befestigung, welche die mittel- alterliche Stadt schirmte^ aus spätrömischer Zeit. Die neuen Entdeckungen in Lam- baesis machen es sehr wahrscheinlich, dass das Gauthor eben jene Eingangshalle der Principia war, die zum Stadtthore wurde, als man das Lager auf der Höhe preisgab. Wahrscheinlich hatte das Mainzer Lager denselben Grundplan, wie das gleich- alterige in Carnuntum, dessen Innenbauten zum grossen Teile blossgelegt wurden'^) Ist das richtig, so müsste es ein Leichtes sein, auf Grund des Planes von Carnuntum die Lage der Gebäude von Mainz festzu- stellen. V. Domaszewski. S. Die Urkunden des Pfarrarchivs von St. Severin in Köln hat Joh. Hess, Ka- plan an St. Severin, in einem stattlichen Bande herausgegeben (Druck und Verlag von Heinr. Theissing, Köln 1901). Es sind im Ganzen 287 Nummern, von denen 4 (darunter nur eine ächte) vor dem Jahre 1000 liegen, 8 dem 12., 26 dem 13., 71 dem 14. und 58 dem 15. Jahrhundert an- gehören. Inhaltlich beschäftigen sich die Urkunden meist mit den Besitzverhältnissen, Güterübertragungen etc. von St. Severin. Aber auch über die inneren Zustände die- ses Stiftes geben uns zahlreiche Urkunden Aufschluss — es sei hier nur an den Pro- cess von 1238, an die Bestimmungen über Residenzpflicht etc. von 1252, wo Alber- tus Magnus als Zeuge erscheint, an die Entscheidung des Kardinallegaten Hugo 2ur Abstellung des Priestermangels vom gleichen Jahre, an die Statuten des Stiftes von 1299 imd 1325 erinnert. Von allge- meinem Interesse ist der grosse Zehnten- streit zwischen den Kölner Borgern und St. Severin von 1328 ff. (Seite 87—123). Unter den Urkunden, welche sich nicht ») Westd. Zeitiohr. XIV, S. 62. ") Areh.-opigr. Mitt. 18S7, S. 1 ff. auf das Stift Severin beziehen, verdienen die beiden Verträge des Mainzer Erzbi- schofs Heinrich mit den Gebrüdem Hein- rieh, Günther und Friedrich, Herrn zu Salza, vom Jahre 1342 und das interessante Weistum des Gerichtsbezirkes Mersbum zu Zülpich von 1547 besondere Aufmerk- samkeit. Zu bedauern ist, dass nicht auch die Urkunde No. 138 von 1453 zum Ab- druck gebracht wurde wegen ihres kultur- geschichtlich wichtigen Inhaltes (mannig- faltiger Getreidebau), ebenso vermisst man das Verzeichniss der 41 Bücher in No. 184, wogegen die ausgedehnten Process- rotulen vom Jahre 1329 eine Abkürzung wohl vertragen hätten. Der Herausgeber, der in zwei weiteren Bänden die in anderen Archiven beruhen- den Urkunden betr. St. Severin abdrucken und eine Darstellung der Geschichte die- ses Stiftes veröffentlichen will, hat in dem vorliegenden Bande nur die heute im Pfarnarchiv beruhenden Urkunden, ohne Rücksicht auf die andernorts vorliegenden« vielleicht wichtigeren Urkunden abge- druckt. Dieses keineswegs empfehlens- werte Verfahren ist von dem Herausgeber selbst übrigens in einem Falle doch wieder durchbrochen worden (Urk. 2). Es wäre richtiger gewesen, den ersten Band etwa mit 1350 abzuschliessen, in demselben aber alle nachweisbaren Urkunden, welche Se- verin betreffen, aufzunehmen, und dann in eiuem 2. Bande die späteren folgen zu lassen. Im übrigen zeichnet sich der erste Teil der vorliegenden Publikation durch sorgfaltige Beschreibung der Siegel und eingehende Erläuterungen in den Fuss- noten aus. Bei Urkunde No. 7 von 1143 hätte die durch R. Knippiug in Annalen 65, 211 bereits erfolgte Veröffentlichung be- merkt werden sollen. In No. 68 ist das wertvolle ältere Transsumpt vom Jahre 1208 versteckt, es empfahl sich, wenigstens zwischen No. 12 u. 13 durch ein beson- deres Regest darauf hinzuweisen. Das eingehende Register mit seinen zahlreichen Unterabteilungen ist eine wertvolle Bei- gabe. Allerdings wäre es ratsam gewesen, statt der 3 Teilregister, wodurch eine Menge von Wiederholungen nötig wurde, ~ 27 — — 28 — die beiden ersten in eins zu verschmelzen und nur für Severin ein besonderes auf- zustellen. Unrichtig ist in der dritten Unterabteilung von Köln No. 1: „Gericht und Ofiizialat des Propstes^; man denkt hier an das Ofiizialat des Kölner Dom- propstes — zumal der in dem Ver- zeichnis angeführte Joh. de Cervo offi- Cialis curiae Goloniensis war — , es ist aber das Offizialat des Propstes von Severin gemeint. No. 1 u. 2 h&tte daher bei dem Sonderregister von Severin untergebracht werden müssen. Auf S. 449 unter „Kir- chen und Kapellen'' moss ein Irrtum be- richtigt werden: Die Pfarreingesessenen ven St. Jobann Baptist wurden nicht zum Sakramentsempfang in Severin, sondern in ihrer eignen Kirche St. Johann, im Gegensatz zur Mathiaskapelle, verpflichtet, wie aus der betr. Urkunde deutlich her- vorgeht. An Druckfehlern sind mir aufgefallen : S. 142 Conrad de Watplourde für Wur- pelvurde (Würfelpforte), S. 170 petra ad petra für pecia ad pecia, S. 207 Wesco- holcz für Westerholz, S. 235 Urre für Orr bei Sounersdorf, nicht etwa Urbach. Köln. H. Seh. Vereinsnachrichten unter Redaction der YereiDsvorstände. 10. Frankfurt a. M. Verein für Geschichte und Altertumskunde. Am 21. Nov. sprach Herr £. Padjera über die Rie- der Höfe. Der Meierhof in den Riedern kam im Jahre 1193 aus kaiserlichem Besitze in die Hände von Privaten. Durch Erbau- ung eines zweiten Gutshofes, der wie der ältere oder grosse Rieder Hof, durch Ver- erbung geteilt wurde, entstanden zuletzt 4 Höfe, von welchen 1 Viertel 1485, 2 Viertel 1488 und 1 Viertel 1492 in den Besitz des Hospitals zum Heiligen Geist kamen. Redner wies sämtliche früheren Besitzer der Höfe nach, welche den Fa- milien Frosch, Geyling, Holzhausen, Knob- loch, Lutzeinberg, Furster und von Hell angehörten. Das Herrenhaus des grossen Rieder Hofes, von welchem geometrische Aufnahmen, Ansichten und Grundriss vor- gelegt wurden, ist ungefähr 700 Jahre alt und der einzige Profanbau aus so früher Zeit in und um Frankfurt. Obwohl im. 15. Jahrhundert durch Einsetzung gotischer Fenster das Ansehen dieses alten Baue& eine Änderung erfuhr, sind beute doch noch zweifellos romanische Reste, wie 4 Band- bogenfenster, ein kleines schlitzartiges Fen- sterchen, romanischer Sims und Sockel vor- banden. Femer wurde die Verteidigungs- fähigkeit der Höfe berührt, die dicht hinter der Landwehr Hegend, im Kriegsfalle der Stadt als Warte und Vorwerk dienten. Die mit Wehrgang befestigte Thoranlage de» grossen Hofes, von dem Redner ebenfalls eine Zeichnung vorlegte, sowie das Thor des kleinen Hofes, beide aus dem 15. Jahrh. stammend, fanden wie überhaupt die ehe- maligen Wehranlagen (wie Graben, Zag- brücken, Schiessscharten in den Hofmauem die nötige Erläuterung* Die Zeichnangen werden in dem Werke „die Baudenkmäler in Frankfurt a. M." von WolfF & Jung dessen Schlussband im Laufe des Jahres 1902 erscheinen wird, veröffentlicht werden. Im Anschluss an diesen Vortrag sprach 11, am 6. Dezember Herr Prof. E. Pelissier über die Landwehr im Rieder Feld e. Das Rieder Feld, das östlichste der drei brachpflichtigen Stadtfelder, zog vom Fischerfeldgraben mainaufwärts zum spä- teren Wallgraben, fortgesetzt bis zur Fechen- heimer Grenze durch das äussere R i e- derhöfer Gelände und nördlich be- grenzt von dem in Grosses und Kleines Riederbruch, Vinzenzviertel, Reiherwiese, Hospitalbruch und Metzgerbruch zerfallen- den Ostbruch. Zwischen diesem und dem Riederberge lag später das Hospitalgut unter dem Alten Berg und der Arn- städter Acker. Die Riederhöfer Ter- miney umfasst ausser dem äusseren Gelände, in dem die Höfe lagen, den östlichsten Teil des Rieder Feldes, dagegen gehörten das Grosse und Kleine Riederbruch ursprüng- lich der Stadt. Von der Landwehr um die S t a d t, die vom Main beim Gutleutfaof über den Knoblauchshof zum Main bei Riedern lief, jedoch mit einer, wahrschein- lich aus dem unvollständigen Anbau des Rieder berges zu erklärenden Lücke zwischen Sandweg und Hanauer Brücke, bildete dei^ östlichsten Abschnitt ein System von Gräben, das seit 1369 als Riederfeldlandwehr voik - 29 - - 30 - der Hanauer Brücke über Riedern zam Main zog. Eingeschlossen wurden dadurch : Riederfeld, Vinzenz viertel, Grosses und Kleines Riederbruch und die nächste Um- gebung der Höfe, ausgeschlossen die Gegend des späteren Hospitalguts und Arnstädter Ackers, wohl wegen ihrer Minderwertigkeit, sowie der Rest des äusseren Riederhöfer Geländes wegen der bis ins 18. Jahrh. reichenden hanauischen Ansprüche. Von den vier Abschnitten der Riederfeldland- wehr, Landwehr am Ostbruch, um Ridern, Wallgraben und Wallgra- benmündung, blieb der erste aus Zeit- mangel ausser Besprechung. In Riedern ^bestand 1396 nur ein Hof, höchstens zwei, doch entsprach der engere Hof bezirk (umb- fang) bereits dem der späteren vier und heutigen zwei Höfe. Die Hanauer Strasse ging bis 1488 wahrscheinlich mitten durch den jetzigen Grossen Hof, der sicher aus zwei Höfen zusammengewachsen ist. Wäh- rend nun die Landwehr beim Knoblauchs- hof sich an der Befestigung des Hoffeldes tot läuft, um jenseits derselben von neuem zu beginnen, umzieht sie den Riederhöfer Bezirk in zwei Armen, als Landwehr vor und hinter Riedern, letztere an vor- handene Gräben sich anlehnend. Zur bes- seren Abrundung schliesst sie von dem alten Hof bezirk drei Stückchen aus, wobei sie das sogen. Forste rgärtchen mitten durchschneidet. Die Landwehr um Riedern bestand aus Graben und Pallisaden- zaun dahinter. Ihre Unterhaltung war die Pflicht der Hofbesitzer, der diese aber des öfteren, teils aus Nachlässigkeit, teils aus Ohnmacht gegenüber dem stets rauflustigen Hanau, nicht nachkamen. Eine Hecke ausserhalb des Grabens ist nur stellenweise bezeugt. — Bei der Landwehr Wall- graben konnte der nasse Graben der Nord- und Nordostseite eine Bodensenkung benutzen, der trockene östliche Graben musste quer durch eine Hochfläche zum Maine gefuhrt werden. Als man seit 1558 nach langen Beratungen damit Ernst machte, „den Mayn durch die lantwer ... in den Graben durch die Stadt zu bringen" wurde der ganze Grabenzug sehr erheblich ver- tieft und erbreitert. Den nach innen auf- geworfenen Erdwall, der sich bis zur Ab- schaffung der Landwehr erhielt und 178$ „die Landwehrhöhe'' heisst, zeigt ein sehr interessanter Riss von 1575. Noch heute trägt die dortige Gegend Spuren der Vergangenheit. — Die Wallgraben- mündung, schon vor 1558 breit, weil vom „langen Steg** überbrückt, konnte nach der Vertiefung ein Mainschiff aufnehmen. Ihr Innenrand war, entsprechend dem Ver- schluss beim Gutleuthof, mit Planken besetzt, während dicht gestellte Pfähle in- den Main hinaus liefen, um das Durchreiten zu verhindern. — Von den die Landwehr durchziehenden fünf Wegen ist der wich- tigste die Hanauer Strasse, die östlich von Riedern früher erst eine Strecke nord- wärts zog. Gesperrt wurde sie durch den inner n, äussern und hintern Rie- derschlag. Ersterer, ein Schnappen- schlag oder Schlagbaum, stand, jedenfalla seit 1493, etwas nördlich von dem noch vorhandenen spitzbogigen Piörtchen des^ grossen Hofes. Neben ihm stand im Hofe^ die Rieder Warte oder Schnappe, deren Platz Herr Pa^jera nachgewiesen- hat. Der Schlaghüter, seitdem das Spital die Höfe allein besass, zugleich Hospital- förster, nutzte in ersterer Eigenschaft die Schnappenwiese im Riederwalde, in letzterer das erwähnte Förstergärtchen. Der äussere Riederschlag, dem ein Haspel zur Seite stand, war ein verschliess- barer Drehschlag bei der Brücke über den durch die Strasse ziehenden Graben der Landwehr vor Riedern. Da Hanau trotz dem Vertrage von 1481 seine Ansprüche zu Zeiten bis zum innern, ja zum hintern Riederschlage ausdehnte, so war der äussere Schlag stets gefährdet. Der Plan von 1509, bei ihm eine Warte zu erbauen, blieb un- ausgeführt. Er wurde 1605 von Hanau gewaltsam zerstört, aber 1609 aufs neue errichtet. Andererseits zerstörte Frankfurt 1675 einen hanauischenWildstock vor diesem Schlage. — Das öfters beiRiedem erwähnte Hüttchen mit Thüre und Glasfenster für den Schlaghüter, kann sowohl beim Innern, als beim äussern Schlage gestanden haben. — Der hintere Riederschlag bei der Riederbrücke scheint, da ihn die städtischen Urkunden nicht erwähnen, den Hofbesitzern zuständig gewesen zu sein^ -- 81 - — Die Wenzelpforte bei Riedern, je- denfalls nicht nach dem Kaiser, sondern nach einem Hüter benannt, dürfte mit dem Innern Schlag von 1488 identisch sein. — Der Fechenheimer und Heiliggeist- pfad hatten je einen Steg für Fussgänger. Letzterer Steg war nach 1558 vorübergehend nicht vorhanden. Seine Unterhaltung führte von 1783 bis 1785 zu einer Controverse mit Hanau. — Nicht beachtet war bisher ein Nebenweg der Hanauer Strasse, der ^ 32 - mitten durch das Riederfeld zog und den Wallgraben bei der Südostecke des jetzigen Kleinen Hofes überschritt. Ungewiss bleibt, ob dort Brücke oder Steg lag, und ob der Weg überhaupt zur Landwehrblüthezeit offen war. — . Der Leinpfad endlich über- schritt den Wallgraben nach seiner Ver- tiefung auf dem Hohen Steg, der auf vier noch vorhandenen hohen SteinpfeDern ruhte und vielleicht teilweise aufgehoben werden konnte. Antiquariatskataloge No 256: Geschichte und deren Hiilfswissenschaften — Städte- ansichten (exclus. Bayern), No. 257 : Bayerische Landes- und Ortsgeschichte — Ansichten — Portraits, soeben erschienen und stehen Interessenten gratis und franco zu Diensten. B. Soligsborgi Antiquarbuchhandiung in Bayreuth. Wir kaufen und bitten um Angebot mit Preis- forderung : Englische <^^m^ ^««^ ^'B^ Damenbildnisse in Schabkunst «s^s^ «*l^ Englische und Französische <=s:^^ ^is^ Farbendrucke nach Morland, Singleton, Smith, Ward, Wheatley u. a. 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InsMate h 96 Pfg. tta dl« getpaliaii« Zail« w«rd«B yon dar Twlagtbnndlnng nnd all«n Insaraton-BttraanB anganomman, Ballagaa naah UabaralnkanfL — Dia Zaitaehrifl artohaiat ylartalJllurUoli, daa XoRaapondanBblalt monatliah. — AbonnaatanUprait 15 Mark für dia ZaiUohrifl mit Korraipondanablatt, für latstarat allaln 5 Mark. Baitr&g« fOr dia TorrOmlMha n. rOmisehe Abtailong sind an Praf. Hattnar (Trier, FroT.-Mnseam), fOr Mlitalaltar und Naasalt an Prof. Hintan (KOln, StadtarohlT) in tandan. Neue Funde. 12. Mainz. [Römische InschrifteR.] Die Aus- beute, die der Mainzer Boden an Inschrift- steinen lieferte, war im letzten halben Jahr sehr unbedeutend ; nur zwei kleine Bruch- stücke gelangten in das Museum. Am 16. August wurde in der Forsterstrasse bei einem Neubau des Herrn Wenzky ein 15 cm hohes, 13 cm breites und 20 cm dickes Stück von einem Grabstein aufgefunden, das in der ersten Zeile den grussten Teil eines Q und darunter noch die oberen Hälften von zwei Hasten zeigt; links ist die Umrahmung erbalten. Das Material ist Kalkstein. Der Fundort gehört dem rüm. Friedhof im Gartenfeld an, der schon eine ganze Anzahl von Inschriften geliefert hat. Wahrscheinlich nicht sehr weit davon, beim Bau des Hauses Schulstrasse 64 kam das zweite Bruchstück, ebenfalls Kalkstein, zu Tage, das allerdings erst in der am Kaiser- Wilhelmring zum Zwecke der Auf- schüttung abgeladenen Erde entdeckt wurde. H. 29, Br. 20» D. 9Va cm. Links ist ein Stück der Umrahmung erhalten, an den drei anderen Seiten ist Bruchfläche, wie bei dem vorigen Stück. Erhalten ist der An- fang von drei — wahrscheinlich der ersten drei — Zeilen : | c cj Auf den Vornamen Gaius folgte in mit C, G oder 0 er gehörte wohl einem Soldaten oder Ve- teranen des 22 Legion an. Zwei röm. Inschriften, die in den Weise- V s^ der ersten Zeile ein XX \ anfangender Name ; nauer Steinbrüchen gefunden wurden, sind dem Museum in Aussicht gestellt worden; die eine steht auf einem stark versinterten Altarstück, die andere geht am Ende der beiden ersten Zeilen, wie mir mitgeteilt wurde, auf ROMANIS und SACRIS aus. Es ist aber auch nur ein Bruchstück. Beim Abbruch der früheren Raimundi- schanze wurden mehrere recht alte hebrä- ische Grabsteine aufgefunden; zwei davon stammen nach einer Mitteilung des Herrn Dr. Salfeld noch aus dem 11. Jahrb. Von Kleinaltertümern mit Inschriften sind folgende zu nennen. Eine aus dem Rhein stammende und schon im Jahre 1898 er- worbene Kasserolle trägt auf dem Griff einen Stempel, von dem aber nur die mittleren Buchstaben zu lesen sind: /////PHILEROTI////// (die Lesung ist wohl sicher; der häufige Stempel Aphrodisius ist ausgeschlossen). Recht schlecht erhalten ist der Stempel einer anderen, neuerdings von Baggerem angekauften Kasserolle. Er beginnt wohl mit R und der erhaltene Teil, auf den aber noch 3 — 4 Buchstaben gefolgt zu sein scheinen, geht aus anf INVS, wobei V mit dem N oben zusammenhängt; was dazwischen steht ist zweifelhaft. Das Ganze sieht aus wie RuIlSINVS///'/. Bei Ver- suchsgrabungen auf dem Gebiete des Herrn Theyer, Karmelitenstr. Nr. 6, kam man auf röm. Heizanlagen, aus denen Ziegel mit den Stempeln der LEG. XIIII und LEG. XXII erhoben wurden. Auf dem Bauplatz — 35 — - 36 - Eapuzinerstr. 21 wurden solche der COH. IIIIVIND- und der LEG. XXII aufge- funden. Auf einem i. J. 1897 auf dem Amptschen Gebiet vor dem Gauthor ge- fundenen Unterteil eines Thonfigürchens, das wahrscheinlich den Mercur darstellte, fand unser Zeichner bei der Inventarisierung den Rest einer von oben nach unten gehen- den, ziemlich verwaschenen Inschrift, die wohl bereits in das Modell eingeschrieben gewesen sein wird. Sie lautet: ;ERVAV und bezieht sich wohl auf den bekannten Kölner Töpfer Seroandus. Bei derselben Gelegenheit ergab sich, dass ein Töpfer in das Innere einer dem alten Bestände an- gehörigen Frauenbüste, also für den Be- schauer unsichtbar, ein G eingeschrieben hatte, vielleicht aus Langweile oder zur ilbung. Bei einem Neubaue des Herrn Henrich Kapuzinergasse 21, wurde unter anderem in unzweifelhaft römischer Schicht ein kleiner Thonkegel gefunden, ganz gleich denjenigen, die ich S. 70 des vorigen Jahr- gangs beschrieb, mit der vor dem Brand VIII eingekratzten Inschrift: vvvv* Dadurch sind auch jene angeblich Weisenauer Stücke als römisch erwiesen. Sie werden wohl zu einem Spiel gehört haben. Auf einem grossen Stück von einer Amphorenmündung das ebenfalls i. J. 1897 auf dem oben er- wähnten Amptschen Gebiete gefunden wurde, ist nach dem Brand in grossen Buchstaben eingegraben: mvalpvde, i also wohl M- Val{erius) Pud[en8]. Ein in der Nähe des Rheinthores im Garten des Wirtes Graf gefundenes zerbrochenes Dqlium, das sich wohl wird ergänzen lassen, zeigt auf dem einen Henkel den Stempel P VAiTfaUS/V/COR, also P. Val(erius) Fau8(tus) Scor(obre8). Auf dem Bauch eines dem alten Bestand an- gehürigen Doliums, das die Etikette „Haina'^ trägt (Hof Haina in Starkenburg?) wurde das GrafTito PATRI entdeckt; auf dem Henkel eines andern, das aus der Schön- bornstrasse stammt, der Stempel n*a«r*o Endlich sind noch vier Ringe aus dem frühen Mittelalter zu erwähnen. Den einen hat Lindenschmit in der vorjährigen Museo- graphie veröffentlicht (Taf. 21, Fig. 2). Es ist ein Silberring aus Bingen, dessen Inschrift mit [IN] NVMDN in numini domini zu beginnen scheint. Einen Bronzering schenkte Herr Dr. Gassner, der ihn schon lange in Besitz hatte. Auf der Platte befindet sich ein bis jetzt nicht entziffertes Monogramm. Zwei andere, einer aus Silber und einer aus Bronze, stammen ebenfalls aus Rheinhessen. Jener zeigt die Inschrift MAV|RIN VS, deren S ungefähr die Gestalt 3 hat; der Erzring die Inschrift Lü N (am Anfang ist vielleicht LI mit dazwischenstehen- dcm Doppelpunkt zu lesen). Körber. Chronik. WtltflMCblohtt. hrig von Haut F. Holmolt.|3^ VII. Band We stearopa, I. T«il, ron Prof. Dr. Richard Mmyr, Dr. Armia Tille, Prof. D. Wilhelm Walther, Prof. Dr Oeocg Adler und Prof. Dr. Hans ron Zwiediaeck- SOdenhorct, Leipiig and Wien. Biblio- graphiiohe« lostftat 19 H). Preis 10 Mk — Der uns heute vorliegend*; VIL Band der Helmoltschen Weltgeschichte, der mit dem noch ausstehenden VIII. zusammen eine Geschichte Westeuropas bis auf die Neuzeit geben soll — nach dem ursprüng- lichen nun aber aufgegebenen Plan sollte der VII. Bd. eine Oeschichto Westeuropas bis 1800 und der VIII. Bd. dann eine euro- päische Geschichte des 19. Jahrhunderts geben — enthält, um dies vorweg zu neh- men, folgende 6 Eiozelarbeiten. 1. Die wirtschaftliche Ausdehnung Westeuropas seit den Ereuzzügen (Prof. Dr. R. Mayr). 1) Der Begriff „Westeuropa", 2) der Kampf um die Vorherrschaft im Levantehandel und die Ausdehnung des südeuropäischen Einflussgebiets, 3) der Kampf um die Vor- herrschaft in den nordischen Meeren und die deutsche Hansa, 4) Westeuropa im Zeitalter der Entdeckungen, 5) das Zeit- alter des Merkantil Systems, 6) die letzten hundertfunfundzwanzig Jahre. II. Renais- sance, Reformation und Gegenreformation (Dr. Armin Tille). 1) Das Zeitalter der Reformbestrebungen in Staat und Kirche, 2) das Zeitalter der Reformation, 3) das Zeitalter der Gegenreformation. IIL Das abendländische Christentum und seine Mis- sionstbätigkeit seit der Reformation (Prof. D. Wilhelm Walther). 1) Die Spaltung der Kirche in Confessionskirchen, 2) die einseitige Ausbildung der religiösen Rieh- — 37 — — 38 — tuDgen, 3) die Herrschaft des Freidenker- tums, 4) die Restauration und die neue Ausprägung der Gegensätze. IV. Die so- ciale Frage (Prof. Dr. Georg Adler). 1) Einleitung, 2^ die sociale Frage in Eng- land, 3) die. sociale Frage in Frankreich, 4) die sociale Frage in Deutschland, 5) die sociale Bewegung in dem übrigen Mittel- und Westeuropa, 6) allgemeine Ergebnisse, y. Die Entstehung der Grossmächte (Prof. Dr. Y. Zwiedineck - Südenhorst). 1) Cha- rakteristik des Zeitraums von 1650-1780, 2) das französische Königtum, 3) England und die Generalstaaten, 4) das deutsche Reich nach dem westfälischen Frieden, 5) Baltische Neugestaltungen, 6) Frank- reichs Machtentfaltung unter Ludwig XIV., 7) das Ende der spanischen Qrossmacht, die Anfänge Russlands, 8) der Staat der deutschen Habsburger, d) die Entwickelung des preussischen Königtums. Auch an der Stoffanordnung dieses VII. Bandes haben wir Verschiedenes auszu- setzen, obwohl man sich hier im Gegen- satz zu dem früher von uns besprochenen IV. Baude*) von einer Überspannung des geographischen Principes freigehalten hat, und der Begriff „Westeuropa** in der Hauptsache richtig als ein historischer, vorzüglich eine kulturhistorische Einheit darstellender gefasst ist. Eine solche vor- wiegend historische Fassung des Gesamt- begnffes Westeuropa wird sich als mit einer massvollen Befolgung des geogra- phischen Grundprincips durchaus vereinbar erklären lassen. Wir hätten aber auch eiue Beibehaltung des alten Planes, nach dem der VII. Band die Geschichte West- europas bis 1800 erledigen und der VIII. Schiussband die Geschichte vorzüglich des 19. Jahrhunderts geben sollte, für wün- schenswert und mit der Grundidee ver- einbar gehalten, denn ganz lässt sich die historisch geordnete Betrachtung der Er- eignisse innerhalb der geographisch ge- wählten Abschnitte doch nun einmal aus einer Weltgeschichte nicht ausmerzen. Eine solche Teilung aber hätte die Übersicht, die zur Zeit noch durch das tropfenweise und ganz von Äusserlicbkeiten abhängig gemachte, nicht die Reihe einhaltende Er- 1) Vgl. Korr-Bl. I9OI N'- IW- scheinen der einzelnen Bände besonders erschwert wird, wesentlich erleichtert. Wir hätten dann wenigstens im VU. Band, dessen Vorgänger noch fehlen, eine leidlich abgeschlossene Arbeit vor uns, was heute bei dem Nochausstehen des VIII. Bandes nun wieder nicht der Fall ist. Die wesent- lichste principielle Ausstellung, die wir an der Anordnung des VII. Bandes zu machen haben, bezieht sich darauf, dass durch das Herausreissen Spaniens, dessen Ge- schichte schon im IV. Bande bei den Mittel- meerländern, im Gegensatz zu Italien und der Balkanhalbinsel, bis auf die die Jetzt- zeit behandelt worden ist, die Einheitlich- keit des Begriffes: Westeuropa, zu dem Spanien in der Neuzeit doch unzweifelhaft gehört, wieder wesentlich zerstört ist. Weiter hätten wir die Kapitel III und IV dieses VII. Bandes lieber noch für den VIII. Band zurückgestellt gesehen, da sie nicht unwesentlich in der Behandlung ihrer speciellen Themate über die Fortführung der politischen Geschichte hinausgreifen, die vor der französischen Revolution Halt macht; dafür hätte besser zunächst noch die Betrachtung dieser politischen Ge- schichte im VII. Bande gefördert werden dürfen. Endlich will uns die Behandlung besonders der socialen und religiösen Pro- bleme in so gegeu die andere Betrachtung abgeschlossen und selbständig gestalteten Monographien, wie es hier geschehen, be- denklich erscheinen. Eine solche Zer- legung des Stoffes erschwert jedenfalls das Verständnis des Lesers für den Zu- sammenhang der gesamten kulturellen Ent- wickelung. Allerdings wird, das müssen wir offen zugeben, eine solche monogra- phische Behandelung dieser einzelnen Ge- biete mitbedingt durch die Mitarbeit speciell fi)r diese Gebiete competenter Gelehrter. — Unsere summarische Anzeige muss prin- cipiell darauf verzichten, auf Details ein- zugehen. Über die einzelnen oben aufge- zählten Arbeiten dieses Bandes sei hier nur noch soviel gesagt, dass uns das I. und IV. Kapitel, an und für sich betrachtet, als die gelungensten erscheinen wollen, während das II. und V. Kapitel als die sich am besten in den Rahmen der Gesamt- betracbtung einfügenden bezeichnet werden - 39 - 40 - müssen. Richard Mayr urteilt am Scbluss seiner vorzüglichen Darstellung nach unse- rem Dafürhalten zu sehr vom Standpunkt des Wirtschaftspolitikers, während doch nach dem Programm jegliche Toleologie aus dem Rahmen dieser Weltgeschichte verbannt sein sollte. Auch sonst macht er sich unbedenk- lich vom Herausgeber feierlichst über Bord geworfene Begriffe wie: Altertum, Mittel- alter, Neuzeit etc., zu eigen. Dass wir Ad- lers Abhandlung über die sociale Frage an dieser Stelle für deplacirt halten, haben wir schon oben angedeutet. Am Schluss des VIII. Bandes hätte sich vielleicht die richtiji:e Stelle besser finden lassen. Zweifel- haft bliebe es uns aber auch dann noch, ob schon jetzt die socialen, noch durchaus im Fluss befindlichen Tagesfragen der Gegenwart für eine rein historische Be- handlung spruchreif seien. Vermisst ha- ben wir gänzlich eine Erörterung der älteren socialen Bewegungen in West- europa, die auch hier wenigstens einer kurzen Würdigung bedurft hätten. Für die Entwickelnng der socialen Frage spe- ciell in England will uns die Basierung hauptsächlich auf Brentano einigermassen einseitig erscheinen. Wir verweisen dafür hier nur kurz auf Alexander'Tilles Buch: ,.Aus Englands Flegeljahren", das für die Beurteilung des englischen Socialismus manche von Bretano und seiner Schule recht abweichende und immerhin zu beachtende Fingerzeige geben könnte. In Summa wollen wir schliesslich fest- stellen, dass uns trotz mancher Bedenken die Lectürc des VIT. Bandes doch bei weitem mehr ah die des vorhergehenden IV. Bandes befriedigt hat. Leipzig-Heudnitz. Dr. W. Bruchmüller. Miscelianea. 14, Ringwalt- und andere urzeitliche Wohn* stellen. Wie bekannt, ist eine der bcsterhal- tcnen Rümerstrasscn im Taunus der sog. rrt.isterweg, der, durch die Waldungen des Hochtaunus vom Feldbergkastell nach dem „Fuchstanz" ziehend und hier sich teilend, mit einem Aste über den Nord- hang des Altkönigs nach den Hühnerburg- wiesen, mit dem anderen über dessen West- und Südhang bis auf die Höhe von Oberhöchstadt als flacher steiniger Wall sich verfolgen lässt. Nur wenige Strecken dieser Strasse sind als neu ausgebaute Linien für den heutigen Verkehr oder durch Bodenkultur dieses Charakters ent- kleidet. Vorgeschichtlichen Wohnstellen, wie solche von mir gelegentlich der im Auftrag der preussischen Regierung vor- genommenen Ringwall - Untersuchung auf der Goldgrube im Taunus mit 7 — *20 m Durchmesser (Mitteilungen des Vereins f. N. A.-G. Nr. 1 1901-190^) für die Mittel- oder Spät - La T^ne-Zeit im Januar 1900 festgestellt wurden, habe ich bei weiteren Ringwallarbeiten auch an anderen Orten meine besondere Aufmerksamkeit zuge- wendet. Sie fanden sich zunächst bei Aufnahmen verschiedener Ringwälle im Spessart, dann aber auch dort auf Höhen, wo ich wohl Ringwälle der Berggestalt oder Ortsbenennung nach anzunehmen mich berechtigt glaubte, aber nicht an- traf. Ich untersuchte, und zwar Ende Oktober, den Altkönig-Südhang beim Auf- stieg zum Ringwall und beim Abstieg dessen meist dicht mit Unterholz bestandenen Westhang, worüber sich der trapezförmige Annex der Steinringe des Gipfels tief hin- unter, bis zu ca. 60 m Entfernung vom westlichen Arm des Pflasterwegs, erstreckt. Der doppelt umgürtete Ringburgbereich der Höhe zeigt ausser einer ziemlichen Anzahl von Trichtern heute nur noch wenige terrassierte Wohnstellen. Über die Bedeutung des trapezförmigen Wallzuges hat Oberst von Cohausen in den Nass. A. geschrieben und dabei der Vermutung, dass dieser umfangreiche, aber eckig ge- staltete Wall als Viehpferch den ge- flüchteten Bewohnern der Ebene gedient haben möge, Ausdruck verliehen. Meine Untersuchungen haben dagegen jetzt fest- gestellt, dass er eine sehr grosse Anzahl solcher Wohnstellen enthält, die dort auf steilem Hange mit ihren Einschnitten und Anschüttungen kräftig in die Erscheinung treten und öfters sogar paarweise neben, nicht übereinander mit einem Abstände von wenig Metern offenbar zu einander gehören. Zu beiden führt in solchem - 41 — — 42 - Falle aufwärts ein Zugang, der, unmittel- bar vor ihnen sich teilend, bis zur Mitte einer jeden verfolgt werden kann. Eine gewisse Modification in Form und Grösse macht sich bei vielen von ihnen den durch- aus geebneten Wohustellen der Goldgrube gegenüber bemerkbar, indem der Zugang als flache Hohle von der Seite und ge- wunden in den Bereich der Podien bis zu deren Mitte hereinführt und ihre vor den Berghang vortretende Peripherie durch wallförmige Erdhilufung etwas erhöht ist. Die so gestalteten Wohnst eilen zeigen zu- meist geringeren Durchmesser, der zwi- schen 3 und 6 m schwankt. Nur der Vollständigkeit des Berichtes über die vorgeschichtlichen Besiedelungs- reste des allbekannten Berges halber sei noch erwähnt, dass sich im südwestlichen Winkel seines trapezförmigen Mauerwall- zuges eine Rundschanze von 22 Vs m Durch- messer befindet, d^ren Wallmittellinie im Abstand von 12 m von der im Winkel sie umschliessenden Ringmauer kreisförmig ver- läuft. Mit den Aufnahmen dieser inter- essanten Erscheinungen samt Querschnitt und Wallprofilen ergänzte ich den v. Co- hausen'schen Grundplan der Ringburg und gab die Zeichnung ins Röm.-Germ. Museum. Mit diesen Feststellungen scheint mir die Schlussfolgerung, dass der trapezförmige Annex vor der Südwestfront des Doppel- ringwalles als nachträgliche Vergrösserung der Ringburg für eine über die Massen angewachsene Anzahl von Schutzheischen- den and die in wirksamster Wurfweite hinter der Wallmauer angelegte Rund- scbanze zur Verstärkung gleichzeitig er- baut worden seien, durchaus unbedenk- lich. Auch der Südhang des Altkönigs zeigt von der Höhe bis zum Fusse Wohn- stellen in beiden Formen, die teils einzeln, teils in Gruppen auftreten ; bei ihrer Auf- suchung musste zwischen den durch Wind- bruch hervorgerufenen, mehr oder weniger ähnlichen Erscheinungen des Waldbodens scharf unterschieden werden. Der Nordwesthang des Altkönigs bildet mit dem Südwesthang des benachbarten Feldberges einen Sattel, über den sowohl der „Rennpfad** nach Arnoldshain, als auch die vorerwähnte römische Strasse, der vom Feldbergkastell kommende Pfiasterweg, zieht. Auf diesem Sattel teilt sie sich, wie gesagt, in zwei Äste. Das wasserreiche Quellgebiet der „Dreiböme'*, die in alten Karten der „Hohen Mark** ausserdem „Kühl Hähringsborn** und „Kugelbermansborn'' genannt sind, befindet sich in unmittelbarer Nähe. Da dieser so ausgezeichnete Platz im Gebirgsgelände von jeher mein Inter- esse in Anspruch nahm, war es sehr nahe- liegend,* die den vorgeschichtlichen Bc- siedelungsplätzen eigentümlichen Reste von Wobnanlagen — nun in ihren zwei Formen erkannt — auch dort zu suchen, und es gelang nach zweimaliger Begehung der zugänglichen Teile des in Betracht kom- menden Terrains sie in grosser Anzahl dort festzustellen. Der Fuchstanz ist dar- nach mit einer weitverzweigten Gruppe solcher bedeckt. Sie begleiten in wunder- vollen Exemplaren (Trichter und Podien zusammen, wie auch anderwärts) den rö- mischen Strassenzug, direkt am Strassen - rand gelegen, ca. 1 km gegen Osten und ebenso gegen Nordwesten bis zum Feld- bergkastell. Sind die in der „Goldgrube** untersuchten, den Funden nach, der Mittel- oder Spät - La T^ne - Zeit zuzuweisen, so gehören diese, mindestens bis zur letzten Benutzungszeit der Römerstrasse bewohn- ten Stellen, also bis ums Jahr 260 n. Chr., der gesicherten geschichtlichen Zeit unse- rer Gegend an und scheinen ihrer Bauart und Anzahl nach von handeltreibendem einheimischem nicht römischem Volke be- wohnt gewesen zu sein. Der nach so ver* schiedenen Gesichtspunkten ausgezeichnete Fuchstanz aber muss bis zum Falle des Kastelles ein reges und buntes Leben ge- zeigt haben. Leider ist dort — wie ich gesehen habe — gerade in den letzten Jahren zu Jagd- und Fischereizwecken vieles zerstört worden. Da mir das Recht der Aufgrabung nicht zusteht, konnte ich nicht untersuchen, ob dort alle grösseren Wohnstellen die in der Goldgrube nachge- wiesene rechteckige Grundform der Hütten aufweisen. Soviel aber ist sicher, dass die kleinen Podien mit vertieftem seit- lichem Zugange hiervon abweichen müssen. In ihnen dürften die runden Hüttengründe mit ehemals eingefülltem Hüttenunterteil — 48 — — 44 - anzutreffen sein, deren Spuren bis heute in der leichten Erdbäufung an einem Teil der Peripherie geblieben sind. Bei der Überquorang einer sehr grossen Anzahl von Bergen des Spessarts fanden sich fast auf jedem irgendwo, am Gipfel oder Fuss, an sanften oder steilen Hängen solche Wohnstellen. Sogar die rauhe Höhe, die die „Heunenschüssel" bei Kloster Engelberg a. M. trägt, und ihre Hänge zeigen deren viele, sowie der Osth'ang des auf der gegenüberliegenden Mainseite bei Breitendiel befindlichen „Hainebergs", auf dem die bekannten „Hainsäulen'' lagern. Die sogenannte „Schwedenschanzc'*, ein Höhenrücken nordwestlich von Schöll- krippen im Spessart, ist an seinen obersten Hängen damit bedeckt, worunter Terras- sierungen von sehr beträchtlicher Grösse ; der benachbarte „Herzberg" bei Huckel- heim trägt sie an seinem Xordhang in sehr grosser Ausdehnung, desgleichen der ringwallbekrönte „Reuschberg" bei Schöll- krippen an seinem Nord- und Südhange. Der Hainkeller bei Breitenbom und Burgberg bei Bieber i. Sp. tragen schöne Ringwälle und weit über das Ringburggebiet hinaus- reichende Mengen dieser Wohnstellen ; der Butznickel im Taunus hat, der Überliefe- rung zuwider, auf seinen Kuppen keinen Ringwall, aber dort und an seinen Hän^ren zahllose Podien beider Arten. Zwischen Reuenthal und Monnbrunn, am Gotthards- berg südlich Miltenberg liegen sie verein- zelt oder in kleinen Gruppen. Der Kerkel- berg bei Rossbach im Biebergrund, ein steiler weit ins Thal vortretender Berg- kegel, ist auf seiner breiten, aber isolierten Kuppe dicht übersät mit solchen Hütten- gründen. Die umfangreiche Ansiedlung auf dem unwirtlichen, nur durch seine natürliche Gestaltung geschützten Berg er- regt aber darum besonderes Interesse, weil unter seinen Wohnstellen solche, die paarweise durch einen Hohlweg verbunden sind, beobachtet werden können, Erschei- nungen, wie sie W. Heibig, Die Italiker in der Poebene, S. 49 bei der Erwähnung der in der Emilia und dem Thale der Vibrata an Hüttengründen vorgenommenen Untersuchungen anführt. Die Kohlenmeiler, in sehr verschiedener Grösse, sind im Oden- wald, Taunus und Spessart keine seltene Erscheinung und oft zwischen den ebenso aussehenden Podien gelogen. Möglich, dass manche der alten Anlagen von den Köhlern jüngerer Zeitperioden nochmalige Ausnutzung erfahren hat. Die Verbreitung dieser Wohnstellen auf Bergen und in Thälem ist heute noch eine überraschend grosse; ich habe nur einen Bruchteil meiner Wahrnehmungen angegeben. Wenn auch vielleicht ihre Entstehung nicht durchaus der mit erstaunlicher Volkskraft aufge- tretenen germanischen Besiedelungspcriode unseres Landes bis zum Ausgange des weströmischen Reiches zugehört, so muss doch ohne Frage der Ursprung des über- wiegenden Teiles derselben dieser zuge- wiesen werden. Da wo seit jener Zeit die Oberfläche der heimischen Erde keine Umgestaltung erfahren hat, bietet sie mit ihnen das durch Tacitus, Germ. 16, uns überlieferte Bild. Ch. L. Thomas. Einige römische und frUhmitteiatter 15. liehe Ortsnamen im Moselgebiet. Im codex Vaticanus 4929 aus dem 9. bis 10. Jahrb. findet sich auf dem Schlussblatt fol. 196 ▼ fol^rendes Blattfüllsel: De ministeruo Arnulf i. Fehler. F. 25 Tdliae. II Eura, V. Lucrias. III Bulliacy. nichü Nova väla. IUI Litmarus. III Lauriac'. III 5 VirifKwis. I Ingrana. II Bosonis viUa. IUI 3U Suriacig. Vl\Ir Centdlu*. II Cobro8iu\ li Marogüus. III Fttrtoc'. uü. Screnas. V Treanau. II 10 Stoicus. II Döntciac'. V Gaudiac', V 35 Curceles Crranionis. uü.IIII Lega. III Vuanionis. uü. III Vuignedis. uü. V \bB6loni8 uü. V Ingenis uü. V Baldaura. III Dadonis uü. IUI Fulbodis. uü. XX 20 Calodorus. V Stricus. III M(mtinia&. IUI Sdiacus. I Cnptas. IUI — 45 - - 46 - Ich fand ganz zufällig dieses Verzeich- nis in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie von 1870 S. 597 abgedruckt, und da es nach Keunc's freundlicher Mitteilung im Kreise der rheinischen Forschung noch unbekannt zu sein scheint, es aber auf den ersten Blick Beziehungen zum Mosellande zeigt, glaube ich es hier wiederholen zu sollen. Es betrifft offenbar die Kirche St. Arnulf in Metz und Orte, an denen sie Hesitzungen oder Einnahmen hatte. Die Namen der Ortlichkeitcn sind z. T. sofort festzustellen, wie Eura =■■ Euren bei Trier, Gaudiacum Jouy, Montiniacum Montigny, teils schwieriger zu ermitteln ; manche der- selben scheinen überhaupt sonst nicht über- liefert zu sein. Soviel ich aufiinden konnte, liegen in Deutsch-Lothringen östlich der Mosel noch Virinacia (Verny), Marogilus (Marieullcs, heisst allerdings 706 Mariolas) SoHacum (Sillegny, im 12. Jahrb. Soloigney), Lucrias (Lorry ?), Nova vüla (Laneuveville), Doniciacum (Donjeux), Cwrcc/e« (Courcelles), Bosonis tnUa (Busendorf), Teüiacum (= Tu- liacumy Marthil ö. v. Delme, Lothr. Jahrb. 1, 97), Builiacum (Bolchen, 1258 Bdlleia), vielleicht Baldauret (Baudr^court ? 1139 Balducurth; ob im Yatic. verschrieben?) und Vuignedis viüa (Vigny ?); südlich der Grenze Vitriacum (Vitrey bei Pont ä Mousson), Lega und Litmarus (Lay und Laitre bei Nancy?). Westlich der Mosel liegen in deutschem Gebiete Lauriacum (Lorry), Vuanionis viüa (Vion villeV), im französischen Gebiete Ingtnis vilia (vielleicht Genaville ?), Bolonis vula (Bouillonville), Treanau (Trieux?) [wohl ursprünglich Trionacum]. Weiter nach Norden könnte mit Suriacig. Sierck gemeint sein, das allerdings 1036 Sericutn heisst (?); Screnas und Criptas können Schrassig (893 Scranna) und Kruch- ten (1 161 Crufta) in Luxemburg sein ; Euren ist schon erwähnt. Litmarus (s. ob.) erinnert auch an den Lemmersberg bei Kürzel, Lega an Lcy bei Marsal, Vitriacum an Wallingen nordwestlich von Metz, welches 1033 Vitriaco benannt ist. Die noch übrigen Namen weiss ich nicht zu deuten und bitte überhaupt Kundigere um Berichtigungen und Ergänzungen. Frankfurt a. M. Alex.'Riese. Nijmegen. [Sammlung G. M. Kam.] Als 16. ich im April vorigen Jahres in Nijmegen das Museum van Oudheden besuchte, wurde ich durch die Güte des Herrn Cools auf die Privatsammlung des Herrn G. M. Kam aufmerksam gemacht. Herr Kam empfing mich mit echt holländischer Gastlichkeit und gestattete mir freundlichst, die ge- stempelten Stücke seiner Sammlung zu veröffentlichen*, auch hat er mir später noch brieflich über eine Reihe von Neu- erwerbungen Mitteilung gemacht. Für seine unermüdliche Liebenswürdigkeit sei ihm auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Da mein Aufenthalt notgedrungen kurz war, so sind diese Mitteilungen nur vorläufiger Art. Die zu besprechenden Altertümer sind grösstenteils auf dem Abhang des Huner- berges gegenüber der Villa Erica des Herrn Kam, Berg en Dalschen Weg N. 32 zu Tage getreten, einige auch in Nijmegen oder in nächster Umgebung. Der Huner- berg ist seit langer Zeit als ergiebige Fundstätte von römischen Besten, beson- ders auch solchen aus dem Anfang der Römerherrschaft, bekannt. ' l?]N^;. i ICE p 14, /A X '} CaaomoJ (T'i 11 IM0/\0F| 10 I^VT A t N 6 VV\ ? [ÄTvl i ATiASSVJ Of 6 AS5I ^m. OH C A L V I a OA^^AFE LI U 5 ALVg ATA !,■•/ 5 A .7/ u Por£N3 L- X'G iV OF LI C Nl 15 |M^ A ftl Ol LX C(0 — 47 — - 48 I. Auf sogenannter 'belgischer* Thon- waare finden sich folgende Fabrikmarken ^): *1, 2) Zwei Teller aus t(erra) n(igra). Vgl. Corp.*) 291, wo von 5 Exemplaren aas t. n. a unsere erste, c d die zweite Stempel- form haben. Die Lesung Bevalo ist wohl nicht richtig, und Bohns Meinung, es sei Benio zu lesen, wird durch unsere beiden Stacke bestätigt. — 3) Teller t. n. Ob zu Corp. 1018 (Douai mus.) ICELI gehörig? — 4) Tasse t. n. Koenen 14, 12. Vgl. Corp. 1026 (Vechten) • IM • ? — 5) Urne t. n. Koe- nen 9, 17, Stempel aussen auf dem Boden, unverständlich. Zugleich gefunden wurde eine gelb-weisse Urne Koenen 10, 2 mit dem Strichornament, das wie mit einem Stück Kamm gemacht scheint'). — 6) Teller t. n, um? un? — Urne t. n. Koenen 9, 12 mit zweizeiligem undeutlichem Stempel. — Urne t. n. etwa Koenen 9, 10 und 5 Teller t. n. mit undeutlichem Stempel. II. Auf Gefässen aus Terra sigil- lata erscheinen folgende Fabriken: 7) Napf Dragendorff 26. Vgl. Corp. 27 (Agen mus.) ACV Acußus) videtur. — *8) Teller mit 4 mal eingedrücktem Stem- pel. Vgl. Corp. 193, wo 7 schwarze Schüs- seln der Fabrik erwähnt werden, darunter a b c (Trier, Weisenau) mit 3 mal einge- drucktem, d (Rheintürkheim, Mannheim mus.) mit 4 mal eingedrücktem Stempel ATiASSV. — 9) Teller Dr. 18. Ob zu Corp. 127b ANIANI gehörig? — 10) Teller Dr. 18. Bassi (2 mal), of Bassi. — 10a) Teller Dr. 31. of Ccdvi. — 11) Napf Dr. 27. Vgl. Corp. 607, wo auf Grund von CIL. XII 5686, 255 COLlom gleichgestellt wer- den COLLO FEC COILOM OE • COLOM. Dazu kommt noch CIL. VII 13:i5, 337 a, b und EE VIII p. 491, 33. Zu lesen scheint also Col(l)on(is). — »12) Napf Dr. 27. Barra fe(cU). Vgl. Corp. 751. — 13) Tel- ler Dr. 18. Germani o[f(ficinaJ]. — 14) Teller Dr. 31. Vgl. Corp. 1145 f.« u.s. w. 1) Die Stempel sind meist nach flttohtigen Skisxen von mir wiedergegeben; diejenigen, die im Text ein Btemohen haben, beruhen auf Ab- Bohriften des Herrn Kam. Leider fehlt mir bei einaelnen Marken die Angabe^dber den Bahmen. 2) Bo eitere ich CIL XIII 8, fasc. 1 n. IflOtO, ¥91. 8) Vgl. daraber jetzt Bitterling in den Mit- teilungen der Altertums • Kommission ffir West» en Heft 2, Tafel 85, 6-7; 87, 10. Zu lesen also ofCficina) Licni/nicht LkH)ni. — 15) Napf Dr. 26, statt MAB eher wohl MAE Mae(HHj, wie B. J. 101, 15 n. 68 aus der Sammlung Sels- Neuss auf gleicher Napfform. — 16) Napf Dr. 26. Ob Xan(ihi)? Dieselbe Napfform ist in derJFabrik des Ateius sehr häufig. — 17) Napf Koenen 16, 21, Dr. 40. Momo. Vgl. Corp. 1374. — 18) Teller Koenen 13, 2. Mir unklar. — •19) Teller Dr. 18. Of Primi. Dieselbe Fabrik *mit viel kleinerem Stempel* auf einem andern Teller. — *20) Napf Dr 27 Rutaenfi). Vgl. Corp. 1668. — *21) Teller Dr. 18. Vgl. Corp. 1907, wo Bohn in Hinsicht auf v» SALVETVS F auch unsere Marke SalveflwJ auflöst, während Ose B. J. 102, 149 die bekannte Qrussformel darin sieht. — 22)Treller ^(irftis) TaC . . . v;. — 23) Teller Dr. 1, K. 14, 1. — •23a) Näpfchen K. 13, 3. VP?. III. Folgende Graffiti notierte ich: 24) Tellerfragment t. s. Aussen auf dem Boden AmaCbüis?)- — 25) Weisser, ein- henkliger Krug älterer Form K. 11, 25. Auf der Schulter lAbOfOde. — 26) Schwar- zer Becher K. 16, 13. Aussen eingekratzt Potens. IV. Fünf Legionsziegel 27 a — e ent- hält die Sammlung; sie gehören der legio X gemina an. V. Von besonderem Interesse ist end- lich noch eine Urne aus Terra sigillata, die gleichfalls auf dem HunerbergJ^gefun- den wurde (S. 49, Fig. I). Sie ist oben ganz geschlossen, hat aber auf den Schultern zwei fast senkrecht stehende lange Röhren, die 1. ist zum Teil abgebrochen nnd zeigt im Innern schraubenförmige Windungen. Höhe 0,32 m. Ganz auffallend ist der bügeiförmige hohe Henkel, der oben zwi- schen beiden Röhren steht. Ich kenne kein ähnliches Stück aus römischen Sammlun- gen. An der Echtheit ist kein Zweifel. Das Leydener Museum besitzt eine Urne aus grauem Thon gleichfalls aus Nijmegen, Inventamummer NS 757, 0,165 h., 0,11 br. Fig. II. Sie hat nur eine Ausgu ssröhre ; per bügeiförmige Henkel ist senkrecht da- zugestellt und in der Mitte durchlocht. Das Loch ist das Ende der zweiten in der Mitte aufstehenden Röhre, des üblichen Halses. Bei zwei anderen Exemplaren, von denen eins auch im Lejdener Mn- aeum ist (Inv. NBm 35), sDgebliuh auB Keuvied, l-^ig. 111*) 0,25 h., 0,17 br., ein iweites tus Mindeo i. W. Rtammt*) (Fig. 11ll,Q,Uli., 0, 0 Dm), ist der Henkel gerade so qner gesetzt. Die beiden sind wie bei dem Kam'echea Exemplar angebracht i die eine endet waraenfermig, die andere, nur an dem Miodeaer Enem- plar crbaltcn, ist breit mit überetebendem Rand. Dieses letztere, da» ich mr Prüf- ung hier habe, ist ausser- dem mit Barbotinetupf eil und Elanken aufBügelhenkel und Wandung verziert. Nach Thon und Technik ist es schwerlich rümisch. Über das Leydener Exemplar, das genau denselben Typus hat, Turde ich nur nach erneuter Besichtigung ur- teilen können. Heine vorl&nfige Mitici- Inng verfolgt den Zweck, die Aufmerksamkeit der Forseber auf die Geßsspat- tung mit BQgelhenkel und doppelten Röh- ren zu lenken. FQr jede Nachricht über fthnliche Stücke wäre ich sehr dankbar. BoDD. M. Siebourg. ) Dl« PhatDginphltD d« beidn Ltfdansr II* »rduik* Ich iltr Ilb>»l« IVtiiiidlloh- dar Hartem Dr. Flayt« und Dr. Jena. Tongern. Die April 190Ü zu Tongern entdekte Inschrift wurde bis jetzt nicht gut e^nzt. Die Lesung, welche ich in meinem Aufsati über die Gaesati im Bull, de l'Acad. ray. de Belg. (1901, p. 757 bis 800) gegeben habe, ist auch nicht durch- ans richtig. Auf dam Steine beündea sich noch folgende Buchstaben, mehr oder i niger leserlich: OLR / C E S A T O R / ASEM V]olha[Ho s{acrumj Cijties Rom[ani\ cent- furja) [ra]lmtiti[i] gCaJesatora[M h]asem [pCmiteruniJ]. „Dem Volkanus geweiht. Die römischen Bürger der Gafcsaten-Cenliirie des ValentinuH haben diese Basis errichtet." Zu bemerken ist, dass XIII 3106 auch zuerst VOLIANO anstatt VOLKANO ge- lesen wurde und dass Klonis (I, 20, 5) von den Galliern der Cisalpioa und den Gesäten im Jahre 222 v. C. sagt : Viridomaro rege Romaoa amia Volcano promiserant. — 61 — - 52 — Sieb übrigens meinen Aufsatz im Mus de Beige, 1902, fasc. 1 : Dädicace des Gesätes ä Volkanus. J. P. Waltzing. 18. Zur mittelalterlichen Chronologie. Die Indiotio oecundum etilum Colonieneem. Grotefrad sagt in seiner „Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit'^ Bd. 1 pag. 94: Auch in deutschen Bistums- urkunden ist die Indictio Bedana von 1200—1350 die vorherrschende, tritt dann aber besonders am Ende des 14. Jahr- hunderts gegen die Romana zurück *' Dann folgen Beispiele hierfür und Anführung von Ausnahmen. Von dem Gebrauch der Indiktion in der Diörese Köln sagt Grote- fend nichts. Ich habe nun versucht, in dieser Hinsicht zu einem bestimmten Re- sultate zu gelangen. Für das 10.-12. Jahrhundert ver- weise ich auf die Untersuchungen von Knipping'), in denen der Beweis geführt wird, dass man während dieser Zeit in der Diöccse Köln stet? der römischen Indiktion gefolgt ist Keine Indiktion zeigen die Urkunden des 13. Jahrhunderts, — die durch die kaiserliche und päpstliche Kanzlei in der Diöcese Köln ausgestellten Urkunden kom- men nicht in Betracht, da sie nachweisbar dem in der betreffenden Kanzlei üblichen Gebrauche folgen, — mit drei Ausnahmen : 1231, ind. IV. (nicht wachsend), Lac. 11. 175 lässt keinen Schluss auf die Art der angewandten Indiktion zu. Für die anderen Urkunden 1237 ind .XI. (wachsend), regn. Rom. Imp. Fred., sub aep. Colon. Henrico. Lac. II. 222, 1238 ind. XII. (wachsend), presidente cathedre Rom. eccl. papa Gregorio, regn. nobil. Rom. Imp. Fred., electo in aep. Colon, dom. Conrado de Hon- staden. Lac. II. 235, wird wohl im Anschluss an das 12. Jahr- hundert die Indictio Romana aufzunehmen sein. Vom Jahr 1300 ab kommt die Indik- tion nur noch in Notariatsinstrumenten zur Verwendung. Die Aufrechthaltnog des 1) Bich. Knipping: Beitrftge sar Diplomfttik der Kölner ErzbisohOfe dea 12. Jahrhunderte. p»g. 21 ff. Bist. Bonn 18S9. Gebrauchs der Indiktion beruht*} auf Ver- ordnung der Novelle 47, welche did In- diktion bei Urkunden der Notare als not- wendig erklärt. Das erste nachweisbare Notariatsiostru- ment, das in Köln von dem Notar Gisilbert ausgestellt wurde, bietet ein befremdlicheB Bild. Es datiert von 1298 März 8 ind. X. Der Zusatz am Schlüsse „scripta est supra indiccio et annus domini ex consuetud. patrie quia annus dom. non incipit cnrrere in nativit. dom. sed in vig. pasche cereo consecrato" beweist, dass der Verfasser noch keinen feststehenden Gebrauch der Indiktion vorfand, und die Indiktion mit dem Jahr, damals in Köln mit dem Oster- jähr, begrenzte. Der nächste Notar — 1309 März 15 ind. YIl. — liess schon diese Rücksicht- nabme fallen, obgleich noch das Osterjahr in Köln in Gebrauch war. Deshalb habe ich mich beschränkt auf eine Prüfung von 116 Originalurkunden des Kölner Stadtarchivs an der Hand des „Urkunden - Inventars des Kölner Stadt- archivs 1300 - 1480*^ deren Daten zwischen Sept. 1 und Jan. 1 liegen. Von 24 dieser Notariatsinstrumente aus den Tagen von Sept. 1—23 zeigt keine wachsende Indiktion ; somit ist die Indictio Graeca ausgeschlossen. 52 Urkunden haben bei der Indiktion den Zusatz „secundum stilum Coloniensem." Alle sind erst nach Okt. 1 datiert und zeigen wachsende Indiktion, mit drei Aus- nahmen : 1) 1429 ind. VII. Stil. Colon., mens. Nov. 11, pont. Mart. V. a. 12. Pader- born. (10638a)»). Wenn nun auch das 12. Pontifikats- Jabr Martins V. mit dem 10. Nov. 1429 zu Ende geht, so wird doch wegen der Differenz von einem Tage keineswegs die Inkongruenz der Zeitangaben durch einen Fehler in der Jahreszahl zu erklären sein. Ob vielleicht der betr. Notar, ein clericus Coloniensis diocesis, den Stilus Coloniensis mit dem in Paderborn gebräuchlichen Cal- >) H. ▼. Voltelini: Die SOdtlroler KotariaU- Imbreviaturen des 18. Jahrhunderte. Innsbmok 1899. Bd 1. XXXI. in den Acta Tirolentia II. S) Die eingeklammerten Zahlen geben die Ur- kunden'Nammer im Kölner StadtArohW an. - 53 - — 64 - cnlns yerwechselt hat, konnte ich wegen Mangels an Material nicht feststellen. 2) 1466 ind. XIV. stil. Colon., Oct. 30, pont. Pauli IL a. 2. Köln. (12970.) In dieser Urkunde weisen Indiktion und Pontifikatsjahr auf 1465 bin. Es ist also ein Schreibfehler bei der Jahreszahl wahr- scheinlich. 3) 1480 ind. XIII. sttil. Colon., Nov. 4, Samstag, pont. Sixti IV. a. 10. Köln. (13630.) Hier stimmen Jahreszahl, Wochentag und Pontifikatsjahr Q berein; also wird die Indiktion falsch angegeben sein. Auch wenn bei allen drei Urkunden nicht wachsende Indiktion nachgewiesen wäre, so steht doch wohl bei dem Ver- hältnis von 49 zu 3 Urkunden die An- nahme einer wachsenden Indiktion vom 1. Okt. ab als Eigentümlichkeit des Kölner Stiles fest. Die übrigen 40 NotariatPinstrumente aus der Zeit vom 24. September bis zum Jahreaschlusse haben bei Angabe der In- diktion nicht den Zusatz „secundum stilum Coloniensem". 9 von ihnen liegen vor dem 1. Oktober, 31 nach diesem Datum. Letz- tere 81 zeigen sämtlich — mit drei Aus- nahmen (7306a, b, 7585, 11793) - wachs- ende Indiktion, die 9 Urkunden vor dem 1. Oktober sämtlich nirht. Eine von diesen 9 Urkunden zeigt Un- regelmässigkeit in der Datierung: 1479 ind. XII., Sept. 28, Dienstag, pont. Sixti IV. a. 8. Hier liegt der Fehler offenbar in dem Pontifikatsjahr, da der 28. Sept. auf einen Dienstag fällt, und das 8. Pontifikatsjahr Sixtus' IV. schon 1379 Auer. 25 zu Ende war. Da nun diese 9 Urkunden, vom 24.— 80. Sept. datiert, keine wachsende Indiktion zeigen, und ferner unter den 49 Urkunden, deren Indiction mit dem Zusatz „secundum stilum Coloniensem" versehen ist, keine vor dem 1. Oktober liegt, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Indictio Bedana und die Indictio secundum stilum Coloniensem sich nicht ganz decken, dass letztere vielmehr erst mit dem 1. Oktober wächst ^). *) Die Kölner UniTersitAts-Matrikel (blt 148.*^) bot S^branehbar« Daten, beide mit waoheander Das Schlussergebnis für die Diöcese Köln ist demnach: Vom 10.-12. Jahrhun- dert herrscht die Indictio Romana, im 14. und 15. Jahrhundert dagegen die Indictio secundum stilum Coloniensem, die sich mit der Indictio Bedana nicht iranz deckt, viel- mehr erst mit dem 1. Oktober wechselt. Das von mir durchgearbeitete Material bot mehrfach Anhaltspunkte für den In- diktionsgebrauch anderer Didcesen. 1) Diöcese Trier: Indictio Romana: 1386 Oct. 20. ind. IX. Koblenz. (3712) (wachs. Indiktion). 1423 Sept. 29. ind. I. Ivois (10 000 a) (nicht wachs. Indiktion). 1451 Dez. 14. ind. XIV. Koblenz (12383) (nicht wachs. Indiktion). Die erste Urkunde ist durch einen Notar der Kölner Kurie in Koblenz aus- i gestellt, ofienbar nach Kölner Stil. 2) Diöcese Utrecht: Indictio Romana: 1408 Nov. 21 ind. I. Emmerich (7765) (nicht wachs. Indiktion). 1452 Nov. 13 ind. XV. Utrecht (12452) (nicht wachs. Indiktion). 1452 Dec. 7 ind. XV. Utrecht (12462) (nicht wachs. Indiktion). 1461 Dec. 28 ind. X. Utrecht (12811) (wachs. Indiktion*). 3) Diöcese Lü tt ich: Indictio Romana : 1420 Oct. 30 ind. XIII. stil. Leod. Lüttich ^9590) (nicht wachs. Indiktion). 1430 Dec. 16 ind. VIIT. Lüttich (10751a) (nicht wachs. IndiktionV 1448 Oct. 5 ind. VI. Lüttich (11669) (nicht wachs. Indiktion). 1445 Dec. 23 ind. VIII. Lüttfch (11860) (nicht wachs. Indiktion). 1452 Sept. 28 ind. XV. stil. Leod. Lüttich (12436) (nicht wachs. Indiktion). Grotefend sagt mit Rücksicht auf eine Urkunde vom Jahre 1335 a. a. 0.: „Hier (in Lüttich) ist die Bedana als juris- tische Regel hingestellt, der die Romana als DiÖces an geh rauch gegenüberstand.^' Nach obigen Notariatsinstrumenten scheint Indiktion: 1889 Dee. 24. ind. XIII. stil. Colon., pont. Bonifao. IX. a. 1, 1898 D«s. 90. ind YI , pont. Bonifao. IX. a. 10. ^ Die waclisende Indiktion bewaitt den Jah- resanfang mit Weihnachten ; als Jahressahl ist in dti Urkunde 1462 angegeben. - 55 - - 56 - sich dies im 15 Jahrhundert goflndert zu haben, da die Notare doch Juristea waieo Köln. A. Miebacb. 1 9. Königlich Sächsische Kommission für Geschichte. 6. JahresversammUing, am 14. Dez. 1901. Der Stand der wissenschaftlichen Un- ternehmungen der Kommission ist der folgende : 1. Als Bearbeiter der Hibliographie der sächsischen Geschichte ist Dr. Viktor Hantzsch in Dresden bestimmt worden. 2. Das Lehenbuch Friedrichs des Strengen vom Jahre 1349, dessen Fler- ausgäbe von Archivrat Dr. Lippert mit Beihilfe des Archivsekretärs Dr. Beschor- ner in Dresden besorgt wird, Hegt im Text gedruckt vor; das Erscheinen des Werkes ifn Jahre 1902 ist gesichert. 3. Vom I. Bande der Akten und Briefe Herzog Georgs, die Professor Gess in Dresden herausgiebt, sind 9 Bogen gesetzt; im Spät -Herbst 1902 wird der Druck voraussichtlich beendet sein. 4. Der H. Band der Politischen Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz, von Professor Brandenburg in Leipzig bearbeitet, liegt im Manuskript druckfertig vor ; der Druck des Bandes soll 1902 zu Ende gefikhrt werden. 5. Akten zur Geschichte des Bauernkrieges: der Bearbeiter, Archi- var Dr. 0. Merx in Osnabrück, stellt für 1902 das Manuskript des L Bandes in Aussicht. 6. Neu aufgenommen ist unter die ge- planten Veröffentlichungen der Kommission die Herausgabe von Luthers Tischre- den nach einer Leipziger Handschrift der Sammlung des Mathesius ; die Bearbeitung besorgt Bibliothekar Dr. E. Kroker in Leipzig. 7. Die Wiederaufnahme der Bearbei- tung der Ständeakten, zunächst vor- nehmlich im 16. Jahrhundert, ist beschlos- sen worden; die Kommission hat diese Aufgabe Herrn Dr. Woldemar Görlitz in Leipzig übertragen. 8. Als Mitherausgeber der Instruk- tion eines Vorwerksverwalters des Kurfürsten August (157u), in der die Bewirtschaftung eines grosses landesfurst- lichen Gutes klargelegt wird, ist neben Dr. Wuttke Rogierungsrat Dr. Er misch in Dresden eingetreten; vielleicht ist das Manuskript im Jahre 1902 druckfertig zu stellen. 9. Die Einlieferung eines ersten Bandes der Geschichte des Hcilbronner Bundes (1633), die Archivar Dr. Job. Kretzschmar in Hannover bearbeitet, steht für 1902 in Aussicht. 10. Die Ausgabe der Briefe König Augusts des Starken, von Dr. P. Haake in Dresden vorbereitet, ist rüstig fortgeschritten ; d is in Dresden beruhende Material wird bis Ende 1902 aufgearbeitet werden können. 11. Der Brief Wechsel der Kurfürstin Maria Antonia mit der Kaiserin Maria Theresia, von Archivrat Dr. Lippert in Dresden herausgegeben. Hegt im Manuskript fertig vor; der Druck wird 1902 beginnen. 12. Die Herausgabe der Hauptwerke der sächsischen Bildnerei und Ma- lerei des lö. und 16. Jahrhunderts ist seit längerer Zeit dem Herrn Dr. E. Flechsig in Braunschweig anvertraut; mit der Reproduktion einzelner schon aus- geführter photographischer Aufnahmen soll im Jahre 1902 begonnen werden. 13. Die Ausgabe der Dresdener Bil- de r band seh rift des Sachsen spiegeis wird ^on der Savignystiftung mit einem Beitrag zu den Kosten unterstützt; Heraus- geber ist Hofrat Professor Dr. v. Amira in München. Die Reproduktion der Hand- schrift ist soweit fortgeschritten, dass die Faksimile-Ausgabe im Jahre 1902 vollendet werden und im Buchhandel erscheinen wird. Der zweite erklärende, namentlich die Rechtssymbolik behandelnde Band wird erst später bearbeitet werden. 14—16. Die Geschichte des sächsi- schen Steuerwesens und die Ge- schichte der amtlichen Statistik in Sachsen haben von dem Bearbeiter Dr. Robert Wuttke in Dresden, nur wenig gefördert werden können. Für die - 67 - 58 Geschichte der sächsischen Cen- tralverwaltang ist zur Zeit ein geeig- neter Bearbeiter nicht vorhanden. 17. Als Vorstudie zu der geplanten Social- und Wirtschaftsgeschichte Leipzigs wird Dr. Armin Tille zu- nächst eine Arbeit über die wirtschaft- liche Stellung Leipzigs in Deutschland bis gegen Ausgang des 16. Jahrhunderts ab- fassen. Das Manuskript dieser Arbeit wird im Jahre 1902 fertiggestellt werden können. 18. Im Rahmen des gesamten Unter- nehmens einer Geschichte des geisti- gen Lebens der Stadt Leipzig ist besonders die von Dr. B. Wustmann bear- beitete Musikgeschichte weit gefördert. Der Darsteller der Kirchengeschichte, Privatdozent Dr. Böhmer, wird im be- vorstehenden Jahre die Arbeit kräftig auf- nehmen. Zur Förderung der Schulge- schichte wird auf Antrag von Rektor Pro- fessor Dr. Kämmel die Herausgabe eines Tagebuches des Jakob Thomasius (Vaters des bekannten Christian Thomasius), der 1670 — 84 erst Rektor der Leipziger Nicolai-, dann der Thomasschule war, als beson- dere Veröffentlichung der Kommission be- schlossen. Dem bisherigen Bearbeiter der Kunstgeschichte, Dr. Er. Uaenel, musste wegen der Verlegung seines Wohnsitzes nach München der erbetene Rücktritt von seiner Arbeit bewilligt werden; es wurde ein geeigneter Ersatz für ihn ins Auge gefasst. Die Vorarbeiten Professor Dr. Witkowskis für die Litteraturge- schichte nehmen ihren Fortgang. Was die historisch-geographischen Un- ternehmungen der Kommission betrifft, 80 darf 19. dem Abschlüsse eines ersten Teiles der Beschreibung der Bistümer für 1902 entgegengesehen werden; Seminar- oberlehrer Dr. Becker in Waidenburg ge- denkt ein das Bistum Meissen behandelndes Manuskript der Kommission einzureichen. 20. Von der Grundkarte des Kö- nigreichs Sachsen ist die Doppelsek- tion 469/494 (Annaberg — Wiesenthal) im Jahre 1901 erschienen; die Veröffent- lichung von 415/441 (Borna — Altenburg) steht unmittelbar bevor. Die noch fehlen- den Sektionen des Königreichs Sachsens, die die Nordgrenze des Landes betreffen, werden im Jahre 1902 vollendet werden, soweit der königlich sächsische Gebiets- anteil in Betracht kommt ; die Publikation wird unter Hinzufügung der jeweiligen pro vinzial sächsischen Anteile durch die Historische Kommission für Sachsen -An- halt erfolgen. 2t. In der Bearbeitung der Ämter- geographie wird sich Privatdozent Dr. Kötzschko in Leipzig zunächst auf den Erzgebirgischen Kreis beschränken und für dieses Gebiet die Geschichte des Terri- torialbestandes der Ämter seit dem 16. Jahr- hundert behandeln. 22. Eine ausführliche Denkschrift über ein historisches Ortsverzeichnis — oder mit Erweiterung des Inhalts ein historisch-geographisches Nachschlagewerk Sachsens — , verfasst vom Archivsekretär Dr. Bes chorner in Dresden, lag der Kommission zur Erörterung vor; insbe- sondere stellte der Verfasser die Anträge : 1. die Sammlung und Aufzeichnung von B'lurnamen und 2. die Bearbeitung eines Wüstungsverzeichnisses als Vorarbeiten für ein künftiges historisch-geographisches Nachschlagewerk zu beschliessen. Da sich auch für die Ämtergeographie ein Zurück- gehen auf die Flurkartenüberlieferung als notwendig herausgestellt hat und die schon früher beschlossene Bearbeitung des Flur- kartenatlasses, die zur Zeit ruht, wie- der ins Auge zu fassen ist, so hat die Kommission einen Ausschuss eingesetzt, der die Förderung der historisch- geographi- schen Arbeiten auf Grund der Flurkarten sowie der gesamten Überlieferung für die Dorffluren nach allen Seiten hin einer gründlichen Prüfung unterziehen soll. Vereinsnachrichten unter Redaction der Vereinsvorstäuüe. Frankfurt a. M. Verein für Geschichte und Altertumskunde. Am 16. Jan. 1902 sprach Herr Dr. F. Quilling iibcr den kürzlich entdeckten Hauptbegräb- nisplatz der römischen Stadt zwi- schen Heddernheim und Praunheim. Er liegt an der Elisabethenstrasse, unmit- 20. — 59 - — 60 telbar anschliessend an die westlichsten Häuser von Praunheim. Über 160 Gräber sind bereits blossgelegt, sämtlich Brand- gräber ohne Cistenbestattung. Die Ver- brennung erfolgte entweder über dem Qrabe selbst oder auf einer „ustrina", die man in einer mit betonartigem Belag versehe- nen Stelle erkennen zu dürfen glaubt. An zwei Plätzen fanden sich, auf Ziegel- unterlage, halb eingegrabene grosse Dolien, die vermutlich Bewässerungszwecken dien- ten. Die zu Tage gekommenen Münzen (ca. 50 Stück) datieren von Domitian bis Antoninus Pius; ihre lokale Verteilung lässt es als nahezu sicher erscheinen, dass der Friedhof nicht zur Zeit der Kastell- erbauung unter Domitian, sondern erst unter Hadrian angelegt und mit der Haupt- begräbnisstätte des Vorortes der civitas Taunensium identisch ist. Da die Gra- bungen fortgesetzt und die Gesamtresul- tate später in einer grösseren Publikation des Vereins zugänglich gemacht werden sollen, beschränkte sich der Vortragende auf diesen vorläufigen Bericht. 21, In der Hauptversammlung am 30. Jan. hielt nach Erledigung der geschäftlichen Tagesordnung Herr Prof. Dr. 0. Heuer einen Vortrag über das Willeraer-Häus- chen auf dem Mühlberg und seine Erinnerungen. Die Wiederherstellung des von der Stadt Frankfurt a. M. ange- kauften und von dem Freien Deutschen Hochstift mit Bildern und anderen Gegen- ständen, welche an Marianne von Willemer (Goethes Suleika) und ihre Beziehungen zu Goethe erinnern, reichlich ausgestatte- ten Gartenhäuschens gaben dem Vortragen- den Veranlassung, dem Andenken der edlen Besitzerin tief empfundene Worte der Erinnerung zu widmen, die sowohl den Anteil Mariannens an der Entstehung des westöstlichen Divans im Einzelnen dar- legten, wie auf die verschiedenen Besuche Goethes in diesem bescheidenen Sommer- häuschen näher eingingen, in welchem gerade die schönsten Dichtungen der Dich- terfreundin entstanden sein dürften. — Aus den geschäftlichen Mitteilungen sei erwähnt, dass der Verein zur Zeit 334 Mitglieder zählt. Für das laufende Jahr stehen die Vollendung des Werkes des Geh. Archivrates Dr. Grotefend in Schwe- rin i. M. über des Königsleutnants Grafen Thoranc Beziehungen zur Frankfurter Stadtverwaltung (1709—62) und der Schluss- lieferung der „Baudenkmäler in Frankfurt a. M "* in sicherer Aussicht. Im Jahre 1901 fanden 9 Vereinssitzungen statt; über die Vorträge in denselben ist in diesen Blättern einzeln Bericht erstattet worden. Der Vorsitz des Verbandes west- und süd- deutscher Vereine für römisch-germanische Altertumsforschung, den der Verein seit Gründung des Verbandes geführt hatte, ist in Freiburg i. B. auf dessen Ersuchen an einen besondern, in Darmstadt ansässigen Vorstand übertragen worden. Das mit be- nachbarten historischen Kommissionen und Vereinen eingeleitete Werk der Bearbeitung eines historischen Kartenwerkes über Hes- sen-Nassau, Waldeck, Hessen und Aschaffen- burg konnte noch nicht begonnen werden, da noch nicht alle um Bewilligung von Beiträgen angegangenen Behörden etc. sich schlüssig gemacht haben. Der am 20. Februar gehaltene Vor- 22. trag des Herrn Stadtarchivars Dr. R. Jung über die Sachsenhäuser Klubbisten zur Zeit der französischen Revo- lution behandelte eine Bewegung jener Zeit, die in der im Mittelpunkte des da- damaligen Verkehrs gelegenen Reichsstadt Frankfurt ganz selbständig, ohne äussere Einwirkung erwachsen, aber vereinzelt ge- blieben ist. Von jeher bis auf den heu- tigen Tag haben sich die Einwohner des Vorortes Sachsenhausen ihre Eigenart be- wahrt; keine Feindschaft, aber die Ver- schiedenheit der Interessen, Lebensgewohn- heiten und sogar der Mundart schied den linksmainischen Sachsenhäuser vom rechts- mainischen Frankfurter; der Gegensatz, der heute nach und nach schwindet, war damals noch vollständig erhalten. Die Sachsenhäuser, meist Fischer und Gärtner, lebten nur unter sich und fQr sich; sie waren getreue Unterthanen des Frankfur- ter Rates, fleissige Leute, äusserlich schroff und grob gegen alle Fremden, auch die Frankfurter, aber innerlich von grosser Gutmütigkeit. Bei den Reisenden, die ihre Eigenart nicht verstanden, erfreuten sie sich nicht des besten Rufes ; die Eigen- — 61 — — 62 — Schäften von Cyclopcn und Abdcritcn glaubte einer in ihnen vereint, bis er durch näheren Verkehr sich von ihrer kernigen Tüchtigkeit überzeugte. Schon während der ersten Besetzung Frankfurts durch die Franzosen 1792, denen die ganze Bürgerschaft und gerade die unteren Stände feindselig gegenüberstanden, wur- den in Sachsenhausen vereinzelte Stimmen laut, die sich der fremden ungebetenen Qäste freuten und die neufränkische Frei- heit und Gleichheit priesen; sie durften sich nicht an die Öffentlichkeit wagen. Im Laufe der nächsten Jahre wuchsen die Anhänger dieser Richtung; es lässt sich aber weder für 1792 ein Zusammenhang mit den Mainzer Klubbisten noch für später eine von auswärts kommende Agi- tation nachweisen. Die Bewegung war lediglich eine einheimische; Führer und Anhänger waren nur einfache Sachsen- häuser Spiessbürger, die beim ortsüblichen Äpfelwein die Probleme dieser und jener Welt lebhaft diskutierten. Sie waren in einer Lesegesellschaft vereinigt, deren Bücherei die Schriften der französischen und deutschen Aufklärung enthielt; das Bestehen dieses Lesevereins und der In- halt seiner Bibliothek sind charakteristiscli für das Streben dieser Kreise nach Ver- allgemeinerung der Bildung, ein Streben, das sich damals in den weitesten Kreisen der Reichsstadt bemerkbar machte. Die Führer gingen in ihrem Radikalismus immer weiter bis zum politischen Anarchismus und dem religiösen Atheismus. Die Agi- tation der Freigeister unter der Jugend stiess auf den energischen Widerstand der Altgläubigen, so dass es 1799 zu tumul- tuarischen Szenen in dem sonst so ruhigen Vorort kam und die Behörde zum Ein- schreiten genötigt wurde. Vor dieser stellten sich die Freigeister als harmlose, bildungsbedürftige Bürger vor; was die Gegner ihnen vorwürfen, seien teils Un- wahrheiten, teils Übertreibungen missver- standener Äusserungen einzelner ihrer Anhänger; ihr Ziel sei lediglich, ihre An- hänger aus dem Zustande dumpfer Un- wissenheit zur Aufklärung zu erheben und so zu nützlichen Bürgern heranzubilden; die jämmerlichen Schulen Sachsenhausens seien nicht geeignet, brauchbare Menschen zu erziehen. Aus der Vernehmung der altgläubigen Bürger, deren Aussagen trotz aller Erbitterung über die Klubbisten in ihrer vollständigen Übereinstimmung durch- aus den Eindruck der Wahrheit machen, ergab sich freilich ein ganz anderes Bild der An- und Absichten der Freigeister. Ihre Verteidigung war insofern recht ge- schickt, als sie sich dasselbe Ziel zuschrie- ben, welches damals die leitenden Männer Frankfurts, insbesondere der Schöffe von Günderrode und der Senior Hufnagel, ver- folgten: die Verbesserung des elenden Volksschulwesens, die Ersetzung der pri- vaten Quartierschulen durch öffentliche Anstalten. Die Behörde war so vernünftig, aus dem Sachsenhäuser Zwist kein Auf- hebens zu machen; auf eine Verfolgung der politischen und religiösen Schwarm- geister, die zu sicherer Verurteilung hätte fuhren müssen, ging sie nicht ein; sie durfte die beständig von den Franzosen bedrohte Stadt einer Erschütterung im Inneren nicht aussetzen. Durch kluge Vermittlung wurden die erbitterten Par- teien zu einer friedlichen Versöhnung be- wogen; sie wurde am 21. August 1799 nach guter Sachsenhäuser Art in einem Volksfeste besiegelt und hat sich als dauerhaft erwiesen. Die Sachsenhäuser haben sich in den bewegten Zeiten, welche auf dieses lokale Intermezzo folgten, stets als treue, zuverlässige Bürger bewährt: diese Zeiten waren allerdings recht dar- nach angethan, die Schwärmerei für die Franzosen und für ihre Beglückung der Nachbarvölker zu ersticken. Am 6. März sprach Herr Hofrat F. K o f - 23 1er aus Darmstadt über die im Herbst vori- gen Jahres von ihm aufgedeckten Hügel- gräber der Bronzezeit im Kranich- steiner Park. Durch die Vorzeigung der wichtigsten Funde aus dem Darm- städter Kabinets-Muscum, zu der S. K. H. der Grossherzog von Hessen den Redner ermächtigt hatte, erhielten die gediegenen Ausführungen des Vortragenden eine höchst interessante Erläuterung. Herr Hofrat Kofier gedenkt an anderer Stelle nähere Mitteilungen über seine Forschungen zu machen. — 63 — . 24. Den Vortrag am 20. März hatte Herr BibliothekarDr.H.vonNathnsius-Nein- stett übernommen; er behandelte das neue Frankfurter ürkundenbuch und seine Bedeutung für die städt- ische Geschichtsforschung. Es ge- nügt, an dieser Stelle auf die Besprechung des Werkes, dessen erster Band jetzt vor- liegt, zu verweisen, welche die West- deutsche Zeitschrift demnächst aus der Feder des Herrn Dr. von Nathusius brin- gen wird. 25. Am 16. April veranstaltete der Verein gemeinschaftlich mit dem Frankfurter Architekten- und Ingenieur - Verein und dem Freien Deutschen Hochstift einen Vortragsabend, an welchem Herr Archi- tekt Dr. J. Hülsen unter Vorführung zahlreicher Lichtbilder über die jüngsten Ausgrabungen in Milet (Kleinasien) sprach; der Vortragende hatte im Laufe des Winters an diesen von der General- direktion der Kgl. Museen in Berlin ver- anstalteten Ausgrabungen selbst mehrere Monate mitgewirkt- Auch über den nähe- ren Inhalt dieses vor einem äusserst zahl- reichen Auditorium gehaltenen Vortrag muss auf die künftige Veröffentlichung der Ausgrabungsleitung verwiesen werden. I Oolgemäldo I Citca 200 Stiick hochfeine antike Portraits, Landschaften, Stillleben etc., und eine Anzahl neuerer und moderner Gemälde gebe ganz billig ab. Photo- graphien gegen Forto. O. Knbach, Stuttgart, Blumenstr. 2. G. Eichler; K u n s t a n St al t, ■■■■ gagrflndet ISüä ■■■■ BerUn HW., Alt-Voabit 133. W. Autike, BenaiBsance- und moderne Bkulptnren nach Original-Abformungeu, in Elfenbein -Masse nud Gips. Spezialität: Bronze-Imitatiunen, schönster Ersats für echte Bronzen Neuer 111. KaUlog 1900 gfgen 10 Pfg-Mark« SiFbernes Stehkreuz mit Christus von Benvenuto Cellini 1551 (43 cm liocli) wird dem Verkaufe ausge- setzt. Photographie gegen Einsendung von 1,50 Mk. 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Fat Abonnantau dar Waatdaatsoban Zaitsohrift 1 Hk. 20 Pfg. Alla Bnchhandlangan nahman hiaranf Baatallongan an. Verlagsbuchhandlung von 2^- Sixo^z in Txiar. Jaoob Linti, YarlagtbnobJiandlimg nnd Baohdruokaral in Tfftr. VocrdMiMiM ■. RömlMlit Ztit ndlglflrt Ton HtCtiMT, Masetunadirector, Tritr. Mlttolalttr wnä NMzdt r«digi«vl TOD Hanttn, ArohlTdirektor, K5ln. der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst, iQl^leiek Orgui der kistorisek-tBtiqurisekei Yereiie ii Birkeifeld, Diweldorf, Fraik- firt ft. IL, Karlsrike, Maiu, Meti, Neise, PriM, Speyer, Trier, Woms, lowie des Mitkropologiiekei Yereiit ii Stitt^art ♦ Mai & Jni. Jahrgang XXI, Nr. 5 nnd 6. 1902. Dm KozzMpond«nabl«tt «nohsinft in «intf AnlUg« toii 3O0O BK«mpl«r«n. Iniarftt« k 85 Pfg. für die gesjpAlften« Z«ile w«rd«]i tob der YtrlAgihandliiag und »llen Inaeratan-Bor«»» «ngsnommtn, Beilngcn nneh üebsrtinknnft. — Die Zeitiehrifl moheinft TlertelJUirlieh, da« KoRMpondenablett monatUoh. — ▲bonnementepreii 16 Mnrk fOv die Zeiteohrifl mit KorreepondeneblAtt, für letsteree ellein 6 Mnrk. il9^ Beiträge fOr die rorrOmitohe n. römische Abteilung eind en Prof. Htttnw (Trier, Fror.-Masetun), fOr Mittelalter nnd Neneeit an Prof. Hanton (KOln, Btadtarohir) an eenden. Neue Funde. 26. Wiesbaden. [RSmieohe Funde.] Um- fangreiche Erdausscbachtungen für einen Strassendurchbruch und daran sich an- schliessende wissenschaftliche Ausgrabun- gen des Museums lieferten während der letzten Monate interessante Ergebnisse, über welche ein kurzer vorläufiger Bericht jüngst in den Mitteilungen des Nassauischen Altert.- Vereins 1902 Sp. 13 flf. veröffentlicht ist. Danach fanden sich zunächst, einige Meter hinter dem noch bis zu einer Höhe von ö'/s m erhaltenen Teile der sog. „Hei- denmauer" auf dem alten Friedhofe, Fun- damente eines römischen Gebäudes, welche von der genannten 3,20 m starken Mauer teilweise überbaut waren. Da dies Gebäude nach den zahlreichen in seiner Nähe und in ihm gefundenen Gefässscherben bis in die Zeit der Zerstörung der rechtsrheini- schen Limes-Anlagen durch die Germanen, bald nach d. J. 250, in Benutzung gewesen ist, so ergab sich für die Erbauungszeit der Heidenmauer ein noch späterer Termin. In der Nähe fand sich noch ein kleiner auf der linken Seite beschädigter Altar mit der Inschrift 0 t. 9 ^ O M F L A V I V S A LL I C VS p R O • d V I S V. S • L • L* M also in Umschrift [Jfovi] oCptimo) mfaximoj [TfitusJ] Flavius [GJaUicua [p]ro suis [vfotumj] sColvüJ IfibensJ l(aetusj m(erüo). Weiterhin stiess man auf mannigfache Mauerzüge römischer Gebäude und etwa » 24 m hinter der Heidenmauer auf ein in den natürlichen Fels eingebautes Mithras- heiligtum, dessen Speläum im Lichten eine Länge von etwa 7 m und eine Breite von etwa 6 m hatte. Wenn auch die grosse Basreliefplatte mit dem Eultbilde nicht mehr vorhanden war, so fanden sich doch noch mehrere Altäre zum Teil „in situ'' an den Seiteinwänden der Cella. 1. Altar aus feinem grauen Sandstein, 78 cm hoch, am Sockel noch Spuren farbiger Bemalung, trägt die Inschrift I N • H • D • D D • I • M c • vl'\ hl o i'/'7 I V s I V P V I V also: in hfonorem) dfomusj dfivinaej B(eo iCnvictoJ MfithraeJ Cfaius) Va[r]0' nius LuptdufsJ [ex-voto?] 2. Mehrfach gebrochener und bereits im Altertum mit eingebleiten Klammem geflickter Altar, von dessen Vorderseite nur der untere Teil sich gefunden hat, mit den Resten der Inschrift: -NIOCOS-PhR MIT'EN'E VARONIOLV PVLO IN S VO — 67 — - 68 - und aaf dem Sockel nochmals in grösseren Buchstaben in s v o • Die Konsulats- angabe lässt sich wohl mit Sicherheit auf das Jahr 218 ergänzen, in welchem Ocla- tinius Ad?[entu8 mit dem Kaiser die Fasces führte. 3. Wohierhaltener Altar aus schlechtem bröcklichen Sandstein, 75 cm hoch: IN • H • D • V DEO SOLI INVIC TOC'SILVINIVS M A "E R N I N VS-T; • L ADIVTORIVS AT TILLVS-'E'C'VET TINIVS PATERNVS V ^ • LEG* Xxli • V • S L • M • PERMITTN li'VARONlOLVP V L O • I N S V O Ausser einer leider nur zum kleinen Teil erhaltenen Platte aus weissem krystal- linischen Marmor mit interessanter In- schrift seien noch erwähnt die Bruchstücke eines kleinen Altärchens aus feinem weissen Kalkstein, auf welchem die Figur des Fackelträgers mit erhobener Fackel in einer flachen Nische dargestellt war, da- runter die Inschrift DEO IN [vicio] M I L E S P I V [»7 Ein in Material, Schrift und Maassen völlig übereinstimmendes kleines Bruch- stück mit derselben Inschrift ist bereits i. J. 1865 in der Heidenmauer vermauert vorgefunden worden; es kann nur dem Gegenstück des jetzt gefundenen Altär- chens, den Fackelträger mit gesenkter Fackel darstellend, angehören. Dieser Umstand ist besonders wichtig, weil sich mit seiner Hülfe ein ziemlich sicherer An- halt für den Zeitpunkt der Erbauung der „Heidenmauer'* gewinnen lässt. Der Be- fund im Mithräum zeigte nämlich, dass dasselbe nach seiner Zerstörung durch Brand nochmals systematisch durchwühlt und dann mit einer dicken gleichmässig sich hinziehenden Schotterschicht, welche vom Mauerabbruch herrührte, bedeckt war. Der Fund in der Heidenmauer lehrt, dass diese Durchwühlung stattgefunden hat zum Zwecke, Baumaterial für die Heidenmauer zu gewinnen« Da in der lockeren Schotter- schicht sich zwei Mittelerze des Qalerius, sowie eines des Diocletian fanden, die durch die erhaltene Schärfe der Prägung und die Erhaltung des Silbersades sich als nur kurze Zeit in Verkehr gewesen erwiesen, so ist daraus zu schliessen, dass die Erbauung der Heidenmaner wenige Jahre nach d. J. 298, in welchem die ge- nannten Münzen geprägt sind, also kurz nach 300 erfolgt sein muss. Dazu stimmt auch der Befund an Scherben in den oberen, über dem bereits ausgefüllten Mithräum sich hinziehenden Brandschich- ten, in welchen auch eine Anzahl Ziegel- bruchstücke zu Tage kamen, deren Stempel auf Truppenteile des 4. Jahrh. bezogen werden dürfen. Ebenda gefundene Klein- erze des 4. Jahrb., darunter noch ein solches wohlerhaltenes, von Kaiser Valens bestätigen, dass noch lange nach d. J. 300 die Römer in Wiesbaden hinter der neu errichteten Befestigung sich behauptet haben. Wie weit freilich diese jetzt für Wies- baden mit Sicherheit erwiesene spätzeitige Anwesenheit der Römer auch für andere Plätze des rechtsrheinischen Gebietes an- genommen werden darf, muss eine in Hin- sicht der Fundumstände und -angaben allerdings sehr kritische Betrachtung des vorhandenen Fundmateriales lehren; für die Gegend von Heidelberg ist die Thatsache ja durch den spätzeitigen Reiter- grabstein des ezplorator gesichert; bezüg- lich der Verwertung der angeblich nicht selten in und bei Limeskastellen und im Limesgebiete gefundenen Münzen des 4. Jahrh. für geschichtliche Schlussfolgerun- gen scheint aber bis auf Weiteres Vorsicht dringend geboten. Wiesbaden. Ritterling. Birkenfeid. [Rönisohe Ansiedelmii]. 27. Von der Strasse, die die Stadt Birkenfeld in südlicher Richtung mit Bahnhof Birken- feld-Neubrücke verbindet, zweigt sich in . der Nähe des letzten Hauses nach Süd- westen, bald zum Braoneberg aufstrebend, der Weg nach Ellweiler ab. 300 Schritte südlich von der Wegscheide durchschnei- det die Neubrücker Strasse erst einen Ausläufer des östlichen Teiles des Braune* — 69 — — 70 — bergs, des Otzenthalkopfes, und zieht sich dann am Fusse desselben hin. Der untere Teil des Abhangs ist Wiesen- und Acker- land and befindet sich seit etwa 100 Jah- ren im Besitze der Familie Emmerich; daher heisst der Otzenthalkopf im Volks- munde Emmerichsberg. Bis zur Franzosen- zeit waren die erw&hnten L&ndereien herr- schaftliches Eigentum und gingen damals bei dem Verkaufe der Domainen durch die französische Regierung in Privatbesitz Qber. Die VolksGberlieferung nun, dass am Emmerichsberg ein Kloster gestanden habe, lenkte die Aufmerksamkeit des verstorbenen Gymnasialdirektors Back auf diese ört- lichkeit. Es hatten sich n&mlich an den Orten im Fürstentum, an denen der Name Kloster haftet, bei n&herem Zusehen überall römische Geb&udereste gezeigt. Back er- fuhr durch Erkundigungen bei der er- w&hnten Familie E., dass in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als man den Acker anlegte, beim oberen Ende Mauerreste und Ziegel, namentlich auch runde Ziegelplatten von ungefähr 20 cm Durchmesser gefunden worden seien. Da- durch veranlasst, besichtigte Back, be- gleitet von dem Schreiber dieser Zeilen, die Stätte. Da der frühere Acker später Wiese geworden war, so konnte man hier nichts Bestimmtes feststellen; aber auf der Oberfläche des nach Norden anstossen- den Ackers zeigten sich unter zahlreichen Ziegelbruchstücken solche von unverkenn- bar römischer Herkunft. Auf Grund dieser Ergebnisse durfte man wohl schliessen, dass eine römische Niederlassung daselbst gestanden habe. Volle Gewissheit vom römischen Ur- sprünge der Siedelung brachte eine erneute Besichtigung der Örtlichkeit in diesem Frülgahr. Der schon erwähnte, an die Wiese anstossende Acker war im ver- gangenen Herbste tief aufgepflügt worden. Und nun starrte seine Oberfläche geradezu von Zeugen der römischen Vergangenheit. Bunt durcheinander lagen da Stücke von römischen Dachziegeln, sowohl Hohl- als Falzziegeln, von Plattenziegeln und Wand- ziegeln mit gewundenen Billen, die zum TeÜ noch den Verputz an sich trugen; ausserdem fand ich in Stücken Rundziegel von 3—4 cm Dicke und 17 — 18 cm Durch- messer, die jedenfalls zu Hypokaustpfeilem gehört hatten; diese Fundstücke waren von besonderer Wichtigkeit, weil ja bei der Erstanlage des Ackers bezw. der Wiese neben Mauerresten besonders runde Ziegel- platten von ungefähr 20 cm Durchmesser aufgefkllen waren; femer fand ich Bruch- stücke von Estrich mit Ziegelmehl, von rotem und besonders grauem Sandstein, der in der nächsten Umgebung nicht vor- kommt, und von Schieferplatten, die nicht von einer modernen, wohl aber von einer römischen Dachbedeckung herrühren könn- ten ; schliesslich eine Menge Scherben von grossen und kleinen antiken Gefässen und solche von gelbroter und dunkelroter terra sigillata, darunter ein Bruchstück vom Rande einer Tasse mit Ranken Verzierung. Es ist somit zweifellos, dass das Ge- bäude, von dem vor 60 Jahren Reste ge- funden wurden, in der römischen Zeit erbaut worden ist; wahrscheinlich war es ein Landhaus. Die Lage war jedenfalls für eine villa rustica sehr geeignet. Wäh- rend die Niederung zwischen Stadt und Emmerichsberg ein rechter Tummelplatz für alle Winde ,ist, wird die Stelle, wo man das Landhaus annehmen darf, durch Anhöhen gegen Westen und Norden ge- schützt. Auch an Wasser für Menschen und Tiere fehlte es nicht; denn unweit fliesst der Birkenfelder Bach, und auf der der Höhe und im Hange des Emmerichs- berges treten reiche Quellen zu Tage. Ausserdem ging eine römische, bezw. vor- römische Strasse in der Nähe vorbei. Es ist der schon erwähnte Weg nach dem Dorfe Ellweiler; er war bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts Poststrasse nach St. Wendel und kam einst von Burg Birkenfeld her, wo ein grosser Urnenfried- hof aus der römischen Kaiserzeit aufge- deckt worden ist (Korrbl. XI, 96). Baldes. Chronik. Ranatus Karl Fralh. v. SaMkanbarg. Featsohrift 90 der Gi«tt6n«r UniTeraiMt, rerfaut von Herrn. Haupt, Oberbibliothekar. Gietten 1900, T. MOnohow'sohe Hof* n. UnirertitAta- buchbandlting. Das Denkmal der Pietät, das hier ei- — 71 — 72 nem hochherzigen Wohlthäter der Gieasener Universitätsbibl iothek an seinem hundertoten Todestage (18. Okt. 1800) geseUt wird, hat nicht nur mit Rücksicht auf S's. Persön- lichkeit, sondern aach kalturgeschichtlich ein grosses Interesse. Renatus Karl, geb. zu Wien i. J. 1751, war der Sohn des ausgezeichneten aka- demischen Lehrers und nachmals ,rühm- lieh bekannten* Reichshofrats Heinrich Christian v. Senckenberg, über den sowie seine beiden BrUder uns Goethe in , Wahr- heit und Dichtung* (Ii) eine treffliche Schilderung gibt. Nach dem Tode des Vaters, der seine Erziehung mit Strenge geleitet hatte, widmete er sich in Göttin- gen und Strassburg dem Studium der Rechtswissenschaft und wurde Herbst 1772 Praktikant am Reichskammergericht zu Wetzlar. Nachdem er den dortigen Auf- enthalt durch einen achtmonatlichen Auf- enthalt in Italien in angenehmer Weise unterbrochen hatte, trat er zu Anfang d. J. 1775 als Assessor in den landgr&f- lieh hessischen Staatsdienst zu Glossen, wo er sich zwischen Akten, Studien und dem Verkehr mit einem ihm zusagenden Freundeskreise recht glücklich fühlte und durch Verheiratung mit einer entfernten Verwandten einen eigenen Hausstand grün- dete. Aus dieser behaglichen Häuslich- keit riss ihn plötzlich sein Eingreifen in das Gebiet der Politik. Die Ansprüche, die Österreich durch einen Vertrag mit Karl Theodor zu An- fang d. J. 1778 auf beträchtliche Teile Baierns erlangt hatte, stützten sich auf eine Belehnungsurkunde Kaiser Sigismunds zugunsten Herzog Albrechts yon Öster- reich aus dem Jahre 1426. Als der Krieg unvermeidlich schien, hielt Renatus es für eine Gewissenspflicht, eine Urkunde aus d. J. 1428, die er einst für seinen Vater kopiert, worin Herzog Albrecht gegen anderweitige Entschädigung auf seine baierischen Ansprüche Verzicht geleistet hatte, der öfifentlichkeit zu übergeben. Für diese im Interesse des Friedens unter- nommene That traf ihn der Hass der österreichischen Staatsmänner. Als er sich gegen den Rat verständiger Freunde zur Rettung seines Vermögens nach Wien be- gab, wurde er als Verräter behandelt und in Haft gesetzt, aus der ihn die Fürsprache der Herzogin von Pfalz - Zweibrücken im folgenden Jahre befreite. Gegenüber den umlaufenden Verdächtigungen stellt Haupt fest, dass nur lautere Beweggründe Sencken- berg zu dem für ihn so yerhängnisTollen Schritte veranlassten. Nach seiner Rückkehr von Wien er- hielt er in hessischem Dienste wieder eine Anstellung, trat jedoch später aas und widmete sich ausschliesslich litterarischen Arbeiten, besonders historischen und rechts- wissenschaftlichen, die der Vf. eingehend charakterisiert. Neue Bahnen schlag er nicht ein, da er seiner ganzen Ersiehong nach zäh am Alten hing, den neuen Strö- mungen in der Philosophie und Litteratnr abhold war. Im übrigen war er ein Mann von edler, vornehmer Gesinnung, die er häufig im Leben durch Unterstützong junger Talente und beim Herannahen seines Todes durch eine für jene Zeit grossartige Schenkung an die Giessener Universität bethätigte. Er vermachte ihr seine reichhaltige aus 15000 Bänden and 900 Manuskripten bestehende Bibliothek, dazu 10 000 Gulden, deren Ertrag zur Hälfte für die Verwaltung, zur Hälfte für die Ver- mehrung der Bücherei bestimmt war, und ein geräumiges Wohnhaus. L. S. Adolphe KrafTt, Los Sermenta Garolingi«ns de 842 m k Strftstboarg «n Borna u et Tadeeqao, arec nonvelles interpr^tatlons lingnittiqnee et considörationa ethnographiqnet Paris, Leroax 1902. YIU und l&O 88. 8». Wort für Wort, man kann sagen Buch- stabe für Buchstabe, erläutert uns der Verfasser den romanischen und deutschen Text der Earolingischen Eide, die, weil sie in der Kathedrale zu Strassburg geschworen wurden, ihm Anlass geben, über keltische, vorkeltische und nachkeltische Verhält- nisse des Elsasses und seiner geliebten Vaterstadt, auch sonst über ethnographische Dinge und alles mögliche andere recht ausgiebig zu plaudern. Man stutzt über ganz haarsträubende Grammatikalien und Etymologieen , z. B. die Erklärung von sinemo bruodher Ludhuuige als sine n. o. bruodher „sein nachgebomer Bruder**, d. h. n. o. Abkürzung entweder für noh „nach** und otan altd. „genitus'^, — 73 — — 7i — oder noh oetlich von altd. atta, alt- böhm. Ott „Täter**. Über den Namen von Karls und Lndwigs Bruder Lothar be- kommen wir folgende Aaslassang zum besten. Ladher venant da latin Lotharius, dit Raynouard. Nous ne saurions admettre cette Etymologie. Gelle de M. Gastä, d'apr^s Mourcin, Leut herr, m^rite plns de consid^ration ; mais Schade donne Hlad hari (laut = yaillant, faeer = kämpf, d'oü kaempfer, combattant, — herr, h^ros, Imperator); nous voyons dans ce nom une id^e de sup^rioritE sur celui de Hlud wig, dont la premi^re racine est la m6me, — wig signifiant surtout guerrier, vir& (skr.), h^ros! vir. Lothaire Etait Ph^ritier imperial et com- battait, il ne faut pas l'oublier, pour ses Prärogatives Mais 11 est urgent de remarquer, ' surtout pour la seconde racine de Lud her , que par beer (encore Monsieur ou Seigneur en hollandais, arga (skr.) — beer, armäe, et herr en allemand), l'id^e d'arm^e Evoque celle d'imperator, titre que Lothaire re?endi- qaoit comme ainE des fils de Louis le DEbonnaire, alors que, comme futur h^ri- tier (her es) de Pempire, ce pr^nom seig- neurial, et non un autre, lui avait d^jä 4t4 donnE**. Das ist ja nicht ganz so toll wie das vorher angeführte und manches andere; aber es empfängt seinen beson- dem Reiz durch die Voraussetzung der Absichtlichkeit, mit der Eltern und Schick- sal Lothar seinen Namen geschaffen haben sollen, und es kann uns auf den Gedanken bringen, dass mit dem ganzen Buch viel- leicht nur eine Parodie beabsichtigt sei. Als solche ist es indessen nicht so amüsant, dass wir Herrn Adolphe Erafit nicht raten wfirden, sich die Absicht, uns noch weitere Schriften zu schenken (worin u. a. auch bewiesen werden soll, dass die Kelten doch wohl keine Indoeuropäer, sondern Mongolen sind) noch einmal recht reiflich za überlegen. a. on Hslnriah 8I0SI, Dia Famillaiinaman Wosals. Beitrag auT Namenkimd« des Niederrheins. Wes«!, C«rl Ktthl«r, 1901. Der Verfasser beschränkt sich in der Erklärung der Weseler Familiennamen nicht auf die Wohnungsanzeiger der letzten Jahre, zumal sich in diesen ein starker Wechsel der Bevölkerung bekundet; er ÜEtsst vielmehr seine Aufgabe mit Recht geschichtlich auf und weist nach, wie die Familiennamen Wesels im 13. Jahrb. ent- stehen (das älteste Beispiel eines festen Weseler Familiennamens gehört dem Jahre 1233 an), in diesem und dem folgenden Jahrb. noch im Fluss bleiben und gegen 1400 allmählich fest werden. Die Belege für diese Entwicklung aus den ältesten Urkunden sowie den Bürgerbüchern Wesels fuhrt er im Anhange seiner Schrift an und gibt hier auch Beiträge zur Stadtge- schichte Wesels. Für die sprachliche Er- klärung unterscheidet Vf. sechs Klassen von Familiennamen, sofern in ihnen 1. eine Bezeichnung des Standes und Gewerbes, 2. eine kennzeichnende Eligenschaft, 3. eine örtliche Herkunft oder Wohnung ausge- drückt wird oder sofern sie aus ursprüng- lichen Rufoamen hervorgegangen sind (die wichtigste und umfangreichste Klasse) und zwar 4. altdeutschen Namen, 5. biblischen und Heiligennamen ; die 6. Klasse umfasst alle sonstigen fremdsprachigen und einige nicht zu deutende Familiennamen. Auf dieser Einteilung beruht die Anordnung des ganzen folgenden Inhalts des Buches, in welchem der Verfasser in durchgreifen- der Weise die Erklärung von etwa 4500 Namen unternimmt. Bei diesem grossen Umfang kann es für die verdienstliche und wertvolle Arbeit GloSls keinen Ab- bruch bedeuten, wenn die eine oder an- dere seiner Erklärungen zweifelhaft bleibt und einige Namen eine näherliegende Deu- tung zulassen. So führe ich hauptsäch- lich auf Grund der Kölner Verhältnisse folgendes an. S. 12 möchte ich Wimmer lieber als aus Winimar entstanden erklären; hier in Köln ist Wimmer Vorname (vgl. Wimmer Hack in den Ratslisten und bei Höhlbaum, das Buch Weinsberg H. Bd.). S. 16 deute ich Bickmeyer als Meier am Bach, S. 20 Harköker als den Köker an der Haar (Anhöhe). S. 24 Offergeid be- zeichnet allerdings ursprünglich das in der Kirche geopferte Geld, dann aber das zu Neujahr an die Hausgenossen und das Gesinde, sowie an die Stadtbedientesten verteilte Geldgeschenk. S. 26 zu der End- — 70 — — 76 — «übe von Haaselkuss steckt wohl ein hausen (Hasslinghausen Kr. Hagen in Westf.?). S. 56 Ortschaften des Namens Auerbach verzeichnet Ritters geogr.-stat. Lex. im ganzen 13. S. 57 Triebt ist volkst. Abk. für Maastricht oder für Utrecht. S. 70 Krings bedeutet hier in Köln Quirins. S. 82 kann Heckers auch Gen. von Hecker = Winzer sein. S. 92 Düx erkläre ich = Deutz, S. 100 Loens als Gen. von Loen = Eligius. — Schliesslich sei noch her- vorgehoben, dass die praktische Brauch- barkeit des Buches durch ein umfassendes Gesamtverzeichnis in hohem Masse geför- dert wird, indem dieses das rasche Auf- finden der einzelnen Namen ermöglicht. Köln. Wiepen. 31. Die Inaugural- Dissertation von Johan- nes Schmitz: Die Gogeriohte im ehe- maligen Herzogtum Weatfalen (Münster 1901)^) sucht im Anschluss an die Unter- suchungen von Stüve, Stobbe und Schröder zunächst das Wesen des Gogerichts zu bestimmen und gibt dann eine brauchbare Übersicht Über die einzelnen Gogerichte im kölnischen Westfalen. Die Frage nach dem Ursprung der Gogerichte dürfte durch die Vermutung, dass sie eine den frän- kischen Zentgerichten analoge Einrichtung seien, noch nicht genügend beantwortet sein. Das Entscheidende ist meines Er- achtens, dass der Gograf aus der freien Wahl der Gogenossen hervorgeht. Er war wohl Organ einer Landfriedensgerichts- barkeit, die neben der Praxis der fränki- schen Grafschaftsverfassung in Übung war, in ihren Anfängen vor die Zeit der west- fälischen Städtegründungen des 12. u. 13. Jahrhunderts zurückreichend. Nachdem von Zallinger') als die spezifisch herzog- liche Gerichtsgewalt an dem Würzburger Herzogtum eine Landfriedensgerichtsbar- keit erwiesen hat, wird man den Gografen geradezu als Beamten der herzoglichen, den Landfrieden wahrnehmenden Gewalt auffassen dürfen. Gründeten doch die Erz- bischöfe von Köln ihre landesherrlichen 1) S. A. ans der Zb. fiir vaierlftndisoh« Ge- tcbiohta und Altartamskunde 59 (1901), Abt. II, 8. 93 ff. 2) Mitteilangen desIiiBtitats f ür Ostarreiofaisobe Qaaohichtaforichnng XI, 5S8 ff. Rechte hauptsächlich auf den Beaitz der Gogerichte (Schmitz S. 7) und b^egnet doch für die Gerichtsabgaben im Herzog- tum Westfalen mehrfach der Ausdruck hertzogenscfaofs (Schmitz 8. 27). Köln. Dr. 0. Oppermann. Der Dortmunder Stadtarchivar Prof, 32. Karl Rubel behandelt in einer Sonderaus- gabe der Beiträge zur Geschichte Dort- munds und der Grafschaft Mark Heft X (Dortmund 1901) Reichahöfe in Lippe-, Ruiir- und Diemelgeblete und am Hellwege. Die durch zwei Kartenskizzen erläuterten Untersuchungen fuhren zu der Feststel- lung, dass das Reichsgut in der genannten Gegend eine systematisch im Anschluss an bestimmte Strassen durchgeführte Anord- nung erkennen lässt. Von diesen Strassen- zügen läuft der eine die Ruhr aufwärts an der Sachsenfeste Hohensyburg vorbei über Brilon nach der Eresburg (bei den heutigen Städten Ober- und Niedermars- berg) ; der zweite, die uralte Romerstrasse die Lippe aufwärts, fährt über Paderborn zum Reichshof Höxter; der dritte, später der wichtigste, ist der parallel zwischen den beiden ersten über Steele, Dortmund, Soest nach Paderborn und Höxter laufende Hellweg. Auch Verbindungsstrassen sind durch die Lage von Reichsgut bezeichnet. Nach Meitzen (Siedelnngs- und Agrar- wesen I 523) sind die Dörfer auf dem Plateau des Hellweges, die sich mit Ge- wannen zwischen die sonst in ganz West- falen herrschenden Einzelhöfe einschieben, alte Marserdörfer, deren Agrarverfassung die einrückenden Brukterer beibehielten. Durch Rübeis Ergebnisse wird das nun völlig hinfällig. Überzeugend weist er nach, dass die Hellwegstrasse, die den Römern noch nicht bekannt war, erst von Karl dem Grossen im Winter 784/85 an- gelegt worden ist, um die Unterwerfung Sachsens zu sichern. Diese in ihren Wir- kungen die Jahrhunderte überdauernde That passt so gut zu dem Bilde des ge- waltigen Kaisers, dass man gern auch Rübeis weiteren Ausführungen folgt, welche für die Beziehungen von Dinant, Lüttich und Huy, mit einem Worte der Heimat des karolingischen Hauses, zu Sachsen und Dortmund den Ursprung in administra- - 77 - — 78 — tiven Massregeln Karls sucht. Zu S. 19 und 39 möchte ich bemerken, dass die angeblichen Urkunden Heriberts und Annos von 1019 bezw. 1074 (Lacomblet Urkunden- buch I Nr. 153 und 218) Fälschungen sind. Die ausgezeichnete Arbeit ist ein er- freulicher Beweis, wieviel Au&lärung wir noch von einer nach grossen Gesichts- punkten unternommenen Lokalforschung zu erwarten haben, und zeigt andererseits, wie leicht selbst Forscher wie Meitzen völlig irre gehen können, wenn sie die Einzelheiten der Überlieferung ausser Acht lassen zu d&rfen glauben. Allen, die ihre ortsgeschichtlichen Studien dem Fortschritt der Wissenschaft dienstbar machen wollen, kann Rübeis Untersuchung auch in metho- discher Hinsicht zum gründlichsten Studium nicht dringend genug empfohlen werden. Köln. Dr. 0. Oppermann. 33. In einer verdienstlichen Untersuchung über die Entstehttng der freien Erbieilie (Zeitschrift für Rechtsgeschichte Germ. Abteilung XXII. Bd. 1901 S. 181-245) scheidet Siegfried Rietschel zunächst scharf zwischen dei* Gründerleihe öffent- lichrechtlichen Charakters, die bei der Gründung neuer Ortschaften durch Ver- einbarung der Führer der Kolonistenge- meinde, der Locatoren, mit dem Grund- herrn entsteht, und der privaten Erbleihe, die für jeden Einzelfall in individueller Gestalt zu stände kommt und rein privat- rechtliche, vermögensrechtliche Wirkungen hat. Die Gründerleihe mit ihrer Schema- tischen Regelung der Verhältnisse will Rietschel als eine Weiterbildung der pri- vaten Erbleihe angesehen wissen. Die seither nur von Lamp recht (Deutsches Wirtschaftsleben I 891 ff.) und in Anleh- nung an ihn von v. Schwind (Zur Ent- stehungsgeschichte der freien Erbleihe 1891) ernsthaft behandelte Frage, aus welchen älteren Grundbesitzformen die private Erbleihe hervorgegangen ist, be- handelt nun Rietschel dahin, dass sie ihren Ursprung nicht in der Leihe zu Hofrecht, sondern in der älteren Leihe auf Lebens- zeit, insbesondere der Prekarie, hat. Dies allgemeine Ergebnis erleidet keine Ein- schränkung durch den Umstand, dass Rietschel, da er die Untersuchung von Eeussen über die ältere Topographie Kölns (Westd. Zeitschr. 20. Jahrg. 1901 S. 14— 86) noch nicht verwerten konnte, den Ver- hältnissen in dieser Stadt nicht völlig ge- recht geworden ist Nachdem sich her- ausgestellt hat» dass dem Kloster Gross - St Martin in der Parochie Klein-St. Martin, dem Brennpunkt des Kölner Handelsver- kehrs, thatsächlich ein Arealzins von Erz- bischof Everger (984—99) geschenkt wor- den sein muss (vgl. meine Ausführungen Westd. Zeitschr. 20. Jahrg. 1901 S. 139 ff.), kann kaum noch zweifelhaft sein, dass diese Rheinvorstadt durch Gründerleihe an- gelegt worden ist Eine Analogie bietet Gent, wo bereits im Jahre 941 dem Kloster St Bavo vom Stadtherm Grafen Arnulf der Grflnderzins im Marktviertel geschenkt wird (vgl. Des Marez, Etüde sur la pro- priät^ fonciäre dans les villes du moyen- äge S. 13 f., Rietschel S. 191). Rietschel selbst stimmt meiner Beurteilung der Kölner Verhältnisse seit dem Erscheinen von Keussens Aufsatz zu, wie er mir in- zwischen brieflich mitgeteilt hat. Köln. Dr. 0. Oppermann. GMtav Crooi, Zar EntUehnng dei ZanftweMni. 34^ DiMertatloB, Marburg. 1901. Der Verfasser bietet im Wesentlichen sorgfältige Untersuchungen über den Ur- sprung des Zunftwesens in jeder einzelnen Stadt, soweit einschlägiges Quellenmaterial vorliegt. Die Resultate fasst er nur ganz kurz zusammen. Daher muss auch die Kritik besonders auf die Einzelheiten gehen. Hier soll vornehmlich der auf Köln be- zügliche Abschnitt besprochen werden. Um zuvor kurz die Stellungnahme des Ver- fassers zu den grundsätzlichen Streitfragen zu erwähnen, so hebt Cr. mit Recht die 2 hauptsächlichen Faktoren der Zunftbil- dung hervor. Die Zünfte sind aus den gewerblichen Bedürfnissen der Handwerker selbst hervorgegangen, die uns bekannten gewerblichen Verbände haben aber fast alle bei ihrem Entstehen der obrigkeitlichen Anerkennung und des Zunftzwanges be- durft und sie gefunden. Gr. lehnt dem- nach im Anschluss an v. Below die aus den Quellen nicht erweislichen Hofrechts- und Gildetheorien ab, desgleichen den ur- sprünglich rein kirchlichen Charakter der — 79 — — 80 — Brüderschaften. Nicht immer hat Gr. der Yersuchong widerstanden, dem spröden Quellenmaterial zu viel abge¥rinnen za wol- len, und wir begegnen öfters einem nicht ge- rechtfertigten Jedenfalls" oder „zweifel- los". Cr. nimmt mit Recht die oben ange- deutete Entwickelung auch für Köln an. Manche seiner Behauptungen erwecken aber Widerspruch. Cr. nimmt (S. 10) als wahr- scheinlich an, dass die Weber vor 1826 das Recht zum Verkauf des eigenen Tuches gehabt und es nur von 1326—1862 an die Gewandschneider verloren h&tten. Er stützt sich dabei auf die bekannte Urkunde von 1149 und die Schreinsnotiz Mart. 3 I 36, wonach 2 Klassen von Webern ihre Er- zeugnisse selbst verkauften. Prüfen wir darum, welcher Art dieselben waren, (be- nannt werden die textores culcitrarum pul- vinarinm (venditores tegumentorum pulvi- narium) und die textores (venditores) pe- plomm. Erstere sind, wie schon Lau be- merkt hat, mit den sp&ter auftretenden Decklakenwebem identisch. Die übliche Benennung „Bettziechenweber" führt irre, indem man dabei an leinene Bettbezüge (lilachen) denken muss, während die cul- citre (deckelachen) wollene Bettdecken sind. (Vgl. besonders Heyne, Deutsches Wohn- wesen S. S. 111 ff., 262 ff.). Auch aus den späteren Ordnungen der Decklaken- weber geht hervor, dass sie wollene Decken und Teppiche webten. Bei dem anderen Webergewerbe, dem der textores peplo- rum, über dessen Auffassung Cr. zweifel- haft ist, darf uns die klassische Bedeutung des Wortes peplum als weites Oberkleid, gleichviel aus welchem Stoffe, nicht irre machen. Peplum hat im Mittelalter die Bedeutung „leinenes (auch seidenes) Kopf- tuch" angenommen (Belegstellen bei Du- cange, ferner bei Alw. Schultz, Deutsches Leben im 14. und 15. Jahrhundert, S. 286 bis 287, 297, 443)0- Auf diese Erzeug- nisse hat sich aber das Monopol der Ge- wandschneider nie erstreckt. Vielmehr geht es nur auf den Schnittverkanf des 1) Möglich ist «8, das« die Kopftnctaweber wie spftter die Strassbnrger Sohleier- und Leine- weberinnen aaoh Leinewand an anderen Zwecken webten. Wollen- und Leinentuches '). Es liegt also kein Grund vor, für das 12. Jahrhundert mit Cr. dieses Monopol zu bestreiten. — Warum das Gewerbe der Gewandschneider im Verhältnis zu dem der Weber ein neues sein soll (S. 10), warum ferner die ge- meinsame Verkaufsstätte der Gademen um 1149 Jedenftdls noch nicht bestand^ (8.(11), sehe ich nicht Qin. In letzterer Hinsicht beweist das von Cr. angezogene topographische Register in Hoenigers Kölner Schreinsurkunden das Gegenteil. Die ge- meinsamen Verkaufisstände der Wollen- gewandschneider einerseits (schon damals bei der Münze), der Leinengewandschneider anderseits werden häufig erwähnt. Auch das ist für mich nicht, wie für den Verfasser, zweifellos, ob die Verord- nung von 1159 (S. 11) sich auch auf die Zünfte bezieht. Fratemitates aut offida könnte recht wohl eine doppelte Bezeich- nung für die Sondergemeinden sein. Noch in der „Weberschlacht^, V. 431, ist von der broderschaf (Sondergemeinde) sent Briden die Rede. — Aus der Drechsler- urkunde von 1178 — 82 kann man wohl nicht mit Cr. (S. 14) schliessen, dass sich die Gesellen wahrscheinlich noch nicht von den Lehrjungen scheiden lassen, sondern dass (wie auch später gewöhnlich) nur eine Lehrgebühr, keine Gesellengeböhr erhoben wird. Für Trier, Coblenz, Augsburg, Magde- burg und andere Städte wehrt Cr. mit Recht die Ansichten ab, welche aus be- stimmten Arbeits-, Geld- oder Waren- leistungen oder vieldeutigen Worten wie magisterium auf hofirechtlichen Ursprung dortiger Handwerkerverbände schliessen wollen. — Die Mainzer Weberurkunde von 1099 wird von Cr. S. 30 ff. dahin ausgelegt, als ob es sich um die „Begründung einer Zunft^ handelte. Davon ist zwar nicht die Rede, man wird ihm aber soweit zustimmen können, dass das Bestehen einer Zunft sich aus der Urkunde ergibt — Hinsicht- lich der Wormser Fischerurkunde von 1106 8) Vgl. Lau, Kölner Verfaeeang und Verwal- tung 8. 232, dazu noch Quellen lur Geecfa. Kölns IV n. 128. Dort iat Gewandmaeher fdr Gewand- Schneider zu lesen. — 81 — — 82 — wird man Keutgen and Groon zugeben müssen, dass zwischen den 23 privilegierten Fischern ein genossenschaftlicher Verband bestanden haben kann. Eberstadt dürfte aber insofern recht behalten, dass sich aas der Urkunde die Gründung einer Zunft nicht erweisen lässt. Wenn Cr. zum Be- weise des Bestehens einer Genossenschaft sich (S. 34 und 35, Anmerkung 1) darauf beruft, dass jeder berechtigte Fischhändler die unberechtigten im Namen der Gesamt- heit aufgreifen dürfe, so scheint mir das auf einer falschen Deutung zu beruhen. Der Sinn scheint mir vielmehr dieser zu sein: Wenn sich beweist, dass ein Unbe- rechtigter Fische gekauft hat, oder er von den berechtigten Fischhändlern selbst beim Kaufe derselben betroffen wird, so sollen ihm die Fische weggenommen werden. Durch wen dies geschieht, wird nicht gesagt, am wahrscheinlichsten ist wohl, dass es wie später anderwärts in ähnlichen Fällen durch einen Gerichtsbeamten ge- schieht, umsomehr, da mit der Wegnahme der Fische deren Verteilung unter die Bürger (inter urbanos) unmittelbar zu- sammengestellt wird. Wenn demnach manche Ausfuhrungen des Verfassers nicht haltbar erscheinen, so hindert das nicht, dass wir in seiner Arbeit einen tüchtigen Beitrag zur Klärung des behandelten Problems begrüssen können. H. V. Loesch. 35. Zu den neolithisohen Spondylua-Sohalen. In einem von mir im April v. J. auf dem Verbandstage der süd- und westdeutschen Vereine für römisch - germanische Alter- tumsforschung in Trier gehaltenen Vor- trag über das Steinzeitgrabfeld von Flom- bom hatte ich bemerkt, dass nach einer Bestimmung von Prof. Fraas-Stuttgart der in diesen Gräbern gefundene Muschel- schmuck aus einer recenten Muschel, einer Spondylus-Art des Mittelmeeres, gearbeitet sei und nicht, wie Reinecke behauptet habe, aus einer vom roten Meere oder indischen Ocean herstammenden Spondylus- Schale. Es sei dies nach Prof. Fraas' Be- stimmung die Species Spondylus pictorum. Diese Mitteilung hatte ich ebenso sine ira, wie thatsächlich sine studio gemacht, da ich mir nie so eingehende conchylio- logische Kenntnisse eingebildet habe, um eine solche Frage entscheiden zu können, und ich musste mich hierin ganz auf Prof. Fraas' Bestimmung verlassen. War die- selbe falsch, so konnte mich keine Schuld treffen, denn ich hatte ja nur die Ansicht eines Fachmannes wiedergegeben. Trotz- dem findet Reinecke in einem in Nr. 10 des Korrespondenzblattes vom Jahre 1901 veröffentlichten Aufsatz, dass meine An- gabe ebenso kühn vorgetragen, wie völlig falsch sei. Namentlich, meint er, hätte ich mich mit den etwas ganz anderes ausdrückenden Äusserungen Virchow's und A. Makowsky's über die Species dieser Spondylusschalen , auf welche doch ein jeder zunächst zurückgekommen wäre, aus- einandersetzen müssen. Dazu hatte ich aber, wie aus Folgendem hervorgehen wird, gar keine Veranlassung. Ich hatte, wie ich in meinem Vortrage bemerkt habe, schon bevor Reinecke in Nr. 1 u. 2 des Korrbl. von 1901 die For- derung stellte, diese Muschelart unter- suchen zu lassen, unser ganzes Material an solchen Muscheln an Herrn Prof. Fraas geschickt, so namentlich die 3 grossen Spondylusschalen von Rheindürkheim und dem Adlerberg, sowie die Perle von Mölsheim, welchen ich dann später noch den aus den Flombomer Gräbern erhobenen Muschelschmuck folgen liess. Alle diese Stücke erklärte Fraas als von Spondylus pictorum des Mittelmeeres herstammend. Ich schrieb nun sofort, nachdem diese Bestimmung bei mir eingelaufen war, an Fraas und machte ihn aufmerksam auf die seiner Bestimmung entgegenstehenden Be- merkungen Reinecke's, wonach eine an- dere Species hier vorliegen sollte, die nicht im Mittelmeer vorkomme und er- suchte ihn, darüber im Korrbl. der westd. Zeitschr. etwas zu veröffentlichen und namentlich seine Meinung gegenüber den von Reinecke angezogenen Ansichten Virchow's und Makowsky's zu vertreten. Fraas schrieb mir darauf, er könne das jetzt nicht thun, denn er stehe direkt vor einer grossen Reise nach dem Westen von - 83 - - 84 - Nordamerika, ich könne mich aber auf seine Bestimmungen verlassen. Die von Reinecke vermutete Species könne hier nicht in Betracht kommen, da diese nie- mals die gewaltige Dicke erreiche, welche nach der Grösse der aus ihr geschnittenen Perlen angenommen werden müsse. Es könnte nur noch Tridacna in Frage kom- men, was jedoch unwahrscheinlich sei. Wenige Tage nach dieser Mitteilung er- wähnte ich in meinem Vortrage kurz das Faktum, die wissenschaftliche Auseinander- setzung über diese Frage den speziellen Fachgelehrten überlassend. Aus diesem Grunde führte ich auch die von Virchow und Makowsky herrührende Litteratur nicht an, besonders da Reinecke selbst sie kurz vorher in seiner Arbeit „Zur jüngeren Steinzeit in West- und Süddeutschland*' (Westd. Zeitschr. XIX, S. 286 Anm. 38) citiert hatte. Es wird nun wohl ein Jeder zugeben müssen, dass nach dem Vorhergegangenen meine Angabe nichts weniger als „kühn** gewesen ist, wie Reinecke behauptet, son- dern, dass ich mich im Gegenteil einer be- sonderen Vorsicht befleissigt habe. Ist aber die Thatsache trotzdem unrichtig, so kann mich keine Schuld treffen, da ich doch nur die mir als ganz zuverlässig übermittelte Bestimmung eines bekannten Fachgelehrten referiert hatte. Aber in diesem Reinecke'schen Elaborat tritt wieder seine auch kürzlich von Götze (Verband!, der Berliner anthrop. Gesellsch. Sitzung vom 16. Nov. 1901) treffend ge- geisselte Art der Polemik deutlich her- vor, auf falsche Voraussetzungen hin ein ihm passend erscheinendes Hindernis zu construieren, gegen welches er dann mit verhängtem Zügel und eingelegter Lanze todesmutig lossprengt. Er erwähnt des eigentlichen Spiritus- Rector's nur ganz kurz, um auf mich, den unschuldigen Teil, die ganze Schale seines Zornes auszuschütten. Aber das geschieht eigentlich wegen ganz anderer Vorkomm- nisse. In diesem Sinne ist auch seine Bemerkung zu verstehen: „welche Stücke speziell Prof. Fraas zur Untersuchung vor- lagen, verschweigt Eöhl''. Selbstver- ständlich lagen ihm alle bis dahin über- haupt erhobenen Stücke vor; das ist so natürlich, dass es gar nicht besonders hervorgehoben zu werden braucht. Denn wenn man ehrlich dazu beitragen wfll, eine Frage der Lösung näher zu bringen, dann stellt man doch selbstredend alles einschlägige Material zur Verfügung. Die Frage ist nun auch jetzt gelöst wor- den, denn auf erneute Anfirage meinerseits hat Prof. Fraas mir offen erklart, dass er zu seinem grossen Leidwesen durch eine falsche Etiquette der Stuttgarter Conchyliensammlung getäuscht worden sei. Koehl. Zur rhelnheasisohen Steininsohrift (Kor- 36. respondenzbl. 1901, No. 3). Das erste Wort dieser zweizeiligen von Körber veröffent- lichten Inschrift Gehvgi Diedenhes - Goi' inde Drvlinda - sonfiH scheint mir nicht Imperativ *memento' zum Verbnm^t^tf^^fn, sondern vielmehr Nom. Sing, des Substan- tivs mhd. gehüge stf., md. gehuge 'Ge- dächtnis, Erinnerung, Andenken' (Lexer), ahd. kehuge 'memoria' Graff 6, 792 za sein. Ich halte das wenigstens für stilrichtiger, obschon ein Imperativ nicht unbedingt aos- zuschliessen wäre. Die Ergänzung des Va- tersnamens ist wahrscheinlich Goißefrides)^ mit einem Bestände von 8 hinzukommen- den Buchstaben, was dem aus der vor- ausgesetzten Zeilenlänge von 53 cm (Kör- ber a. a. 0.) und aus der Länge des erhaltenen Stückes von 34 cm mit 18 Buchstaben und 2 Wortdistancen zu be- rechnenden Abgange von 11 Buchstaben 19 y 20 X = — ^7 — = 11 SO ziemlich entspricht. Ob nach *8on€8 noch ein frommer Wunsch, d. i. eine Entsprechung zu lat. sit et terra levis, oder aber zu mhd. dem got genad, ausgeschrieben oder in Kürzung gestanden habe, kann natürlich nicht gesagt werden, aus Gründen symmetrischer Verteilung ist es aber nicht gerade erforderlich, dass nach *8one8 überhaupt noch Text folgte. Den thatsächlich vorhandenen Text ver- stehe ich also 'memoria Diederici Gode- fridi et Drulindae filii' und vergleiche su seiner Einrichtung hinsichtlich des einlei- tenden Wortes mit folgendem Genitiv der Person (CIL 2, 1729 Memoria Q. Antotii C. F. , Gcd, Rogati, \i Decurionis. \\ Aug, — 85 — Gadiu, oder ebda. 1767 Memoria || M. An- tont \\ M. F, Lucani. Wien, 22. April 1902. von Grienberger. 37. Gesellschaft fOr Rheinische Ge- schichtskunde. (Vgl. Korrbl. XX Nr. 74). Seit der 20. Jabresversammlung ge- langten die nachfolgenden Veröffentlichun- gen zur Ausgabe: 1. Erläuterungen zum Qeschichtlichen Atlas der Rheinprovinz. Dritter Band: Das Hochgericht Rhaunen von Dr. Wilh. Fabricius. Bonn 1901. (Publi- kation XU). 2. Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter. Band II: 1100—1205, bearbeitet von Richard Knipping. Bonn 1901. (Publikation XXI). 3. Rheinische Urbare. Sammlung von Urbaren und anderen Quellen zur rheinischen Wirtschaftsgeschichte. Erster Band: Die Urbare von S. Pantaleon in Köln, herausgegeben von BennoHilliger. Bonn 1902. (Publikation XX). 4. Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv. Erster Band: 1294—1326, gesammelt und bearbeitet von Heinr. Volb. Sauerland. Bonn 1902. (Publikation XXIII). Der von Herrn Geheimrat Prof. L o e r s c h bearbeitete zweite Band der Weis tum er des Kurfürstentums Trier ist in Vorbe- reitung. Die Inventarisierung der kleinen Archive hat eine erhebliche Zahl von Weistümem zu Tage gefördert. Die Ausgabe der Rheinischen Ur- bare hat im Berichtsjahre gute Fort- schritte gemacht. Der Jahresversammlung kann der so- eben erschienene erste Band, die Urbare von S. Pantaleon in Köln, bearbeitet von Bibliothekskustos Dr. Hilliger in Leipzig, vorgelegt werden. Herr Privatdozent Dr. Kötzschke hat dem Vorstande vor kurzem das Manuskript der Werdener Urbare mit einer Dispo- sition über die von ihm geplante Einlei- tung übersandt. Die Überarbeitung des - 86 — Manuskripts für den Druck wird in kurzem beendet sein, sodass der zweite Band der Rheinischen Urbare voraussichtlich zu Ostern der Presse übergeben werden kann. Der Druck des im Manuskript nahezu abgeschlossenen zweiten Bandes der Aus- gabe der Landtagsakten von Jü- lich-Berg I. Reihe hat in Folge von Schwierigkeiten in der Druckerei noch nicht begonnen werden können. Der Her- ausgeber, Herr Prof. v. Below in Tübin- gen, hofft ihn aber im Laufe des neuen Berichtsjahres fertig stellen zu können. Herr Archivar Dr. Küch in Mar- burg hat die Bearbeitung des Materials für die Jülich -Bergischen Land- tagsakten II. Reihe aus der Zeit vor 1680 fortgesetzt. Ferner wurde von ihm durch einen 14tägigen Aufenthalt in München im Sommer 1901 das im Allge- meinen Reichsarchiv, im Staatsarchiv und in der Hof- und Staatsbibliothek daselbst befindliche Material seinem Umfange nach festgestellt und bezüglich der beiden letzt- genannten Institute auch bearbeitet. Die im Allgemeinen Reichsarchiv vorhandene Hauptmasse der auf die inneren Verhält- nisse von Jülich -Berg sich beziehenden Akten wird von ihm in Marburg bearbeitet. Der II. Band der älteren Matrikeln der Universität Köln konnte von dem Bearbeiter, Herrn Stadtarchivar Dr. Kens - sen in Köln, in Folge starker Beanspruch- ung durch andere Arbeiten nicht wesent- lich gefördert werden. Dagegen ist die Ab- schrift der späteren Matrikeln regelmässig fortgesetzt worden und liegt bereits bis zum Jahre 1695 kollationiert vor. Die Herausgabe der ältesten rhei- nischen Urkunden (bis zum J. 1000) musste im Berichtsjahre noch zurückge- stellt werden. Vom 1. April d. J. an ist aber ein erheblicher Fortschritt zu er- hoffen, indem Herr Dr. Oppermann in Köln in den Dienst des Unternehmens tritt. Da er bei seinen kritischen Studien zur älteren Kölner Geschichte sich mit dem Stoff bereits vertraut gemacht hat, so kann eine rasche Förderung der Ausgabe erwartet werden. Herr Dr. Oppermann hat gleichfalls die I. Abteilung der erzbischöflich- — 87 — — 88 — kölnischen Regesten (—1100) über- nommen, deren Bearbeitung durch den Tod von Prof. K. Menzel eine Unter- brechung erfahren hat. Der durch Herrn Archivar Dr. Knip- ping in Düsseldorf bearbeitete II. Band (1100—1205) ist im Berichtsjahre erschie- nen. Die Drucklegung des III. Bandes wird um Ostern beginnen können. Der Druck der Kölner Zunftur- kunden ist im Berichtsjahre ununterbro- chen gefordert worden. Der Text des I. Bandes liegt fertig vor; vom IL Bande sind bereits 19 Bogen gedruckt. Die um- fänglichen Orts- und Personen-, sowie Sachregister sind in der Ausarbeitung be- griffen. Ausser diesen werden noch meh- rere Tabellen (über die politische Gliede- rung der Zünfte seit 1396, über Eintritts- und Lehrgebühren u. s. w.) dem II. Bande beigegeben. Dem I. Bande beabsichtigt der Herausgeber, Herr Heinr. v. Loesch in Ober-Stephansdorf, eine Einleitung vor- auszuschicken, in der zunächst eine Über- sicht über das handschriftliche Quellen- material, über Herkunft, Gruppierung, Entstehungsweise der veröffentlichten Ord- nungen und sonstigen Schriftstücke geben wird. Weiterhin will er über die Aufzeich- nungen von Rats- und von zünftlerischer Provenienz, über die Rechtskraft der Amts- briefe und Zunftbeschlüsse und andere Fragen zusammenhängend handeln. In einem III. Bande beabsichtigt er eine eingehende Darstellung des Kölner Zunftwesens und Gewerberechts zu geben. Geschichtlicher Atlas de)r Rhein- provinz: Die von Herrn Dr. Fabricius in Darmstadt bearbeitete Karte der kirch- lichen Einteilung vor dem Ausbruch des 30jährigen Krieges ist im Stich so weit vorgeschritten, dass alle 4 Blätter im laufenden Jahre zur Ausgabe gelangen werden. Auf drei Nebenkarten sollen Provinzübersichten über den Besitzstand der Konfessionen im Massstabe 1 : 1000000 gegeben werden. Der zugehörige Text- band wird voraussichtlich im Herbst in den Druck gelangen. Von den vorbereitenden Arbeiten für die Territorialkarten des Mittelalters ist das Hochgericht Rhaunen von Dr. Fabricius als Band III der Erläuterungen im Be- richttyahre erschienen. Herr Archivar a. D. Forst in Zürich ist mit dem Ab- schlüsse seiner Arbeit über das Fürstentum Prüm beschäftigt; ein Teil seiner Unter- suchungen, die territoriale Entwicklung des Gebiets von der Gründung des Klosters bis 1576, erscheint augenblicklich in der „Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst^. Die Herren Archiv-Assisten- ten Dr. Meyer und Dr. Martiny in Kob- lenz haben zumeist urkundliches Material gesammelt, ersterer für die Grafschaften Manderscheid , Blankenheim und Gerol- stein, letzterer für das Kurtrierische Amt S. Maximin. Im Düsseldorfer Staatsarchiv haben die Herren Archivare Dr. Redlich und Dr. K nipp in g die Durcharbeitung der Weistümer und Beieitgänge fortge- setzt. Das femer in Betracht kommende Aktenmaterial über Hoheits-, Jurisdiktions- und Besitzverhältnisse, sowie über Grenz- streitigkeiten ist so umfangreich, dass es sich empfohlen hat, zunächst für kleinere Gebiete die Arbeiten zum Abschluss zu bringen; in Folge dessen hat sich Herr Dr. Redlich mit dem Lande Löwenburg, Herr Dr. Knipping mit dem Amte Rhein- berg beschäftigt. Die Sammlung des Materials für die Ausgabe von Akten zur Jülicher Poli- tik Kurbrandenburgs in den Jahren 1610—1614 ist im verflossenen Jahre zn einem vorläufigen Abschlüsse gekommen. Herr Dr. Löwe in Köln wird die ziem- lich vollständig vorliegende Korrespondenz des Brandenburgischen Statthalters und Geheimen Rates in den Jülicher Landen mit der kurfürstlichen Regierung in Berlin in den Mittelpunkt der Edition stellen. Er gedenkt die letztere im kommenden Jahre in Angriff zu nehmen. Bezüglich seiner Arbeiten über den Buchdruck Kölns im Jahrhundert seiner Erfindung (bis 1500) berichtet Herr Bibliothekar Dr. Voulli^me in Berlin, dass er im vergangenen Jahre die Bibliotheken in Breslau, Dresden, Leipzig, Halle, Lübeck, Hamburg, Göttingen und Gotha besucht hat. Der Erfolg ermutigte nicht zu einer weiteren Ausdehnung dieser Reisen, da nur Breslau eine grössere Zahl — 89 — — 90 — von neaen Drucken lieferte. Der Bear- beiter hat daher noch einige einzelne Drucke aus Kopenhagen, Wien und Olmütz aufgenommen und alsdann die Sammlung abgeschlossen. Auch die historische Ein- leitung ist so ziemlich fertig gestellt, wo- bei der Kölner Bücherillustration beson- dere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Zu Anfang Februar hat die Drucklegung der Bibliographie begonnen; bei der Schwie- rigkeit des Satzes ist aber die Vollendung erst Mitte nächsten Jahres zu erwarten. Der Text zur Geschichte der Köl- ner Malerschule von Hofrat Professor Aldenhoven in Köln ist beinahe im Druck abgeschlossen. Er wird in aller- nächster Zeit zusammen mit der vierten Lieferung herausgegeben werden. Das ganze Werk wird damit seinen Abschluss erreichen. Von den Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv 1294—1431 ist der I. Band soeben erschienen ; er um- fiBksst die Jahre 1294—1826. Der U. Band ist bis zum 14. Bogen vorgerückt Dem I. Bande ist eine kurze historische Ein- leitung des Herausgebers Herrn. Dr. Heinr. Volb. Sauerland in Rom beigegeben. Der II. bis 1342 reichende Band wird die Orts-, Personen- und Sachregister über beide Bände enthalten ; er wird jedenfallB im Laufe des Jahres 1902 ausgegeben werden. Für die Fortsetzung ist das ganze an Quellenmaterial äusserst reichhaltige Pontifikat Clemens' VI. (1342—1352) be- reits bewältigt worden; das Gesamtergeb- nis stellt sich für diese Zeit auf rund 1200 Nummern. Herr Dr. Armin Tille in Leipzig hat im Herbste des vergangenen Jahres Übersichten über die kleineren Archive der Kreise Geilenkirchen, Erkelenz und Heinsberg bearbeitet. Die Verzeichnisse sind als Beilagen zu diesem Berichte ge- druckt. Nach dem Berichte von Herrn Prof. Giemen in Düsseldorf sind die Tafeln der grossen Veröffentlichung über die Romanischen Wandmalereien der Rheinlande fertig gedruckt; ihre Her- stellung soll bis zum 1. Mai ganz vollendet sein. Die Drucklegung des Textes wird sofort im Anschlüsse hieran erfolgen. Eine Ausgabe des Atlas vor der Drucklegung des Textes ist nicht beabsichtigt. Die Zahl der grossen Tafeln beträgt 62, die der farbigen Tafeln 20. Dem Erscheinen dieser Publikation darf also für Herbst 1902 entgegengesehen werden. Die Vorarbeiten für die Herausgabe der Kölnischen Konsistorialakten (Presbyterialbeschlüsse der deutsch -refor- mierten heimlichen Gemeinde in Köln) 1672 — 1596 durch Herrn Prof. Lic. Simons in Bonn sind im Gange. Die kollationierte Abschrift ist bis z. J. 1583 vorgeschritten. Ein beträchtlicher Teil gleichzeitiger Akten des Kölner Stadt- archivs wurde durchgearbeitet. DehknuUerstatistik der Bheinprovmz. Im Druck befinden sich das der Stadt und dem Landkreis Bonn gewidmete Heft und das erste Heft für den Regierungsbe- zirk Aachen, welches die Kunstdenk- mäler des Kreises Jülich enthält. Beide Hefte werden um die Mitte des laufenden Jahres erscheinen. Der Text des Siegkreises ist dem Ab- schluss nahe. Im Laufe des Sommers 1901 sind die Kreise Erkelenz und Geilenkirchen durch die Herren Dr. Renard und Dr. Frank bereist worden. Im Auftrage der Kommission hat Herr Dr. Armin Tille im August und September 1901 die Inventarisation der kleineren Archive in den Kreisen Erkelenz, Geilen- kirchen und Heinsberg vorgenommen. Die Gesellschaft für Rheinische Geschichts- kunde hat die Hälfte der Kosten über- nommen und veröffentlicht die Verzeich- nisse als Beilage zu ihrem vorliegenden Bericht. Die Vorarbeiten für die Beschreibung der Kunstdenkmäler der Stadt Köln sind stetig fortgesetzt worden. Die allgemeine, die Stadt betreffende Litteratur wird Herr Cand. phil. Kaspar Keller zusammenstellen. Eine Übersicht über die Ansichten und Pläne wird Herr Dr. phil. Krudewig im Anschluss an ein demnächst in den Mit- teilungen aus dem Stadtarchiv von Köln erscheinendes Verzeichnis bearbeiten. Herr - 91 — - 92 ~ Archivdirektor Professor Dr. Hansen wird eine Übersicht über die Bestände des Stadtarchivs und der kleineren in der Stadt Köln befindlichen Archive zusammen- stellen. Zahlreiche Aufnahmen von ein- zelnen Qeb&uden sollen von einem be- sonders angestellten Techniker unter Lei- tung des Herrn Stadtbaurats Heimann angefertigt werden. Die Beschreibung der Römischen Denkm&Ier, die Herr Oberlehrer Dr. Elinkenberg übernommen hat, schreitet rüstig voran. Mevissenstiftung. Wie im vorigen Be- richte mitgeteilt wurde, war sowohl für die zwei^ wie für die dritte der am 31. Januar 1901 f&lligen Preisaufgaben je eine Bewerbungsschrift eingegangen. Die vom Verfasser selbst als unvollendet bezeichnete Lösung der dritten Preisauf- gabe (die Qaue und Grafschaften im Um- fang der heutigen Rheinprovinz) konnte von der Wissenschaftlichen Kommission des Vorstandes nicht als Lösungsversuch angesehen werden, da sie den zweiten Teil der gestellten Aufgabe überhaupt nicht in Angriff genommen, vom ersten Teil die wesentlichen Untersuchungen über Gau- verfassung gleichfalls unterlassen und auch die Feststellung der Gaue und ihrer Grenzen nur teilweise versucht hatte. Der Vorstand hat von einem neuen Ausschrei- ben oder von einer Fristverlängerung unter diesen Umständen abgesehen. Die f&r die zweite Preisaufgabe (Auf- nahme und Ausgestaltung des gotischen Baustils in der heutigen Rheinprovinz bis zum Jahre 1350) eingegangene Bewerbungs- schrift ist durch fünf vom Vorstande er- nannte Berichterstatter geprüft worden. Auf Grund der von diesen erstatteten Be- richte hat der Vorstand einstimmig von einer Zuerkennung des Preises Abstand genommen. Folgende 3 neue Preisaufgaben sind ausgeschrieben worden: 1. Organisation und Thätigkeit der Brandenburgischen Landesverwaltung in Jülich-Kleve vom Ausgange des Jahres 1610 bis zum Xantener Vertrag (1614). 2. Die Entstehung des mittelalterlichen Bürgertums in den Rheinlanden bis zur Ausbildung der Ratsverfassung (ca. 1300). Verlangt wird eine systematische Dar- stellung der Wandlungen auf politischem, rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiet, welche die bürgerliche Kultur in den Rheinlanden seit dem 10. Jahrhundert heraufgeführt haben. Besondere Aufmerk- samkeit ist dabei der Verteilung und den Rechtsverhältnissen des Gmndbemtses so- wie den Wechselbeziebungen der Rhein- lande mit den Nachbargebieten, Tor allem mit der kommunalen Bewegung in Nord- frankreich und den Niederlanden zuzu- wenden. 3. Konrad von Heresbach und seine Freunde am Klevischen Hofe, mit beson- derer Berücksichtigung ihres Einflusses auf die Regierung der Herzöge Johann und Wilhelm. Bewerbungsschriften sind für 1 und 2 bis zum Bl. Januar 1904, für 3 bis zum 31. Januar 1905 an den Vorsitzenden ein- zusenden. Der Preis beträgt für jede der drei Aufgaben 2000 Mk. Badische Historische Kommission. 3& 20. Plenarsitzung am 15. und 16. Nov. 1901. Seit der letzten Plenarsitzung erschienen im Buchhandel nachstehende Veröffent- lichungen der Kommission: Badische Neujahrsblätter. N. F. Viertes Blatt 1901. Albert, P., Baden zwischen Neckar und Main in den Jahren 1803—1806. Heidelberg, C. Winter. Kindler von Knobloch, J., Oberba- disches Geschlechterbuch. H. Band, 3. Lieferung. Heidelberg, C. Winter. Obser, K., Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden. V. Band, Heidel- berg, C. Winter. Witte, H., Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg. H. Band, 1. u. 2. Lieferung. Innsbruck, Wagner. Stand der einzelnen Unterneh- mungen der Kommission. I. QueUen- und Begestenwerke. Von dem durch Privatdozent Dr. Gartellieri be- arbeiteten zweiten Bande der Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz wird die unter Mitwirkung der Hilfsarbeiter Dr. Eggers und Dr. Ried er fertig gestellte fünfte (Schlu8S-)Liefening — 93 - - 94 — im Laufe des nächsten Jahres ausgegeben werden. Die Arbeiten im Tatikanischen Archiv konnten wegen schwerer Erkrankung des Bearbeiters Kurt Schmidt im Be- richt^ahre nicht gefordert werden. Über die Fortführung der Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg hat Professor Dr.' Witte in Hagenau einen ausführlichen Bericht er- stattet, der als Beilage des Sitzungsberich- tes abgedruckt ist. Für den zweiten Band der Regesten der Pfalzgrafen am Rhein hat der Bearbeiter Dr. Sil Hb, unter Leitung von Professor Dr. Wille, einen grossen Teil des gedruckten Materials gesammelt und gedenkt diese Arbeit auch im nächsten Jahre fortzusetzen. Von der Sammlung der Oberrhei- nischen Stadtrechte wird das von Dr. Köhne, unter Leitung von Geh. Rat Prof. Dr. Schröder bearbeitete 6. Heft der fränkischen Abteilung, welches die Stadtrechte der Städte Wiesloch, Znzen- hausen, Ladenburg, Bretten, Gochsheim, Heideisheim, Zeutem, Eppingen and Box- berg umfassen soll, voraussichtlich im nächsten Jahre erscheinen. In der schwä- bischen Abteil u|ig bearbeitet Dr. Hoppeler in Zürich, unter Leitung von Professor Dr. Stutz, das Stadtrecht von Überlingen, Professor Dr. Beyerle das von Konstanz, Professor Dr. Roder das von Yillingen; die Bearbeitung der Frei- burger Stadtrechte übernimmt Stadtarchivar Dr. Albert, die der Weistümer Professor Dr. Stutz. Von den gleichfalls einen Bestandteil dieser Sammlung bildenden elsässischen Stadtrechten ist das von Stadtarchivar Dr. G^ny bearbeitete Stadtrecht von Schlettstadt bereits zum grössten Teil gedruckt und wird demnächst ausgegeben werden. Die Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden hat mit dem von Archivrat Dr. Obser bearbeiteten y. Bande ihren Abschluss erreicht; doch ist die Herausgabe eines Nachtrags- bandes beabsichtigt, der hauptsächlich auf Materialien beruhen soll, die sich im Privatbesitz befinden. Die Sammlung und Herausgabe der Korrespondenz des Fürstabtes Martin Gerbert von St. Blasien konnte infolge mehrfacher und längerer Abhaltung der Bearbeiter Geh. Rat Dr. von W e e c h und Archivassessor Dr. B r u n - ner auch in diesem Jahre nicht zu Ende gebracht werden. 17. Bearbeitungen, Die Vorarbeiten für die 2. Auflage des Topographischen Wörterbuchs des Grossherzogtums Baden wird Archivrat Dr. Krieger bis zur Mitte des nächsten Jahres abschliessen, sodass der Druck noch im Jahre 1902 beginnen kann. Die Neuausgabe des Wer- kes, dessen umfang 70—80 Bogen betragen wird, soll in 4 Halbbänden, je zwei in den Jahren 1908 und 1904, erfolgen. Den zweiten Band der Wirtschafts- geschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften hofft Prof. Dr. Gotheinin Bonn im Lauf des nächsten Sommers zum Abschluss zu bringen. Für die Geschichte der rheinischen Pfalz hat Professor Dr. Wille die Vor- arbeiten begonnen; zur Vervollständigung des Materials hat er für das nächste Jahr eine archivalische Reise in Aussicht ge- nommen. Die Vorarbeiten für den 5. Band der Badischen Biographien, dessen Her- ausgabe Geh. Rat Dr. von Weech und Archivrat Dr. Krieger übernommen haben, konnten zu dem ursprünglich in Aussicht genommenen Termin nicht zum Abschlüsse gebracht werden, da bisher nur ein Teil der Beiträge eingeliefert worden ist ; doch wird der Druck bestimmt im nächsten Jahre beginnen. Die Sammlung und Zeichnung der Siegel und Wappen der badischen Gemein- den wurde fortgesetzt. Der Zeichner Fritz Held hat im Berichtsjahre für 7 Städte und 219 Landgemeinden neue Siegel bezw. Wappen entworfen und aus den ür- kundenbeständen des Generallandesarchivs ca. 200 Siegel von Stadt- und Landgemein- den verzeichnet. Von der Veröffentlichung der Siegel der badischen Städte liegen für das zweite Heft, welches die Kreise Baden und - 95 - Offenburg umfassen wird, bereits die Probe- drucke vor. Von den vom Grossh. Statistischen Lan- desamt bearbeiteten historischen Grund- karten des Grossberzogtums Baden konnten die zwei fertig gedruckten Sektionen Mann- heim und Mosbach vorgelegt werden. Der Abschluss des ganzen Kartenwerks wird im Jahr 1902 erfolgen. III, Ordnung und Verzeichnung der Archive der Gemeinden, Pfarreien u. «. w. Die Pfleger der Kommission waren auch im abgelaufenen Jahre unter der Leitung der Oberpfleger Professor Dr. Roder, Stadtarchivar Dr. Albert, Professor Maurer, Archivrat Dr. Krieger und Professor Dr. Wille thätig. Vgl. darüber „Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission** Nr. 24. S. mi ff. Silbernes Stehkreuz mit Christus von Benvenuto Celllnl 1551 (43 cm hoch) wird dem Verkaufe ausge- setzt. Photographie gegen Einsendung von 1,50 Mk. Pfarrer Fricker, Ottmannshofen, Post Leutkirch, Württbg. G. Eichler, K u n s t an st al t» ■MB gegründet 1885 ■«■ B«rlln VW., Alt-Moabit 133. W. Antike, Benaiseance- und moderne BknlptiiroB naota Original- Abformungen, in Elfenbein -Masse und OipB. 8p«zlallt&t: Bronze-Imitationen, ■ohöniter Ereats für echte Bronzen — 96 — Neuer ill. Katolog 1900 gegen 10 Pfg-Marke. In unterfertigtem Verlag erschien als Er- gftDBungsbeft X aur Wettdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst: Bericht über den ersten Verbandstag der west- nnd süddeutschen Vereine für römisch- germanische Altertumsforschnng KU Trier am 11. und 12. April 1901. Preis 1 Mk. 60 Pfg. Für Abonnenten der Westdeutschen Zeitschrift 1 Mk. 20 Pfg. Alle Buchhandlungen nehmen hierauf Bestellungen an. Verlagsbuchhandlung von jac. Ülintz in Trier Wir kaufen und bitten um Angebot mit Preis- forderung : Englische ^^^i' <$:#$> <^(mt> Damenbildnisse in Schabknnst <9mt> «s^it^ Englische nnd Französische ^^^o <5»*' Farbendrucke nach Morland, Singleton, Smitb, Ward, Wheatley u. a. Berolinensia «s^st» <$^& Heidelbergensia und andere kulturgeschichtliche Dar- stellungen und Bildnisse inbesondere Brandenburg, und Rheinp£alz be- treffende, femer Kupferstiche «^^^ <5«^ Radierungen Holzschnitte <9»«> alter Meister wie Schongauer, van Hecken, Durer, Cranach, Beham, Aldegrever, Alt- dorfer, Rembrandt, Ruisdael, Ostade, van Dyck u. a. Die kgl. Hofkunsthandlung von ^Rul^ardt Berlin W.» Belireiistrasse £•»• I Oelgemäldo ! Circa 800 Stack ••lt«B« antik« uad TOr- zftl^lleb« mod«m« (letstere flberaue billig) sa Terkaufen. Photographien gegen Porto. O. O. Kuliaoh, Stuttgart, Blumenstrasse 2. In anterfertigtem Verlag ist erschienen und durch alle Buchhandlungen au beliehen: Die Religion des Römischen Heeres. Von Alfred von Domaszewski. Prelt 6 Hark. Yerlagsbacbbandlong von Jac. Lintz in Trier. Hierzu als Beilage: Limeeblatt 34. Jacob Linta, Verlagebnohbaadlung nnd Bnchdruokerei in Trier. VorrSmitoho H.RüinitGhe Zeit redigiert vun Nettner, Mneeumsdirector, Trier. ■ittelBlter und Neuzelt redigiert von Haneen, ArohlTdirektor, Kdln. der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst, smglekk Orf^n der hirtorisck-Mitiqiftrisf heu Yereiie im Birkeifeld, Disselderf, Frtik- fkrt a. M., Karlsrmhe, Mains, Mets, Neus, PriM, Speyer, Trier, Wom«, lewie de« antkropologisfhei Vereins sm Stittgart. ♦ Juli & Angmt. Jahrgang XXI, Nr. 7 und 8. 1902. Dm KorrMpondensblat* «reoheint in einer AniUge Ton 8000 Bxemplaren. Ineente k tb Pfg. für die gespaltene Zeile werden Ton der Verlagehandlung und allen Ineeraten-Bureaue angenommen, Bailagen naeh Uebereinknnft. — Die Zeiteohrift ereeheint rlertelJEhrlieh, dae KorreepondeneblatI monatUeh. — Abonnementepreis 15 Mark für die Zeiteohrift mit Korreepondeneblatt, fftr lotsteree allein 5 Mark. i^^ Beitr&ge für die TorrOmieohe u. rOmieohe Abteilung eind an Prof. Htttner (Trier, ProT.-Musenm), fOr Mittelalter und Neuseit an Prof. HanSM (KOln, StadtarohlT) bu eenden. Neue Funde. 39. Mainz. [Rom. Inschrift.] Als ich im vorigen Herbste veroahm, dass Herr Sani- tätsrat Dr. Wallenstein beabsichtige, auf seinem Qebiet an der Witzstrasse in Kastei bei Beginn des neuen Jahres einen Keller zu bauen, gab ich mich der frohen Hoff- nung bin, es möchten vielleicht neue Bruch- stücke von der grossen Marmor -Inschrift (Becker Nr. 126) zu Tage kommen, von welcher mehrere Teile bereits im Jahre 1856 in unmittelbarer Nähe gefunden wor- den waren. Diese Hoffnung erwies sich freilich als trügerisch, immerhin wurde ein interessantes Stück eines röm. Inschrift- steines entdeckt und von Herrn Wallen- stein in gewohnter Liebenswürdigkeit dem Museum geschenkt. Es ist roter Sandstein, rechts, links und unten abgebrochen, Höhe 16 cm, Br. 20 cm, D. (oben) 5,5 und (unten) 7,5 cm. Der Stein war ursprünglich rund und in der Mitte ausgehöhlt; der lichte Durchmesser betrug oben ungefähr 50 cm. Wozu er gedient haben mag, weiss ich nicht recht ; es liegt nahe an eine Brunnen- Einfassung zu denken, doch stimmt es dazu nicht recht, dass die lichte Weite nach unten zu bedeutend abnimmt, an dem erhaltenen Stück wächst ja, wie oben gesagt, die Dicke des Steines von 5,5 auf 7,5 cm, oder richtiger auf 10 cm, denn 2,5 cm sind hier durch (ursprüngliche) Abschrägung der Aussenwand verloren ge- gangen. Die erste Zeile der Inschrift r. ;I H D ;t I o c V P E I A N r ; steht auf dem oberen Rand des Steines, die drei übrigen stehen auf der runden Aussenfläche. Unmittelbar unter der letz- ten Zeile beginnt die erwähnte Abschrä- gung; sie beweist, dass nach unten zu nichts mehr fehlt. Die Inschrift lautet: ^A L I V *? • i* , Die erste Zeile scheint ei- ' nen Namen enthalten zu ' haben, am Ende stand S M, dazwischen ein Punkt. Z. 2 a. A. ist im Bruch noch eine Hasta sichtbar, hinter H steht kein Punkt, ebensowenig hinter D. — Z. 4 a. E. Stück ei- nes 0. . . . dUius M .,. [in] h(a Trttr*. — 105 — — 106 — gelungen. Gefunden auf der Wallrams- neustrasse. 6) Bruchstück eines in der Form gepressten blauen Glasbechers mit der Darstellung von Gladiatoren und Auf- schriften. 7) Elfenbeinbüch sehen in Form eines egyptischen Kopfes, fast genau ent- sprechend dem Heidenheimer Büchschen, abgebildet Obergermanisch-rätischer Limes Taf. III. Fig. 33. 8) Trinkhorn (Rhyton) in einen Hundekopf auslaufend, von 7 cm Länge, aus Bronce; vermutlich von der Statuette eines Laren. 9) Bronzebüste eines Knäbchens von sehr guter Arbeit und ausgezeichneter Erhaltung, von einem Gerät herrührend. Hettner. Chronik. 42. Geissner, die im Mainzer Museum befindlichen feineren Gefässe der augusteischen Zeit und ihre Stem- pel. Es ist ein in den beteiligten Kreisen schon oft empfundener Mangel des CIL., dasfl bei Veröffentlichung der Geföss- In- schriften auf die Form des Gefässes so gar wenig Rücksicht genommen wird oder vielleicht auch genommen werden konnte. Zar Beseitigung dieses Mangels soll die vorliegende Schrift einen Beitrag liefern. In alphabetischer Reihenfolge werden säiltt- liche im Mainzer Museum befindlichen Stempel der sog. arretinischen Gefässe (ungefähr 250), sowie der „belgischen" und „terra nigra" - Gefässe (etwa 100) aufge- zählt und fast alle auf vier Lichtdruck- Tafeln nach vorzüglichen Photographieen Neebs abgebildet. Soweit dies möglich ist, wird überall die Form des betr. Gefässes besprochen und auf einer weiteren — fünften — Tafel durch Abbildungen er- läutert. Ich zweifele nicht, dass diese fünf Tafeln allen Forschern auf diesem Gebiete sehr willkommen sein werden. Die bei jedem Stempel gemachten Angaben über Fundort und Datum des Fundes sollen hauptsächlich der örtlichen For- schung dienen, aber auch noch in späteren Zeiten die sichere Feststellung des ge- meinten Stempels ermöglichen. Die zu- nächst als Programm des hiesigen Real- gymnasiums erschienene Schrift ist gegen Einsendung von M. 1 vom Vorstande des Mainzer Altertumsvereines zu beziehen. Herr Geissner hat die Absicht, auch die Stempel der gewöhnlichen Sigillata-Gefässe demnächst in ähnlicher Weise zu be- handeln. Mainz. Körb er. Hettitohe Blätter ffir Volktkvnde, herausgegeben 43. im Auftrage der Vereinigung für hessische Volkslfunde von Adolf Strack, Bd. I, Heft 1. Giessen, 1902, von^Münchow'sche Hof- und üniversitätsdruckerei Otto Kindt. Unter vorstehendem Titel tritt uns kein neues Unternehmen, sondern die Fort- setzung der seit d. J. 1499 unter derselben Redaktion erschienenen „Blätter für hes- sische Volkskunde' in neuem Gewände und verändertem Titel entgegen. Der Um- fang der Hefte wird vermehrt und erscheint in handlicherer und schönerer Gestalt. Die Hefte werden zwar gleich ihren Vor- gängern zwanglos erscheinen, die Redak- tion hofft jedoch, jährlich 3 in der Art des vorliegenden in Aussicht stellen zu können. Die politischen Grenzen werden fortan nicht ängstlich berücksichtigt, zumal sie mit den Stammesgrenzen der in sich wie- der verschiedenartigen Bevölkerung nicht zusammenfallen. Vor allem soll der Blick sich auf die grossen Zusammenhänge rich- ten, in denen das hessische Volksleben mitten drinnen steht; daneben sollen die Blätter zur Klärung der grossen Probleme auf dem Gebiete der Volkskunde beitragen. Das vorliegende Heft enthält Beiträge von den Professoren Herm. Usener, Bonn, Herm. Haupt, Albr. Dieterich, Paul Drews und Ad. Strack, Giessen. Den Schluss bilden „Bücherschau'' von Edward Schröder und geschäftliche Mitteilungnn. Da auf dem Gebiete der Volkskunde die Lokal- und Provinzialforschung noch ein weites, dankbares Arbeitsfeld zu be- bauen hat, bevor wir imstande sind, all- gemeine Schlüsse zu ziehen, so wünschen wir dem Unternehmen den besten Erfolg. L, S. In der Zeitschrift des Westpreussischen 44. Geschichtsvereins XLIV (1902), 243 ff. veröffentlicht 0. Günther die bisher un- bekannt gebliebene Selbstbiographie des aus Wiesbaden gebürtigen rheinischen Hu- manisten Dr. Christophorus Heyl, einos - 107 - — 108 - Mannes, der als Rektor des Elbinger Gym- nasiums und als Stadtphysikas in Danzig um die Mitte des 16. Jahrb. eine Rolle gespielt bat. Der kurze Lebensabriss, den L. Neubaur in der Beilage zum Programm des Elbinger Realgymnasiums von 1897 aus anderen Quellen mübsam zusammen- gestellt batte, wird durcb diese vom Her- ausgeber mit guten Anmerkungen ausge- stattete Selbstbiographie aufs glücklichste ergänzt. Für die westdeutsche Schulge- schichte sind namentlich die eingehenden Nachrichten über den unstftten Schulbe- such des Wiesbadener Schneidersohnes von Interesse, der von einer Schule zur anderen wandernd seine Bildung erwei- terte. Ks. 45. In den Verhandlungen des Na- turhistorischenVereins der preuss. Rheinlande, Westfalens und des Regierungsbezirks Os- nabrück 58 (L901) S. 203—225 ver- öffentlicht C. Binz eine akademische Rede über den (im J. 1401 geborenen) Cardinal Nicolaus von Cusa, welche besonders den Verdiensten Cusas auf mathematisch- na- turwissenschaftlichem und geographischem Gebiete eioe zusammenfassende Betrach- tung widmet. 46. Die Studien über Caesarlus von Hei- sterbach erfahren eine wesentliche Förde- rung durch die sorgfältige Bibliographie, welche Ant. Schönbach diesem frucht- baren Schriftsteller gewidmet hat (Studium zur Grzählungslitteratur des Mittelalters. IV. Über Csesarius von Heisterbach I: Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, philosophisch- historische Klasse, Band CXLIV,ix). Seh. gibt einen kritischen Neudruck des von Csesarius selbst verfassten Kataloges und vergleicht ihn mit der uns erhaltenen Über- lieferung. Auch für die zeitliche Fixie- rung der Schriften des C. gelangt Seh. zu neuen Ergebnissen. Eine dankenswerte Beigabe bilden die Erzählungen aus den Homilien, welche nicht im Dialogus mira- culorum enthalten sind. Eine Ausgabe der Schriften des Csesarius ist ein Desiderat der rheinischen Geschichtsforschung, um so mehr als die Strange'sche Ausgabe des Dialogus kritischen Ansprüchen nicht ge- nügt. Vielleicht nimmt sich A. Meister der Angelegenheit an, da er dem Stoffe durch seine kürzlich erschienene Ausgabe der Fragmente der Libri VIII miraculorom näher getreten ist. Ks. Die Bibliothek der KHIner ArtistMfa- 47. kultät. In der Westdeutschen Zeitschrift 18, 319/320 habe ich die eigentümliche Geschichte der ersten Schenkung, welche diese Bibliothek erhielt, mitgeteilt. Die eine der damals geschenkten, aber wieder zurückgeforderten Handschriften war die Summa saper tertio libro Sententiamm des Alezander de Halis. Dieselbe beruht jetzt, wie ich der Beschreibung von Denis (Co- dices manuscripti theologici bibliothec» Palatinse Vindobonensis II, Vindobonse 1799, 1280/81 sub n. DLXXI) entnehme, in der Kaiserl. Hof- und Staatsbibliothek in Wien. Ein Vermerk in der Handschrift besagt, dass sie durch Goswin de Hueven alias de Arnheim, dr. med., Kanonikus an S. Maria in Maastricht, der Kölner Artisten- fakultät geschenkt worden sei anter Vor- behalt der Benutzung durch den Geschenk- geber und seinen Bruder Johann« der eben- falls Dr. der Medizin und Pfarrer in Ha- men t war, und unter Vorbehalt der Rück- forderung. Ein zweiter Vermerk besagt dass das Buch der theologischen Fakultät der Wiener Universität zugeeignet wurde auf ewige Zeiten; 1495 wurde es der Bibliothek des Collegium ducale überwie- sen. — Über Joh. v. Hueven t. Arnheim vgl. Kölner Matrikel I 65 sub n. 26, 11 ; derselbe war bereits 1395 in Köln imma- trikuliert worden ; 1419 ging er mit seinem Bruder nach Heidelberg. Keussen. Die Handachrlften und die Autorschaft 4a. der Imitatio Chriati. Der General- Vikar F. E Puyol in Beauvais hat in den Jah- ren 1898—1900 im Verlage von Victor Retaux zu Paris neun umfangreiche Bände erscheinen lassen, die sich mit der Imitatio Christi befassen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen läuft darauf hinaus, dass nicht Thomas a Kempis, sondern Johannes Gersen der Verfasser des weltberühmten Buches, und dass unter den Handschriften desselben der Codex Aronensis die beste sei. Leider entspricht dem sehr grossen Fleisse nicht die Zuverlässigkeit der An- — 109 — gaben und die Grandlichkeit der For- schangen des Verfassen, dem es an histo- risch - philologischer Schalung mangelt. Auf diese Vorarbeiten gestützt, hat soeben Dr. Gottfried Eentenich in Heft 1 des 23. Bandes der Zeitschrift fQr Kirchengeschichte von Brieger und Boss S. 18—34 unter der Überschrift: „Die Handschriften der Imi- tatio Christi and die Autorschaft des Tho- mas^ eine Abhandlang veröffentlicht, de- ren Resultate er am Schlüsse in die Worte zusammenfasst : „I. Der Codex Kempensis gehört zu den stark interpolierten Manuskripten der Imitatio und geht wahrscheinlich mit dem Grammontensis auf ein und dieselbe Sam- melhandschrift zurück. Daraus folgt: n. Thomas ist nicht der Verfasser der Imitatio Christi. ni. Den reinsten Text des Werkes stellen einige Itali dar, aber auch sie sind stark interpoliert ; doch hat sich eine re- censio des Werkes auf ihnen aufzubauen.^ | Diese S&tze bezw. Schlussfolgerungen sind s&mtlich verfehlt. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung, für dessen Erbringung es hier an Raum ge- bricht, soll im dritten Quartalhefte der Westdeutschen Zeitschrift folgen; aber dem Artikel Kentenichs schon jetzt mit einem WamuDgsruf entgegenzutreten, schien mit Rücksicht auf das grosse Ansehen und die weite Verbreitung der Zeitschrift für Kirchengeschichte einerseits und die Ge- fahr andererseits, dass der Ton siegesge- wisser Überlegenheit und die Form schein- bar streng wissenschaftlicher Untersuchung in manchen Köpfen heillose Verwirrung oder doch neue Zweifel an der Autor- schaft des Thomas hervorzurufen geeignet sein möchten, wenigstens zweckmässig, wenn nicht dringend geboten. BonnPoppelsdorf den 13. April 1902. Dr. Joseph Pohl, Gymnasialdirektor a. D. 49. Der 35. Band der Zeitschrift des Ver- eins für Geschichte und Altertum Schle- siens (Breslau 1901) enthält S. 68—143 eine lehrreiche Untersuchung von Otto Beyer über das Schuldenwesen der Stadt Breslau Im 14. und 15. Jahrh. mit beson- derer Berücksichtigung der Verschuldung - 110 - durch Rentenverkauf, in welcher vielfach auf die einschlägigen Untersuchungen von R. Knipping über Köln und von K. Rubel über Dortmund Bezug genommen wird. PauliM» Frledr., Die deutschen Universitäten und 50. das üniversitätsstudiam. Berlin 1902. Dieses Werk legt den Nachdruck we- niger auf die geschichtliche Darstellung; sie wird nur in grossen Umrissen im ersten Buch gegeben. Vielmehr ist das eigent- liche Thema die gegenwärtige Verfassung der Universitäten und ihre Stellung im öffentlichen Leben, die Universitätslehrer und der Universitäts-Unterricht, die Stu- dierenden und das akademische Studium, die einzelnen Fakultäten. Wie sich von dem Verf. erwarten Hess, giebt das Werk einen lehrreichen Überblick über die aka- demischen Verhältnisse der Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung der aktuellen Fragen. Miscellanea. Weihung von Waffen. Zu der Inschrift 51. aus Tongern') Vihansae Q. Catius Libo Nepos centurio leg(ionis) III Cyrenaicae scutum et lanceam (1(ono) d(edit) hat sich eine Parallele gefunden zu Durostorum, Moesiae inferioris C. III 144^3* Scutu(m) 8pata(m) pugellares arg[en]to tectas d. n. [M]ax(imiano) Aug. et Ma(ximiano) [C(ae- sare) cos. a. 297 p. Chr. Domaszewski. Zur Geschichte der rSmischen Legions- 52. lager am Niederrhein. Die Auffindung und sorgfältige Untersuchung einer ausgedehn- ten Militärziegelei in Xanten durch Steiner — siehe die vorläufige Notiz in Westd. Korrbl. 1901 Sp. 142 und We^td. Zeitschr. XX S. 375 — ist in mehrfacher Hinsicht von hohem Interesse. Ohne dem ausführ- lichen und hoffentlich in Kürze zu er- wartenden Berichte des Entdeckers vor- greifen zu wollen, sei hier nur darauf hingewiesen, inwiefern der neue Fund dazu beiträgt, unsere Kenntnis von der Ver- teilung der niederrheinischen Legionen flavischer und trajanischer Zeit auf die verschiedenen Standlager zu fördern. Es ist zunächst klar, dass die entdeckte Ziegelei nicht eine Centralziegelei des 0 Ihm, Bonn. Jahrb. 83, 104. — 111 — - 112 — ganzen niederrheinischen Heeresi sondern eine solche der jeweilig in Xanten statio- nierten Legionen gewesen ist. Unter den hier erhobenen Fundstücken fehlen gänz- lich Stempel der nacheinander in Bonn lagernden Legionen, der XXI. und I. Mi- nervia; ebenso solche der X. gemina*), welche in oder bei Nymegen ihre hibema hatte (Tgl. de leg. X gem. p. 43 f.). Neben der Xantener Legionsziegelei haben gleich- zeitig sicher noch mehrere andere bestan- den. Zu einer gewissen Zeit ist auch, wie die zahlreichen Stempel mit der Legende ex(ercitns) Ger(maniae) inf(erioris) oder vex(illatione8) ex(ercitu8) G(ermaniae) in- f(erioris) zeigen, eine wirkliche Central- ziegelei in Betrieb gewesen, welche in der N&he von Nymegen zu Holdoorn gelegen haben muss; eine schärfere Bestimmung und einigermassen genaue Abgrenzung des Zeitabschnittes, in welchem diese Art des Central-Betriebes stattgefunden hat, würde durch eingehende Untersuchung des vor- handenen Materiales wohl noch zu ge- winnen sein. Die in der Xantener Ziegelei gefun- denen Ziegelstempel nennen die VI., XV., XXII. und XXX. Legion, ausserdem eine coh. II Brit[tannica] und zeigen, dass an dieser Stelle in der claudisch-neronischen (XV) und der flavisch-tnganischen Zeit (XXII pr. und VI) bis in das 2. und 3. Jahr- hundert (XXX) Ziegelmaterial gebrannt worden ist. Das Fehlen von Stempeln der leg. V, welche bis zum Jahre 70 gemein- sam mit der XV. das Xantener Lager innehatte, ist allerdings merkwürdig; aber dafür, dass beide Legionen keinen gemein- samen Betrieb hatten, die Ofen der V. also auch wohl an einer anderen Stelle lagen, als die der XV., dafür scheint auch der Umstand zu sprechen, dass die Stempel <) Anoh ans frflheren Fanden scheint die Xantener Sammlung keine Ziegel dieser Legion SU besitaen; die beiBramb. 828 e 1-3 erw&hnten scheinen Terloren und a. T. nicht genflgend sicherer Überlieferung. Bin gans neuerdings in der Colonia Tor dem Clever Thor bei Xanten su Tage gekommener Stempel der X. Legion (brief- liche Mitteilung F. Steiners) Ton einem in Nymegen häufigen Typus darf schon wegen des weit entfernten Fundortes mit der Legionsaiegelei in keinerlei Beiiehung gebracht werden. ersterer Legion hinter der Legionanummer grossenteils verschiedene Siglen*) — die Anfangsbuchstaben der Namen der einzel- nen Ziegler — oder mehr oder weniger ausgeschriebene Personennamen') aufwei- sen, während die Sitte der Namenstempel bei der XV. Legion keine Aufnahme ge- funden zu haben scheint. Die neuen Ziegelfunde setzen es ausser Zweifel, dass das Standlager der leg. XXII pr. in flavischer Zeit Xanten gewesen ist. Meine frühere Annahme (de leg. X gem. p. 68), dass die Legion ge- meinsam mit der X. bei Nymegen ge- lagert habe, ist gegenüber dem jetzt vor- liegenden Materiale ebenso unhaltbar, wie die dort vermutete Zerreissung der Le- gion in zwei Hälften, von denen die eine in Holland, die andere bei Köln ge- standen habe. Die Mehrzahl der Xantener Ziegel bietet nur den einfachen Namen „pr(imigenia)^, gehört also aller Wahr- scheinlichkeit der Zeit vor d. J. 89 an; andere mit den Beinamen „pia fidelis" zei- gen, dass die Legion aber auch noch später» einige, welche am Ende noch „DOmitiana^ aufweisen, dass sie jedenfalls noch nach 89, und vor 96 in Vetera gestanden hat. Der Neubau des Lagers, welcher, obwohl in des Tacitus Historiae nicht mehr erwähnt, in den ersten Jahren Vespasians, 71 oder 72, erfolgt sein muss, stand an Ausdehnung hinter dem i. J. 70 verbrannten augusteisch- claudischen Legionslager bedeutend zurück ; er war nur mehr für Unterbringung einer Legion berechnet, wie die drei übrigen am Niederrhein: Bonna (leg. XXI), Novesium (leg. VI), Noviomagus (leg. X). Die neuen Funde geben weiter die sichere Grundlage für die Annahme, dass auch leg. VI victrix eine Zeit lang in Xanten gelegen habe (vgl. de leg. X gem. p. 69). Während ihre im Xeusser Lager zu Tage gekommenen Spuren der über- wiegenden Mehrzahl nach auf die Zeit vor d. J. 89 hinweisen (so namentlich die *) So 1. B.: B, G, AV, TA (vgl. Bramb £23 b, anderes nach eigener Abschrift). ») ■. B. MARCi, T-LVSENi, C-SEVI, P-SATRI, DONiUi, Bramb. 228 b; neagefnndene Stücke Westd. Zeitschr XVI, 87f: VII///CERFE und P MIORIO. - 113 — — 114 - zahlreichen Ziegelstempel, Westd. Korrbl. 1885 Sp. 114, B. Jabrbb. 82 p. 20; 88 p. 109), zeigen die in der Xantener Ziegelei zu Tage gekommenen Stempel, von denen ich Abklatsche Herrn stud. ph. P. Steiner ver- danke, ausnahmslos die Beinamen pia fidelis, gehören also der Zeit nach 89, wahrscheinlich erst nach 96 an. Ein be- achtenswerter Unterschied zwischen den Neusser und Xantener Stempeln der VI. Legion zeigt sich auch darin, dass die letzteren vielfach zweizeilig und Namen- stempel sind, was bei ersteren völlig fehlt. Ob wirklich sämtliche in Neuss gefun- dene Stempeltypen von den Xantenern ver- schieden sind, lässt sich ohne eingehende Yergleichung des gesamten Materiales an den Originalen oder Abklatschen nicht sicher entscheiden. Immerhin scheint so- viel festzustehen, dass beide Stempel- gruppen zwei verschiedenen Abschnit- ten innerhalb der Aufenthaltszeit der Legion am Niederrhein entsprechen. Da- raus ergiebt sich, dass die VI. Legion das Neusser Legionslager nicht bis zu ihrer um das Jahr 120 erfolgten Entfernung aus der Provinz innegehabt haben kann. Der Zeitpunkt ihrer Verlegung nach Xanten I&sst sich nur in grösserem Zusammen- hange bis zu gewissem Grade klarstellen. £s sei hier nur hervorgehoben, dass der Gar- nisonwechsel sich nicht nach d. J. 106 vollzogen haben kann: denn nach der spätestens um dieses Jahr erfolgten Ent- fernung der leg. X gemina an die Donau kann nicht die ganze nördliche Hälfte der untergermanischen Provinz (von Neuss an nördlich) eines Legionslagers entbehrt haben. Das spätere, unter Vespasian er- baute Legionsiager bei Neuss, über dessen vollständige Durchforschung 'durch das Bonner Provinzialmuseum nach dem Ab- schluss der Grabungen ein ausführlicher Bericht demnächst zu erhoffen ist, hat demnach nicht, wie bisher meist ange- nommen, bis Hadrian, sondern nur etwa ein Menschenalter lang von 70 bis um das Jahr 100 bestanden: schon unter Trajan wird ein kleineres Lager, vermutlich das einer ala, an seiner Stelle eingerichtet worden sein. Wiesbaden. E. Ritterling. Decouvertes d'antiquites en Belgique. ToBgrea. En pr^sentant aux lecteuresSS. de la WDZ Korresp.-Bl. XIX, p. 107 certaine inscription de Tongres, avec dädicace sup- pos^e ä Mithra (on a propos^ depuis: Sol Augustus, puls Volkanus), j'avais engag^ le lecteur ä se ddfier de „toute Suggestion vers la lecture bien tentante pourtant: ci]vi8 rom[anu8Y. Aujourd'hui, voilä qu'on suppläe des barres horizontales aux I, de la deuxiäme et de la troisi^me ligne; on lirait ainsi ci]v[e]8 rom[ani] et e[e]n[t]uria^ et Tinscription complät^e serait : v]olka[no ciJvES Ko[mani CEN[t vJalent[üi» ^]esatorvm &]asem[i?c Je ne me prononce pas sur cette lecture qui (pas plus que celle que j'avais proposäe moi-m^me) ne däpasse d'ailleurs une valeur de simple hypoth^se ä laquelle l'a estimee, ä juste titre, le tr^s comp^tent ^pigraphiste Cagnat. Maeatricht. A Tinscription de cette 54, ville que j'ai präsent^e ibid, je puls en ajouter deux autres, trouväes lors de re- maniements op^r^s ä V^glise Saint-Servais, de cette ville, construite au XI« si^cle et oü furent remploy^s les d^bris de tombeaux d'un cimeti^re voisin. C'est le Vicaire g^- n^ral du dioc^se de Liäge, Mgr. Monchamp, membre de l'Acadämie royale de Belgique qui a fait connaitre ces inscriptions: P //'dlva/// ,',7atvrn//; //vivixsit /■/.•CVSDV/.V /.SIMVSa/;/ >/'m '/sv/ / ^^ ic pavsat amabeles in cristo qi vixit an M VI Dxii Je consid^re ces deux inscriptions comme chr^tiennes, autant l'une que Vautre ; elles ~ 115 — ont de commuD, le Heu et les circonstances de la trouvaille, ainsi que la formule qui vixU. Mgr. Monchamp präsente la premiäre comme se rapportant k la d^esse Lua, ciWe par Tit. Live (VIII, 1 ; XLV, 33) et par Aulu - Gelle (XIII, 22), lequel associe le nom Lua ä celui de Saturne, d'oü (il en fait la remarque) d^rive celui du d^funt, et il lit rinscription: D • L V A E / y' S SATVRNINO Q_yi VIXSIT AMICVS DVLCIö SIMVS A M POSVIT (C'est-ä-dire : „Consacr^ ä la d^esse Lua. A Saturnin qui, de son vivant, fut 80D tr^s eher ami, A . . . a 6Tig4 ee monument".) Ce serait, en vdritä, un „monument absolument unique" (comme l'^diteur de cette inscription le qualifie, dans une interessante brocbure „Deux inscriptions de Maestricht, Li^ge Demarteau 1901^), si sur le m^me monument, on rencontrait, ä la fois, une d^dicace ä une divinit^ autre que les dieux Mänes, et T^pitaphe d'un däfunt, füt-il pr^trede cette divinit^. Mais Pexception serait tellement extra- ordinaire que j'h^site k en admettre m^me la possibilite. Ce serait d^ailleurs le premier monu- ment qu^on trouverait du culte de cette d^esse Lua, comme le remarque Wissowa dans la Dict. myth. de Röscher: „^tug' nisse der Verehrung der Göttin fehlen." En efTet, la seule inscription romaine portant ce nom, provient de Ligorius qui eu a tant forg^ de fausses, et eile a ät^ expressdment condamn^e par Mommsen, CIL, X, 730*; encore celle-ci avait-elle quelque chose de plausible par le Heu de sa d^couverte ä Alatri, dans Pancien Latium, oü Ton aurait pu, en värit^, ddcouvrir un Souvenir d'une ancienne divinit^ itaUque, associ^e, d'apr^s ce que nous apprend Aulu-Gelle, au culte du vieux Saturne. Mais ä Maestricht, apr^s la conquete romaine, pareille manifestation de culte, en rhonneur de Luca, manque de vrai- semblance. — 116 — Gions. Mgr Monchamp, cit^, a en oatre, 5& fait connaitre trois inscriptions trouv^es dans r^glise de ce village, celles-ci bien chr^tiennes : 10 D'abord une pierre du VIII« siecle constatant la dädicace de cette ^glise (les idiotismes y sont respect^s): t K OCTOBRIS DEDKA o issta hecclesie 2® fitaeri tempore 5E GOBERTO REGI CRODO aldvs fecit L'^diteur se demande si le petit T de la premi^re ligne n'est pas un omement, ce qui ferait Utb fi[&]eri fecit. 11 s'agirait d'un monument de F^poque de Sigebert, T^poux de Brunebaut. 3° HIC lACET BERNARDVS COMMVNI SORTE SE(pnitut) Bruges. La collection Van Hueme,5g^ formte au XVIII« si^cle et dispers^e aux ench^res en 1844, poss^dait une mosaiique ä inscription: PED | X | PEO (sie) | XX ifi (ou tHt Variante du texte d'un ouvrage de Visconti, Osservazioni su due mttsaici afU;ichi istoriatif Parma, 1788, oü cette mosaüque, trouväe dans la campagne de Rome, est d^crite). L'ouvrage cit^ de Visconti n'est pas mentionn^ parrai les sources du CIL. VI; mais Dressel pourrait trouver une occasion d'introduire Finscription dans l'Instru- m e n t u m relatif k Rome. Chose curieuse : un vase de terrc cuite trouv^ en 1824, aux environs de Beauvais, porte aussi Tinscription PED | X | PEO XX I rH (mßme faute PEO pour PED; m^me repr^sentation dans un „flabellum*^) : les Sujets repr^sent^s sur la mosalque et sur le vase n'ont pourtant rien de comman ensemble. Vieux-Turnhout (prov. d'Anvers). Ume^ en „terre samienne", grandeur 10 cm. Inscription circulaire grav^e : GVSTAS (= gustus?) Cette trouvaille fera sous peu Tobjet d'une communication ' de M. Stroobaut (directeur de l'^tablissement de Merxplas), ä TAcad^mie royale d'archdologie de Belgique, si^geant k Anvers. — 117 — — 118 58. Tongres. Sar un vase de terre rougäatre de la collection Huybrigts, se trouve peinte en lettres plus päles, la singuliäre inscription : VINCO BIBENTES IUI AME n BIBE De plus, on a trouv^ en cette ville un fragment de vase de terre dite „samienne**, avec l'inscription parfaitement marqu^e: OMOBON • F (un petit H est inscrit dans PO.) Elle a ^tä admise dans le vol. Xlll du CIL, no 10010 (987) par le Prof. Dr. OttoBohn qui la d^clare „litteris optimis". Je lui avais signal^ le nom Homoboniis dans une inscription chr^tienne d'Ostie (CIL. XIV, 1948), et j'ai retrouv^ ce nom ä, foison dans les recueils du moyen äge, notamment k Cr^mone oü un saint de ce nom a une ^glise qui lui est consacr^e, et h Yerceil oü les HomoborU sont les Bonomi, nom parfois d^clin^: Boni hominis etc. La trouvaille de Tongres permet de rectifier Finscription du mus^e de Vienne (Isfere, France) oü Huebner, CIL, XII, 5696 (403), avait lu OMOB(s/'///,et avait, en consäquence jug^ k propos d'introduire Obsequens dans sa liste des „cognomina** de la Narbonnaise . . . H. Schuermans. 59, Ein Italiener dea 16. Jalirhunderta über Rheinländlacliea und Westfaiiachea. Ein auf anderes Ziel gerichtetes Nachsuchen in alten Notizen führte mir wieder Aufzeich- nungen vor das Auge, die ich mir vor vielen Jahren in der Chigiana in Rom ge- macht habe. Ich freue mich, sie hier ver- werten zu können, weil ich hoffe, dass sie einen Interessenten veranlassen, den Codex, dem sie entstammen — er trug damals die Signatur M. I. 2 — sogleich durch- zugehen. Meine Quelle führt den Titel: Viaggio d'Alamagna fatto dal Cardinale Commendone l'anno 1560 scritto da Signore Fulvio Ruggieri ßolognese et copiato da Gio : Francesco Scardova Bolognese Panno 1596. Über Commeodone's, des Yenetianers und Bischofs von Zante, Sendung nach Deutschland, die wesentlich eine Beschick- ung des Trientiner Concils durch evan- gelische Fürsten herbeiführen sollte, aber in dieser Hinsicht nur abschlägige Ant- worten davontrug, habe ich mich hier nicht auszulassen^); über Ruggieri's Leben und über seine Stellung bei Commendone ver- mag ich nichts zu sagen. Ruggieri war kanonistisch gebildet, was sich daraus er- giebt, dass er bei seiner Skizzierung Leip- ziger Verhältnisse auch anführt, an der Universität behandle man das kanonische Recht in 4 Lektionen : den Dekreten folgten die Dekretalen, diesen deren 6. Buch und den Beschlusi mache die Erklärung der Clementinen. Commendone's Reise währte bis zum Jahre 1562 ') ; sie führte ihn zunächst über Venedig, durch Tyrol und Salzburg, über Wien und Leipzig, das fast lauter steinerne Häuser habe, nach Berlin und Frankfurt a. d. Oder, über Braunschweig und Han- nover nach Westfalen, das zumeist Lehm- häuser aufweise, die mit Stroh bedeckt seien. Paderborn, Münster, Düsseldorf und Köln besuchten unsere Reisenden weiter- hin; bei der Metropole des Rheinlandes gedenkt Ruggieri des starken Besuches der Universität und der lebhaften Buchdrucker- thätigkeit, auch vergisst er nicht, anzu- merken, dass besonders mit Rheinwein Handel getrieben werde : chi e il piü per- fetto et piü stimato che nasca in Germania. — Auch Ehrenbreitstein lernt man kennen und von Xanten heisst es, es befinde sich daselbst ein Kloster: „il quäle era gia ne la cittä, si che Ulisse la edificö, et alcuni [dicono?] Enea. ma h cosa incerta et la chiamano Xan Turia; et che gli Hunni venero poi habitarla^ und hätten St. Victor getutet. — Bei Emmerich wird gesagt: der Herzog von Jülich entferne sich in seinen Gebräuchen von der Natur des Deutschen hauptsächlich, was das Trinken betreffe, er trinke ausserordentlich wenig (parcissimemente) und könne nicht sehen und es nicht ertragen, dass jemand an seinem Hofe sich betrinke, an dem man nach ita- lienischer Weise lebe (come ä Pltaliana); meistens spreche man daselbst Französisch, 1) Vgl. Nantiatnrberiohte am Deuttchland 1560-72, I (ed. Steinberg 1897) S. 171 ff., Hansen, Bheinisohe Akten aar Getch. des Jesnitenordena 1542—1582 (Bonn 1896) S. 885. 2) Vgl. Gratiani, De yiU J. F. Gommendoni cardinalis (1669) 6. 97. ~ 119 — — 120 — welche Sprache, gleichwie das Deutsche, der Herzog sehr wohl beherrsche ; im Gewöhn- lichen und auch in geschäftlichen Ange- legenheiten gebrauche er das Französische, er verstehe Lateinisch und spreche es auch im Bedarfsfalle (per il bisogno), aber er könne es nicht rasch handhaben. Fast überall verzeichnet Ruggieri in diesem Tagebache, ob viele Katholiken oder Häre- tiker in den einzelnen Städten lebten — In den Niederlanden (L'Hollanda ^ paese piano, et molto basso, et piü il suo nome in Thedescho significa paesi concavi) wer- den Geldern und Utrecht aufgesucht, auch Dordrecht, Antwerpen und Löwen, dessen Universität mit grossen Privilegien aus- gestattet sei (et fra gli altri, ch'nissum scolare püo essere condennato ä la morte, ancorch' habbia concesso un homicidio), Brüssel, Lüttich und Maastricht lernten unsere Südländer kennen und vom letzteren Orte vermerkte Ruggieri: Qui parlano la lingua Thedesca inferiore, come in Golonia. Auch nach Aachen, Amsterdam, Osnabrück, Lüneburg, Lübeck und Hamburg führt unser Reisebericht, in dem häufig angegeben wird, ob in den einzelnen Städten Häuser von Stein vorhanden seien. Über Bremen, Cleve, durch Lothringen, über Metz und Trier ging es dann nach Mainz. Konnte Com- mendone in einem Schreiben an den Car- dinal Borromeo vom 25. April 1561, das im 6. Bande der Miscellanea di storia italiana edita per cura della regia depu- tazione di storia patria abgedruckt ist, be- merken, das Siegel der Stadt Köln trage die Inschrift: 'Golonia Agrippina S. R. £. devota et obediens filia', so durfte seinen ultramontanen Sinn auch in Mainz, das sich 'specialis vera filia' der römischen Kirche nannte, eine Beobachtung kirchlichen Cha- rakters erfreuen. Ruggieri berichtet näm- lich: Mainz habe eine nur unbedeutende Universität, vor kurzem aber habe der gegenwärtige Kurfürst ein Jesuitenkolleg eingeführt'), das er aus Eigenem unter- halte, und das: 'instruendo la gioventü ne Je lettere et sacre et buone fa grandissimo frutto ne la religione'. Wer Ruggieri's Tagebuch las, erfuhr dann auch, dass bei Mainz der Main (Moganus) in den Rhein 3) Im J. 1561 (vgl. Hansen 1. c. S. 89 2.) fliesse : et divide la Germania inferiore da la superiore — und dass die Gesandtschaft ihren Heimweg nach Venedig yon Mainz aus über Frankfurt, Würzburg, Bamberg, Ingolstadt, Freising, München, Innsbruck, Trient und Mestre nahm. Auch die Geld- wertinteressenten würden bei der Einsicht- nahme der Aufzeichnungen Raggieri's nicht leer aasgehen; ich habe mir angemerkt, dass er den Wert des scudo, des talero und des fiorino in österreichischer Münze sich aufschrieb und dass es nicht bei diesen Aufzeichnungen geblieben ist. Eine Gesamtcharakteriscik Deutsch- lands, so weit er es kennen lernte, scheint unser Bolognese -nicht niedergeschrieben zn haben, er wird aber wohl, mit einer Einschränkung bei der religiösen Partie, auch zu der Auffassung gekommen sein, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrb., unter dem Porticus Papst Pius lY. bei einer graphischen Darstellung Deutsch- lands zu lesen war: 'Germania, yetostate gentis, hominum numero, rei militari dis- ciplina, ingeniorum solertia, colli salabri- täte, pecoris et metallorum copia, iis erga sedem Apostolicam meritis excellens, ut creaodi Imperatoris ius ä summo Pontif. acceperit, opemque Christianae Reipub. maximam afferre posse videatur'. Diese Inschrift hat uns Nathan Chytraens in seinen Variorum in Europa itinerum deli- ciae (Herbom 1594) mitgeteilt. Er fuhrt auch eine Charakteristik der Deutschen durch Joachim Camerarius an: Germani bellatores, simplices, benefici. Und ich denke, dass der Spross des reichen Bologna („la grassa**) auch die zwei letzteren Eigen- schaften in Deutschland kennen und schätzen gelernt hat. Mainz. Dr. Heinrich Heidenheime r Historische Kommission zur Herausgabe lothringischer Geschichtsquellen. Jahresversammlung, 26. April 1902. Von den Vatikanischen Regesten, welche Dr. H. y. Sauerland bearbeitet, ist der erste Band erschienen. Für den 2. Band ist das Material bis 1352 (Pontifikat Cle- 60. - 121 ~ 122 — mens VI.) gesammelt. Bis Ende 1902 wird aach das Pontifikat Innocenz VI. erledigt sein und damit der gesamte Stoff für einen 2. Band, der bis 1362 reichen soll, vor- liegen. Der Druck kann im Frülgahre 1903 beginnen. Mit dem Jahre 1362 soll vorläufig die Publikation der vatikanischen Akten ihren Abschluss finden, da die zur Zeit vorhandenen Mittel unter Berück- sichtigung des Gesamtpublikationsplans eine Weiterführung nicht gestatten. Über den Fortgang der Arbeit an den Schreinsrollen berichtet Prof. Dr. Wich- mann. Die Abschrift der s&mtlichen Rollen des 13. Jahrhunderts ist bis auf 2, die erst aus fremden Bibliotheken hierher ge- sandt werden müssen, beendet. Auch das Register ist in Angriff genommen. Jedoch soll mit dem Beginn des Druckes noch bis zur Fertigstellung des Registers gewartet werden. Von den Chroniken, deren Publikation Archivdirektor Dr. Wolfram übertragen ist, wurde die Abschrift der Chronik des Philippe von Vigneulles bis über die Hälfte des 3. Manuscriptbandes (Schlussband) fortgesetzt. Mit der Bearbeitung der in Abschrift vorliegenden „Chronik der Kaiser aus dem luxemburgischen Hause'', als de- ren Verfasser der Berichterstatter den Metzer Patricier Jacques d'Esch hat nach- weisen können, wurde innegehalten, bis eine Abschrift der Chronik Praillons (Bri- tish Museum) vorlag. Seitdem diese an- gefertigt ist, wurde die Kollation mit die- ser wie mit den Handschriften der Pariser Nationalbibliothek beendet. Das Manu- script wird bis Ende dieses Jahres druck- fertig vorliegen. Über das Wörterbuch der deutsch- lothringischen Dialekte berichtet Prof. FoU- mann. Das Interesse für diese Arbeiten hat bei den Mitarbeitern im Lande eher zu- als abgenommen. Es sind bis jetzt ca. 3300 Zettel mit 18000 mundartlichen Ausdrücken eingeliefert worden. Beson- ders hat Herr Direktor Kahl und das ihm unterstellte Seminar von Pfalzburg die Sammlung wesentlich gefördert. Nur für die deutsch redenden Dörfer des Kreises Chäteau-Salins sind noch keine Mitarbeiter gewonnen, so dass die Bearbeitung dieser Sprachecke aussteht. Herr Professor FoU- mann hat vor Allem auch festgestellt, dass das Siebenbürger Deutsch in der Dialekt- form fast vollständig dem lothringisch- luxemburgischen entspricht. Ein Sieben- bürge und ein Lothringer können, wenn, beide in ihren Dialekten sprechen, sich noch heute vollkommen verstehen. Die „Regesten der Bischöfe von Metz" bearbeitet Bibliotheksdirektor Paulus und berichtet über seine Thätigkeit. Wenn Herr Paulus auch die Sammlung fortgesetzt hat, so ist er doch noch nicht systematisch an die Bearbeitung gegangen, weil eine Reihe von Schwierigkeiten sachlicher und finanzieller Art die Ausführung des Wer- kes zweifelhaft erscheinen Hess. Die finan- ziellen Schwierigkeiten liegen darin, dass für eine Fertigstellung des Manuscripts ' die Mittel zur Zeit noch nicht vorhanden sind. Monumenta Germaniae historica.6i. Vgl. Korr.-Blatt 1901 Nr. 58. 28. Jahresversammlung 14. bis 16. April 1902 in Beriin. Im Laufe des Jahres 1901/1902 er- schienen in der Abteilung AnUquüates: 1. Hrotsvithae opera omnia ed. P. de Winterfeld; 2. Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Band XXVII, herausgegeben von H. Bresslau. Unter der Presse befinden sich 8 Quart- bände. Von dem als Krönung der Auetores antiquissmi geplanten 14. Bande ist die erste grössere Hälfte von Hrn. Prof. Vollmer in München im Wesentlichen vollendet und druckfertig. Er wird die Gedichte des Merobaudes, Dracontius und Eugenius von Teledo umfassen. Photo- graphien der Handschrift des Eugenius in Leon verschafften in dankenswerter Weise die Professoren Farinelli in Innsbruck und Altamira in Oviedo. Von den vor- kardingischen DicJUem, über deren Über- lieferung eine Abhandlung T raube's sich demnächst verbreiten soll, hat Prof. Rud — 123 - - 124 — Ebwald die Werke Aldhelm's von Sher- borae übernommen. In der Abteilung der Scriptorea ist der durcb Archivrat K rasch bearbeitete 4. Band der Merowiogischen Geschicbtsquel- len, welcher die immer wertvoller werdenden Heiligenleben von 615 bis 660 enthält, mit dem 95. Bogen zum Abschlüsse des Textes gediehen. Unter Hinzufügung der Register wird er im Sommer ausgegeben werden. Da der noch übrige Stoff bis auf Boni- fatius sich nicht in den Rahmen eines Bandes schliessen lässt, so sind noch zwei weitere Bände in Sicht, für welche neben dem bisherigen Herausgeber namentlich auch sein bewährter Mitarbeiter Hr. Dr. Levison schon grosse Partien vorbe- reitet hat. Im Bereiche der staufischen Geschichts* Schreiber nahm der Druck des 31. von Hrn. Prof. Holder-Egger bearbeiteten Bandes, der die italienischen Chroniken eröffnet, seinen regelmässigen Fortgang, so dass im Sommer die erste Hälfte zum Abschluss gelangen kann; sie wird die Annalen von Cremona mit Supplementen, und von Bergamo die Chronik Sicard's von Cremona und vier kleinere Papst- und Kaiserchroniken bringen. Von den Mitarbeitern vollendete Dr. Carte! Her i den Saba Malaspina und be- schäftigte sich mit noch einigen anderen süditalienischen Quellen, zumal dem soge- nannten Jamsilla, Dr. Karl Kehr mit der Chronik des Cistercienserklosters S. Maria di Ferraria, in welchem er durch eine im Neuen Archive veröffentlichte Abhandlung bedeutende Stücke des Falco Beneventanus nachgewiesen hat, sowie mit Tolomeus. Von Dr. Eberhard sind die ihm früher übertragenen Ausgaben des Gerardus Mau- risius, Nicolaus Smeregius, Antonius Godius und Boncompagni (de obsidione Anconae) vor seinem Ausscheiden vollendet worden. In der Abteilung der Deutschen Chro- niken hat Prof. Seemüller in Innsbruck die Vergleichung der zahlreichen Hand- schriften der Hagenchronik insoweit abge- schlossen, dass der Druck derselben, als der ersten grösseren Hälfte des 6. Bandes, noch in diesem Jahre beginnen kann. In der Abteilung Leges ist der Druck der von Prof. Zeumer bearbeiteten Aus- gabe der Leges Visigothorum so weit fort- geschritten, das^ ihrem Erscheinen mit dem von Dr. Werminghoff entworfenen Register im Herbst entgegengesehen werden darf. Eine ergänzende Vorarbeit im Neuen Archive beschäftigt sich mit der Chrono- logie der westgothischen Könige. Für das bayerische Volksrecht wurde von Prof. £. vonSchwinddie Sammlung des Materials fortgesetzt und namentlich auch die beiden Wolfenbütteler Handschriften von Dr. Schwalm verglichen. Prof. Seckel wird zunächst im Neuen Archiv die Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Quellen des Benedictus Levita veröffentlichen. Für die westfränkischen Placita (Gerichtssit- zungen) hat Prof. Tan gl während eines achtwöchigen Aufenthaltes in Paris die Mehrzahl der Handschriften benutzt. Eine Nachlese daselbst so wie in den Bibliotheken der Departements wird später eine weitere Reise erfordern, der zunächst ein Besuch von St. Gallen und Trier vorangehen soll. Für die Concilien des karolingischen Reiches sammelte Dr. Werminghoff auf einer längeren Reise nach Italien im M&rz bis August 1901 das Material und machte hierbei einige neue Entdeckungen. Für den 3. Band der Canstüutwnes imperii vervollständigte Dr. Schwalm sein Material durch eine Reise nach Italien, die nebenbei auch anderen Abteilungen zu Gute kam, durch den Besuch von Be- sangen und D^on sowie durch Sendungen aus Paris. Die Verarbeitung war so weit vorgeschritten, dass der Druck des ersten Halbbandes, die Akten Rudolfs von Habs- burg umfassend, soeben seinen Anfang nehmen konnte. In der Abteilung Diplomata wurde der Druck des 3. Bandes der Deutschen Kaiser- urkunden bis zu dem von dem bisherigen Mitarbeiter Dr. Holtzmann ausgearbeite- ten Register der Namen eifrig gefordert, so dass noch vor Ablauf des Jahres die Vollendung zu gewärtigen ist. Der von Prof. Mühlbacher mit Unterstützung der HH. T a n g 1 und Le ebner, von denen der Erstere die Register übernommen hat, bearbeitete erste Band der Karolingerurkunden, der bis zum — 125 — Tode EarPs des Grossen reichen soll, nähert sich seinem Abschluss. Die über- aus zahlreichen Fälschungen, die unter dem Namen dieses Herrschers gehen, riefen sehr schwierige und verwickelte Nachfor- schungen hervor. Noch vor Jahresfrist hofft der Herausgeber in einem 2. Bande zum Drucke der Urkunden Ludwig's des Frommen übergehen zu können. Eine wichtige Ergänzung dieser beiden Abtei- lungen der Diplomata sowie ihrer Fort- setzungen verspricht die von Dr. Otto Posse in Dresden geplante Veröffent- lichung von Abbildungen der Siegel sämt- licher deutscher Könige und Kaiser von Pippin an mit erläuterndem Texte zu werden. Da in der Abteilung der Epistdae durch das Ausscheiden des Mitarbeiters A. V. Müller die von ihm übernommenen Briefe des Papstes Nikolaus I. völlig un- fertig liegen gehlieben waren, so erschien es in Ermangelung eines Ersatzes zweck- mässig, wenigstens die bereits länger vor- bereitete Partie dieses Bandes als erstes Drittel desselben zu drucken. Es wird die wichtigen Briefe des Abtes Lupus von Ferneres, ferner eine grössere Anzahl einzelner Stücke bis etwa 877 und endlich auf den Ehehandel Lothar's II. bezügliche Akten enthalten. Durch seinen Anteil an der Korrektur übernahm Prof. Traube eine sehr eingreifende und wertvolle Mit- wirkung bei der Ausgabe. In der Abteilung Äntiquüätea erschienen unter Leitung des Prof. Traube die von Dr. P. von Winter feld bearbeitenden Werke der Nonne Hrotsvit von Ganders- heim mit einem erschöpfenden Register. Für die Sammlung der Sequenzen ist da- neben durch Yergleichung einzelner Hand- schriften fortgearbeitet worden. Von dem durch Prof. Herzberg- Fr änkel bearbeiteten 2. Bande der Ne- crologia Germaniae (Salzburg) ist der Druck des Registers langsam, aber stetig fort- gesetzt worden und bis zum Buchstaben S gelangt. Von dem 3. Bande sind die Sprengel Brixen und Freising bereits druck- fertig, doch gedenkt der Herausgeber, Reichsarchivrat Dr. Baumann, auch Regensburg noch hinzuzufügen, bevor er — 126 — 1903 diesen Halbband abschliesst. Die zweite Hälfte würde dann die durch ihre Ausdehnung über Österreich sehr reich- haltige Diöcese Passau bilden, deren Be- arbeitung Bibliothekar Fastlinger in München übertragen worden ist. 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Das KorrMpondensblaftt ersohelnt in einer Auflage Ton 300O Exemplaren. Inserate h i& Ptu tikr die gespaltene Zeile werden Ton der Verlagehandlnng and allen Interaten-Bnreaoe angenommen, Beilegen naeh UeberelnknnA. — Die Zeitschrift erscheint TlerteU&hrlioh, das Korrespondensblatt monatlioi Abonnementspreis 15 Mark fttr die Zeitsehrift mit Korrespondensblatt, fftr letsteree allein b Maik M^ Beiträge für die yorrOmlsche nnd römische Abteilung sind bis auf weiteres an Dr. Lehner (Bonn , FroT.-Mnseom), fftr Mittelalter und Nenseit an Prof. HansM (KOln, SUdtarohiT) sn senden. Felix Hettner f. In der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober d. J. ist Prof. [Dr. F. Hettner im 52. Leben^ahre plötzlich durch einen Gehirnschlag aus unserer Mitte ab- berufen worden. Das Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift, recht eigentlich eine Schöpfung Hettners, hat durch diesen jähen Todesfall seinen Herausgeber für den Bereich der römischen und vorrömischen Forschung ver- loren, der sich ihm seit zwanzig Jahren mit grosser Hingebung gewidmet hat. Zusammen mit der Redaktion und dem Verlag betrauern wohl alle die zahl- reichen Leser unsers Blattes tief den Heimgang des vortrefflichen Gelehrten, des unermüdlichen Forschers, des bewährten Wegweisers. Ein dauerndes, ehren- volles Gedenken wird ihm in diesem Kreise bewahrt werden. Seine Bedeutung für die Wissenschaft wird im vierten Hefte des laufenden Jahrgangs der West- deutschen Zeitschrift eine Darlegung von fachmännischer Seite finden. « — •- Neue Funde. 62. Mannhelm. [Zwei römische Reliefbllder aus Mannheim-Neckarau]. Der Mannheimer Altertumsverein erhielt kürzlich durch freundliche Schenkung der Frau Altbürger- meisti^ Gnnd Wwe zwei römische Relief- platten von grauem Sandstein, 110 cm hoch, 74 cm breit, die aus dem ausgegangenen Dorfe Hermsheim (Gem. Neckarau) stammen sollen und seit alter Zeit im Thorweg des Gund'schen Hauses in Neckarau eingemauert waren. Auf der einen Platte ist Fortuna dargestellt in langem Gewand, das Füll- horn im 1. Arm, über den der Mantel herabfällt; die gesenkte Rechte hält das obere Ende des Steuerruders, welch letz- teres auf der am Boden liegenden Kugel aufsteht. Auf der andern Platte erscheint Yulcan mit r. Standbein, in der Tunica, die r. Schulter nackt ; über die 1. Schulter und den Oberarm fällt ein Gewandzipfel herab; die in die Hüfte gestützte Linke hält ein geradstieliges Geräte, die gesenkte Rechte, wie es scheint, eine Zange. Die - 131 - BildflÄchen sind vertieft, die Attribute reiclien teilweise in die Umrahmung hinein. Gegenstand und Art der Darstellung legten die Vermutung nahe, dass die Reliefs von einem Viergötterstein herrührten, dessen Vorder- und Rückseite sie bildeten, wäh- rend die beiden Nebenseiten bei der Her- richtung der Platten vernichtet worden seien. Dies hat sich, als die Platten heraus- genommen waren, bei genauerer Unter- suchung bestätigt. Da die Platten eine Dicke von 15—20 cm haben, so lässt sich noch erkennen, was auf beiden Neben- seiten dargestellt war. Auf der Seite links von Fortuna erscheint von Mercur die gesenkte Rechte mit dem Beutel, darunter der Bock, ferner der Schlangenstab, den er aufrecht im 1. Arm trug. Rechts von Fortuna stand Apollo; von ihm ist er- halten ein Teil der Leier, auf der seine 1. Hand ruht, und seine gesenkte Rechte mit dem Plektron; unter letzterem das Vorderteil des nach links springenden Greifes. — Vom ehemaligen Dorf Herms- heim, dessen Lage aus den alten Flur- namen bekannt ist, sind sonst keinerlei römische Reste nachweisbar. Wenn unsere beiden Reliefs wirklich von dort stammen, müssten sie früher von anderswoher dort- hin verschleppt worden sein, wahrschein- lich von der römischen Niederlassung, die eine viertel Stunde südlich von Neckarau am Rhein beim „Johanniskirchhof" (vgl. Bad. Topogr. Karte 1 : 25000, Blatt 22) in der Flur „Kasterfeld" gelegen war, woselbst der Mannheimer Altertums verein im Jahre 1880 die Reste eines rum. Gebäudes und verschiedene Skulpturen und Inschriften (vgl. K. Baumann, röm. Denkst. 52—58) ausgegraben hat. Dort, gegenüber dem am linken Rheinufer liegenden Alta ripa, mag das Denkmal, dem der Viergötterstein als Basis diente, wohl gestanden haben. K. Baumann. Qo Worms. [Drei der ältesten Grabfelder SOdwest-Deutsohlands.] In diesem Frühjahr glückte dem Wormser Altertumsverein wie- der die Entdeckung von drei steinzeitlichen bezw. frühbronzezeitlichen Grabfeldern und zwar ist diese Entdeckung, d. h. das erste Anzeichen des wahrscheinlichen Vorhanden- seins von Grabstätten, besonders gluck- - 132 - liehen Umständen zu verdanken gewesen, die weitere Untersuchung dagegen war, was besonders hervorgehoben za werden verdient, nur durch die äussersten An- strengungen seitens des Vereins ermög- licht worden. Im entgegengesetzten Falle wäre auch hier wieder, wie schon so oft, von diesen wichtigen Grabfeldern nicht das Geringste bekannt geworden und es ist auch äusserst unwahrscheinlich, dass etwa bei späteren Arbeiten nachträglich noch etwas davon entdeckt worden wäre. Gegenwärtig, wo in Rheinbessen mehr Grundstücke wie jemals zuvor zum ersten Male zu Weinberg oder Spargelfeld am- gerodet werden, bedarf es der äussersten Aufmerksamkeit und der strengsten Nach- forschungen, um zu erfahren, ob bei diesen Arbeiten etwa archäologische Gegenstände gefunden werden. Die Funde aus diesen ältesten Grabfeldern fallen nicht so sehr in die Augen, um alsbald bemerkt zu werden. Meist sind es nur Bruchstücke von Gefässen, Knochen, kleinere Feuer- steinwerkzeuge, Muschelchen u. s. w., die bei der Indolenz der Arbeiter nicht ein- mal des Aufhebens für wert erachtet wer- den. Selbst wenn auch im glücklichsten Falle von den Besitzern etwas derartiges bemerkt wurde, so darf man sich keines- wegs darauf verlassen, dass diese nun auch solche Funde anzeigen werden, nein, es kommt im Gegenteil gar nicht sel- ten vor, und auch in unseren Fällen trifft das zu, dass die Besitzer dieses Auf- finden absichtlich verschweigen, weil sie befürchten, durch die alsdann notwendigen Nachgrabungen in ihrer Weinberg- oder Spargelanlage gestört zu werden. Dass aber gar ein schon vollständig umgerodetes und zum Zweck des Einsetzens von Reben oder Spargel besonders sorgfältig vorbe- reitetes Grundstück nachträglich noch der Durchsuchung nach Altertümern überant- wortet werden soll, wie das in unseren drei Fällen geschehen ist, das eifbheiut den Besitzern, meist kleineren Landwirten, fast unfassbar und dürfte schwerlich öfter zugestanden werden, weil dazu sich der rheinhessische Bauer nur in den aller- seltensten Fällen verstehen wird. Und doch ist eine solche nachträgliche Untersuchung - 133 - 134 - nötig, da die tiefer hinabreichenden Gräber sich noch unter dem umgerodeten Bodeu finden und andernfalls auf ein Menschen - alter hinaus eine Untersuchung nicht mehr möglich ist Die neben einem solchen Grundstück gelegenen Felder müssen aber auch gleich mit in die Untersuchung ein- bezogen werden, weil sonst schon im nächsten Winter auch sie das Schicksal des ersteren teilen können. Man rouss es sich deshalb zur Richtschnur machen, eine einmal bekannt gewordene Spur auf das Nachdrücklichste nach allen Rich- tungen hin zu verfolgen und sich ja nicht dazu verleiten lassen, eine für notwendig erachtete Ausgrabung auf spätere Zeiten zu verschieben, wenn nicht die Wissen- schaft empfindlichen Nachteil dadurch er- leiden soll'). 1) Das steinzeitliche Grabfeld von Alzey. Im letzten Winter Hessen die Gebruder Eller aus Alzey westlich der Stadt ein an der Strasse nach Krbesbüdes- heim „im Grün"" gelegenes Grundstück zu Weinberg umroden. Dasselbe liegt rechts der Strasse und zieht von ihr nord- wärts die Höhe hinan ßei diesem Um- roden wprden nun von den Arbeitern Gräber angetroffen, jedoch achtlos zer- stört. Mehrere der daraus stammenden Gefässscherben und Steingeräte wurden später von den Besitzern aufgelesen und mit nach Hause genommen. Von diesen Funden wurde zufällig dem hiesigen Alter- tumsverein Mitteilung gemacht, der sich sofort bemühte , sowohl die gefundenen Gegenstände in seinen Besitz zu bekommen, als auch die Erlaubnis zu erwirken, wei- tere Ausgrabungen auf dem Felde vorzu- nehmen. Nach unseren Erfahrungen war es nämlich sehr wahrscheinlich, dass von den Arbeitern nur die am wenigsten tief gelegenen Gräber angetroffen worden, die tiefer liegenden jedoch noch erhalten ge- blieben seien. Nach vielfacher Bemühung 1) Wie unter den oben geschilderten Ver- hältnissen, welche ich auch noch durch ähn- liche Vorgänge aus früheren Jahren illustrieren könnte, es Dr. Reinecke wagen durfte, mir ,fa8t als Sport betriebene Ausgräberei" vorzu- werfen (S. Mitt. d. Anthropol. Gesellsch. in Wien Bd.XXXn S. 127 Anm.), das zu beurteilen, möchte ich ruhig den Fachgenossen überlassen. wurde dann diese Erlaubnis erteilt und beschlossen, das bereits zum Einpflanzen der Reben vorbereitete Feld nochmals zu durchsuchen. Selbst auf die Gefahr hin, keine unversehrten Gräber mehr anzu- treffen, war diese Untersuchung, der Wich- tigkeit der Sache wegen, doch geboten. Das Grabfeld gehört nämlich, wie aus seinen Funden auf das Bestimmteste her- vorgeht, jener Gruppe von Grabfeldern an, welche ich Hinkelsteingrabfelder nenne nach jenem zuerst durch Lindenschmit in den 60er Jahren bekannt gewordenen Grabfeld vom Hinkelstein bei Monsheim in der Nähe von Worms. Von uns wurden dann in den Jahren 1895 und 1898 noch zwei weitere Grabfelder, das auf der Rhein- gewaon von Worms und das von Rhein- dürkheim mit zusammen 101 Gräbern ent- deckt. Allen gemeinsam ist die ausge- streckte Lage der Skelette (im Gegensatz zu den Hockern anderer steinzeitlicher Perioden) und die ganz charakteristische Keramik, die auf den drei oben genannten Grabfeldern völlig identisch ist. Sie gehört der Stufe der Bandkeramik an, welche ich als älteste ansehe und mit dem Namen „ältere Winkelbandkeramik" oder „Hinkel- steintypus*^ bezeichnet habe. Lindenschmit hat in seiner Beschreibung des Grabfeldes vom Hinkelstein im HI. Band des Archivs für Anthropologie angegeben, dass sämtliche Skelette als sitzende Hocker angetroffen worden und dass sie von Westen nach Osten orientiert gewesen wären. Durch eine neue Untersuchung im letzten Winter, die von uns vorgenommen wurde und deren Ergebnisse sich eben im Druck be- finden, konnte jedoch nachgewiesen werden, dass diese Angaben vollständig falsch sind. Die Lage und Orientierung der Toten am Hinkelstein verhält sich genau so wie auf den beiden andern Grabfeldern von der Wormser Rheingewann und von Rhein- durkheim. Es war nun die Auffindung eines neuen, eines vierten derartigen Grabfeldes zur weiteren Bestätigung unserer Behauptung, dass die Hinkelsteingrabfelder in der Be- stattungsart und in ihren Beigaben ganz gleichartig seien und eine ganz scharf um- grenzte Zeit innerhalb der neolithischen - I3ä - Periode repriaentierteD, sehr Selbst «enu auch keine völlig unversehrten Gräber mehr aDgetroffeo werden sollten, Bo war es doch wahrecheinlich, diBB die Lage der Skelette noch erkannt, und dass noch charakteristische Fundstücke erhoben werden kunnten. Das war nun auch der Fall, ausserdem halten wir aber noch das Qldck intakte Gräber anzutretTen. Obwohl die Arbeiter 10 Gräber mehr oder weniger zerstört hatten, so konnte dennocli aus der Länge der Grube, dann aus ein- zelnen noch in ihrer Lage befindlichen Knochen auf das bestimmteste erkannt werden, dass es sich hier nicht um Hocker, sondern um gestreckte Skelette bandeln musste und ferner, daas dieselben alle nicht von Westen nach Usten, Bonderu, genau wie die Toten der übrigen Orahfelder, von Südosten nach Nordwesten sehend, bestattet worden sind. Ausser dieser Be- obachtung gelang es aber auch noch in verschiedenen Gräbern Beigaben in ihrer ursprünglichen Lage anzutreffen, so eine durchlocbte Axt, ein Flacbhcil, 11 Uesser, Schaber und Pfeilspitzen aus Feuerstein, einen Klopfstein, zwei Handmühl steine und — 136 — Qelässscherhen. Ferner verschiedene Bei- gaben, welche aus ihrer ursprünglichen Lage bereits gebracht, aber dennoch gut erhalten waren. Dann wurden drei tiefer gelegene Gräber angetroffen, welche wegen dieses Umetandes beinahe ganz unversehrt geblieben sind. Das erste. Grab U, in 0.K6 m Tiefe, war vöUig unberührt und iet vielleicht die interes- santeste Bestattung des ganzen Orabfel- iles gewesen. (S. CÜch^). Das Grab war U.7ö m breit und barg ein männliches Skelett von 1.66 m Länge. Es war aus- gestreckt und der Kopf etwas nach rechts geneigt. Der rechte Arm, der massig im Ellenbogen gebeugt war, lag längsaeits des Körpers, während der linke Arm im stumpfen Winkel gebeugt erschien und die Hand aaf dem Becken ruhte. An der linken Schalter stand ein tlaschenfOrmiges Gefiiss mit Schnurösen, das am Hals mit eingeritzten Verzierungen nach Art des Hinkelsteintypus verziert ist, und in der Gegend des linken Knies stand ein napßürmiges Qefäss .welches reicher als das erstere mit VemeruDgen ausgestattet ist. Auf der rechten Brnst- seite lagen dicht nebeneinander 16 Feuer- steinger&te , grössere und kleinere Messer und Scha- ber, sowie ein Klopfsteiu. der mit Benutzung von Schwefelkies und Schwamm zur Erzeugung von Feuer diente, femer einige Stack- chen roter Farbe (weicher durch Eisenoiydul geArb- ter Sandstein). Dieselbe kommt gewöhnlich bei dem Grabinventar der Männer vor und wurde zur Rotfär- bung der Haut benutzt Das Merkwürdigste bei dieser Bestattung war jedoch das beinahe vollständige Be- decktsein der un;teren Ex- tremitäten des Toten durch die Rippen eines grossen Wiederkäuers. Dieselben waren so gelegt, dasa die. welche sichzuerst dem Auge präsentierten, quer über die I beiden Schenkel verliefen. 137 - 138 - eine unter diesen befindliche zweite Lage war jedoch kreuzweise zur oberen gelegt Ausser den Rippen fand sich noch eine Knie- scheibe des Tieres vor. Von welchem Tiere diese Knochen stammen, ist noch nicht ganz sicher erwiesen, es scheint sich aber um eine ausgestorbene Tierart zu handeln, entweder um Bos primigenius, den Urstier, oder um Bison priscus, das Wisent. Warum man die Beine des Toten mit diesen Rippen zugedeckt hat, dafür können zwei Gründe angeführt werden. Einmal können sie mit dem daran haftenden Fleisch Teile des mitgegebenen Speise- vorrates sein, der hier, bei dem wahr- scheinlich vornehmen Mann, sehr reichlich bemessen war, dann können sie auch die Reste des am Grabe verzehrten Toten- mahles bilden. Man hätte in diesem Falle die abgenagten und abgeschabten Knochen dazu benut^.t, um den Toten damit zu bedecken, gleichsam um ihm dadurch seine Verehrung zu bezeugen. Wahrscheinlich kommt der zweite Fall hier in Betracht, zumal auch die Rippen auf 2— 3 verschieden alte Individuen schliessen lassen. Es ist dieser Gebrauch ein höchst merkwürdiger und meines Wissens bisher noch nicht beobachtet worden. Das 0.70 m tiefe und 0.75 m breite Grab Nr. 12 barg ein weibliches Skelett von 1.45 m Länge. Auch dieses Grab war un- berührt geblieben, jedoch waren die Kno- chen bei weitem nicht so gut erhalten, wie die des Grabes Nr. 11. Dur Kopf war nach rechts geneigt, der rechte Arm laj; ausgestreckt neben dem Körper, während der linke Arm auf dem Becken ruhte. Zu Füssen des Skeletts lag die Handmühle der Verstorbenen, bestehend aus zwei Sand- steinen, dem grösseren Bodenstein und dem kleineren Läufer. An der linken Seite des Kopfes stand ein schön verziertes napf- artiges Gefäss und längs der ganzen linken Körperseite fanden sich zerstreut Scherben von drei Gefässen. Es ist dies ein vielfach von uns in neolithischen Gräbern beobachteter Brauch, den Toten Teile ab- sichtlich zerbrochener Gefässe in das Grab zu streuen, welche offenbar Mn Grab noch in Benutzung waren, wohl um damit sym- bolisch Trennung oder Tod zu bezeichnen. Das Grab Nr. 18 war, weil es etwas weniger tief gelegen war, zum Teil durch die Arbeiter beschädigt worden. Der Schädel, der in diesem Grab etwas höher gelagert war, fand sich nicht mehr vor, die übrigen Teile des Skelettes jedoch waren erhalten geblieben, obwohl sie sich stärker ver- wittert zeigten, als die der andern Gräber. Beigaben hatte man dem Toten nicht mitgegeben. Das Grabfeld erstreckt sich offenbar noch in den weiter östlich gelegenen Wein- berg hinein, bei dessen Anlage vor unge- fähr 20 Jahren jedenfalls viele Gräber auf- gefunden, aber zerstört worden sind, ohne dass etwas davon bekannt geworden ist. Es geht das aus dem Umstände hervor, dass in der westlichen Hälfte des Eller'- schen Grundstückes keine Gräber mehr an- getrofien wurden, während doch angenom- men werden darf, dass das Grabfeld ungefähr die Grösse der drei ändern gehabt haben wird, von welchen jedes, die zerstörten Gräber miteingerechnet, etwa 60 — 70 Grab- stätten enthalten haben mag. Noch weiter östlich des alten Weinberges findet sich ein tief eingeschnittener Hohlweg, über welchen hinaus sich das Grabfeld kaum erstreckt haben dürfte. Wenn nach einer Reihe von Jahren die Rebstöcke in diesem Weinberg wieder entfernt werden und man bei dieser Gelegenheit eine Untersuchung anstellen sollte, dann wird man sicher noch manches unversehrte Grab finden können. Die Entdeckung dieses weiteren Hinkel- steingrabfeldes bestätigt aufs Neue durch seine vollkommene Übereinstimmung mit den drei anderen Grabfeldern, und durch das vollständige Fehlen jeder auch nur irgendwie anders gearteten Keramik, unsere schon längst ausgesprochene Ansicht, dass die Bandkeramik nicht als etwas Einheit- liches zu gelten habe und dass sie nicht, wie Andere meinen, zu gleicher Zeit bald als Hinkelsteintypus, bald als Spiralband- keramik, bald als Rössener-Typus auftreten könne, wodurch man berechtigt wäre, die gesamte in der Bandkeramik sich aus- sprechende Kultur als eine einheitliche zu bezeichnen, nein, durch die bis jetzt hier und anderswo entdeckten Grabfelder wird auf das unzweideutigste bewiesen, dass jeder — 139 — dieser ker&mischen Typen einer bestimmteD Zeit- und Kiilturperiode eDtspricht und dasR das bier und da in Wobagruben be- obscbtete Vermischtaein dieser Qefäastypen nicbts anderes ist als eine Zufälligkeit. (Foru. loigi) Dr. Koebl. 4. Triar. [Fund trOhbrenzaieltllehar Qagan- (Uada bal Traitaai [Kr. Saarburi;.)] Der Fuod wurde Mitte Januar dieses Jahras im Gemeindewalde voa Trassem, links von der nach Saarbiirg fQbreaden Cbausoee (iamlicb hocb am Abhang dea ßerges un- mittelbar neben eiaem Wege entdeckt, als man Saadsteine für einen Hauabau brach. Die Stelle liegt auf dem Messtiachblatt exakt 500 m westlich von dem Funkte, wo „LuBtbauB" steht. Der I<'uad besteht aus einer goldenen Nadel, einem goldenen ßeif, vier goldenen Lockenhaltern, einem bronzenen Kurzachwert, fünf Randäxteu und einer apatel förmigen Axt. Sämtliche Gegenstände lagen nach Angabe des Fin- ders unter einem grossen Stein, nur das Ende dea DolchgrifFs hoA er mehrere Meter seitab. Doch gibt der Finder zu, dasB dieses Stück an derselben Stelle wie die übrigen gelegen haben könnte und von ihm unvermerkt bei Seite geworfen worden sein könne. Randftxte: a) zu unterst links abge- — 140 — bildet, gut erhalten, lang 16,8, an der Schneide 7 cm breit; oben ein Ausschnitt. — b) darüber abgebildet Schneide stark bestoBsen, ursprüngliche Länge 18 cm, an der Schneide breit 8,3 cm. — e) darüber abgebildet, oben bestosicn, nur noch der letzte Rest des Aasschnittes zu erkeaaen, jetzt 16,2 cm lang, die Schneide ist 8,8 cm breit. — d) rechts zu oherat abgebildet; sehr gut erhalten , lang Iß, 5 ; au der Schneide 7,5 cm breit. — e) unter d abge- bildete schmale Randait; oben verstüm- melt, nur noch ein Rest des Auascbnities. jetzt lang 20 cm, breit au der Schneide 5,8 cm. Eine fast unsichtbare Rast ist dadurch hergeetellt, dass die zwiscbeu dm Randleisten liegende Fläche in ihrem obersten T cm langen Teil vollständig flach ist, während von da ab Eur Spitze r.n ein flacher Grat läuft. ^- Dieae Randazte sind für die älteste, sich der Kupferzeit ent- wunden habende Bronzezeit charakte- ristisch. Sie hatten alle füof oben einen Ausschnitt, wie er dem italischen Typus, der übrigens nördlich der Alpen vielfach nachgeahmt worden ist, eigen ist, vgl Monielius, Chronologie der ältesten Bronie- ze'it S. t03 ; Schumacher, Westd. Zeitscbr. XK S. 197. Spstelförmige Axt mit niedrigen 141 - - 142 Seitenrändern. Schneide bestossen; abge- bildet rechts zu anterst, jetzt 22,5 cm lang; an der Schneide 37 mm breit. Sie ist, wie die Mainzer Axt, mit breiter Schneide (abgebildet Westd. Zeitscbr. XVIII, Taf. 5 Fig. 19), mit dem Rand parallel laufenden Linien, welche aus einzelnen Punkten bestehen, verziert. Diese spatel- förmigen Äxte kommen in Italien selbst nicht vor, sind aber vielfach mit italischen Typen zusammen gefunden worden, vgl. Montelius S. 126. Kurzschwert. Länge der Klinge bis zum Griffansatz 29,7 cm. Der Griff hat jetzt noch eine Länge von 9,7 cm, wird aber vermutlich gegen 13 cm lang gewesen sein. Das Griffende, welches besonders gefunden ist, ist nach unten scharf abge- schnitten und zeigt nach oben ein röhren- förmiges Loch^); es muss deshalb durch anderes Material, vielleicht Knochen oder Holz, mit dem andern Teil des Griffes verbunden gewesen sein. Unmittelbar un- terhalb des Griffknaufes laufen mehrere parallele Linien, von denen die beiden obersten durch schrägliegende Streifen verbunden sind. Ebenso zeigt das Ende des mit der Klinge noch verbundenen Griffteiles einige parallele Linien, während im übrigen weder der Griff noch die Klinge irgendwelche Verzierungen hat. Die Klinge hat einen sehr starken Grad. Der untere Teil des Griffes hat einen dreieckigen, nicht, wie meist, einen rundlichen Aus- schnitt. Verwandt ist das „angeblich in Macedonien, ohne Zweifel aber in Deutsch- land gefundene Schwert'' bei Montelius • Fig. 70 und das Schwert von Eschewege bei Lindenschmit, Vorzeit III, 8, I, 1 =^ Wd. Ztschr. XX Taf. 8, 12«). Vier Lockenhalter aus reinem Gold, a) Spirale aus doppeltem Golddraht, noch sehr gut erhalten, sechs Windungen, schwer 12 Gramm, Dni. 23 cm. b) dgl., nicht von gleich guter Erhaltung, schwer 12,5 Gramm. An beiden Exemplaren ist der Draht an 1) Oana wie das Stück bei Hampel, Alter- tttmer der Brozuseseit in Ungarn, Taf. 80, Fig. 2, welches offenbar die gleiche Yerwendnng hatte. Einen oben offenen Griff seigt jetst anch das Schwert bei M o n t e 1 i n s , Fig. 225. S) Tgl. auch Montelius S. 219 in S. 31. beiden Enden geschlossen'), c) Spirale aus einfachem Golddraht, neun Windungen, schwer 6 Qramm. d) dgl. sechs Windun- gen, 4 Gramm. Diese Stücke werden aller Wahrscheinlichkeit nach, wegen ihrer Aus- dehnung, nicht als Fingerringe, sondern als Lockenhalter gedient haben, vgl. Heibig, Homerisches Epos S. 167. Nach Mon- telius S. 95 sollen derartige Stücke aus den ungarisch-siebenbürgischen Gegenden importiert worden sein, weil ganz ähn- liche Spiralringe dort und auf dem Wege zwischen diesen Gegenden und dem nor- dischen Gebiete zahlreich sind. (Ähnlich urteilt Schumacher S. 196). Tordierter ovaler Goldreif, gr. Dm. 65 mm. Der Reif ist offen, die bei- den Enden stehen 12 mm von einander. Gegenüber der Endung ist der Reif am dicksten, 7 mm stark, während er sich nach den Enden zu, die nur 3 mm stark sind, allmählich verjüngt. Gewicht 47 Gramm. Über die nicht zahlreichen der- artigen Ringe, und zwar aus Bronze, vgl. Ndue, Bronzezeit in Oberbayern S. 179 Jene Ringe, die altgemein als Armringe bezeichnet werden, überragen die unsrigen meist nicht an Grösse, aber da die nicht beweglichen Enden bei dem unsrigen nur 12 mm von einander stehen, so ist er nicht über ein Armgelenk gegangen und muss einen anderen Zweck gehabt haben. Goldene Nadel, lang 15,2 cm, wiegt 20 Gramm. Der Draht der Nadel ist auf den untern zwei Dritteln rund, sich gegen das Ende allmählich verjüngend, während das oberste Stück bis zum Beginn der Spiralen vierkantig und auf den 4 Kanten S) „Solche Binge kommen fast nur in Gold vor. Diese Tatsache hat vermatlich ihren Grand in der Art der Uerateilnng solcher Doppeldrähte Man könnte dieselben nämlich erteugen, indem man ans einem einfachen Draht durch Lotung einen allseitig geschlossenen Reif herstellt und diesen dann an swei einander diametral gegenüberliegen- den Stellen susammenlegt; da man aber an solchen Spiralen noch keine Lotung wirklich fest- gestellt hat, ist es wahrscheinlicher, dass ein dickerer, geschlossener, etwa durch Guss herge- stellter Beif oder eine durchbohrte Scheibe (i. B. eine Münae), durch Aushämmem auf die ge- wünschte Grösse gebracht wurden". Olshaasen, Verhandl. der Berl. Anthrop. Gesellschaft 1866 S. 447. — 143 — — 144 — mit scharf eingeschnittenen Linien geziert ist. Zn Oberst befinden sich fünf aus Draht zusammengewickelte Spiralen, von denen je zwei seitwärts vom Mittelstabe liegen, eine nach vorne gewickelt ist. Von Bronze- nadeln sind vielfach ein- oder. z weis piralige, eine fünfspiralige aas Mähren (Much, Kunst- hist. Atlas 18, 6) als Analoga bekannt. Goldene Nadeln vermag ich nicht nach- zuweisen, doch bieten schon der goldene Schieber mit Spiralen aus der 2. Trojani- schen Stadt (Schuchhardt S. 78) und die mykenischen Halskettenstucke (ebenda S. 224), wie anderseits die goldene ungarische Fibel bei Hampel 41, 1 einiges verwandte. Man wird deshalb für dieses Stück wie für die Lockenhalter östlichen Import an- zunehmen haben. — Die Nadel wird in dieser Zeit, die noch keine Fibeln kannte, zur Befestigung des Gewandes gedient ha- ben und kann auch von einem Manne ge- tragen worden sein (vgl. Naue, Bronzezeit in Oberbayern S. 153). Der Fund braucht kein Depotfund zu sein, bei dem man anzunehmen hätte, dass ein Händler die Sachen vergraben hat. Es können vielmehr die Kostbarkeiten ei- nes Häuptlings sein : Wafiten und Schmuck. Da ausschliesslich Äxte mit Randleisten vorkommen, keine Äxte von jüngeren For- men, muss der Fund in die erste Periode der Bronzezeit gehören, die in unseren Gegenden in die erste Hälfte des 2. Jahr- tausends v. Chr. fällt. Hettner. 55, Oberleuken, Kreis Saarburg bei Trier. Ein prähistorischer HandmUhisteln, söge- nannter Napoleonshut, wurde am 11. Juli d. Js. in der Nähe von Oberleuken ge- funden. Der Fundplatz ist auf der linken Seite des Merl-Baches, etwa 200 m west- lich von der Stelle, wo der (im Messtisch- blatt Kirf durch Punkte bezeichnete) Pfad Kesslingen-Orscholz den Bach überschreitet. Der Stein lag unter dem von dem benach- barten Felsen herrührenden Grauwacken- Geröll, war jedoch nur teilweise bedeckt. Dass hier der Platz seiner ehemaligen Ver- wendung sei, ist unwahrscheinlich, obwohl andererseits sich nicht annehmen lässt, dass er aus grösserer Entfernung hierher gebracht worden wäre. Das Material des Steines ist Basalt- Lava. Seine Grundfläche ist länglich-oval, nach den Enden zu fast spitz. Die Länge beträgt — die eine abgeschlagene Spitze mitgerechnet — 57 cm, die Breite 24 cm, die Höhe des Steines 28 cm. Die Form ist aus den beigefügten Skizzen zu ersehen. n f- r , N •.»\ Nach Reiu ecke- Mainz (vgl. Eorreapon- denzbl. 1900, S. 113 ff.) haben die Steine dieser Art oftmals an den beiden Enden einen zapfenartigen, über die Bodenfl&che hinausragenden Fortsatz. Derselbe findet sich auf einer Seite des hier in Rede stehenden Steines nicht, während es sich von der anderen nicht bestimmen lässt, da dieselbe beschädigt ist. Bemerkenswert an diesem Steine ist der Umstand, dass er auf einer der beiden Seitenflächen, nahe den Spitzen, ganz glatt ist, was nur dadurch verursacht sein kann, dass er hier sehr oft angegriffen wurde. Daraus ergiebt sich, dass die für gewöhn- lich angenommene Art des Gebrauchs, wie sie aus der am oben angeführten Ort ab- gebildeten ägyptischen Figur sich erkennen lässt, hier nicht in Betracht kommt, we- nigstens nicht die einzige war. Von seinem Alter verrät dieser Stein nichts, da er nicht in einem Wohnplau, auch nicht mit anderen Gegenständen zu- sammen gefunden wurde. Wir sind daher angewiesen auf andere Angaben, wonach ähnliche Steine gegen Ende der jüngeren Steinzeit in Gebrauch waren. Dieses Exemplar wurde von mir er- worben und dem Provinzialmuseum in Trier zur Verfügung gestellt. Oberleuken. Schneider. Chronik. Im Verlage von J. Lintz-Trier erscbie- g^ nen in diesen Tagen aus der Feder des Oberstleutnant Dahm: Die FeldzUge des 145 - — 146 — Germanious in Deutschland, mit 2 Anl and 4 Textfig Der Verfasser bezeichnet seine Arbeit als „eine zusammenhängende „Darstellong der Begebenheiten, wie sie „nach den neuesten Errungenschaften der „römisch-germanischen Forschung für den „Milit&r annehmbar ist^; dieselbe bringt in der That eine Reihe neuer, beachtens- werter Gesichtspunkte, auf die wir dem- nächst wohl Gelegenheit haben werden znrückznkommen. 67. WinkelMtser: De rebns diTi Augusti Auspioiis in Germania gettis qnaestiones selectae. Det- moldiae 1901. (43 S.) In dem ersten der sieben Kapitel dieser Bonner Inauguraldissertation wird der Nach- weis versucht, dass die Übersiedelung der Ubier auf das linke Rheinufer durch Agrippa nicht im Jahre 38, sondern bei dessen zweiter Anwesenheit am Rhein im Jahre 19 vor Chr. G. erfolgt sei. Wirk- lich überzeugende Gründe für diese Da- tierung sind nirht beigebracht, wenn auch zugegeben werden darf, dass auch die bisherige Annahme in den Quellen nicht ausreichend begründet scheint. Doch be- steht ein Widerspruch zwischen dem Wortlaute der beiden Zeugnisse bei Strabo und Tacitus, wie ihn W. p. 2 sq. zu er- kennen glaubt, in Wahrheit nicht: ob die Initiative zu der Verpflanzung von den Ubiern oder von Agrippa ausging, ist aus den Quellen nicht zu ersehen, auch ziem- lich nebensächlich, da dem Übertritte auf römisches Gebiet unter allen Umständen Verhandlungen mit dem Höchstkomman- dierenden am Rhein vorausgehen mussten, der dem Volke die neuen Sitze anwies und Grenzen zog, so dass von diesem, Agrippa, mit vollem Rechte gesagt werden konnte, dass er die Ubier übersiedelt habe (jUfriJycryfv). Das folgende Kapitel stellt nach dem Vorgange von Asbach und Riese mit Hülfe eines Zeugnisses bei Obsequens fest, dass die Niederlage des LoUius nicht im Jahre 16, sondern bereits i. J. 17 v. Chr. erfolgt sei. Bemerkenswert sind die Ausführungen des Verf. im 5. Kapitel über die Sitze, welche den Hermunduren durch Domitius Ahenobarbus, dessen illyrisches Kommando in die Zeit 9 bis 7 vor Chr. datiert wird (cap. IV) angewiesen wurden: nach eingehender Prüfung aller Zeugnisse ent- scheidet er sich für die Gegenden um den Main, so dass die Hermunduren dadurch etwa die Sitze erhielten, welche sie nach der Germania des Tacitus im 1. Jahrb. innehatten. Gegen eine Ansiedlung im nördlichen Böhmen spricht er sich, wie es scheint, mit vollem Recht aus. Die übrigen Kapitel aiL VI. VII.) sind Erörterungen über die Überlieferung von den Feldzügen des Drusus (12—9 v. Chr.), des Tiberius (4—6 n. Chr.) und der Varus- schlacht gewidmet und bringen kaum irgend etwas Neues. Die Beurteilung des Wertes der verschiedenen Quellen ist im allge- meinen eine zutreffeude: namentlich wird die Überschätzung des Florus, für dessen Bericht übei' die Varusschlacht das Werk eines unbekannten Dichters als Quelle an- genommen wird, mit Recht zurückgewiesen. Wiesbaden, August 1902. Ritterling. Heinrich Boot, OeBchichte der rheinischen Städte- gA knltur von den Anfängen bis znr Gegen- wart mit besonderer BerüclsBichtigang von Worms. Heraasgegoben im Auftrage von Cornelias W. Freiherrn Heyl za Herrns- hoim. Vierter Teil. Berlin 1901. 741 S. Mit diesem vierten Band, der in Kapitel 40 bis 48 die Darstellung von der Wahl Johanns von Dalberg zum Bischof von Worms (1482) bis auf die Gegenwart herab - fhürt, liegt das Boos'sche Werk abge- schlossen vor. Den ersten drei Bänden — der dritte ist im Jahrgang 1900 des Korrespondenz- blatts Spalte 46 ff. angezeigt worden — kam es zu statten, dass Boos ein reiches Material an einschlägigen Quellen in seinem Wormser Unkxindenbuch vorher selbst be- arbeitet hatte. Der vierte Band ist weit weniger gut fundiert, weil er vielfach nur aus abgeleiteten Quellen schöpft und dem dritten auch wohl zu rasch gefolgt ist, um ein gutes Buch sein zu können. Man begreift, dass der Verfasser den Wunsch haben musste, das vor Jahren begonnene Werk endlich abzuschliessen ; aber auch wenn man über die Mängel in Disposition und Stil hinwegsieht, die als Spuren solcher Eilfertigkeit hervortreten, bleibt kein er- freulicher Eindruck. Es war von Anfang - 147 - - 148 - an ein etwas gewagtes Unternehmen, auf der Basis von Worms eine Geschichte der rheinischen Stadtekultur aufzubauen; der Inhalt dieses vierten Bandes rechtfertigt den umfassenden Titel jedenfalls noch weit weniger als seine Vorgänger. £r bietet eine Lokalgeschichte von Worms mit ge- legentlichem Ausblick auf andere rheinische Städte. Köln, das zu diesen doch wohl auch gehört, wird kaum erwähnt; Mainz und Speier sind nur im 47. Kapitel, in der Revolutionszeit, etwas eingehender behan- delt. In ermüdender Breite sind uninter- essante Rechtsbändel und längst bekannte kriegerische Ereignisse erzählt. Für das Kulturgeschichtliche konnten einige gute Spezialarbeiten wie Beckers Beiträge zur Geschichte der freien Reichsstadt Worms (Worms 1880) benutzt werden; was aus ungedruckten Quellen an statistischem Material beigebracht wird, ist zu lücken- haft und unverarbeitet, um sich dem Ge- samtbilde mit Nutzen einzufügen. Die Schwierigkeiten, die dem Verfasser, ie mehr er sich der Neuzeit näherte, seine Aufgabe bereiten musste, sind nicht zu verkennen und das Recht ist ihm nicht zu bestreiten, vorzugsweise aus abgeleiteten Quellen zu schöpfen. War es aber in erster Linie auf Darstellung abgesehen, so hätte man eine von grossen Gesichtspunkten ge- leitete, wohl gegliederte Zusammenfassung des Wesentlichen erwarten können. An weitschweifigen Schilderungen eines be- schränkten Gebietes ist die landesgeschicht- liche Litteratur der Rheinlande reich genug. Der Zweifel ist berechtigt, ob wir Boos dafür dankbar sein müssen, dass er uns ein Buch beschert hat, neben dem sich vielleicht nicht gerade Ennens Arbeiten, aber jedenfalls die Geschichte des Erzstifts Trier von J. Marx einstweilen noch getrost sehen lassen kann. Auch was die Unbefangenheit der Auf- fassung anlangt. Im Gegensatz zu Marx, dessen streng kirchlichem Standp mkt gegen über die Geschichte der städtischen Gemein- wesen wenig zu ihrem Rechte kommt, ist Boos reformiert und — reichsstädtisch und vermag deshalb die aufstrebende Fürsten- macht nicht richtig einzuschätzen. Er hält diese Anschauung zwar bei weitem nicht so konsequent fest wie Marx die seinige; aber die „besondere Berücksichtigung von Worms" hat ihn doch vielfach zu Urteilen geführt, die dadurch nicht weniger schief werden, dass er selbst ihnen oft in anderem Zusammenbang widerspricht. Ob Goethe, wie S. Ö25 gesagt wird, nur als Reichs- städter imstande war, eine „wirklich natio- nale" Litteratur zu schaffen, mag hier unerörtert bleiben. Wenn sich aber Worms vorteilhaft von den „wirklich verkommenen'- schwäbischen Reichsstädten unterschied, so lag das wohl weniger an der Aufgeweckt- heit seiner Bewohner (so S. 508), als an seiner Eigenschaft als bischöfliche Residenz — was Boos übrigens selbst halb und halb zugibt. Der Vergleich würde wohl noch mehr zugunsten von Worms ausfallen können, wenn es wie Mainz im 15. Jahr- hundert landesherrliche Stadt geworden wäre. Der im 40. Kapitel geschilderte „Kampf um die Freiheit' erregt denn auch nur in sehr massigem Grad die Sympathie des Lesers für die vielfach vergewaltigte Stadt. Die „eigentliche Korruption" in der Stadtverwaltung, von der (nach Boos S. b'Si)) in Worms zum Unterschied von andern Reichsstädten keine Rede gewesen sein soll, war nach seinen eigenen Mitteilungen doch gerade gross genug. Dem Verlust der reichsstädtischen Freiheit wird es zu- geschrieben, dass die Bewohner von Mainz keine höheren Interessen mehr hatten und das niedere Volk in Unwissenheit und Aber- glauben dahinwuchs. Die Regierung einer freien Reichsstadt Mainz hätte aber sicher- lich nie an so ernsthafte Versuche zur Bekämpfung von Unwissenheit und Aber- glauben gedacht wie sie von dem treff- lichen Kurfürsten Emmerich Joseph von Breitenbach (1763 — 74) unternommen wur- den. Dass er mit ihnen scheiterte, hatte ganz andere Ursachen als die mangelnde Reichsfreiheit. Man wird die Frage auf werfen dürfen, ob es überhaupt rätlich war, eine Ge- schichte der rheinischen Städtekultur bis auf die Gegenwart auszudehnen. Träger einer selbständigen und eigenartigen Kultur sind die rheinischen Städte im 17. und 18. Jahrhundert nicht mehr gewesen. Ihre Bedeutung erhalten sie in dieser Zeit als - 149 - - 150 kurfürstliche Residenzen ; es ist keine Frage, dass das geistige Leben in Köln, Aachen und Speier damals hinter dem von Düssel- dorf, Bonn, Koblenz und Mainz zurück- gestanden hat. Hätte Boos sich dieser Erkenntnis nicht verschlossen, so wäre sie vielleicht geeignet gewesen, die Anlage seines Buches völlig umzugestalten. Zu bedauern ist jedenfalls, dass er auf die Geschichte des städtischen Ver- waltungsorganismus nicht tiefer eingegangen ist. Es geht doch nicht an, die Unfähig- keit zu einer gedeihlichen Selbstverwaltung, die im städtischen Leben der späteren Zeit allenthalben hervortritt, nur aus Mangel an Gemeinsinn, aus Vetternwirtschaft und Habgier der Regierenden zu erklären. Man muss zu ergründen versuchen, wie weit die Verwaltung infolge ihrer unzweck- mässigen Organisation nicht mehr imstande war, den Anfordeningen der Zeit zu ge- nügen. Freilich wäre dazu ein umfassen- des Studium spröden Aktenmaterials er- forderlich gewesen. Boos hat zwar einiges aus den diesbezüglichen Wormser Quellen mitgeteilt, so S. 536 fr. einen Etat von 1751; doch gibt er sich selbst keiner Täuschung darüber hin, dass ein richtiges Bild der Sachlage so nicht zu gewinnen ist. Wenn ferner die Darstellung bis zum Autkommen des neuen Bürgertums im 19. Jahrhundert fortgeführt wurde, so hätte wohl der Versuch gemacht werden können, die Wurzeln dieser bürgerlichen Gesell- schaft bis in die Aufklärungs- und Revo- lutionszeit zu rückzu verfolgen. Freilich wäre gerade hierbei eine scharfe Trennung von städtischer und höfischer Kultur am wenig- sten durchführbar gewesen. Aber den Weg hat schon vor vierzig Jahren der treffliche Clemens Theodor Perthes durch sein Buch p Politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft" gewiesen. Er verfolgte mit dieser Vorarbeit, die sich mit den Rhein- landen besonders eingehend befasst, den Plan einer Entwickelungsgeschichte der politischen Parteien in Deutschland. Eine bis zur Neuzeit fortgeführte Geschichte der rheinischen Städtekultur hätte heute wohl mit noch grösserem Erfolg zur Lösung dieser Aufgabe beitragen können. Was an fruchtbaren Keimen der Autklärungs- epoche in den bürgerlichen Kreisen zurück- blieb, nachdem die frivole Hofgesellschaft weggefegt war, — welchen Zusammenhang die Lesegesellschaften der Revolutionsjahre mit der politischen Bewegung der späteren Zeit verknüpft, — in welchem Umfange die Lehre Fichtes auf den jungen Görres, die Lehre Kants auf Georg Forster, Dorsch und andere Mainzer Klubisten eingewirkt hat, — wie weit der Umsturz des Bestehen- den zur Überwindung der konfessionellen Vorurteile und Gegensätze beizutragen ver- mochte, wie weit die Revolution und später die napoleonische Regierung die selbstän- dige politische Bethätigung der kaufmän- nischen Kreise begünstigt hat, die 1792 in Mainz ihre Forderungen in überraschend massvoller Weise formulierten und 1797 in Köln, 1798 in Mainz die erste Handels- kammer einrichteten — alles das sind Fragen, die sich unwillkürlich bei der Lektüre der letzten Kapitel von Boos Werk aufdrängen, aber leider keine Be- antwortung finden. Wie die Franzosen am Rhein gehaust und was die Revolutionsmänner für Phrasen deklamiert haben, ist schon so oft geschil- dert worden, dass die ausführliche Erzäh- lung bei Boos kaum etwas Neues zu bieten vermag. Auch an wohlfeiler moralischer Entrüstung fehlt es ihr nicht ganz. Von Forster, der sonst übrigens nachsichtig be- urteilt wird, heisst es S. 610, er habe nichts gewusst von der Scbmählichkeit seines lau- desverräterischen Treibens, und Karoline Böhmer, die spätere Gattin A. W. Schlegels, wird S. 593 als emancipierte Frau der „anständigen Gesellschaft" gegenüberge- stellt 1). Wenn man sich an den schönen Zeich- nungen erfreut, mit denen Joseph Sattler auch diesen Band geschmückt hat, kann man sich einer Regung des Bedauerns nicht erwehren, dass der Text nicht alle Hofi^nungen erfüllt, die durch Titel und Ausstattung erweckt werden. Köln. Dr. 0. Oppermann. 1) Vgl. die meisterhafte Cliarakteristili von Ricarda Hucli, Blütezelt der Romantik, 8. it7-43. Es scheint fast, als hielte Boos sie für die Gattin des Wormser Professors G. W. Böhmer, der im Mainzer Klab eine Rolle spielte. — 151 - — 152 — 69. Die MüDiterache Dissertation vpn W. van Qulik, Der Scholaater Joliannes Gropper und seine Thätigkeit im Kur- fürstentum Köln bis zum J. 1540 (Münster i. W., 1902, 63 SS.) ist der mit Fleiss and Umsicht gearbeitete erste Teil einer Bio- graphie des hervorragenden Kölner Theo- logen, in welchem ausser der Jagend- geschichte desselben seine Thfttigkeit im Dienste des Erzbischofs Hermann von Wied und seine litterarischen Arbeiten auf Grund ausgiebiger Quellenkunde behandelt wer- den. Auch der Frage nach der Autor- schaft des 'Daniel von Soest' wird hier (S. 35 ff.) eine neue Untersuchung ge- widmet. Wir werden auf diese Schrift zurückkommen, wenn sie vollständig vor- liegt. 70. 8ti6V6, Felix, Abhandlangen, Vorträge und Beden. Mit dem Portrftt des Yerfatters. Leipsig, Ounker A Hnmblot, 1900. 8^ XII u. 420 S. Freundeshand hat dem früh verstor- benen Forscher ein würdiges Denkmal gesetzt in der vorliegenden Sammlung kleinerer Schriften und Vorträge. Über den zu Grunde liegenden Plan giebt der Herausgeber, H. von Zwiedineck, im Vor- wort Auskunft. Viele der vorliegenden Stücke waren zwar bereits gedruckt in der Allgemeinen deutschen Biographie, in den Sitzungsberichten der Münchener Aka demie^ in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung und in den Münchener Neuesten Nachrichten. Aber die grössere Hälfte (15 von 25) war ungedruckt, durchweg Vorträge und Festreden. Ein erheblicher Teil der Beiträge ent- nimmt den Stoff dem Arbeitsgebiete Stieves entsprechend dem 16. und 17. Jahrhundert, den Zeiten der Gegenreformation und des 30jährigen Krieges. Ausserdem wiegen vor kulturgeschichtliche Gegenstände und ak- tuelle Fragen der Gegenwart von politi- schem und religiösem Interesse. Viele der Aufsätze sind biographischen Charakters, z. Tl. fein ausgeführte Charakteristiken, mögen sie nun Persönlichkeiten hetrefien, denen St. bei seinen Studien näher ge- treten war, oder Freunde und Zeitgenossen des Verf., denen er in warmem Empfinden einen Nachruf widmet. Alle diese Kundgebungen Stieve'schen Geistes, so verschiedenen Stoffen sie sich auch zuwenden, zeichnen sich aus durch kläre, durchsichtige Disposition, guten Stil und eine im besten Sinne populäre Dar- stellung. Kritische Untersuchungen sind ausser den beiden Wallenstein-Aufsätzen nicht dabei; man wird dem Herausgeber nur dankbar sein, dass er diese Master- leistungen St.s weiteren Kreisen zugänglich gemacht hat; freilich wird die Freade hierüber erheblich getrübt durch das Be- dauern, dass es St. nicht vergönnt war, die geplante Monographie über Wallen- stein fertigzustellen. Fast alle übrigen Arbeiten tragen den Charakter kleiner Essais, in denen der Verf. bestrebt ist, weitere Kreise mit den Ergebnissen seiner Wissenschaft, meist auch seinen eigenen Studien, oder mit interessanten geschicht- lichen Persönlichkeiten bekannt zu machen. Vergegenwärtigt man sich bei den Reden und Vorträgen dazu die imponierende Persönlichkeit des Mannes, dessen treff- liche Photogravüre das Werk ziert, so ahnt man die Wirkung dieser Vorträge, deren Zauber man sich nicht zu entziehen vermag. Die Sammlung lässt in ihrer letzten Hälfte deutlich das Bestreben erkennen, Stieves persönliche politische and religiöse Entwicklung und Gedanken anf Grand seiner eigenen Äusserungen kenntlich zu machen. Diese Absicht ist dem Heraus- geber durchaus geglückt. Er verschafft uns einen tieferen Einblick in den Werde- gang eines trefflichen deutscheu Mannes, den ein tragisches Geschick mitten aus den grössten Entwürfen hinweggerafft hat. Nur zwei von den Aufsätzen des vor- liegenden Bandes berühren die Geschichte Westdeutschlands unmittelbar: VI Her- zogin Jakobe von Jülich, eine knappe Bio- graphie dieser unglücklichen Fürstin, und XXiV Max Lossen und sein „Kölnischer Krieg". Köln. Herm. Keussen. Miscellanea. Der Ehrenbeiname „Domitiana'S mit 71 welchem das gesamte untergermanische Heer im Jahre 89 wegen seiner Haltung 153 164 im Aufstände des Antonius Saturninus ausgezeichnet wurde (vgl. Westd. Zeitschr. XII, 217 f.), ist vom Kaiser vereinzelt auch an andere Truppenteile verliehen worden. Dies lehrt eine im Mai 1901 zu Wien ge- fundene Grabinschrift, deren Kenntnis ich E. Bormann verdanke. Sie ist gesetzt dem T(itu8) F(lavius) Draccus, einem Sequaner, welcher eq(u)e8 alae T FflaviaeJ Dfotni- tianaej BritftannicaeJ m(üliariae) cftmum) rCamanarumJ war. Die Auflösung der Siglen F . D . zu F(laviae) D(omitianae) kann nicht zweifelhaft sein, um so weniger, da die ala in anderen Denkmälern (G. 111.4576,4578, 6748, Diplom XXXIX vom Jahre 114 G. III p. 1975) die Namen ^ Fla via Aug(u8ta) Brittannica'' ftihrt: nach dem Tode und der memoriae damnatio des Domitian wurde der verhasste Name durch den all- gemeineren „Augusta" ersetzt, während der unanstössige flavische Gentilname auch fernerhin in der Titulatur der Truppe bei- behalten wurde. Dieser Vorgang in der Namengebung der ala lehrt die Unrichtig- keit der Annahme von Gichorius (Pauly Wissowa I, Sp. 1232), nach welcher alle alae mit einer Provinzbezeichnung in ad- jektivischer Form im Namen, ursprunglich nur den Namen „Augusta'* gefuhrt hätten, und durch Beifügung des Namens der Pro- vinz, in welcher sie stationierten, nur von- einander unterschieden werden sollten. Vielmehr ist die ala Brittannica, wie schon Mommsen Eph. V. p. 178 vermutete, nichts anderes als eine ala Brittannorum (vgl. ala veterana Gallica = Gallorum u. s. w.) und hat den Namen „Augusta** nicht eher als unter Nerva und Trajan gefuhrt. Die Veranlassung zu der Auszeichnung der ala durch Domitian kennen wir nicht, ohne Zweifel ist sie aber erfolgt als Aner- kennung für eine hervorragende WafTen- that der ala in den dazischen und sar- matischen Kriegen zwischen d. J. 86 und 92. Gleichzeitig sind damals sämtliche Mann- schaften der ala mit dem römischen Bürger- recht beschenkt worden ; dass der Beiname c(ivium r(omanorum), welchen die ala auf der neugefundenen Inschrift sowie auf zahlreichen anderen Denkmälern führt, auf einen der flavischen Kaiser, also offen- bar Domitian, zurückgeht, lehrt der Um- stand, dass alle Reiter, deren Grabschriften wir besitzen „Titi Flavii*' heissen: G. III, 4575, 4576 und die neue Inschrift; bei der Verleihung des Bürgerrechts haben sie das Gentile des Imperators angenommen. Wenn die ala endlich auf einer der trajanischen Zeit angehörenden Inschrift aus Amasia (G. Ilf, 6748) auch als „bis to[rq]uata o[bvJi[rtute]m'' (d. h. dass sämt- liche Signa der ala zweimal mit der Tor- ques beschenkt worden seien) bezeichnet wird, so kann die erste Verleihung dieser Auszeichnung ebenfalls durch Domitian er- folgt sein ; die zweite dürfte die Truppe sich in den orientalischen Kriegen Trajans er- worben haben. In den letzten Jahren Domitians und unter Trajan scheint die ala in Vindobona gestanden, also dem pannonischen Heere angehört zu haben. Da sie in den Diplomen der flavischen Zeit bis zum Jahre 85 dort nicht erscheint, hat sie wahrscheinlich vorher in Moesia gelegen, wohin sie mit vielen anderen Bestand- teilen des vitellianischen Heeres (Tacit. Hist. III 46 vgl. Westd. Zeitschr. XII 113, so leg. I Italica und V Alaudae) im Jahre 70 geschickt worden sein wird. Ritterling. Militärstempel. Folgende fünf Stempel, 72. die ich kürzlich bei einem Besuche von Holiedoorn bei Nymegen an einer und der- selben Stelle entdeckte, sind jetzt in mei- nem Besitz. Nr. 2 steht auf einem ziemlich flachen imbrex, nr. 5 auf einer tegula; die anderen auf flachen Ziegelstücken, die viel- leicht zu tegulae ge- hörten. Die Stempel des Ex(ercäu8) Gerfma- niae) in(f(eriori8) — der dritte ist von rechts nach links zu leseu — sind bekanntlich häufig; der Stempel Sub DicUo Jul(ianoJ cofnjsftdanj, welcher um 180 n. Ghr. oder bald danach geprägt ist, findet sich vereinzelt in and um Nym- egen; dagegen nr. 5 Curfante) Jun(io) Ma(xmo?J scheint bis jetzt noch ein Uni- kum zu sein, wenn nicht etwa der Ziegel des Mannheimer Museums (Baumann Kata- log nr. 148) Sub Jun M zu vergleichen lEXCERINI lEXCERW — 155 — ist, der dann wie vieles in Mannheim vom Niederrhein stammen müsste. Cur(ant)e bezeichnet den die Aufsicht bei den Zieg- lern führenden Beamten. Frankfurt a. M. A. Riese. 73. Historische Kommission für Hessen und Waldecic. Fünfter Jahresbericht (Marburg, Mai 1902). Fuldaer Urkundenbuch. Herr Prof. Tan gl hatte im verflossenen Sommer mit dem Druck des ersten Bandes be- gonnen, sah sich jedoch im Herbst ge- zwungen, ihn zu unterbrechen. Ein längerer durch seine Arbeiten für die Monumenta Germaniae historica bedingter Aufenthalt in Paris sowie der Druck des ersten Bandes der Karolingerurkunden und vermehrte Amtsgeschäfte beanspruchten seine volle Zeit. Er hofft jedoch, den Druck gleich nach Pfingsten wiederaufnehmen zu können. Landtagsakten. Herr Dr. Glagau hat die Bearbeitung des zweiten Bandes begonnen und zunächst die Landtags- abschiede von 1527 bis 1591 ausgezogen. Er hat dann aus Zweckmässigkeitsgründen die Bearbeitung der Landtagsakten aus der Zeit Wilhelms IV. (1567—1592) nahezu erledigt und wird sich nun der Zeit Philipps des Grossmütigen zuwenden. Benutzt wur- den hauptsächlich die Staatsarchive zu Marburg und Darmstadt sowie die im Mar- burger Staatsarchive deponierten Archive der Stadt Marburg und der vormals kur- bessischen Landstände.' Chroniken von Hessen und Wal- deck. Herr Dr. Diemar hat die Text- gestaltung der beiden Chroniken von Gerstenberg vollendet, zum Teil unter Heranziehung von weiteren Handschriften und Archivalien aus Darmstadt und Mar- burg, und auch die Quellenuntersuchungen in allem wesentlichen abgeschlossen. Die Drucklegung des Bandes wird somit nach Erledigung einiger kleineren Fragen sofort beginnen und ohne Unterbrechung fort- gesezt werden können. Dem Bande sollen einige Illustrationen aus der Originalhand- schrift von Oerstenberg im Lichtdruck bei- gegeben werden. — Herr Dr. Jürges hat - 156 — die Bearbeitung der Waldecker Chroniken zufolge seiner Übersiedelung nach Wies- baden leider nicht in dem Masse zu fördern vermocht, wie er gehofft. Er hat indessen in Arolsen und Köln wertvolle Beiträge zur Lebensgeschichte von Klüppel gefun- den und wird die Arbeit mit möglichster Beschleunigung fertigzustellen suchen. Landgrafenregesten. Herr Geheimer Archivrat Dr. Könnecke hat seine Samm- lungen eifrig fortgesetzt, jedoch die ge- eignete Hilfskraft noch nicht gewinnen können. Der Beginn der Bearbeitung musste demzufolge vertagt werden Ortslexikon. Herr Archivrat Dr. Reimer legte den dem Jahresbericht bei- gefügten Probedruck einiger Artikel vor, um zu zeigen, wie sich der Text bei Zugrundelegung der von dem Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertams- vereine festgestellten Grundsätze etwa ge- stalten wird. Die Sammlung des Materials ist ziemlich weit vorgeschritten. Urkundenbuch der Wetterauer Reichsstädte. Der Druck desürkunden- buches von Friedberg hat begonnen and ist soweit vorgeschritten, dass der erste Band auf der nächsten Jahresversammlung wird vorgelegt werden können. Herr Dr. Foltz hat im Herbst die Archive in Frankfurt, Darmstadt, Wetzlar, Braunfels und Limburg besucht und ausserdem die auch in diesem Jahre von den Staats- und Stadtarchiven in Darmstadt, Frankfurt, München und Münster in entgegenkom- mendster Weise nach Marburg gesandten Fried bergensien bearbeitet. Hessisches Trachtenboch. Die Herstellung der dritten Lieferung stiess auf nicht vorherzusehende Schwierigkeiten, und wurde zur Entscheidung einiger Fragen eine Kommission, bestehend aus den Herren Haupt, Könnecke und Zimmermann, gewählt. Münz werk. Die Vorarbeiten für das Münzwerk haben eine wesentliche Förde- rung dadurch erfahren, dass der Bearbeiter Herr Oberlehrer Dr. Buchenauin Weimar auf einer beinahe halbjährigen Reise von Oktober 1901 bis März 1902 die wichtig- sten öffentlichen und privaten Münzsamm- lungen Mitteleuropas zwischen Kopenhagen, - 157 - - 158 - Berlin, Darmstadt und Wien besucht und für die Zwecke des Münzwerks ausgebeutet hat. Das Ergebnis der Forschungsreisen ist ein recht erfreuliches. Die Grundlagen für den ersten Teil des Münzwerkes, der die Beschreibung und Lichtdruckrepro- duktionen der Münzen enthalten soll, sind damit gewonnen; bis zum Winter hofft Herr Dr. Buchenau das Material soweit gesichtet zu haben, dass mit der Bearbei- tung der Münzen des brabantischen Hauses (1247—1567), für die der Stoff im ganzen abgeschlossen vorliegt, begonnen werden kann. Es darf erwartet werden, dass noch Yor Ablauf des kommenden Arbeitsjahres die ersten Lichtdrucktafeln hergestellt wer- den können. Urkundliche Quellen zur Ge- schichte Landgraf Philipps des Grossmütigen. Die bereits begonnenen Arbeiten haben durch die zu Ostern er- folgte Berufung des Herrn Prof. Dr. Brandi nach Göttingen eine so empfindliche Störung erfahren, dass der Plan, den ersten Band dieser Publikation als Festgabe zur vierten Centenarfeier der Geburt Philipps im Jahre 1904 erscheinen zu lassen, autgegeben werden muss. Doch sollen die Arbeiten nach Kräften gefördert werden, sobald es sich entschieden haben wird, in wie weit Herr Brandi auch fernerhin sich an ihnen wird beteiligen können. Das Bild Philipps des Gross- mütigen. Als Festgabe zu der erwähn- ten Centenarfeier der Geburt von Philipp soll eine die bildlichen Darstellungen des Landgrafen wiedergebende und erläuternde Schrift erscheinen, deren Bearbeitung die Herren Professor Dr. von Drach und Geh. Archivrat Dr. Könnecke übernommen haben. Die Vorbereitungen für die von dem Verein für Geschichte und Altertumskunde in Frankfurt a. M. angeregte Herausgabe eines historischen Kartenwerkes für Hessen-Nassau, Waldeck, Grossherzogtum Hessen und Aschaffenburg sind im ver- flossenen Jahre leider noch nicht soweit gediehen, dass die finanzielle Sicherung des Unternehmens bereits erreicht worden wäre. Immerhin stehen jedoch noch mancherlei Zeichnungen in Aussicht und ist die Hoff- nung begründet, dass mit der Arbeit in nicht zu langer Frist wird begonnen werden können. Ähnliches gilt von der von dem Verein für hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel geplanten Herstellung von Grund- kar ten. Auch diesem Unternehmen, wel- ches dem Ortslexikon und dem historischen Atlas ebenso wertvolle Dienste leisten wie es umgekehrt von ihnen reiche Unter- stützung erfahren wird, wünscht die Kom- mission den gedeihlichsten Fortgang. 1 Oolgomäldo I Circa 800 Stück ■•Iten« antik« nad vor- xflfl^llohe modam« (letstere überaus billig) sa ▼erkaufen. Photographien gegen Porto. O. C. Kubaoh, Stuttgart, Blumenstrasse 2. Dr. Sacob Hirfdi, numlsmatlker, München, jetzt Arcistr. 17, nächst Glyptothek und alter Pinakothek, — Telefon Nr. 6834. ~-^ Münzen und Medaillen, antike Ausgrabungsobjekte. Iiagerkatalosf VI, enth. Münzen u. 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VarrlnilitAa i.RImImIi* IM I, AmhlTdlraktor, Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst, ingleieli Organ der liistori§ch-MtiqH&ri§eheB Vereiie la Birkeafeld, DBraeldorf, Fnah- tirt m. M,, KurlSTDke, Hkiu, Heti, Neus, Prim, Speyer, Trier, Wonis, Rowie des uthropvUgüehei Vereins ii StDttgKrt. Jahrgang XXI, Nr. 11. ~ Dl« ZdUohilft u-iabalnt TtarWLlftbrlLidi, d fi Mark tar dl* Zeltichrifl mit KairnipoDÜBi 4. Neue Funde. MUnstor bei BIngirbrUok. [Rönlsoher MoMlkfueabeden.] In Münster bei Binger brück (nicht trefTsnd^BODst beieichnet „bei Bingen'; denn dies Monetär liegt auf dem linken Nahenfer wie Uingerbräck, 25 Mi- nuten fluuaofwftrts, und gehört zur Bürger- meUterei Bingerbrttck) wurden 1895 die Mottikbödeo von mehreren Zimmern einer römischen TUla gefunden. Die achv&rz- weisaen Mosaiken kamen in die Sammlung des Ant. Hist, Vereios zu Kreuznach, da« buntfarbige des Tierkreises und des Son- nengottes mit vier Pferden, auf dessen griecbiech -römisch es Original wohl auch die Hauptfigur in Guido Recis Aurorabild zurQckgeht, kam nach Frankfurt a. M. ins historische Museum. Beide erhielten durch mich im hiesigen Generalanzeiger eine Be- schreibung, die im KorrespoDdenzblatt 1S9&, Hl. 9 und 10 abgedruckt ist (sie rahrt nicht von „Koehl" her, wie Quilling sagt); diese Beschreibung ist von Dr. Quilling er- gänzt worden topotypiscb in den Bericbteu des Fr. D. Uocbstifiea 1B96, 216 und io Bezug auf Herkuuft der einzelnen Mosaikma- teriallen unter Beigabe eines Bildes vom Sonnen- gott und Tierkreis in der Westd. Zcitsrbritt XX, Tat. 3. Ende Juni d. J. sollte von der alten Fundstätte weiter nnch Südosten, tiarh der Nahe ku gebaut wer- den, iiml da fanden sich noch grössere Hosaikreste in schwarzen und weissen Steiochen von einem grös- seren und kleinere von - 163 — — 164 — einem anscheinend kleineren Zimmer. Die westliche Ecke des grossen Zimmers ist unter der Dorfstrasse verborgen; in dem abergelagerten Schutt fanden sich Kachel- stücke und Messinggegenstände vom 16. bis 17. Jahrhundert etwa. Von den Quadraten (je 57 cm, s. die Zeichnung) ist nur das eine mit den zwei Krei- sen und dem schwarzen Stern vollstän- dig erhalten (dieselbe Art hatte sich in einem 1895 entdeckten Zimmer gefunden), eigentümlicherweise sind aber die zwei gleichen Quadrate mit dem Stern nicht gleichmässig von dem beiden Seiten ge- meinsamen Eckquadrat aus orientirt, son- dern das ganz erhaltene an zweiter Stelle, das andere unmittelbar daneben, sodass das Eckquadrat mit dem unvollständigen Stemquadrat wohl zu einem Streifen gerechnet war. Auch weiterhin lässt sich nicht eine rechte Symmetrie in der Abwechs- elung erkennen. Nach Abwechselung aber in der Ausfüllung der einzelnen Quadrate mit Figuren aus geraden und kreisartigen Linien hat jedenfalls der Zeichner des Mosaikbodens gestrebt, ebenso wie in den Blättern, welche sich in der Mitte der Rundungen des [als grosse Borde dienen- den Mäanders eingesetzt finden. (In der Zeichnung sind nur 4 R. vollständig ge- geben.) Bei der Ausführung haben die Setzer des Mosaiks die geraden Linien nicht immer eingehalten, und die Blätter des Mäanders sind zum grösseren Teil missraten und plump ausgefallen. — Was die Herkunft der bunten Steine des Sonnen- gottes und des Tierkreises betrifft, so sind die bestimmten Angaben Quillings „Die Materialien sind für gelblich weiss : dichter Kalk von der Lahn*' u s. w. doch unsicher. Z. B. gelblich weisser, dichter Kalk kommt auch im Brohlthal, und grauer und bläu- lich weisser Marmor in der Nähe bei Strom- berg am Abhänge des Hunsrückens, vor. Und aus wie vielen anderen ürten innerhalb des Limes, statt von der Lahn und von Fulda, konnte die betreffende Fabrik in Trier oder in Mainz die Kalk- steine beziehen 1 Kreuznach. 0. Kohl. 73. La Tine-Gräber im Coblenzer Stadtwaid. Bei der Herstellung von Anlagen zu einem Aussichtspunkte auf der Spitze des nörd- lich vom Siechhausthal, im Distrikt „Teu- felsloch ^ gelegenen Bergkegels im Cob- lenzer Stadtwald (Mai 1902) stiessen die Arbeiter auf drei in ca. 60 : 40 cm Grosse und 40 cm Höhe aus Grauwacken-Platten errichtete Kastengräber, welche der jünge- ren La Täne-Zeit angehörige Gefasse und zwei Eisenfibeln enthielten. < —#*» Fig. 1. Schlank aufsteigende sauber geglättete und abgedrehte schwarz ge- dämpfte Urne aus lederfarbigem Thon, 21 V2 cm hoch; Fass 9 cm, Bauch 22 cm, Rand IS'/s cm Durchmesser, Rand leicht abgerundet, durch Hohlkehle mit dem Bauche verbunden. Fig. 2. Schale aus lederfarbigem po- rösem Thon. Boden auf der Unterseite glatt, nach oben leicht gewölbt. Wandung schräg ansteigend, gewölbt, Rand nach innen eingebogen. 20Vi cm Durchmesser, 9V> cm hoch. Fig. 3. Graue Schale, Boden nach innen gewölbt, Wandung schräg ansteigend gewölbt, Rand nach innen umgebogen; 18 cm Durchmesser, 7 cm hoch. Fig. 4. Schwarz gedämpfte Schüssel, Boden nach innen gewölbt, gewölbter Bauch, Rand nach innen umgebogen ; 25 cm Durchmesser, 12 cm hoch. Fig. 5. Grauer bauchiger Becher, Spu- ren der Drehscheibe zeigend. Boden glatt. Rand uach innen wulstig QberhEingenil, nach aussen runds lab artig aoeetzend. 1 2 cm weit, 9'/i cm hocb. Die Urne enthielt zwei Eisen Gbeln aarh Fig. 6 mit der charakteristisch auf- gebogenen Verlängerung dea Bägels. A. Günther. B. Hallstatt-WohngrubB In Coblenz-LUtiel. Im Oktober 1901 wurde auf der Baustelle dea Herrn Wilh. Klein zu Coblenz-Latzel an der Neuendorf er- Strasse. Distrikt „am Brenderweg", ein Sinkbmunen hergestellt. Bei der AusBchächtung der Anlage wurde auf der Oatseite in 1,90 m Tiefe eine hori- zontale Schicht von etwa 3 cm starken Grau wacken platten aufgedeckt, unter wel- cher sich bis auf 60 cm weitere Tiefe eine stark mit Eoblenasche vermischte lockere Bodenschicht befand, welche eine Menge Gefässsch erben und Knochen enthielt. Wegen des sehr beengten Raumes und um nicht einen Einsturz der Bodeumaaeen herbeizuführen, konnte eine eingehendere Untersuchung nicht stattHnden. Mau musete sich begnageo, von den Scherben und Knochen soviel beraoszu nehmen, als eben angängig war. Die Knochen erwiesen sieb als Tierknochen. Die Scherben ermög- lichten nach ihrer Zusammeusetzung die Form einer grossen Urne nach ihrem ganzen Umfange, Teile mehrerer Urnen ähnlicher Grüsse, sowie von drei Schalen bezw. Schüsseln festzustellen, alle der Hallstatt -Zeit angehörig. Die Urne Fig. 1 von rotbrauner Fär- bung, 30 cm hoch, mit ca. S8 cm Bauch- weite, zeigt in ihrer rohen Ausführung Hausarbeit an. Der dazu verwandte Thon (Ziegellehm) ist stark mit Quarzstückeben vermischt, die Aussenseite durch Tbon- krümchcn rauh hergestellt. Der Rand ist nach oben hohl ansteigend verjüngt, unter demselben befindet «ich eine Heihe Finger- ei ud rücke. Die Wandstärke beträgt durcb- achnittlich 10 mm. Fig. 2. Randatück einer grossen, aussen schwarz gedämpften, lederfurbigen Urne. Hoher Hals mit nach aussen leicht aus- ladendem Rand, unter demselben eine Reihe leichter Fingereindrücke, DieAuesen- seite des Bauches ist durch Thonkrümchen rauh wand ig gemacht. Fig. 3. Randstück einer grossen leicht gedämpften Urne. Kurzer Hals , unter demselben zwei Reihen leichter Finger- elndrücke. Der zur Beraubung der Anssen- seite angebrachte Tbonauftrag zieht sich aderartig über die Baucbääcbc, U, ^^^ Fig. 4. Scherben einer innen und aussen glatt gearbeiteten und gedämpfien Schüssel. Vom Boden conisch anstcigeud, unter dem Rande zusammengezogen, Rand leicht abgerundet. Boden ca. 12 cm, Bauch ca. 2ö cm, Rand ca. 21 cm Durch- messer, Höhe ca. 13 cm. Fig. b. Scherben einer klemen scliwarz gedämpften Schale. Boden öach, Wandung gewölbt, ca. 12 cm Durchmesser, 6 cm hocb. Fig. G. Scherben einer kleinen schwarz gedämpften Schale. Wandung schräg an- steigend, nach aussen gewölbt, Rand leicht nach innen gebogen, ca. 12 cm Durch- messer, eVi cm hocb. Fig. T. Kleines Randatück eines Topfes aus grobem TUon. Wulstiger flacher Rand, unter demselben eine Reihe Fingerein- drücke. Fig. 8. Kleine Scherbe eines Topfes aus grobem Thon, zeigt ein aufgelegtes, durch Einstreichen mit den Fingern ge- dreht ausa eben des Wulathand. Die übrigen Scherben betreffen meist Unlerleile von grösserer OetUasen und *- 167 - - 168 — zeigea alle rauhen Stoff und ziemlich rohe Arbeit. Es dürfte wohl die Annahme zutreffend sein, dass es sich um eine Wohngrube der Hallstatt-Zeit handelt, die erste, welche bis jetzt in Coblenz - Lützel festgestellt worden ist Erwähnt sei noch, dass die Terrainhöhe auf + 64,50 m über N. N., also unter dem auf 66,40 m angenommenen Hochwasserstande liegt. Coblenz-Lützel. A. Günther. 77. Remagen. [Römische Baulnschrlfi] Bei den letzten Ausgrabungen des Bonner Pro- vinzialmuseums in Remagen, über deren topographische Resultate ich demnächt an anderer Stelle zu berichten gedenke, wurde eine wichtige römische Inschrift gefunden. Sie lag im Schutt in einer alten, jetzt als Schuppen benutzten Kapelle, unter deren jetzigem Boden wir Reste einer grossen römischen Säulenhalle fanden. Sie hat also nicht in der Erde gelegen, befindet sich aber schon so lange in der Kapelle, dass deren jetziger Besitzer sich ihrer Herkunft nicht entsinnen kann. Dass sie aber in Remagen gefunden ist, darf als sicher, dass der Fundort nicht weit von der Kapelle entfernt sein dürfte, als wahr- scheinlich angenommen werden, denn man sieht keinen vernünftigen Grund ein, wes- halb diese bisher gänzlich unbeachteten Steinbrocken von weit her in die Kapelle geschafft worden sein sollten, nur um dort mit wertlosem Schutt in eine Ecke ge- fegt zu werden. Während der untere Teil der in vier Stücken gefundenen Platte vollständig er- halten ist, ist der oberste Teil leider durchweg zerstört, doch werden wir sehen, dass die Inschrift sich mit Ausnahme eines allerdings sehr wichtigen Namens trotzdem vollständig wiederherstellen lässt Die Kalksteinplatte ist 65,5 cm breit, 6 cm dick und an der höchsten erhaltenen Stelle 43 cm hoch. J 1^ i -r VB" EG ;tro CoH'PFb RIS^NT TAE'CO RESiTVITi ''*-. ORQLEOVMAB'H. RVtSSWlA^TVS BS\A/l-Sl/S'KPENDISl 1. nohil [ ] 2. mh'(\ ] 3. leg. .4 u [. .] r. p r. [i] r • a ^ c n 8 I Li 4. tronius AihenodoTUB 'grae\'\ 6. coK I'Fl. horolegiumab'ho 6. ria-intermiasumetvetus 7. täte- colabswn suis tnpendis 8. restituit • imp, d. n. Macrino Aug II cos Der Raum über Zeile 1 ist, soweit er erhalten ist, glatt gemeisselt, auch die Buchstaben nobü in Zeile 1 sind getilgt, nur noch ihre untersten Enden sind kennt- lich. Immerhin genügen diese Reste, um uns den ganzen Anfang der Inschrift mit Sicherheit ergänzen zu lassen, denn da nobü sich unschwer zu nobü[i88imo Cae- sari] ergänzen lässt, was auch den Rest von Z. 1 gut ausfüllt, und da aus dem Schluss der Inschrift hervorgeht, dass sie unter Macrinus gesetzt ist, so kann der Anfang einschliesslich Z. 1 nur gelautet haben: [ImpCeratoriJ CaesCariJ M Opdlio Severo Macrino pio felici AugfustoJ etc. et M. Opdlio Antonino Diadumeniat¥>] no- bü[i8simo Cotfsart]. Wie viele der laweilen sehr gehäuften - 169 - — 170 - Ehrentitel des Macrinus^) noch zugef> waren und ob nobüissimo Caesari bei Dia- dumenian ausgeschrieben oder abgekürzt und das bei ihm stehend gebräuchliche princftpij iuventCuHsJ noch beigegeben war, endlich, ob das Ganze im Dativ oder Abla- tiv abgefasst war, l&sst sich freilich nicht entscheiden, ist aber auch für die Sache gleichgültig, die Hauptsache ist, dass in dem verlorenen oberen Teil der Inschrift nichts anderes gestanden haben kaan, als die erwähnten Namen. Z. 2 and die erste Hälfte von Z. 3 ent- hielt den Namen und Titel des Proviozial- stattbalters, aub C[. . .]'^ [ ] I ^ Au\g(u8ti) p\r(o) • prCaetore) [p]rComnciae?J. Unglücklicher Weise ist der Name dieses bislang noch unbekannten Provinziallegaten von Niedergermanien fürs Jahr 218 auch hier mit Ausnahme seines Anfangsbuch- stabens G und eines kleinen vielleicht zu einem r gehörigen Strichelchens an 5ter Stelle verloren. Wäre dieses Strichelchen nicht, so könnte man versucht sein, C[laud%o Agrippa] zu ergänzen, welcher die Zeile gjoLt füllt und uns aus der von mir Bonn. Jahrb. 106 S. 105 ff. besprochenen Re- magener Inschrift als niedergermanischer Statthalter wahrscheinlich der direkt auf Macrinus folgenden Zeit bekannt ist. Er könnte an und für sich ganz gut gerade unter Macrinus aus Moesia inferior nach Germania inferior versetzt sein, nur müsste man ihn dann wohl von Marcius Agrippa trennen, der dann in Niedermoesien sein Nachfolger geworden wäre ; aber die ganze Sache ist doch zu unsicher. Die Reste, aus dem Glicht ersichtlich, gestatten nicht zu ergänzen Au[g, p]r pr. [cu]r, was das natürlichste wäre ; denn vor dem letzten r sieht man deutlich das untere Ende einer senkrechten Hasta. Z. 3—6 enthält den eigentlichen Dedi- kanten der Inschrift: agens [Pe]troniu8 Athenodarus prae[f] | cohforHsJ 1 Fl(amae). Hier steckt die wichtigste sichere Mittei- 1) Vgl. CIL. YIII 4698. Imp. Oau. M. OpeHo Severo Maerino pio feliei Aug. pont. «mub.. trib. potut eo». duig. p. p. proco» providentissiwto €t »aneli$§i9to prindpi et M. OpAio Äntonino Diaän^meniano nottüU- »imo Caemri prineipi iuvenhtH*. BinfMh«r OIL. YIII 10056 and 10464. CIL. III 8730, 8784-6, 6708, 5788, 6786, 6467. OIL. H 4789. lung der Inschrift, nämlich dass die co- hors I Flavia, die uns aus der bekannten Inschrift des Arcias Marinus*) für das Jahr 850 n. Chr. für Remagen bezeugt ist, bereits im Jahre 218, wo unser Stein gesetzt ist, dort gelegen hat. Auch hier führt die Truppe keinen Beinamen, was eine mir bereits früher mitgeteilte Ver- mutung Ritterlings bestätigen dürfte, dass sie überhaupt keinen gehabt habe '). Nach- dem uns nun die Besatzungen Remagens bis zum Jahre 158 n. Chr. wahrscheinlich vollzählig bekannt sind ^), ist nur die Lücke von 158 — 218 noch un ausgefüllt , sonst würden wir einen Überblick über den Gar- nisonswechsel eines rheinischen Grenz- kastells von der Mitte des 1. bis zur Mitte des 3. Jahrhundert haben. Z. 5— 8 : hardlegium ab horis Mermisswn et vetustaie cdahsum suis inpendis resHtmt. Die ersten Worte enthalten einen gram- matisch und sprachlich interessanten Aus- druck. Zunächst ist die Wortform haro- legium durchaus ungewöhnlich; die, auch inschriftlich, beglaubigten Formen sind bekanntlich horüegium oäeThorölogium, Das weitere ist offenbar so zu verstehen : „eine mit Bezug auf die Stunden unterbrochene und baufällige Sonnenuhr**. Die Sonnenuhr hatte also offenbar ihr eigenes, nicht un- beträchtliches Gebäude, wie solche auch sonst in Weihungen bezeugt siad. So wird CIL. XII 2522 ein Ttarölogiuin cum suo aedi- ficio et siffnis omnibus et datris wiederher- gestellt. CIL. V 2036 nennt ein horüogium cum sedibusj CIL. IH 1070 ist von einem horologiarfium) templum die Rede. Wenn demnach jemand in dem in Remagen auf- gefundenen Säulenbau ein solches für die Sonnenuhr bestimmtes Gebäude vermuten wollte, so würde diese Vermutung nicht von vom herein ausgeschlossen sein, nur darf nicht vergessen werden, dass die In- schrift, wie oben gesagt, nicht ursprüng- lich bei den Säulen gewesen zu sein scheint. Auch wäre es irrig, ans dem Aufwand an Feierlichkeit in der Inschrift auf ein be- 9) Branbach GIBb. 646. Hetkncr, Bonn«r Ka- talog Xr. 78. 3) Hettner hatte a. a. O. an di« Cohort I Flaria Damasoenoram gedacht. 4) S. B. J. 107 8. 818. — 171 — - 172 — sonders grossartiges Bauwerk zu schliessen, denn in dieser Zeit, wenn ich nicht irre, etwa mit Septimius Severus beginnend, wird die Errichtung oder Wiederherstel- lung der gleichgültigsten und gewöhnlichsten Bauten mit feierlichen Inschriften doku- mentiert, und die Erwähnung, dass die Bauwerke durch Alter eingestürzt seien, ist so typisch, dass man fast undatierte Inschriften, die sie enthalten, danach bis zu einem gewissen Grad datieren kann'). Der Schluss von Zeile 8 ist getilgt, aber die Spuren, aus dem Clichä ersicht- lich, ergaben mit voller Sicherheit : ImpCe- rcUoreJ d(omno) n(08troJ Macrino Äug. II co(n)8(ule). Das 2. Consulat des Macrinus, welches nur 218 gewesen sein kann, ken- nen wir auch aus den Münzen*). Die ganze Inschrift würde also lauten : [Imp(eraton) CaesCariJ M(arco) OpdUo Severo Macrino pio fdici ÄugfustoJ etc. et M(areoJ Opellio Äntonino Diadumeniano] \ nobil[i88iino Caesari] \ sub • C[ ] | legCato) Au[g(iisti) p]r(oJ prfaetore) pr(o- vinciae) agens Pe \ tranius Athenodarus prae- [f](ectu8j I cohfortis) I Fl(aviae) horolegium ab ho \ ris intermissum et vetus \ tote co- labsum suis inpendis \ reetituü • impCeratoreJ d(ominoJ nfostroj Macrino Aug(usto) 11 co(n)8(ule) = 218 n. Chr. Bonn. H. Lehner. 6) So wttrde loh die Trierer Inschrift Hettner Bteindenkmäler Nr. 44, wo eine ctUina »etuttate eoUUfta dem Juppiter and dem viout Voclanniomm wiederhergestellt wird, aas diesem Grunde nioht vor Ende des 2. Jhdts. setsen. 6) Cohen, M6daUles impöriales* JV 8. 299 Nr. 92 ff. ; vgl. im übrigen J. Klein, Fatti oonsn- lares a. O. Chronik. 78. 6«tohlflht« der Abttl Wadgatttn, sngleioh eine Kul- tur- und Kriegsgeschichte der Saargegend. Nach Urkunden und authentischen Berichten susammengestellt und bearbeitet von Michael Triti. Mit Wappen, Ansichten und Ta- bellen, sowie einer historischen Karte der Baargegend. Wadgassen, Selbstverlag des Verfassers. 1901. 609 SS. Das unter obigem, vielverheissenden Titel vorliegende Buch entspricht den durch denselben hervorgerufenen Erwar- tungen keineswegs. Es verdankt nicht einer eindringlichen Beschäftigung mit dem Gegenstande seine Entstehung, sondern dem Bestreben, „die Geschichte der Heimat für den Zweck des Schulunterrichts zu durchforschen^, wie Vf. uns in der Vor- rede versichert. Als er jedoch in die von älteren Wadgasser Geistlichen gesammel- ten reichhaltigen Quellenmaterialien Ein- blick erhalten hatte, erweiterte sieb sein Plan. Dagegen würde gewiss niemand etwas, einzuwenden haben, wenn Vf. das in so reicher Fülle ihm dargebotene Ma- terial sich zunächst zum geistigen Eigen- tum gemacht und alsdann zur Grundlage eines tieferen Eindringens in die Ge- schichte der Abtei benutzt hätte. Doch nicht hierauf scheint es ihm angekommen zu sein, sondern auf eine möglichst rasche Verwertung der Früchte fremden Fleisses zu einem litterarischen Erfolg. Er klagt daher auch : „Nichts war in den Quellen in einer Weise vorbereitet und verarbeitet, dass es direkt für seinen Zweck hätte verwertet werden können**. Das benutzte Material war also nicht druckfertig. Es fehlte dem Verfasser eben an Verständnis für die zu lösende Aufgabe, daher der geringe Erfolg, den ein Blick auf den In- halt allenthalben erkennen läset Die in Abschnitt A mit den Kelten anhebende Vorgeschichte ist in dieser Aus- dehnung überflüssig, zumal Dr. Ruppers- berg bei der Neubearbeitung von Bdllners Werk uns eine recht lesenswerte Über- sicht über die geschichtliche Vergangen- heit des Saargebietns bis zur Grafenzeit geliefert hat, und Vf. nicht in der Lage war, Neues beizubringen. Die an die Namensform geknüpften Vermutungen von einem Druidenhain oder Wodansknlt sind unhaltbar. Mit dem letzten Kapitel (S. 15 ff.) „Das königliche Dorf Wad- gassen** wird ganz angemessen zur Ge- schichte der Abtei hinübergeleitet. Da diese im weiteren Verlauf allein den Gegen- stand der Darstellung bildet, so reichte es nicht hin, mit Berufung auf die Ur- kunde V. J. 1080 das Vorhandensein einer bäuerlichen Ansiedelung, die unter dem ersten Grafen von Saarbrücken sogar eine Pfarrkirche erhielt, neben dem Königs- hofe festzustellen, Vf. musste uns auch — 173 — — 174 — ihr Schicksal unter der Herrschaft der Abtei in allgemeinen Zügen wenigstens andeuten. Statt dessen lässt er sie mit dem Auftreten der Abtei wie in einer Versenkung verschwinden und nach deren Aufhebung von neuem ans Licht treten. „Da es in der Elosterzeit", schreibt er in der Vorrede, „einen eigentlichen Ort (Dorf) Wadgassen noch nicht gab, so reicht seine besondere Geschichte nicht weiter als zu einem Jahrhundert hinauf*. In Abschn. B hielt Tritz es nicht für angezeigt, der Gründung des Klosters im J. 1135 eine wenn auch kurze zusammen- hängende Schilderung zu widmen, sondern er begnügt sich damit, die Stiftungsurkunde und die päpstliche Bestätigungsurkunde V. J. 1152 nach einer sehr späten Ab- schrift nebst einer unbeholfenen und nicht ganz einwandfreien Übersetzung zum Ab- druck zu bringen, desgleichen ein grosses Stück der päpstlichen Bestätigung v. J. 1179, und er reiht ihnen einige sachliche Bemerkungen von Böllner und Stramberg und einige Auslassungen über die Prämon- stratenser an. Während Vf. älteren For- schem wie Marx und de Lorenzi seine Sympathie bekundet, weil sie „mit Wärme von den Verdiensten des Klosters" sprechen, giebt er seiner Abneigung gegen die Grafen und Fürsten von Saarbrücken, obwohl sie die Stiftung ins Leben gerufen haben, bei jeder passenden und unpassen- den Gelegenheit Ausdruck. Da dies mehr- fach mit Berufung auf die angeführte Stelle der Stiftungsurkunde (angeblich aus dem Jahre 1135) geschieht, so halten wir zur Klarstellung ihrer Beweiskraft eine kurze Bemerkung nicht ganz für über- flüssig. Die fragliche Stelle lautet: „Et tam integra libertate contradidit, ut nee advocatiam, nee ctgusque juris potentiam sibi vel cuique haeredum suorum re- tinuerit**. Musste einem besonnenen Be- nutzer schon der Umstand auffallen, dass die Urkunde im Original ver- schwunden ist und sich nur in den Streit- schriften Wadgassen contra Saarbrücken befindet, so musste ihm die Verzicht- leistung des jungen Grafen, der sich in weiter Ferne, z. B. bei seinem Bruder, dem £rzb. Adalbert von Mainz, um Vog- teien über Mainzer Kirchen bewirbt, auf das Patronat über die in seiner unmittel- baren Nähe gelegenen Familienstiftung ge- radezu als widersinnig erscheinen. Denn nach der Zeitlage gehörte die Vogtei aufs engste zu einer Stiftung, die Verzicht- leistung hiesse nur einem unbequemen Fremden, möglicherweise einem Feinde den Herrensitz im eigenen Neste ein- räumen. Die Urkunden tragen also schon durch diese Bestimmung das sichere Zeichen der Fälschung an der Stime. In Abschnitt G (S. 31 ff.), der nach des Vf. Angabe „die Grundlage des ganzen Werkes bildet^*, ist nicht einmal der Ver- such gemacht, das reiche Quellenmaterial, das dem Vf wie eine reife Frucht in den Schoss gefallen war, zu einer zusammen- hängenden Darstellung zu verarbeiten. Urkunden - Regesten, Auszüge aus Archi- valien und Druckschriften, kurz längere und kürzere Notizen jeder Art, an chrono- logischem Faden aneinander gereiht, lösen sich in buntem Wechsel ab. Während die Notizen in der älteren Zeit spärlicher und dürftiger sind, als man wünschen muss, ist die letzte Zeit des Bestehens durch Mitteilung weitläufiger Klagschriften und Prozessakten ungebührlich in die Länge gezogen. Hat Tr. uns auch keine wissenschaft- liche Bearbeitung vorgelegt, so bleibt ihm doch das Verdienst, dass er uns durch seine uinfangr eichen Auszüge mit dem über die Abtei Wadgassen vorhandenen jüngeren Aktenmaterial bekannt gemacht und durch übersichtliche Zusammenstel- lung der Besitzungen, Pfarreien etc. ein bequemes Nachschlagebuch geliefert hat. L. Seh. Die Sohatzverzeiohnlss« der drei Mainser Klöster y^ Karthaase, Beichen Klaren und Altenmüneter bei ihrer Aufhebung im Jahre 1781. Voa "^ Dr. Friedrich Schneider. Mains (L.Wilokent) 1901. Quer-Oktav, 96 S. Die Verzeichnisse, welche bei der mit päpstlicher und kaiserlicher Genehmigung am 15. November 1781 vorgenommenen Aufhebung der drei reichen Mainzer Klöster Karthause, Reichen Klaren und Alten- münster und der Zuwendung des Kloster- vermögens an die Mainzer Universität durch Kurfürst Friedrich Karl Joseph von Erthal \ - 176 - (1775—1802) von den Kirchengerätschaften and Pretiosen genau aufgenommen worden sind, hat Fr. Sehn, in übersichtlichen Ta- bellen mit einer gut orientierenden Ein- leitung herausgegeben, in welcher zugleich die kulturgeschichtliche Bedeutung der- selben erörtert wird. Am Schlüsse des för die Mainzer Kunstgeschichte nicht un- wichtigen Werkchens werden in einer „Übersichtlichen Zusammenstellung der silbernen Kirchengeräte nach Zahl, Be- sonderheiten und Probe ^ die Gegenstände von kunstarchäologischem Werte einer kurzen Würdigung unterzogen. Kdg. 80. Beeohlolit« d«r Reliquie« la der Sohweli. Von S. A. StOokelberg. Mit 40 Abbildungen. Ver- lag der eohweiseriiohen Oeiellsohaft fOr Volkskunde in Zttrloh, 1902. (Direkter Be- sag Ton der Bohweis. Oeselltoh. fttr Volks- knnde), BOree, Zftrioh (Sehwels). Als Erstlingsgabe der genannten Ge- sellschaft erhalten wir das nach langen eingehenden Studien jetzt fertig vorliegende Werk Stückelbergs, welches eine bis jetzt noch kaum beachtete Seite der Volkskunde der wissenschaftlichen Behandlung unter- zieht. Es gliedert sich in zwei Abschnitte, deren erster einen Überblick über die Quellen und Reliquien im Allgemeinen gibt, deren zweiter aus zahlreichen Re- gesten vom Jahre 381 — 1901 und urkund- lichen Beiträgen zur Geschichte der früher und noch augenblicklich in der Schweiz befindlichen Reliquien und der im Lande verehrten Heiligen besteht. Die schätzens- werten Untersuchungen erstrecken sich zunächst auf die Beglaubigungen, die lit- •m_ terarischen ITberlieferungen, die Bitt- und Schenkungsurkunden, die verschiedenarti- gen Festschriften und die Sammelbücher; hierauf beschäftigt sich ein weiteres Ka- pitel mit Charakter, Herkunft und Echt- heit der Reliquien. Ein über den örtlichen Kreis hinausgehendes Interesse nötigt dem Buche unter anderm auch der Umstand ab, dass p. LXXXI und LXXXII zahlreiche Orte Deutschlands und Oesterreichs auf- geführt werden, von welchen aus viele Reliquien nach der Schweiz gelangt sind; erwähnt seien hier: Aachen, Augsburg, Bamberg, Bonn, Köln, Konstanz, Mainz, Strassbiirpr, Trier, Worms. Eine willkom- mene Erläuterung bieten die zahlreichen Textillttstrationen. Edg. — 176 — J. KrHtf«wls, Der lange Landtag zu D&sseldorf ^' 1691. Inaagoraldiseertation, Marbarg 1901. Gleichzeitig erschienen in Band 16 de« Jahrbnohe des Dflsseldorfer (^«schichtsver- eina. ~ ISS S. Im ersten Kapitel der langgestreckten Einleitung werden uns zunächst die fiir die Jülicher Erbfolge vornehmlich in Fraise kommenden fürstlichen Prätendenten, die sog. Interessenten, dann die im Kampf um die Neuordnung der Regentschaft auftre- tenden Parteien im Lande und ihre Fahrer yorgef&hrt. 'Das 2. Kap. schildert die Verhandlungen und Verhältnisse, welche zur Berufung eines allgemeinen Landtags führten. Die verschiedenen Interessen- gruppen treten allmählich mit ihren Plänen und Zielen hervor. Den fortgesetzten Be- mühungen der von der Herzogin Jacobe unterstützten Stände der vier Lande ge- lingt es, vom Herzog Wilhelm am 17. Juni 1591 das Versprechen der Berufung eines allgemeinen Landtages zu erlangen, worauf dann infolge des energischen Auftretens der Interessenten in Düsseldorf den wider- strebenden Räten am 1. August die Be- rufung des Landtags für Mitte September abgerungen wird. Das 1. Kapitel des Hauptstückes über den langen Landtag selbst enthält die Vorgänge vom Eintreffen der jülich-bergi- schen Landstände in Düsseldorf bis zum Beginn der Verhandlangen über die De- fension des Landes und die Neaordnang der Regierung, Mitte September bis An- fang Oktober 1591. Es ist im wesent- lichen die Zeit der Vorbereitung und Stellungnahme der Parteien zum Kampfe, der auf dem Landtag ausgefochten werden sollte. Die einzelnen Gruppen machen sich gegenseitig mit ihren Forderungen bekannt ; den Räten und kais. Kommissaren stehen die Stände und Interessenten gegen- über. Graf Daun entwirft das Programm der Stände, die Regierung legt den Stän- den ihre Proposition vor, die Räte fiber- geben am 27. September ihre Vorschläge zur Ordnung der Regierung den kais. Kom- missaren, während die Stände den Inter- essenten die schriftliche Übergabe ihrer Forderangen versprechen. Krudewig gibt diesem Kapitel die Überschrift »Der Streit um die Wahrung der Privilegien*, m. Erm. nicht icanz glücklich. Er lässt S. 56 diesen - 177 - — 178 — 8o bezeichneten Streit zwar Anfang Okto- ber in der Hauptsache sein Ende finden, aber aaf S. 43 hatte er doch festgestellt, dass derselbe die ganze Zeit des Land- tages hindurch fortdauern sollte. Das 2. Kapitel umfasst die Zeit vom 5. Oktober bis zum 12. November, d. h. von der ersten Beratung der Stände über Defension und Regierung der Lande bis zur Mitteilung der ersten Regiernngsord- nung der kais. Kommissare an die Stände. Letztere zeigen sich bei ihren Beratuncren von vornherein geteilten Sinnes, indem die katholischen Jülicher Landstände im Gegen- satz zu den übrigen Ständen der Lande im Gefolge der Räte marschieren und so auch deren Vorschläge vom 27. Sept. ohne weiteres billigen. Trotz des Zwiespaltes kommt indessen eine Verständigung der Stände der vier Lande über die Fragen der Defension und Regierung zu stände, so dass am 18. Oktober ein diesbezügliches einhelliges Bedenken den Herzögen, In- teressenten und Kommissaren überantwor- tet werden kann. Indes scheint die Einig- keit nicht weit bergewesen zu sein, indem am folgenden Tage die katholische Mehrheit der Jülicher Stände den Kommissaren eine Protestation gegen jegliche Neuerungen in Kirche, Hof und Polizei überreichte, die etwa von den anderen Ständen be- schlossen würden. Als die Kommissare — nach einem Meinungsaustausch mit den Ständen über deren Bedenken vom 18 Okt. und nach Einholung der Vorschläge der Interessenten — am 8. Nov. den Ständen mitteilen, dass sie als Grundlage für die weiteren Verbandlungen einen schon den Räten übergebenen Rezess verfasst hätten, war der grösste Teil der Jülicher Stände schon wieder nach Hause gereist. Abgesehen von einigen Ausführungen über die Verfolgung der brandenburgi sehen Successionsbestrebungen beim Kaiser und die Verheiratung der Töchter der Her- zogin Marie Eleonore von Preussen, femer über den Streit der Stadt Aachen mit der Jülicher Regierung, sowie über das Ein- greifen des spanischen Statthalters der Niederlande zum Schutze der kathol. Re- liirion ist das 2. Kap. im übrigen der Darlegung des Handels mit dem Marschall Schenkern gewidmet, der zu einer Art Kraftprobe für die einander bekämpfenden Parteien werden sollte. Der allgemeine Gegensatz zwischen Räten und Ständen trat schon bei Behand- lung der sowohl von den Jülicher als den bergischen Ständen besonders eingereich- ten Beschwerden in die Erscheinung und führte zu einem vielfachen Schriftwechsel zwischen beiden Teilen. Insbesondere spitzte sich der Streit zu in der Frage der Entsetzung Schenkern's von der Festung Jülich, welche die Stände, auf ihren Pri- vilegien fussend, forderten. Hier begeg- nete aber ihr Verlangen den Wünschen der Herzogin Jacobe, die bereits am 28. Sept. in ihrer den Ständen überreich- ten Denkschrift Beschwerden gegen Schen- kem erhoben hatte. Als nun, veranlasst durch geheime Beratungen der Räte mit den kais. Kommissaren, die Herzogin und die Stände energischen und drohenden Ein- spruch gegen ein solches Verfahren erhoben, kam der Konflikt bald zum offenen Aus- b ruch. Am 27. Okt. bewog Jacobe den alten Herzog zur Absetzung Schenkern's, worauf die Kommissare im Verein mit den fuhren- den Räten den Herzog am 29. Okt. zam Grla^s eines gegenteiligen Befehles ver- anlassten , demzufolge Schenkern sich Jülichs vor dem Eintreffen des durch den ersten herzoglichen Befehl zum Verwalter der Festung ernannten Marschalls Nessel- rode bemächtigte. Es kam zu unerquick- lichen Auftritten zwischen den Räten und den sie stützenden Kommissaren einer- ! f^eits, der Herzogin und den Ständen ander- seits. Als letztere sich an die Interessen- ten um Beistand wandten, fanden sie namentlich an dem Pfalzgrafen Johann und den neuburgischeo Gesandten eifrige Vertreter ihrer Ansprüche. Die Händel waren bei Übergabe des ersten Rezesses der kais. Kommissare noch nicht ausge- glichen, vielmehr zeigte sich gerade in diesen Tagen der Gegensatz besonders scharf, indem die Stände den Räten er- klärten, vor Erledigung ihrer Beschwerden könnten sie an die Leistung eines Zu- schusses für die herzogliche Hofhaltung, diT die Lebensmittel ausgegangen waren, nicht denken. - 179 - - 180 — Das 3. und 4. Kap. berichten über die endgültige Entscheidung der in den beiden vorigen Kapiteln behandelten Fragen und Kämpfen. Der Rezess der Kommissare fand allseitig einen mehr oder minder scharfen Widerspruch : Die R&te äusserten ihr Bedenken, die Stände nahmen ihn über- haupt nicht an, die Interessenten pro- testierten gegen ihn. Vor ihrer Abreise von Düsseldorf ermahnte die Herzogin Marie Eleonore die verschiedenen Gruppen zur friedlichen Einigung über einen Ab- schied. In diesem Sinne versuchten jetzt die Räte zwischen den Kommissaren und Ständen zu vermitteln, indem sie einen von ihnen korrigierten Abschied der Stände *) den Kommissaren zur Annahme empfahlen. Allein diese verfassten einen neuen Rezess, den vom 7. Dez., der aber wiederum einen Protest der Interessenten hervorrief und von den Stäoden verworfen wurde. Ebenso weisen die Stände noch einen Abschied der Räte zurück, da sie in den fortlaufenden Unterhandlungen mit denselben zu keiner Einigung über die strittigen Punkte hatten gelangen können. So stellen endlich die kais. Kommissare am 13. Dez. ihren dritten Rezess auf, der ohne Rücksicht auf Stände und Interessen- ten das Regiment im Sinne des Kaisers und der Räte ordnete und die Unterschrift des Herzogs Wilhelm erhielt. Nach Ver- öfTentlichung dieses Rezesses wurde der Landtag geschlossen, ohne dass eine Ver- 1) Da»! der Worilaat d«t ron den Ständen am 18. Not. ttbergebenen Absoliiedee, der den weiteren Yerhandlangen xn grande liegt, von Kr. in deu Akten nicht gefunden wurde (S. 111 Anm. 9), liegt Termatlich daran, da» er identisch ist mit dem am 12. Not. Ton den Ständen entworfenen Abiohied (S. 102 Anm. 4). So erklärt es sich na- tnrgemäBB, datt der korrigierte Besess der Bäte in leiner Anlage dem Bezes« der Stände vom 12. Not. folgt (S. 118). Et iet Ja anoh nicht ein- EUtehen, warum die Stände in so kurzer Frist nochmals einen neuen Besess Terfasst haben soll- ten. Am 15. Not. erfolgte die formelle Ablehnung des Besesses der Kommissare durch die Stände und damit der einstwe.Iige Abbruch der Verhand- lungen (8. 107). Die Wiederaufnahme derselben auf Teränderter Grundlage wird durch Übergabe des Beaesses der Stände Tom 12. Nov. bezeichnet, den die Bäte und fürstlichen Personen und Ge- sandten schon Torher Ton den Ständen zugestellt erhalten hatten (8. 102 Anm. 5). ständigung der streitenden Parteien er- folgt wäre, da auch dieser letzte Abschied auf den entschlossenen Widerstand der Stände und Interessenten stiess. K. ist mit vielem Fleiss in einen Stoff eingedrungen, dessen Bewältigung wegen seines grossen äusseren Umfanges und seiner ausserordentlichen inneren Sprödig- keit keine leichte Aufgabe war. Die Ab- handlung ist streng chronologisch angelegt^ so dass vielfach hohe Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Lesers gestellt werden, der manchmal wohl lieber den chronologischen Faden durchschnitten ge- sehen und eine andere Anordnung des Stoffes gewünscht hätte. Auch wäre hier und da eine grössere Genauigkeit im Aus- drucke wünschenswert gewesen. So z. B., wenn S. 66 und 67 und wohl auch S. 43 (vgl. Anm. 4 das. mit Anm. 4 S. 52) von den Beschwerden der jülisch-bergischen Stände die Rede ist, während der ganze Zusammenhang zeigt, dass Krud. nur die die Jülicher Beschwerden im Auge hat, oder wenn S. 62 der Leser sich mühsam die Ergänzung machen muss, dass es die kleve-märk. Stände sind, mit denen sich die bergischea Stände einigten. Ebenso verwirrt es, dass S. 82 und S3 das Be- denken der Stände über Defension und Regierung der Lande auf einmal unter dem Titel „Beschwerden'' der Stäode er- scheint. Ein Druckfehler scheint vorzu- liegen, wenn S. 14 die Jülicher Räte auf Vorschläge des Zweibrückener Pfalzgrafen von Ende Februar 1590 nicht eingehen, sondern sich schon am 4. Februar 1590 direkt an den Kaiser wenden, oder wenn S. 21 eine dem Kaiser vorzulegende Regi- mentsordnung der Jülicher Räte infolge eines kais. Schreibens vom 16. Juni 1590 verfasst ist, während S. 14 die Ausarbei- tung des nämlichen Schriftstückes schon im März 1590 erfolgt. Abgesehen von diesen Ungenauigkeiten ist die Darstellung Kr .'s leicht und glatt; mit Erfolg hat er sich bemüht, den unerquicklichen Stoff in eine möglichst gefällige Form zu giessen. Köln. Hugo Löwe. Weltgetohlohte. Unter uitarbeit von 30 Fach- 82. gelehrten herausgegeben von Dr. Hans F. H e 1 m o 1 1. Leipzig o. Wien, Verlag d es — 181 — — 182 — Bibliographischen Instituts, 1902. Dritter Band: Westaslen und Afrika von Dr. Hugo Wincklor, Dr. Heinrich Schurtz und Carl Niebnhr. Mit 7 Karten, 7 Farbendruck- tafeln und 22 schwarzen Beilagen. Hatten wir bei unseren letzten beiden Besprechungen des IV. und YII. Bandes der Helmoltscben Weltgeschichte bei aller Anerkennung dieses dankenswerten Gesamt- unternehmens doch auch manche Bedenken und Einwürfe teilweise schwererer Art gegen Stoffanordnung und -Behandlung nicht zurückhalten können, so freut es uns doppelt, angesichts dieses III. Bandes, abgesehen von vereinzelten nicht schwer- wiegenden Beanstandungen, die sich zum grössten Teil durch die Anordnung des IV. Bandes bedingen, wieder aussprechen zu können, dass dieser III. Bd. die Haupt- vorzüge der Helmoltscben Weltgeschichte : die Behandelung auch der bisher in den älteren Weltgeschichten nicht beachteten Völker und Gebiete, und die stärkere Be- rücksichtigung auch der Vorgeschichte im schönsten Lichte zeigt. In den ersten beiden Abschnitten dieses Bandes I „Das alte Westasien*^ von Dr. Hugo Winckler und II B Westasien im Zeichen des Islams** von Dr. Heinrich Schurtz wird in einem grossen zusammenhängenden Zuge die ge- samte Geschichte Vorderasiens — mit Aus- nahme der schon int IV. Bande behandelten Eleinasiens — von den frühesten Uran- fängen menschlicher Daseinsbethätigung in den Thälern des Euphrats und Tigris an bis auf die Jetztzeit uns vorgeführt. Das- selbe gilt von dem Nilgebiet, dessen Gesamtgeschichte in dem 4. Abschnitt: „Ägypten" von Carl Niebuhr behandelt wird. Werden wir in diesen Abschnitten mit den fesselndsten Problemen und Er- rungenschaften der Archäologie, der Ägyp- tologie und Assyriologie bekannt gemacht, so zeigt uns der 3. Abschnitt : Afrika, von Dr. Heinrich Schurtz bearbeitet, wieviel Beihülfe die Ethnologie der Geschichts- wissenschaft zu leisten im Stande ist, und wie unter dem Zusammenwirken dieser beiden Wissenschaften auch die „geschichts- losesten** Völker des „schwarzen Erdteils** in fruchtbringender Weise in das Bereich der Weltgeschichte einbezogen werden können. Wenn wir an dieser Stelle etwas einwenden sollen, so ist es das, dass uns die Entdeckungsgeschichte Afrikas gar zu knapp behandelt erscheint. Einzelne andere kleine Ausstellungen, die vielleicht noch hier und da zu machen wären, verzichten wir herzuzählen, zumal da sich das von UDS bisher aus Princip gemiedene kritische nähere Eingehen auf das stofflich Gebotene der einzelnen Kapitel selbst dem in diesem Bande bebandelten Stoff gegenüber aus naheliegenden Gründen von selbst verbietet. Wir begnügen uns vielmehr am Schluss damit, nochmals anzuerkennen, dass sich die im Eingang des I. Bandes aufgestellten Grundprincipien dieser Weltgeschichte, die für den Stoff kreis des IV. und VII. Bandes sich als nicht durchaas unangreifbare und mustergiltige erwiesen haben, für den III. Band durchaus bewährt haben. Welche Konsequenzen sich aus einer solchen Be- obachtung ziehen lassen, zu erörtern, bleibe einer späteren Gelegenheit vorbehalten. Leipzig-Reudnitz. Dr. W. Bruchmüller. Miscellanea. Zur Datierung der Verordnung für die 83. In England verkehrenden KSIner Kaufleute (1324 Oktober 23). Bei Koppmann, Hanse- recesse erste Abteilung Band VII S. 492 —493, ist zu 1424 Oktober 23 eine Ord- nung für die Kölner „Englandfahrer^ ab- gedruckt'), auf welcher unsere Kenntnis von deren Gesellschafts - Verfassung im wesentlichen beruht. Höhlbaum (Hansi- sches Urkundenbuch Bd. III S. 821) be- merkt mit Recht, dass die Gesellschaft (so, nicht „Gilde^ wird sie im 15. Jahr- hundert stets genannt) bis in den Anfang der englischen Beziehungen Kölns zurück- reichen muss, und vermisst ältere Urkun- den. Da wird der Nachweis willkommen sein, dass die oben genannte Ordnung thatsächlich schon im Jahre 1324 erlassen worden ist. ]) UnroUBt&ndlg war dieselbe tohon bei Ennen, Geschieht« der Stodt Köln Bd. II S. 568 Anm. 1 gedruckt. Nach einer freundlichen Mitteilung des Herrn Privatdosenten Dr. Kunse in Oreiftwald wird auch ein Abdruck im Haiuitehen Urkunden- buche geplant - 183 — - 184 — Die ürkande Ist nur in unbeglaubigter Abschrift des 15. Jahrhunderts auf einem einseitig beschriebenen Papierblatte er- halten (Kölner Stadtarchiv, Köln und die Hanse nr. 313). Die Jahreszahl lautet: anno domini millesimo CCCC^ vicesimo quarto. Aus den nachfolgenden Gründen ergibt sich, dass der Abschreiber aus CCC versehentlich CCCC gemacht hat. Nach- dem die Ordnung unter anderm die Wahl von Aldermännern an englischen Orten geregelt hat, gedenkt sie der Strafgewalt des in Köln residierenden Aldermanns über die aus England heimgekehrten Kaufleute. Als derzeitiger Aldermann wird hier ge- nannt *honestus vir dominus Tilmannus Gir scabinus Coloniensis*. Dieser ist nun eine der angesehensten Kölner Persönlich- keiten ans der ersten Hälfte des 14. Jahr- hunderts. Tilman Gir von Covilshovea (mit- unter Theodericus genannt) war Schöife, verdienter .Amtmann der Rieh erzech e (also dominus), Mitglied des engen Rates i. J. 182t und Rentmeister der Stadt 1821, 1824 und anscheinend ununterbrochen von 1327 bis 1341. (Siehe die Relegstelien bei Lau, Kölner Patriziat, in den Mitteilungen a. d. Kölner Stadtarchiv H. 25 S. 377 nr. 55 und bei Knipping, Kölner Stadt- rechnungen Bd. I S. XXXII). Von einem etwaigen Doppelgänger im 15. Jahrhundert ist nichts bekannt. Weiter möchte ich die Aufmerksamkeit auf den Eingang der Ord- nung lenken: Nos iudices, scabini, con- sules, ma(?istri civium totusque magistra- tus civitatis Coloniensis .... Bis zum Jahre 1391 ist iudices, scabini, consules oder consilium (entsprechend deutsch) die stehende Formel in Ratsurkunden. Seit der Verdrängung der Schöffen aus dem Stadtregiment und der Aufhebung der Richerzeche beginnen diese Urkunden: Wir burgermeistere inde rait. (Vgl. Lau, Kölner Verfassung und Verwaltung S. 149 f., ferner die „Quellen zur Gesch. d. Stadt Köln'', besonders Band VI passim). Ausser von Richtern, Schöffen und Rat ist unsere Ordnung, wie die Eingangsworte zeigen, von den Bürgermeistern und dem gesam- ten magistratus der Stadt erlassen worden. In letzterem sehe ich die Gesamtheit der gewesenen Bürgermeister, d. h. die ver^ dienten Amtleute der Richerzeche. Schöffen, Rat und Richerzeche erlassen also das Statut gemeinsam, wie wir dieselben Be- hörden schon 1297 (Quellen III nr. 441) bei einer Strafverfugung wegen Weinver- kaufs in einer Immunität vereinigt finden. Vgl. Lau 1. c. S. 85 f. Es erscheint be- zeichnend für die allmähliche Zurürk- drängung der Richerzeche, dass dieselbe im Eingange 1297 vor, 1324 nach dem Rat genannt wird. Es bedarf wohl kaum des weiteren Hinweises, wie auffallend i. J. 1424 der Gebrauch der lateinischen Sprache in einer für Kölner Kaufleute bestimmten Urkunde wäre. Femer zeigen verschiedene ver- besserte kleine Lesefehler (z. B. durcb- strichenes ing vor magistratus in der ersten Textzeile), dass dem Abschreiber das Lesen stellenweise nicht ganz leicht fiel. Noch möchte ich bemerken, dass kein Grnnd vorliegt, weitere Fehler im Jahresdatum zu vermuten, da ja in unserer .Abscbrift nur das Jahrhundert in Zahlen, das übrige Datum in Worten ausgedrückt ist. Auf die einzelnen Bestimmungen der Urkunde und deren Geltungsdauer gehe ich hier nicht ein. Ich weise nur kurz auf eine Ungenauigkeit bei Koppmann l. c. im Regest zu dieser Urkunde hin. Köln verkündigt nicht die „von altersher be- obachteten" Statuten, sondern es befiehlt, die neue Verordnung neben dem alten Herkommen und den Privilegien der eng- lischen Könige zu befolgen. Nach Mass- gabe dieses alten Herkommens haben, wie weiterhin bestimmt wird, die Kölner Kauf- leute ihren Aldermännern in England zu gehorchen. Wahrscheinlich war dieses Herkommen in schriftlichen Satzungen niedergelegt, leider sind uns aber die- selben nicht erhalten. H. v. Loesch. Historische Kommission 84. bei der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften. 43. Plenarversammlung zu München am 21.— 23. Mai 1902. Seit der letzten Plenarversammlung sind folgende Publikationen durch die Kom- mission erfolgt: — 185 — 1. Jahrbücher des deutschen Reichs unter Otto II. von Karl Uhlirz (Leipzig 1902). 2. Allgemeine deutsche Biographie, 46. Band, Lief. 4->ö (mit dem Artikel Bismarck) (Leipzig 1902). Von der Geschichte der Wissen- schaften stehen noch aus die Geschichte der Physik und der Schlussband der Ge- schichte der Rechtswissenschaft. Professor Heller in Budapest konnte wegen schwe- rer Erkrankung seine Arbeit wenig fördern. Professor Landsberg in Bonn musste wegen eines dogmatischen Werkes über die neue Givilgesetzgebung die Fertigstel- lung des letzten Bandes unterbrechen, wird aber diese Arbeit demnächst wieder auf- nehmen. Zur Fortsetzung der Städtechroni- ken berichtete Archivar Koppmann in Rostock, dass mit dem Druck des III. Ban- des der Lübecker Chroniken begonnen wurde und der Band etwa im Dezember zur Ausgabe gelangen wird. Er enthält den IL Teil der sogenannten Ruf us- Chro- nik, bestehend aus deutschen Auszügen aus der verlorenen Korner-Recension (K C) von 139Ö— 1430, und die Fortsetzung der Detmar-Chronik von 1401 — 1438, bestehend aus deutschen Auszügen aus einer verlore- nen Korner-Recension (KL) aus dem Jahre 1438. Nach Vollendung des dritten Ban- des wird der vierte in Angriff genommen werden, für den die selbständigen Fort- setzungen der Detmar-Chronik von 1438 bis 1482 bestimmt sind. Archivar Kopp- mann beantragte die Einbeziehung der Bremer, Rostocker, Stralsunder und Lüne- burger Chroniken, Dove und Meyer von Knonau die Aufiiahme der Kon- stanzer Chroniken. Ausserdem wünscht von Sickel Ausdehnung des ganzen Un- ternehmens auf das 16. Jahrhundert und dabei speziell Berücksichtigung der baye- rischen Chroniken; Ritter und v. Bezold empfehlen Fortführung bis zum Jahre 1648. Die Beschlussfassung über die Einzelheiten wurde bis zur Aufstellung eines neuen Redakteurs verschoben, doch wurde im allgemeinen die Erweiterung des Unter- nehmens in Aussicht genommen. Für die Jahrbücher des deutschen --. 186 — Reiches hat Oberarchivar Uhlirz, wie erwähnt, die Jahrbücher Ottos II. vollen- det und ist nun mit Ausarbeitung der Jahrbücher Ottos III. beschäftigt. Da das Material dafür schon gesammelt ist und bei der Abfassung des eben veröffentlich- ten Bandes ergänzt werden konnte, wird die Fertigstellung verhältnismässig kurze Zeit beanspruchen. Prof. Hampe in Bonn hat die vorbereitenden Arbeiten für die Jahrbücher Friedrichs II. fortgesetzt. Für die Jahrbücher Heinrichs IV. hat Pro- fessor Meyer von Knonau das Manu- skript des vierten Bandes, der die Jahre 1085 — 1096 umfassen soll, in der Haupt- sache fertiggestellt, sodass der Druck vor- aussichtlich noch im kommenden Herbst beginnen kann. Professor Simonsfeld in München hat die Arbeit für die Jahr- bücher Friedrichs I. bis gegen das Ende des Jahres 12ö4 fortgeführt. Er hat auf einer Ferienreise im April in Verona, Bergamo, Mailand, Piacenza, Parma, Bo- logna, Medicina, Ferrara, Venedig, Tre- viso und S. Salvadore bei Conegliano Ur- kunden Friedrichs I. aus den ersten Jahren seiner Regierung teils im Original, teils in Abschriften eingesehen und nicht ohne Gewinn verglichen, auch einiges neue Ma- terial gefunden. Die Fortsetzung der Nachträge zur Allgemeinen deutschen Biographie ist, nachdem die durch verschiedene Um- stände verzögerte Herausgabe des Schluss- het'tes des 46. Bandes endlich erfolgen konnte, nunmehr soweit gesichert, dass das frühere Tempo mit zwei Bänden in jedem Jahre eingehalten werden soll. Von den Reichstagsakten, ältere Reihe, wird die von Dr. Herre in Mün- chen bearbeitete zweite Abteilung des 10. Bandes noch gegen Ende des laufen- den Jahres herausgegeben werden. Zur Benützung durch die Mitarbeiter des Un- ternehmens haben Archivalien in liberalster Weise nach München versendet die Natio- nalbibliothek in Paris, die Universitäts- bibliothek in Basel, das k. Staatsarchiv in Königsberg, die k. Kreisarchive in Bam- berg und Nürnberg und das Stadtarchiv in Nördlingen. Als besonders erfreulich war zu begrüssen, dass sich nach dem Bei* - 187 — - 188 - spiel der k. preussischen Staatsarchive auch das k. geh. Hausarchiv in Charlotten- burg dazu entschloss, Originalurkunden an die Münchener Akademie zu versenden. Professor Quid de hat für die Vorarbeiten zu dem in Aussicht genommenen Supple- mentband den Reichsarchivpraktikanten Dr. Otto Weber herangezogen. Der neue Hilfsarbeiter hat zunächst das im Laufe der Jahre unübersichtlich gewordene Lit- eraturverzeichnis neu geordnet und die bibliographischen Vorarbeiten, die im Jahre 1893 liegen geblieben waren, bis Ende 1900 fortgeführt. Nach Erledigung dieser Auf- gabe wird Weber die seit Vollendung der einzelnen Bände hinzugekommene Literatur durchgehen, während Quidde selbst sich einen Überblick über die zu benützenden Archivalien und Bibliotheks- handschriften verschaffen wird. Dr. Beckmann in München hat haupt- sächlich am Text der Bände 14 und 15, welche die Regierung Albrechts II. (1438 bis 1439) umfassen sollen, gearbeitet. Band XIV wird neben einer Reihe klei- nerer Fürsten- und Städtetage den Frank- furter Wahltag vom März 1438 und die Nürnberger Reichstage vom Juli und Oktober 1438 aufzunehmen haben. Die wichtigsten Beratungsgegenstände dieser Tage sind die Landfriedensreform und die Versuche einer Vermittlung zwischen Papst Eugen IV. und dem Baseler Konzil; na- mentlich über letztere ist ein umfangreiches, zu grossem Teil noch unbekanntes Material zusammengebracht. Zur Vervollständigung des Stoffes soll eine Archivreise nach Oehringen unternommen werden, weil dort im fürstl. Ilohenlohischen Archiv der Nach- lass Konrads von Weinsberg verwahrt ist, eine für die Zeit Albrechts II. ungemein ergiebige Fundgrube. Auch in verschie- denen italienischen Archiven, namentlich in Rom, werden Ergänzungsarbeiten vor- zunehmen sein. Vielleicht kann noch im kommenden Winter mit dem Druck von Band XIV begonnen werden. Dr. Herre setzte die literarischen Vorarbeiten für die Anfänge Friedrichs III. fort. Die Konzilschronik des Johannes von Segovia, der als Gesandter des Baseler Konzils an den Reichstagen von Nürnberg, Mainz und Frankfurt teilnahm, sowie ver- schiedene Urkunden- und Aktensammlun- gen haben eine befriedigende Ausbeute an Instruktionen, Korrespondenzen und einschlägigen Aktenstücken teils für die erwähnten Reichstage, teils für die Stel- lung Frankreichs zur Kirchenspaltung ge- liefert; auf Frankreich ist mehr als sonst Rücksicht zu nehmen, da französische Ge- sandte auf besondere Einladung Fried- richs III. an den Reichstagen teilnahmen und in die kirchenpolitischen Verhand- lungen eingriffen. Im Ganzen sind jetzt ungefähr 250 Abschriften und etwas über 2000 Regeste für die Zeit vom November 1439 bis Ende August 1442 vorhanden. Nach Durcharbeitung der Literatur sollen zunächst die Bayerischen und Frankfurter, dann die Trierischen und Kölnischen, so- wie die reichsstädtischen Reichstagsakten zum Zweck der Ergänzung oder nochma- liger Vergleichung der schon früher ge- fertigten Abschriften herangezogen werden. Dr. Herre hofft der nächsten Plenarver- sammlung Vorschläge über Disposition und Umfang des Bandes, sowie über etwa noch erforderliche Archivreisen unterbreiten zu können. Für den IV. Band der Reichstags- akten, jüngere Serie, haben Dr. Wrede in Güttingen und sein inzwischen ausge- schiedener Mitarbeiter Dr. Fueter den grussten Teil der vorbereitenden Arbeiten zu Ende gebracht, sodass vermutlich noch im kommenden Jahre der Druck beginnen kann. Das unter Leitung von Bezolds ge- stellte Unternehmen, „Herausgabe süd- deutscher Humanistenbriefe**, konnte auch im abgelaufenen Jahre nicht erheblich gefördert werden. Professor Bauch in Breslau nahm im Sommer 1901 die Kollationierung der Freiburger Ab- schriften der Celtiskorrespondenz mit dem Originalkodex der k. k. Hof bibliothek in Wien vor und gewann ausserdem für die Edition wertvolles Material aus den Akten der Wiener Universität und in Kloster- neuburg. Der Herausgeber glaubt den Briefwechsel des Celtis im Sommer 1903 druckfertig vorlegen zu können. Dr. Emil Reicke in Nürnberg ist erst jetzt in die — 189 - — 190 - Lage gekommen, seine Arbeiten für die Pirkheimerabteilung wieder aufzunehmen und beabsichtigt in diesem Spätsommer einen kurzen Besuch der Bremer Stadt- bibliothek. E. Toelpe, der die Vorar- beiten für die Peutingerabteilung über- nommen hatte, ist in der Zwischenzeit erkrankt und gestorben ; es wird sich also zunächst darum handeln, für die genannte Abteilung eine geeignete Kraft zu gewinnen. Für den dritten und letzten Band der zur Gruppe der älteren pfälzischen Abteilung der Witteisbacher Kor- respondenzen gehörigen Briefe des Pfalzgrafen Johann Kasimir hat von Be- zold noch zahlreiche Ergänzungen für die letzten Regierungsjahre aus den Ar- chiven zu Dresden, Wiesbaden, Berlin, München, Lauck (gräflich Dona'sches Ar- chiv) und Köln, sowie aus der Münchener Staatsbibliothek gesammelt und eingefügt. Die Herausgabe wird noch im Laufe des Kalenderjahres erfolgen. Von den Witteisbacher Korre- spondenzen, jüngere Serie, befinden sich Band VIT, herausgegeben von Dr. Karl Mayr in München, und Band IX, heraus- gegeben von Professor Chroust in Würz- burg, im Druck. Wie der neue Leiter der Abteilung, Geheimrat Ritter, mitteilte, erstreckten sich die Studien seines Mit- arbeiters Dr. Goetz in München vorzugs- weise auf die in den Münchener Archiven und in den Kreisarchiven zu Bamberg und Würzburg verwahrten Akten der Bundes- tage der Liga aus den Jahren 1623 bis 1627 und auf die Korrespondenz zwischen Kurfi'irst Maximilian I. und Tilly, welche fast lückenlos von Woche zu Woche vorliegt und einen genauen Einblick sowohl in die Kriegsuntemehmungen und die jeweiligen Zustände des Heerwe- sens, als in den Charakter Tillys und in sein Verhältnis zum Kurfürsten ge- stattet. Eine ganze Reihe von Fragen lassen sich an der Hand dieser Schreiben nunmehr beantworten: inwieweit Maxi- milian die Oberleitung für sich ausschliess- lich in Ansprach nahm und von München aus die Operationen des Heeres bis ins kleinste zu leiten strebte, wie Tilly — im ganzen höchst gefügig — zeitweise doch auf eigene Verantwortung handelte und dabei nicht immer die Zustimmung des Kurfürsten fand u. s. w. Das Hinüber- tragen des Kriegs nach Niederdeutschland, der erste Angriff auf Christian von Anhalt lassen sich nach diesen Briefen genau ver- folgen; Tillys Übergehen zur Offensive erklärt sich aus allgemein politischen und aus militärischen Rücksichten soweit, dass man auch hier von einer Schuld frage besser absehen wird. Die beiden genann- ten Materialserien sind für die Jahre 1624 bis 1627 noch fast unbenutzt und werden einen Grundstock für die herauszugebende Sammlung sein. Die weitere Arbeit wird der Aufhellung der Politik des Kurfürsten von Bayern, sowie der Politik der anderen vornehmeren katholischen verbündeten Fürsten zu gelten haben. Über die Quellen und Erörterun- gen zur bayerischen und deutschen Geschichte, Neue Folge, Abteilung Ur- kunden, wurde von Professor vonRiezler Bericht erstattet. Dr. Bitterauf hat im verflossenen Jahre die Bearbeitung der Traditionen des Hochstifts Freising soweit gefördert, dass das Manuskript des ersten Bandes bis auf einen Teil der Einleitung druckfertig vorliegt. Die Freisinger Tra- ditionen werden voraussichtlich zwei Bände im Umfang von je 50—60 Bogen bean- spruchen. Viel Zeit hat noch die Durch- sicht der Kopialbücher und Freisinger Ur- kunden bis 1400 im hiesigen Reichsarchiv und die Prüfung der Handschriften auf der Staatsbibliothek erfordert, ohne dass die Ausbeute eine erhebliche war. Die grösste Sorgfalt wurde auf die Bestimmung der Ortsnamen verwendet. Die Einleitung soll in den ersten drei Kapiteln Rechenschaft über die befolgten Editionsgrundsätze, Be- schreibung und Geschichte der Hand- schriften und eine vollständige Spezial- diplomatik nebst Chronologie bringen. Das vierte Kapitel wird aus dem gebotenen Material die Ergebnisse für eine Wirt- schaftsgeschichte ziehen. Für die Register sind bereits bedeutende Vorarbeiten ge- macht. Der zweite Band, der besonders für die Geschichte der bayerischen Adels- geschlechter vieles Nene zu bieten vermag, wird dem ersten sofort folgen können. - 191 — Über die Abteilung „Bayerische Lan- deschroniken'^ berichtete der unter- zeichnete Sekretär. Vom I. Band, der die sämtlichen Werke des Andreas von Regens- burg umfasst und von Bibliotheksekretär Dr. Leidinger bearbeitet ist, Hegt schon eine grössere Anzahl Bogen im Reindruck vor; die Veröffentlichung wird noch im - 192 — laufenden Kalenderjahre erfolgen. Daran wird sich zunächst die Chronik des Hans Ebran von Wildenberg reihen, deren Text Professor Dr. Friedrich Roth in Augs- burg bereits druckfertig hergestellt hat. Sodann soll die Chronik des Ulrich Fuetrer folgen, deren Herausgabe Professor Dr. Spill er in Frauenfeld übernommen hat. Ein interessantes kulturelles Bild unserer Zeit bietet eine Sammlung alter sogen. Reklame- u. Propagandamarken von Ausstellungen, Jubiläen, Festen, poli- tischen Ereignissen u. dgl., von der ein- fachsten bis zur hochkunstlerischsten Aus- führung. Probekollektion: 100 versch. 1 Mk., 200 versoh. 3 Mk. ico. A. Gerhftnser, Gautzsch bei Leipzig. Komische Mttnzen. Habe eine Anzahl schöner l>enare9 darunter seltene, sowie einige bessere lilross-BronBeii billig abzugeben. C. Stedtfeld, Köln, K. Wilhelm Ring 8. Waffensaminlera u. z. Deko- ration empfiehlt Milit- Waffen u. Ausrüstungsstücke aller Zeiten u. Länder. Verl. Sie Specialpreisl. 5. C. Loll, GrUnberg 1. Schi. 47. G. 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Jahrgang XXI, Nr. 12. 1902. Dai KorretpondensbUtt enohelnt in einer Auflage ron 8000 Exemplaren. Inserate k S6 Pfg. f&r die gespaltene Zelle werden ron der Yerlagehandlnng und allen Inseraten-Bureant angenommen, Beilagen ii*oh Uebereinknnft. — Die Zeitsehrift erscheint Tierteljfthrlioh, das Korrespondensblatt monatUolL — Abonnemontspreis 16 Mark fflr die Zeitsohrift mit Korreepondensblatt, fttr letsteres allein 5 Mark P^^ Beitri^ für die TorrOmisohe und rOmisohe Abteilang sind bis auf weiteres an Dr. Lehner (Bonn, ProT.-Musenm), fQr' Mittelalter and Neaseit an Prof. Hansen (Köln, Btadtarchir) sa senden. Neue Funde. 35. Ein steinzeitliches Qrabfeld bei Möls- heim. (Periode der Glocken- oder Zonen- becher). Im Frühjahre dieses Jahres ent- deckten wir bei Mölsheim im Pfrimmthale einen zweiten neolithischen Wohnplatz mit Spiral-Mäanderkeramik. Als wir bei Gelegen- heit einer 14tägigen Ausgrabung daselbst in der Gemarkung Mölsheim Umschau hielten nach etwa noch anderswo sich zeigenden Fundpl&tzen, erfuhren wir, dass im Laufe des Winters unweit des oben erwähnten Wohn- platzes ein Grundstück zu Weinberg um- gerodet ^worden sei, bei welcher ^Gelegen- heit Scherben zum Vorschein gekommen wären. Bei genauerer Nachforschung er- hielten wir die Gewissheit, dass es sich um ein Grabfeld handeln müsse und zwar um eines jener Periode der Glocken- oder Zonenbecher, über welche man noch sehr mangelhaft unterrichtet ist. Der Besitzer gab nämlich auf Befragen an, dass er beim Kodeu und Steinausbrechen zwei Skelette mit Gefässen angetrofien habe, von welchen bei dem einen Skelett zwei, bei dem an- deren eins gefunden worden seien. Während die beiden ersteren Gefasse, weil zer- brochen, nicht weiter beachtet wurden, war das letztere noch ziemlich gut erhal- ten geblieben und deshalb aufbewahrt wor- den. Es ist ein ziemlich grosser, dickwandi- ger, nur mit einfachen, parallelen Linien ver- zierter Zonenbecher, den leider der Finder nachträglich noch einmal fallen Hess, wobei er in Stücke gegangen ist, die jedoch wie- der zusammengesetzt werden konnten. Wir suchten nun um die Erlaubnis nach, noch- mals genauere Nachforschungen anstellen zu dürfen, welche auch schliesslich nach längeren Verhandlungen, weil das Einsetzen der Weinreben unmittelbar bevorstand, erteilt wurde. In dem umgerodeten Grund- stücke war nun zwar kein Grab mehr zu entdecken, weil dasselbe schon tief durch das Steinausbrechen durchwühlt worden war, dagegen gelang es an der Grenze, nach dem Nachbargrundstücke hin, ein weiteres Grab aufzufinden. Nachdem auch der benachbarte Besitzer seine Erlaubnis erteilt hatte, konnten wir an die Auf- deckung des Grabes herantreten. Es zeigte sich, dass dasselbe, ebenso wie die beiden anderen Gräber, durch eine mit grösseren und kleineren Steinen erfüllte, ausserordent- lich feste Erdschichte hindurch getrieben war, so dass es unbegreiflich erscheint» wie diese Neolithiker mit ihren dürftigen Geräten diese Steinmasse, die unseren Arbeitern viel Seh weiss kostete, durch- arbeiten konnten. Es ist aber sehr wahr- scheinlich, dass sie absichtlich diese Stelle zu ihren Begräbniäseu auswählten, um die Toten vor Beraubung zu sichern, denn nur wenige Schritte davon entfernt, findet sich ganz steinloser, leicht zu bearbeitender Boden, Es geht das auch aus dem Um- stände hervor, dass man das Grab wieder mit demselben Steinmaterial, welches dabei - 195 — zum Voracheia kam, »ufgelüllt bat, so da«a die Stelle sich von der andercD, sie am- gebenden Erde, Dicht untergchied. Trotz- dem hatt« man dea Toten selbst mit reiner, steinfreier Erde etwa 30 cm hoch über- deckt. Das Qrab war im Oegeasatz zu den Orftbern der anderen steinzeitlichen Perioden, nun entlich den Hockern der Spiral- Mianderker&mik, sehr geräumig an- gelegt, es war 2,80 m lang, 1,16 m breit nnd 1,30 ta tief. Es war genan lon Nord nach Sad gerichtet und das Skelett lag mit dem Kopf nach Süden, direkt vor der Östlichen Wand de* Grabes, an daas zwi- schen ihm nnd der westlichen Wand noch Verhältnis mlosig viel Raum Qbrig blieb. Es stellt dal typische Bild eines sitzen- den Hockers dar, des ersten, welchen wir bis jetzt in onserer Gegend angetroffen haben, wäh- rend bekanntlich dieGrab- felder der Spiral- Mlaoder- keramik und der fi iibesten Bronzezeit nur liegende Hocker enthalten. Dass der Tote in sitzender Haltung beigesetzt worden sein muss, kounie man sofort nach der Freile- gung des Skelettes erken- nen. Das Becktn ist näm- lich wag recht auf den Boden aufgesetzt und bat auch seine ursprüngliche Haltung bei heb alten, wäh- rend der Oberkörper in toto durch nacbirligliches Setzen der ihn eiubüllen- den Erdmasse um mehrere Centimeter nach rerlits verschobeu wurde. Forner sind die beiden Oberschen- kel infolge ihrtr Scbwpre aus ihrer Verbindung mit dem Becken herausge- fallen und haben sich narh unten gesenkt, der rechte in bOherem Masse als der linke. Wäre das Skelett als liegender Hocker bestat- tet worden, so könnte das Becken nicht wagrecht im Grabe ruhen, mOsste viel- mehr hochkant gestellt sein, so dass die - 196 - rechte Darmbeiuscbaufel nach unten, die linke nach oben zu liegen gekommen w&re , ausserdem konnten die beiden Oberschenkelköpfe nicht aus dem Becken herausgefallen, sie mtissten vielmehr darch den Druck der Erde noch tiefer in du- selbe eingepretst worden sein. Ferner hüte der Oberkörper nicht ron dem Becken abgeschoben werden können. Das Skelett mass in der Linge 1,56 m und dürfte, der Breite des Beckens und der geringeren Stärke der Knochen wegen, einer Frau angehört haben, obwohl sine genauere Bestimmung noch aussteht. Die eigentümliche Haltung der Anne und der Hftnde liest darauf schliessen, daas es ehemals einen Gegenstand in den Hlnden hielt, der, weil vergänglicher Natar, voll- stftndig verschwunden ist. Neben der linken Hand lag ein kleiner Schaber aus Feuerstein, von der Form der querschnei- digen Pfeilspitzen, nnd an der linken Htifie stand ein grosser, dünnwandiger Zonen- - !97 - , becbec, welcher r«icb mit verGchieiteuen Mustern veraiert ht und einen glJlDzend Bcbwarieo, laekartigen Überzog trligt, der ftii rerschiedenen Stellen noch erhalten ge- blieben ist. Was die anderen bisher bekannt ge- wordenen Gr&ber dieser Periode anbe- trifft, so wurden die meisten derselben in Deutschland und auch in Böhmen Kof zu- fällige Weise Ton Arbeitern entdeckt und auch zum Teil zerstört, so daaa hm keinem, meines Wissens, eine facbwissenscbaniicbe Untersuchung oder gar eine photograpb- ische Aufnahme ndglich gewesen ist. Ob als Bestattuogsart in dieser Periode durch- weg der Hocker im Flachgrabe erscheint, ob immer als sitzender oder auch als liegender, darüber ist auch Nichts bekannt und so dürfte denn die fernere Ausfaentuag unseres Orabfeldes, auf welchem 2 weitere Gräber bis jetzt bestimmt nachgewiesen sind, die der Ausgrabung harren, noch weitere interessante Aufschlüsse erhoffen lassen. Dr. Eoehl. 16. RSmlsoher Kellernind bei Hedderaheim. Im Frühjahre 1697 stiess ein Heddern- heimer Einwohner beim Durchgraben seines Ackers (Parzelle 740) im westlichen Be- reiche der romischen Stsdt zwischen Hed- dernheim nnd Praunheim auf die Spuren eines Gebäudes. Zunächst trat eine etwa 70 cm starke Schicht zerschlagener und fenergeschw ärzter grosser Schieferplatten zu Tage, darunter fand sich eine Trüm- mermasse von verkohlten Holzbalken, Zie- geln, Estrichs tu cken und Lehmpatzen, ofTen- bar die Reste einea durch Brand zerstörten und eingestürzten römischen Fachwerk- baues. Die Fundstücfce lagen in dem Keller des Gebäudes, ungefähr 1,10 m unter dem jetzigen Niveau der Ackeroberfläche, Situa- tion und Masse dieses Kellers giebt die folgende SkizEe ; wie weit derselbe sich noch in den Nachharacker 739 erstreckt, konnte vorläufig nicht festgestellt werden. Die punktierte Linie bezeichnet den südlichen Rand der römischen Strasse, die von dem Nordwestthore der Stadt (XV auf Wolffs Plan) nach der porta principalis sinislra des Kastells zieht. Vermutlich hat 11 FddBP); T- sich die HausQucht nach der Strassenflucht gerichtet, wenn auch die Situation des Kellers, wie öfters, von dieser abweicht. Übrigens muss bei dieser Gelegenheit be- merkt werden, dass die Einmesaung des Grundrisses nicht nach Autopsie, sondern nur nach den Angaben des betr. Acker- besitzers erfolgen kannte, kleine Ungenauig- keiten also nicht ausgeschlossen sind. Der Keller war nicht gemauert, son- dern in den Boden geschachtet und jeden- falls mit einer Balkendecke versehen, deren verkohlte PfostentrUger sich teilweise noch vorfanden ; der Boden war festgestampft und mit feinem Sand beschüttet. Darin Sassen noch in situ die Unterteile von sechs grossen Thonamphoren, wah- rend die oberen Hälften, durch das nieder- stürzende, brennende Gebälk zertrümmert, ringsum lagen. Vier dieser Geisse konn- ten vollständig, zwei fast vollständig wie- der zusammengesetzt werden. Sie variieren nur wenig in Form und Höhe (69—78 cm) und haben einen durch echnittlichen Um- 199 - fang von 1,75 m. Den — allen gemein- samen — Typus zeigt vorstehende Ab- bildung. Nach typologischen Kriterien sind die Gefässe relativ spät, etwa um 200 n. Chr., zu datieren. Mit diesem zeitlichen Ansatz stimmen sehr gut die mitgefundenen Mün- zen überein. Ein Mittelerz des Traian (Cohen ' 639) kommt für die Datierung nicht in Betracht, wohl aber ein Grosse rz^) des Sept. Severus (nicht in Cohen') und ein Denar der Julia Mamaea (Cohen« 81). Ausser den Amphoren und Münzen barg der Keller ferner einen ganz erhaltenen (s. Abbildung) und einen fragmentierten, flachen , scheibenförmigen Amphoren- deckel aus grobem, grauem Thone, von 20 cm Durchmesser, behufs bequemerer Handhabung mit einem Loch in der Mitte versehen; eine Bronzefibel von 6 cm Länge aus einfach gewundenem Draht mit Doppelspirale und ein balbkugelförmiges massives Bleigewicht (1620 Gramm) mit Eisenring an eingelassener Eisenöse und dem eingeschnittenen Zahlzeichen V *). Der Durchmesser der Standfläche beträgt 9 cm, die Höbe (ohne Ose und Ring) 4 cm. Die Henkel der Amphoren tragen keine Stempel, auch aufgemalte Zeichen fanden sich beim Reinigen nicht, dagegen einige Graffite, sämtlich nach dem Brande ein- geritzt : 2) Es bandelt sich hier um eine mit dem Stichel nachgearbeitete Überprägung, wodurch namentlich die Reverslegende sehr undeutlich ist. Die ursprüngliche Umschrift der Vorder- Seite begann, wie es scheint, mit IMP * • -; jetzt lautet siei L. SEPT. SBV. P[ERT] • • • [IMP.] vni. Brustbild des Kaisers mit Lorbeerkranz, in' Fan- zer, nach rechts. Rv. Die Buchstaben der frühe- ren Umschrift lassen sich zwischen denen der Überprägung z. T. noch in Spuren erkennen, ergeben aber keinen Sinn. Die jetzige Umschrift heisst wohl LIBERTAS A[VGVS]T • • • S. C. Dargestellt ist eine stehende Figur, die in der erhobenen Linken (der Unterarm ist einem Füll- horn zum Verwechseln ähnlich) ein kaum mehr sichtbares Scepter hält; das Attribut des vorge- streckten rechten Armes (die Mütze) ist voll- ständig aufgegangen in Resten des ersten Stem- pels, die vielleicht als Steuerruder zu deuten sind. 8) Also wohl 5 Pfund; danach würden sich für das Pfund 324 Gramm ergeben, d. h. — vermut- lich infolge Abnutzung und Verwitterung — etwa 3Vt Gramm zu wenig. A - 200 - auf dem Bauch, ziemlich hoch oben, kräftig, PP^ auf dem Bauch, ebenso, nur schwach eingeritzt, auf Hals und Schulter sehr kräf- QV tig eingeritzt und auf der Äb- VRSVlL bildung infolge weisser Ausma- lung erkennbar. Zwischen Q und VJst.kein Interpunktions- zeichen ; ob trotzdem Quinti Yalerii Ursuli oder etwa Quintii^Ursuli zu lesen ist, bleibe einstweilen dahingestellt. Der Name Ur- sulus findet sich in der Rheingegend zwar nicht ausschliesslich, aber besonders häufig; demnach sind vielleicht — unter Einschie- bung einiger noch näherer Untersuchung bedürfender Zwischenstufen — Namen wie Ober-Ursel und Niederursel damit in Ver- bindung* zu bringen. Der ganze Kellerbefund befindet sich jetzt im städtischen historischen Museum (Inventarnummern 18036 ff.) zu Frankfurt a. M. Dr. F. Quilling. Ausgrabungen bei Haltern. Im August, 87. September und Oktober 1902 wurden die Untersuchungen der Römerstätte bei Haltern durch die Westfälische Altertumskommis- sion mit Unterstützung des Archäologischen Instituts unter der Oberleitung der Herren Conze und Philipp! fortgesetzt. Auch der zum 1. Oktober ernannte Direktor der Kommission für römisch-germanische For- schung, Herr Prof. Dr. Dragendorff, nahm längere Zeit an den Aufdeckungen Teil. £a wurde an zwei Stellen „im grossen Lager'' durch Herrn Oberstleutnant 0. Dabm (Berlin) und am „UferkastelP durch Herrn Professor Dr. Koepp (Munster) gleichzeitig gearbeitet. Für die aufder Ostfront des „grossen Lagers'' vorgenommenen Untersuchungen waren als Aufgaben ins Auge gefasst: 1) Die Feststellung der Thore in den dort von Herrn Dahm im Yoijahre nach- gewiesenen beiden Umfassungslinien, 2) die Klarlegung ^ der Anlage der Befestigung im Einzelnen d. h. der Bauart des Wal- les hinter dem schon im Vorjahre nach- gewiesenen Doppelgraben, sowie Feststel- lung etwa in diesen Wall eingebauter Türme oder kasemattenartig angelegter Einbauten in den Wall, 3) wennmög* 201 Thon ausgekleidet encfaien, mehrere un- mittelbar hinter dem Walle errichtete Holzbaraeken, deren eine sich wegen der darin entdeckten gr6sBereu HeedranUge als Kochbaracke anzusehen sein wird, eo- lich Festalellung der ostwkts aus dem Lager hinausführenden Strasse. Die Ostfront des Lagers wurde des- halb untersucht, weil an ihr allein die weitere filtere Umfassungslinle nicht durch den späteren Umbau zerstört war, _ weil femer die Hoffnung bestand, durch Aufsuchung der Thoranlagen in den beiden ziemlich parallel , gehenden WallzSgen die Strasse mit grösserer Sicherheit feststellen zu können, einer Strasse, welche als die bislorltch wichtigste angesehen werden musste, weil sie in das freie Germanien führte. Der Nachweis der Thoranlagen ist an den Ton Torn herein da^r etwa in der Mitte der Wallzüge vermuteten Stellen \ fiYgf ff f I fti ff f *"- BvlUeTCAltclU, gelungen, insbesondere wurde an der C-M-taas^-n«. 3>. Jt»«Ü; Halt«T»W inneren jaogeren Umfassung die den ' n jftDgeren Umfassung d Graben unterbrechende Erdbröcke festge- stellt. Auch sind deutliche Spuren von Holzbaaten, welche zum Schutze der Aus- ginge angelegt waren, gefunden worden, deren Deutung nnd Bekonstraktion im Ein- zelnen jedoch erst von der Bearbeitung und sorgßlltigen Erwägung des Zusammen- hanges der Spuren zu erwarten ist Ferner wurde die schon im Vorjahre gemachte Beobachtnng bestätigt, daaa zur Stütze des Walles eine Holzkonstruktion diente, sowie festgestellt, dass an mehreren Stel- len in ihm selbBiäodige Bauten, welche als Uaterkuofcsräume für die Wacht- mannschaften oder als Qeschützatände anggedeutet werden , vorhanden waren. Des Weiteren ist es sehr wahrschein- lich gemacht, dass tarmartige Anlagen, zur Beherrschung des Grabens in den- selben vorspringend, anzunehmen sind. Die in dem sandigen fioden gaoz besonders schwierige Verfolgung der Strasse nach Osten ausserhalb der Umwallnng hat in diesem Jahre noch nicht ausgeführt wer- den können. An baulichen Anlagen, welche hei diesen Arbeiten mitaufgedeckt wurden, scheinen bemerkenswert: ein grosser sehr rationell angelegter Entwässerongsgraben, welcher in der Thoranlage des älteren Eastells mündete, eine cisteraenartige Grube, die unten mit undurchlässigem wie Gruben mit Wurfgeschossen; in einer derselben wurden mehrere Tausend Bolsen, die wohl in Wurfmaschinen Verwendung finden sollten , aufgefunden. Auch im übrigen hat Herr Dahm sehr interessante Einzelfunde gemacht, die von neuem nn- widersprecblich beweisen, dass die aufge' deckten Anlagen römisch sind tud insbe- sondere der angusteischen Zeit angehören. Die von Herrn Professor Koepp an dem von ihm im vorigen Jahre aufgedeck- ten üferkastelle geleiteten Arbeiten führten zur Feststellung mehrerer zeitlich einander ablösender Befestigungsanlagen, die sich in ihren Wällen und Gräben mehrfach durchschneiden. Herr Koepp stellte dabei die Spuren des Holzgerippes für den Wall unzweifelhaft fest, so dass für diese An- lage die Bauart des Walles ziemlich klar zu erweisen ist. Auch einfache Thoran- lagen wurden durch die Unterbrechung der Gräben nachgewiesen. Am wichtigsten, wenn auch hinsichtlich seiner Bedeutung noch nicht endgültig aufgeklärt, erscheint die Entdeckung einer hart am alten Lippe- ufer gelegenen sehr kleineu Befestigungs- anlage innerhalb der grässeren Es wird vermutet, dass hier der Brückenkopf des Lippeübergangs gefunden sei. Eine Kacb- prUfung dieser Vermutung durch Pntersu- cbungdes vorliegeöden iJippebettes musste jedoch für dieses Jahr ausgesetzt werden. ~ 203 - Die an dieser Stelle gemachten Einzel- funde waren erheblich geringer an Zahl and Bedeutung, als die im „grossen Lager" aufgedeckten, genügten jedoch vollkommen, um den römischen Ursprung auch 'dieser Anlagen mit positiver Sicherheit erkennen zu lassen. Erwähnenswert] möchte er- scheinen eine Holzbaracke mit einer Vor- ratsgrube, welche Reste zahlreicher Am- phoren enthielt, sowie wieder eine ein- geritzte Inschrift auf einem Amphoren- bruchstück, welcher jedoch leider eine Jahresangabe nicht entnommen werden konnte. Am Uferkastell sind die Gräben an einigen bezeichnenden Stellen, an denen z. B. deutlich zu sehen ist, wie die Grä- ben sich durchschneiden, die Thoranlagen, sowie das ganz kleine Kastell nicht wieder zugeworfen, sondern offen gehalten Münster. Philippi. Chronik. 88. Als erster Band der von Erneet Lavisee herausgegebenen Histoire de France ist von Professor G. Bloch in Lyon ein Werk erschienen, das die Urzeit, das un- abhängige und das römische Gallien be- handelt, also bis zum Schluss des vierten nachchristlichen Jahrhunderts führt. (Paris, Librairie Hachette, 1901, 451 S.). In die bei aller Knappheit zuverlässige und um- fassende Darstellung sind ganz folgerich- tig auch die germanischen Provinzen des römischen Reiches einbezogen. Allen, die sich im Zusammenhang über den bedeut- samen Einfluss unterrichten wollen, den Gallien als Vermittler römischer Kultur auf die Rheinlande geübt hat, wird das vortreffliche Buch willkommen sein. Mit der Frage, in welchem Umfang römisch- rechtliche Einrichtungen im Frankenreiche fortgedauert haben, ist ja die Forschung neuerdings wieder lebhaft beschäftigt; Blochs Werk wird dazu beitragen können, sie auf den richtigen Weg zu führen. 09^ Der zweite Band von Henri Pirennes Geschichte Beiglena (Gotha, F. A. Perthes 1902, 595 Seiten), wie der erste von Fritz Amheim nach dem französischen Manu- - 204 - skript verdeutscht, fuhrt in lebendiger und anziehender Darstellung bis zum Tode Karls des Kühnen (1477) herab. Das erste Buch schildert Fürsten and Städte im 14. Jahrhundert, das zweite und dritte das Werden und Wesen des burgandischen Staates. Ftkr die sozialen Kämpfe der früheren Zeit war eine Vorarbeit in dem Werke von L. Vanderkindere : Le si^cle des Artevelde (Brüssel 1879), für die burgundische Periode .eine Vorarbeit in P. Fredericqs Essai sur le röle politique et social des ducs de Bourgogne dans les Pays-Bas (Gent 1875) gegeben. Gegenüber Wenzelburgers 1879 erschienener Gre- schichte der Niederlande ist ein tieferes Eindringen in die wirtschaftlichen Ver- hältnisse, die zum Teil nach ungedruckten Quellen geschildert werden, and eine in wesentlichen Punkten abweichende Beur- teilung der burgundischen Herrschaft her- vorzuheben. Die chronologischen Tabellen im Anhang, die über die verwickelten dynastischen Verhältnisse orientieren, und namentlich die von Pirenne selbst ent- worfene Karte der Niederlande am Ende des 14. Jahrhunderts bilden eine willkom- mene Zugabe des überaus lesenswerten Bandes, der sich seinem im Korrespondenz- blatt von 1899, Sp. 63 f. von mir ange- zeigten Vorgänger würdig anschliesst. Pirenne selbst hat als Vorstudie zu seinem Werke unter dem Titel Le sou- l^vement de la Flandre maritime de 1323—1328 (Bruxelles 1900) ein sehr interessantes Quellenmaterial mit ausführ- licher Einleitung veröffentlicht, auf das hier nachträglich hingewiesen sei. Es be- trifft den furchtbaren Aufstand der west- flandrischen Bauern, der nach fünQähriger Dauer durch die Schlacht von Cassel end- giltig unterdrückt wurde. Er hatte, ob- wohl durch politische Verhältnisse hervor- gerufen, einen ausgesprochen socialen Charakter; es war der durch commu- nistische Ideen genährte Versuch einer starken und gesunden bäuerlichen Bevöl- kerung, den Adel zu vernichten und die Verpflichtungen gegen die ^Kirche 'abzu- schütteln. Die sociale A Lage, der Aufstän- dischen, die sich grösstenteils aasj kleinen Eigentüm.ern und freien Pächtern zusaui> - «5 - - 206 - mensetztcn und keineswegs etwa wirt- schaftlich rainiert waren, erhellt aufs Klarste aus dem Livre des Inventores des hirritages des Flamencs qui fnrent tueys en la bataelle de Gassei, der den grössten Teil der Publikation bildet. Die Liste y erzeichnet das Eigentum, insbesondere den Qrundbesitz jedes Gefallenen, um als Grundlage für die Güterconfiskationen dienen zu können, die mit grosser Strenge durchgeführt wurden. Angaben einheimi- scher Kommissare sind von dem Lombar- den Van Guy, der in der Finanzverwal- tung des französischen Königs thätig und dem Bevollmächtigten desselben beigegeben war, zusammengestellt und bieten eine ganz einzigartige statistische Aufstellung über mittelalterlichen Grundbesitz. Köln. Dr. 0. Opp ermann. Vereinsnachrichten unter Redaktion der Vereinsvorstände. gQ^ Fraikfiirt a. M. Verein für Ge- schichte und Altertumskunde. In der ersten Sitzung am 16. Oktober hielt Herr Rechtsanwalt Dr. A. Dietz einen Vortrag über das Frankfurter Zinngiessergewerbe und seine Blüte- zeit im 18. Jahrhundert. Die Aufmerk- samkeit des Vortragenden war auf diesen Gegenstand durch die grossen Vermögen, welche eine, Reihe von Zinngiessem, so Hermann Jakob Goethe des Rats f 1761, Georg Klingling des Rats f ^^^^ u°^ sein Bruder Adrian Klingling besessen hatten, und durch das häufige Vorkommen von Zinnsachen aus diesen grossen Werk- stättQn gelenkt worden. Vor dieser Zeit ist das Gewerbe in Frankfurt nicht von Bedeutung gewesen und hat an dem Auf- schwung, welcher zur Renaissancezeit durch die prächtigen Edelzinnarbeiten eines Fran- Qois Briot zu Montbäliard und seines Nach- ahmers, des Caspar Enderlein zu Nürn- berg, repräsentiert wird, keinen Anteil genommen. Die Gewinnung und Verar- beitung des Zinnes für menschliche Ge- brauchszwecke, teils rein, teils mit Blei oder mit Kupfer (als Bronce) vermischt, reicht in die prähistorische Zeit zurück. Zur Rumerzeit war Marseille der Haupt- stapelplatz für dieses Metall, welches aus Indien, Cadiz in Spanien und namentlich aus Cornwall kam. Der Bedarf steigerte sich erheblich seit dem Aufkommen der Glocken- und später auch der Kanonen- giesserei. Der Zusammenhang dieser Giesserei mit der Zinngiesserei erhielt sich noch lange, so in Böhmen und auch in Frankfurt, wo sich 1470 der Glocken- und Kanonengiesser Martin Moller dem Zinngiesserhandwerk anschloss. Das Auf-V kommen des Gewerbes in den deutschen Städten fällt in die allgemeine Entwick- lungszeit der bürgerlichen Gewerbe. Es wurde ermöglicht und gefördert durch die Entdeckung von Zinnlagem zu Graupen und Schlacken walde im Erzgebirge, denen sich im 15. Jahrhundert die sächsischen Bergwerke anschlössen. In Frankfurt wird zuerst im ältesten Steuerbuch des Jahres 1320 ein Johannes Kannengiesser, 1324 daneben ein Hertoicus als Kanngiesser ge- nannt. Bis zum Jahr 1354 werden bereits vier Meister und eine Meisterswitwe er- wähnt. Seitdem erhielt sich ihre Zahl bis Ende des 17. Jahrhunderts meist zwi- schen 5 und 8 Meistern, welche zwischen dem Hainerhof und der Fahrgasse in der nach ihnen benannten Kanngiessergasse wohnten. Von ihren Arbeiten im Mittel- alter werden grosse ausgebauchte Maass- und Schenkkannen, Viertelmaasskannen, Fläschchen, grosse geschlagene Schüsseln und Kumpen, Platten und Teller erwähnt. Das älteste erhaltene Stück im Frankfur- ter städtischen Museum ist ein Becher vom Jahr 1613, mit dem Frankfurter Adler gestempelt. Das Handwerk gehörte dauernd zur grossen Schmiedezunft, welche alle (14) Feuerhandwerker umfasste. Die Gesellenverhältnisse (Umschau und Schank) waren nach dem Muster der Nürnberger Ordnung durch 10 Artikel vom 11. De- zember 1595, die mehr äusseren Angelegen- heiten durch die Ordnung vom 29. März 1614 nebst Ergänzung vom 17. Januar 1713 geregelt. Auf vier Pfund Zinn durfte seit alten Zeiten nicht mehr wie 1 Pfund Blei — s. g. Frankfurter Probe — zuge- setzt und nur das probemässige Zinn mit dem Frankfurter Adler, später mit einem F gestempelt werden. Seit 1700 stieg di — 807 — Zahl dor Meister rasch von acht auf dreissig, von welchen einige 6 bis 8 Ge- sellen hielten und ausschliesslich für den Export arbeiteten. Die Güte ihrer Ware bestand in der geschmackvollen feinen Verarbeitung des ganz reinen (s. g. eng- - 408 - lischen), glänzenden Zinns. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sank das Geverbe durch die Konkurrenz der Porzellan- und Fayencefabriken wieder allmählich zu seiner früheren Bedeutungslosigkeit zurück. m Wir kaufen und bitten um Angebot mit Preis- forderung : Englische <9mi> <99^ Radiernngen Holzschnitte <99i^ alter Meister wie Schongauer, van Mecken, Dürer, Cranach, Beham, Aldegrever, Alt- dorfer, Rembrandt, Ruisdael, Ostade, van Dyck u. a. Die kgl. HQfkunsthandlung "von V^wsler % Berlin W.» BehreoMtrasse 39 a« Römische Münzen. Habe eine Anzahl scliöner DenarCy darunter seltene, sowie einige bessere OroBS- Bronzen billig abzugeben. C- Stedtfeld, Köln, K. Wilhelm Ring 8. Soeben erschien, bei uns und ist darcb alle Buchhandlungen zu beziehen: Die Feidziige des Germanicus in Deutschland vpn Otto Dahm, Oberstleatnant a. D., mit 2 Anlag«!! und 4 T«xtflffiireB. (Zugleich Ergänzungsheft XI der westd. Zeitschrift für Geschichte und Kunst.) Preis 6 Mark. Verlagsbnchhandlaus Jacob Linfz in Trier. Q. 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Jacob LintB, Yerlagsbuctabandlung und Bnchdruckerei in Trier.